Covid-19-Uhr-Newsletter

Stu-stu-Studie

09.11.2020

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Liebe Leserinnen und Leser

Willkommen in der neuen Woche. Wir haben lange darauf gewartet und gehofft, den folgenden Satz in den Covid-19-Uhr-Newsletter schreiben zu können. Heute ist es so weit:

Der erste wirksame Impfstoff gegen das Virus scheint gefunden.

Konkret geht es um den Kandidaten der beiden Pharmafirmen Pfizer und Biontech. Sie haben heute gemeldet, dass ihr Impfstoff sehr gut vor einer Ansteckung schütze – und sogar deutlich wirksamer sei als gehofft.

Vorweg: Im Moment müssen wir uns dabei auf das Wort der Hersteller (sprich: die Medienmitteilung) verlassen. Es gibt noch keine überprüfbaren Daten. Die gross angelegte Wirksamkeitsstudie ist noch nicht abgeschlossen. Und die Forschung dazu, ob der Impfstoff auf längere Zeit gut verträglich ist, sowieso nicht. Trotzdem: Wenn sich diese gute Nachricht bestätigen sollte, dann beginnt heute, am 9. November 2020, ein neues Kapitel in dieser Pandemie.

Hier ist, was wir wissen, was noch unklar ist – und wie es jetzt weitergeht.

Was wissen wir? Derzeit wird der Impfstoff an 43’500 Menschen in sechs Ländern im Doppelblindverfahren getestet – und jetzt liegt das erste Zwischenresultat vor. Demnach ist die Impfung zu 90 Prozent effektiv. Das heisst, dass sich zwar auch geimpfte Personen angesteckt haben, aber viel weniger als in der Kontrollgruppe (die eine Salzlösung bekommen hat). Ausserdem wird die Impfung bis jetzt offenbar gut vertragen, es sollen keine schweren Nebenwirkungen beobachtet worden sein.

Es ist ein Zwischenresultat, weil sich insgesamt noch nicht genügend Testprobandinnen angesteckt haben, damit statistisch eindeutige Daten vorliegen. Pfizer wird ausserdem erst eine Zulassung beantragen, wenn Daten aus einer zweiten Studie zur Sicherheit vorliegen. Das wird wohl kommende Woche sein.

Wie funktioniert dieser Impfstoff? Er basiert auf einem experimentellen Verfahren, bei dem das Botenmolekül mRNA gespritzt wird. Dieses können Sie sich als Bauanleitung vorstellen für das Stachelprotein, mit dem Sars-CoV-2 an menschliche Zellen andockt. So können die Zellen das Protein selber herstellen und das Immunsystem darauf trainieren, es zu erkennen und Antikörper dagegen zu produzieren.

Bis jetzt ist noch keine Impfung dieser Art für Menschen zugelassen. Der Impfstoff von Pfizer ist aufwendig zu transportieren und zu lagern, weil er auf extrem tiefe Temperaturen hinuntergekühlt werden muss.

Was wissen wir nicht? Diese 90-prozentige Wirksamkeit ist noch nicht fix. Da die Studie zur Wirksamkeit noch weiterläuft, könnte sich dieser Wert verschieben. Es gibt noch keine öffentlich einsehbaren Daten. Und ob die Zulassungsbehörden nach einer kritischen Prüfung zum selben Fazit kommen werden wie die Hersteller, ist nicht garantiert. Wir wissen nichts darüber, wie lange die Impfung vor einer Ansteckung schützt. Und auch nicht, ob die Personen, die trotz der Impfung infiziert sind, ernsthaft krank wurden.

Was bedeutet das für die nächsten Tage und Wochen? Marie-José Kolly hat vor einigen Wochen einen Erklärtext darüber geschrieben, wie es jetzt weitergeht. Bis die Ärztin Ihren Oberarm pikst, wird es auf jeden Fall noch Monate dauern – mindestens. An Ihrem Alltag ändert sich darum erst einmal: nichts. Pfizer ist eine von zwei Firmen, die bei der Schweizer Zulassungsbehörde bereits ein Prüfverfahren beantragt haben. Es ist wahrscheinlich, dass zuerst die zuständige Behörde in den USA eine Entscheidung treffen wird, dann einige Wochen später die Schweiz. Dieses Jahr werden laut Herstellern weltweit Impfstoffdosen für etwa 25 Millionen Patientinnen verfügbar sein. Allein die EU-Länder werden wohl Dosen für 100 Millionen Menschen bestellen.

Kurz: Der Winter bleibt dunkel, aber die Aussicht auf den Frühling ist heute ein bisschen heller geworden.

Damit zurück in die Gegenwart.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

Der Kanton Tessin verschärft seine Regeln abermals. Neu gilt: Maximal 5 Personen bei privaten und öffentlichen Veranstaltungen sowie im öffentlichen Raum, inklusive Parks und Promenaden. Bei Begräbnissen und Hochzeiten sind höchstens 30 Personen erlaubt. Gruppensport ist für über 16-Jährige verboten. Die Regeln gelten vorerst bis Ende November.

Zusätzlich fordert das Tessin, der Bundesrat solle wieder die «ausserordentliche Lage» gemäss Epidemiengesetz einführen. Vergangene Woche tat das schon der Kanton Bern. Damit könnte der Bundesrat wieder mit Notrecht schweizweit einheitliche Regeln erlassen, ohne dass er die Kantone einbeziehen muss.

Dänemark schränkt das öffentliche Leben in Teilen des Landes ab heute massiv ein. Dies berichtet die Schweizerische Depeschenagentur. In sieben nordjütländischen Kommunen war es kürzlich zur Übertragung einer mutierten Virusversion von Nerzen auf Menschen gekommen – Ausgangspunkt waren grosse Nerzfarmen zur Fellproduktion gewesen. Nun werden alle Nerze im Land getötet, um die Wirksamkeit eines Impfstoffs nicht zu gefährden.

Für die Menschen in den betroffenen Gebieten heisst das: Der öffentliche Nahverkehr wird zu einem grossen Teil eingestellt. Schülerinnen werden ab der fünften Klasse nur noch aus der Ferne unterrichtet (zuletzt waren viele 10- bis 14-Jährige angesteckt). Alle Restaurants, Sport- sowie Kultureinrichtungen sind geschlossen. Die Bewohnerinnen wurden aufgefordert, einen Corona-Test zu machen und nicht im Land umherzureisen.

Die Fluggesellschaft Swiss bietet neu zwei spezielle Corona-Reiseversicherungen an. Zwar ist der Flugverkehr in diesem Jahr eingebrochen, wer aber dennoch das Flugzeug besteigen will oder muss, kann nun eine zusätzliche Versicherung lösen. Das Paket «Travel Care» beinhaltet eine Ausgleichszahlung, falls der Gast am Zielort wegen Covid-19 in Quarantäne muss. «Travel Care Plus» übernimmt zusätzlich die Kosten im Falle einer Erkrankung sowie eines notfallmässigen Rücktransports in die Schweiz. Dies vermeldete die Swiss heute.

Das neue Testzentrum auf dem Zürcher Kasernenareal ist seit heute in Betrieb. Wo sonst öffentliche Feste stattfinden und Comedyzelte aufgebaut werden, können sich Zürcherinnen von nun an testen lassen. Bereits am Freitag wurde auf dem Flugplatz Dübendorf ein Drive-in-Testzentrum eingerichtet. Da die Labors mit ihren Analysen nicht nachkommen und das nötige Material nicht ausreicht, werden bei den neuen Zentren Antigen-Schnelltests eingesetzt. Gemäss SRF sollen bis zu 1000 Personen pro Tag auf dem Kasernenareal getestet werden können.

Und zum Schluss: Long-Covid nicht zu unterschätzen

Einfach anstecken lassen und auf gut Glück durchstehen? Die Forschung sagt: lieber nicht – das sogenannte Long-Covid ist nicht zu unterschätzen. Wir haben es mit einem neuartigen Virus zu tun. Deswegen sind auch bisher kaum Studien über Langzeitverläufe und Spätfolgen erhältlich. Das Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich will mehr Klarheit schaffen und hat jetzt die ersten Resultate einer solchen Untersuchung vorgelegt, berichtete der «Tages-Anzeiger» heute.

Die Forscherinnen haben über 100 Personen, die in der ersten Welle krank gewesen waren, befragt: Rund ein Drittel der Personen gibt an, nach sechs Monaten immer noch nicht vollständig genesen und zurück zur Normalität gelangt zu sein. Vor allem bleierne Müdigkeit auch Monate nach der Ansteckung ist eine häufig auftretende Spätfolge. Fazit: «Klar ist, dass selbst junge, gesunde Menschen die Krankheit nicht einfach wegstecken.»

Bleiben Sie also umsichtig. Bleiben Sie freundlich. Und bleiben Sie gesund.

Oliver Fuchs und Marguerite Meyer

PS: Haben Sie Fragen und Feedback, schreiben Sie an: covid19@republik.ch.

PPS: Wir würden uns freuen, wenn Sie diesen Newsletter mit Freundinnen und Bekannten teilten. Er ist ein kostenloses Angebot der Republik.

PPPS: Bei aller Freude über die Impfstoffnachricht von heute: Zwei Drittel der Weltbevölkerung haben wohl nichts davon. Das liegt daran, dass der Pfizer-Impfstoff bei extremer Kälte aufbewahrt und transportiert werden muss. Die Logistikfirma DHL rechnet damit, dass das nur in etwa 25 Ländern funktioniert.

PPPPS: Sie können sich vorstellen, was heute an der Börse los war. Eine ganze Menge Aktien sind in die Höhe geschossen. Darunter wenig überraschend die der beiden Pharmaunternehmen Pfizer und Biontech. Aufwind bekommen haben auch verschiedene Hotel- und Fluggesellschaften. Es gab aber auch eine Aktie, die regelrecht abgestürzt ist: die von Zoom, der Anbieterin von Videokonferenzen.