Pasta für Anfänger
Die gute Nachricht: Die Mehrheit der Schweizerinnen kocht. Die schlechte: Der Rest kocht nicht. Der Ausweg: diese Penne mit Auberginen. Geschmacksache, Folge 4.
Von Michael Rüegg (Text), Robin Kranz (Bilder) und Volker Hobl (Foodstyling), 06.08.2020
Wir beginnen mit etwas statistischem Grundwissen:
632 Franken gibt der durchschnittliche Schweizer Haushalt pro Monat fürs Essen aus. Dies eruierte der Bund 2018. Das macht gut 20 Franken pro Tag. Restaurantbesuche sind da nicht mitgerechnet, die schlagen (zusammen mit Hotelübernachtungen) mit 584 Franken zu Buche. Wie gut, dass der Durchschnittsschweizer nicht von Sozialhilfe leben muss, denn die Skos-Richtlinien rechnen mit 405 Franken für Nahrungsmittel und 21 Franken für «Übriges», wozu Restaurant- und Hotelbesuche zählen.
Weltweit geben wir am zweitmeisten fürs Essen aus, pro Kopf gemessen. Nur in Hongkong legen sie noch mehr dafür hin. Das liegt allerdings wohl nicht in erster Linie an der Qualität, sondern an den Preisen.
Doch auch einigermassen kaufkraftbereinigt sieht man Unterschiede. Zum Vergleich: Das durchschnittliche Jahreseinkommen einer Französin ist etwa halb so hoch wie dasjenige eines Schweizers. Die Französin gibt aber nicht halb so viel fürs Essen aus, sondern rund 75 Prozent von dem, was der Schweizer hinblättert. Noch krasser ist der Unterschied zu Japan. Zwar liegt das dortige Einkommen in etwa auf Frankreich-Niveau, Japaner geben aber nur unwesentlich weniger fürs Essen aus als wir.
Anders gesagt: Gewisse Völker legen offensichtlich mehr Wert auf die Qualität ihrer Nahrungsmittel als andere. Respektive: als wir. Kein Wunder also, möchte der Bund, dass wir uns besser ernähren. Dazu hat er eine sogenannte «Ernährungsstrategie» verabschiedet.
Die gilt von 2017 bis 2024 und sagt uns, wie wir essen sollten. Bundesrat Alain Berset hat das Vorwort unterschrieben. Dort ist zu lesen: «Trotz der Vielfalt ernähren sich viele Menschen einseitig: zu viel Salz, Zucker und Fetthaltiges. Gerade beim Verzehr von Fertigprodukten geschieht dies häufig unbewusst.»
Der hat schon recht, der Herr Bundesrat. Was die Leute in der S-Bahn so in ihre Münder schieben, ist oft nicht sehr ausgewogen. Schlimmer ist nur, wenn sie das zu Hause tun. Hat ja niemand etwas dagegen, wenn wir Plastifiziertes um 9 Uhr abends konsumieren, im Zug heimwärts, nach einer langen Sitzung. Aber daheim vor dem Fernseher sollten wir uns mehr gönnen. Immerhin: In einer Befragung des Bundes gibt die Mehrheit der hiesig Wohnhaften an, sowohl unter der Woche als auch am Wochenende selber zu kochen. Am meisten kocht die Altersgruppe der 35- bis 49-Jährigen selber, zumindest am Wochenende. Die Jüngeren schätzen wohl Pizza, Sushi und Döner. Die Älteren schätzen bereits den Mahlzeitendienst. Nein, nein, tun sie natürlich nicht. Die über 65-Jährigen kochen nämlich unter der Woche sogar mehr als die Jüngeren.
So erfreulich das klingt, es bleibt übers Ganze gesehen bei einem guten Drittel der Schweizerinnen, die ihren Herd so selten benützen, dass sie ihn für einen guten Zweck spenden könnten.
In Sachen gute Ratschläge gibt die erwähnte Ernährungsstrategie übrigens wenig Überraschendes mit auf den Weg: nicht so viel Junk, mehr Abwechslung, weniger Zucker, Fett und Salz, mehr Gemüse. Es gibt sogar einen separaten Salzflyer mit dem Titel «Versalzen Sie sich Ihre Gesundheit nicht». Mein Tipp für sparsameren Umgang mit Salz liegt in der konsequenten Verwendung von Fleur de Sel, ausser fürs Pastawasser. Das Zeug ist so teuer, dass man von Natur aus sparsam damit umgeht. Am besten, Sie wählen ein Salz aus einer Saline in der Nähe Ihres Lieblingsstrandes. Dann werden beim Würzen immer Erinnerungen an die Ferien aufblitzen.
Selber machen statt Packung aufreissen
Nach der Publikation meines veganen Weihnachtsmenüs und der vier Ausgaben Corona-Cooking sah ich mich mit dem Vorwurf konfrontiert, ich würde etwas gar aufwendig kochen. Ich kann dem nicht viel entgegenhalten. Wenn man keine Kinder, keinen anständigen Job und kaum ein vernünftiges Hobby hat, bleibt tatsächlich viel Zeit für die Verarbeitung von Lebensmitteln. Doch es soll nicht etwa der Eindruck entstehen, ich würde täglich Stunden am Herd verbringen. Dafür mag ich Netflix zu sehr.
Manchmal fehlt selbst mir die Zeit, um Kalbsknochen zu rösten und selbst gesammelte Pilze einzumachen. Dann gibts nicht selten Pasta. Als ich jung war, kaufte ich diese Saucen und Pesto im Glas. Wirklich glücklich machten sie mich nie. Ich konnte zwar damals schon mit Kochlöffeln umgehen, es fehlte aber an Technik und Übung. Mittlerweile mache ich nicht nur alle Sugos, sondern auch den Pastateig oft selber, was wesentlich weniger aufwendig ist, als viele denken. Frische Nudeln sind schon äusserst sexy. Dazu aber mehr in einer späteren Ausgabe.
Es gibt Rezepte aus Frischprodukten, die am Aufwand gemessen fast mit Fertigsaucen mithalten können. Das heutige widmet sich der Aubergine.
Dieses Nachtschattengewächs haben wir den Musliminnen zu verdanken. Vermutlich waren es die Sarazenen, die es aus Persien nach Europa brachten. Ich erinnere mich, dass früher Auberginen vor allem in Moussaka landeten, was mir als Kind einst als «griechische Lasagne» erklärt wurde.
Auberginen sind nicht dafür bekannt, besonders intensiv zu schmecken. Am liebsten mag ich sie, wenn sie auf dem Grill über Kohle geräuchert werden und der herausgekratzte Inhalt als Baba Ghanoush serviert wird. Denn die Eierfrucht besteht mehrheitlich aus Luft. Das ist leicht zu erkennen: Werfen Sie jemandem einen Zucchetto an den Kopf, tut das richtig weh, wie ein Gummigeschoss beim antifaschistischen Abendspaziergang. Bei einer Aubergine hingegen wird nicht einmal eine Beule herausschauen. Sogar Völkerball ist schlimmer als eine Aubergine am Kopf. Aber lässt man die Luft raus, wird die Sache erst interessant.
Aubergine, zur Schnecke gemacht
Diese Penne sind so simpel und schnell gemacht, dass sie es locker mit Convenience-Food aufnehmen können. Ausserdem verbrennt man mit Auberginenschneiden mehr Kalorien als mit dem Aufreissen einer Packung, das ist gut für die Linie. Ich habe diese Pasta auch schon auf dem Campingplatz vor dem Zelt gekocht, auf einem transportablen Gasherd, wie eine Inderin am Boden kauernd. Das geht völlig problemlos.
Die Aubergine wird in kleine Würfel geschnitten. Auf diese Weise können Sie auch vegetarische Schnecken nach Burgunderart herstellen, sollten Sie beim Wandern im Schaffhauser Tafeljura ein paar leere Schneckenhäuser finden, die gestopft werden möchten.
Zutaten für 2 Personen: 200 g Penne rigate, 4 mittlere bis grosse Auberginen, 3–4 Knoblauchzehen, Salz und Pfeffer, Petersilie, Zitrone, Olivenöl, Parmesan oder Pecorino
In einem grossen Topf Wasser aufsetzen sowie etwas Öl in eine Bratpfanne mit hohem Rand geben, erwärmen. Derweil die Auberginen in kleine Würfel schneiden und zum Öl in die Pfanne geben, etwa nach der zweiten Aubergine Hitze hochschalten.
Die Würfel bei hoher Temperatur anbraten, gelegentlich wenden. Wenn nebenan das Wasser sprudelt, salzen und Penne dazugeben.
Auberginen saugen beim Braten gierig wie Schwämme jeden Tropfen Öl auf. Nach einer Weile geben sie es aber beim Anbraten wieder ab, als ob es aus ihnen herausgeprügelt würde. Wichtig bei diesem Vorgang ist, dass die Würfelchen etwas Farbe nehmen, denn Farbe bedeutet Geschmack. Deshalb hohe Hitze.
Am Ende sollte aus einer randvollen Pfanne ein elendes Häufchen matschige Aubergine zurückbleiben. Nun in der Mitte etwas Platz schaufeln und gehackten Knoblauch dazugeben, etwas anrösten, gleichzeitig Hitze zurückfahren, damit er nicht verbrennt. Verrühren und mit etwas Salz und Pfeffer würzen.
Wenn die Penne al dente sind, zwei, drei Esslöffel Kochwasser zurückbehalten und den Rest des Wassers abgiessen. Penne mit dem Kochwasser in die Pfanne zum Auberginenmus geben. Wer auf dem Balkon Petersilie anbaut, sollte nun etwas davon drüberstreuen.
Mit Pfeffer und Salz nachwürzen und mit ein paar Spritzern Zitronensaft abschmecken. Nun noch etwas vom guten Extra-vergine-Olivenöl beigeben, das die Schwägerin von ihrem letzten Italien-Urlaub mitgebracht hat, und mit frisch geriebenem Parmesan oder – noch idealer – Pecorino bestreuen.
Wenn Ihnen das zu karg ist, können Sie es auch pimpen. Etwa mit einem oder zwei Löffeln Ricotta. Aber probieren Sie es doch mal auf die minimalistische Tour. Sofern bei den Zutaten die Wahl nicht auf das Billigste fällt, ist die italienische Küche in der Minimalform nämlich hinreissend.
Ein Boccalino vom Hauswein
Die Auberginen-Penne sind ein simples Gericht, das man gut mit einem einfachen Sangiovese oder Sangiovese-Blend wie Chianti servieren kann. Vermutlich schmecken die Penne auf Campingplätzen sogar mit einer Mischung aus Tetrapack-Fusel und Limonade, einst das Lieblingsgetränk meiner Grossmutter selig.
Korrigendum: Wir schrieben ursprünglich, dass «der durchschnittliche Schweizer» 632 Franken pro Monat fürs Essen ausgebe. Es ist der durchschnittliche Haushalt.