Was diese Woche wichtig war

Hoffnung in Italien, Nordkoreas Raketen – und Europa hat eine neue Diktatur

Woche 14/2020 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.

Von Andrea Arežina, Ronja Beck und Oliver Fuchs, 03.04.2020

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Covid-19: Die USA straucheln, und Italien hofft

Darum geht es: Fast jede vierte weltweit vermeldete Infektion mit dem Corona­virus wird derzeit in den USA gezählt. In keinem anderen Land sind so viele Menschen an Covid-19 erkrankt. Allein in New York sind doppelt so viele infizierte Menschen gestorben wie in der ganzen Schweiz. Die österreichische Regierung hat derweil für die gesamte Bevölkerung das Tragen einer Maske während des Einkaufens obligatorisch gemacht. In Italien, wo bei über 100’000 Menschen Covid-19 diagnostiziert wurde, spriesst dafür langsam die Hoffnung: Die Zahl an täglichen Todes­fällen sowie Neuinfektionen ist in den vergangenen Tagen gesunken.

Ein Wunder? Es scheint fast so, als höre US-Präsident Donald Trump (rechts) im Fall des Coronavirus auf seine Experten wie Anthony Fauci (Mitte). Win McNamee/Getty Images

Warum das wichtig ist: In Anbetracht der explodierenden Zahlen hatte US-Präsident Donald Trump keine andere Wahl: Er verlängerte diese Woche die beschlossenen Richt­linien zum Corona­virus über Ostern hinaus bis zum 30. April. Trumps Topberater in der Sache, wie der Immunologe Anthony Fauci, prognostizierten am Dienstag für die USA bis zu 240’000 Tote. Eine nationale Direktive an die Bevölkerung, zu Hause zu bleiben, gibt es trotzdem nicht. Die meisten Bundesstaaten halten deshalb von sich aus die Bevölkerung dazu an, ihr Haus nur noch für Essenzielles zu verlassen. Während sich die US-Regierung noch zögerlich zeigt, hat der österreichische Kanzler eine Masken­pflicht für Lebensmittel­geschäfte verkündet. Die Regelung soll auf den Arbeits­platz ausgeweitet werden. Aus wissenschaftlicher Sicht spricht wenig dafür, dass eine Masken­pflicht für die Allgemein­bevölkerung die Verbreitung des Virus massgeblich bremsen würde. In der Schweiz fordern verschiedene Politiker trotzdem ebenfalls eine Masken­pflicht. Die Weltgesundheits­organisation (WHO) hat derweil angekündigt, den Einsatz von Masken für die breite Bevölkerung zu prüfen, wie Generaldirektor Tedros Ghebreyesus am Mittwoch sagte. Bisher empfiehlt sie nur Erkrankten oder Menschen, die mit Erkrankten arbeiten, das Tragen einer Maske. Ghebreyesus sagte zudem, dass er «zutiefst beunruhigt» sei über die «schnelle Eskalation und die globale Verbreitung» von Covid-19. Auch der Uno-General­direktor António Guterres äusserte sich zur Krise. Diese müsse «zu einer neuen Wirtschaft» führen.

Was als Nächstes geschieht: Gemäss dem nationalen Institut für Gesundheit hat man in Italien ein Plateau erreicht: Die Fallzahlen steigen langsamer als noch vergangene Woche. Auch in Spanien beginnt sich der Trend zu verbessern, wie Offizielle vermeldeten. Nach den USA sind es aktuell die beiden am stärksten betroffenen Länder.

Unbegrenzte Macht für Ministerpräsident Orbán

Darum geht es: Der ungarische Minister­präsident Viktor Orbán ist seit Montag­nachmittag noch mächtiger. Wegen der Corona-Krise hat das Parlament ein Gesetz verabschiedet, das es Orbán erlaubt, nach den Regeln des Notstands zu regieren. Und das auf unbegrenzte Zeit.

Der Staat bin ich: Ungarns Minister­präsident Viktor Orbán vor dem Parlament, das sich selbst seines Einflusses beraubt. Zoltan Mathe/MTI via AP/Keystone

Warum das wichtig ist: Das Gesetz schaltet das Parlament aus, Wahlen finden keine mehr statt, und Personen, die Falsch­informationen verbreiten, bekommen langjährige Haft­strafen. Die Regierung kontrolliert die wichtigsten Medien schon jetzt. Orbáns Gegner kommen in der Bericht­erstattung kaum vor oder werden verzerrt wieder­gegeben. Weil das Parlament nicht mehr mitregiert, entscheidet nun Orbán allein, was eine «Falsch­information» ist. Ausserdem ist Orbán dafür bekannt, einmal ausgerufene Notstände bestehen zu lassen. Als 2015 viele Flüchtende Richtung Westen die ungarische Grenze passierten, rief er den Notstand aus. Viereinhalb Jahre später hat die Zahl der Geflüchteten massiv abgenommen, doch der Notstand gilt heute noch.

Was als Nächstes geschieht: Zwar hat das Parlament ein Widerspruchs­recht, um den Notstand aufzuheben. Aber Orbáns Fidesz-Partei verfügt über eine Zweidrittel­mehrheit im Parlament. Sprich: Sie entscheidet, wann der Notstand aufgehoben wird oder ob er das eben nicht wird.

Leiturteil zur EU-Flüchtlingspolitik

Darum geht es: Polen, Ungarn und Tschechien hätten die Aufnahme von Geflüchteten nicht verweigern dürfen. Sie haben damit gegen EU-Recht verstossen; das hat der Europäische Gerichtshof am Donnerstag entschieden. Die drei Länder hatten 2015, auf dem vorläufigen Höhepunkt der Krise, keine oder kaum Asyl­bewerber aus Italien und Griechenland übernommen.

Warum das wichtig ist: Gegen die drei Länder geklagt hatte die EU-Kommission selbst. Im September 2015 hatten die EU-Innen­minister mehrheitlich einen Verteilschlüssel für 160’000 Menschen beschlossen. Am Ende effektiv umgesiedelt wurden nur etwa 35’000. Besonders unkooperativ waren die drei nun verurteilten Länder. Kommissions­chefin Ursula von der Leyen zeigte sich erfreut über das Urteil der EU-Richter: «Es wird uns Anleitung für die Zukunft geben.» Nach Ostern will von der Leyen aufzeigen, wie sie das EU-Asylrecht reformieren will. Der Streit über die EU-weite Verteilung der geflüchteten Menschen hat die europäische Asylpolitik jahrelang geprägt. Italien und Griechenland klagten immer wieder über die mangelnde Solidarität der anderen europäischen Staaten.

Wie es jetzt weitergeht: Ob von der Leyen eine allgemeine Aufnahme­verpflichtung für EU-Länder anstrebt, ist derzeit unklar. Genauso wie die konkreten Konsequenzen für Polen, Ungarn und Tschechien. Im konkreten Prozess konnte der Gerichts­hof keine Bussen verhängen – dazu müsste die Kommission ihn erneut anrufen und konkrete Sanktionen beantragen.

Nordkorea testet – aber nicht auf Covid-19

Darum geht es: Vergangenen Sonntag hat Nordkorea zwei weitere Raketen abgefeuert, die ins Meer gestürzt sind. Es sind bereits die vierten Raketen­tests innert vier Wochen.

Der Stolz von Kim Jong-un: Ein Raketentest des nordkoreanischen Militärs (29. März). EPA/KCNA/Keystone

Warum das wichtig ist: Die Corona-Pandemie lässt den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un offensichtlich kalt. Gemäss Experten hat Nordkorea noch nie in einem Monat so viele Flugkörper getestet wie in diesem März. Das Land befindet sich seit den ersten nuklearen Tests 2006 unter Sanktionen durch die Vereinten Nationen und die EU. Verschiedene Nationen wie die USA oder Russland schränkten den Handel mit der Diktatur zum Teil massiv ein. Südkorea verurteilte die jüngeren Tests – in Anbetracht der Coronavirus-Pandemie – besonders stark. Diese verläuft in Nordkorea, im Gegensatz zu seinen Nachbar­ländern Südkorea und China, überraschend mild beziehungs­weise gar nicht. Die nordkoreanischen Behörden haben bisher keinen einzigen Covid-19-Fall gemeldet. Der totalitäre Staat hat zwar bereits im Januar die Grenzen geschlossen und den Handel mit China stark eingeschränkt. Ärzte in Südkorea zweifeln jedoch stark an den Zahlen. Den demolierten Gesundheits­behörden würden schlicht die Tests fehlen, um eine Infektion zu erkennen. Gemäss der «Financial Times» haben Offizielle im Geheimen um internationale Hilfe gebeten, weil es viel zu wenige Tests gebe. Andere Experten gehen von einer bewussten Vertuschung durch die Regierung aus.

Was als Nächstes geschieht: Es ist unwahrscheinlich, dass das nordkoreanische Militär von weiteren Tests absehen wird. Zumal kürzlich angekündigt wurde, dass neue Raketen in Arbeit seien. Gleichzeitig ist zu hoffen, dass Nordkorea tatsächlich von der Pandemie verschont wird. Einen lokalen Ausbruch könnte das marode Gesundheits­system kaum stemmen. Michelle Bachelet, Hohe Kommissarin für Menschen­rechte der Uno, plädiert deshalb dafür, Sanktionen auszusetzen und so die Epidemie im wirtschaftlich schwachen Land nicht noch zu verschlimmern.

Zum Schluss: Die Zoombie-Apokalypse!

Kaum je hat eine App so schnell so eine steile Karriere hingelegt wie die Video­konferenz-Software Zoom. Kein Wunder: Sie ist für kürzere Sitzungen gratis, man braucht sich nicht anzumelden – und sie funktioniert auch bei vielen Teilnehmerinnen ziemlich zuverlässig. Am Dienstag hielt Boris Johnson damit die virtuelle Kabinettssitzung ab. (Man könnte eigentlich meinen, dass Gross­britannien sich für Staats­geschäfte nicht auf Software aus einem App-Store verlassen muss. Wieder was gelernt.) Leider wird die App gerade Opfer des eigenen Erfolgs. Sicherheits­forscherinnen und Journalisten entdecken fast im Tagestakt neue Lücken und Unzulänglichkeiten. So war die angepriesene sichere End-to-End-Verschlüsselung offenbar leider nur ein schönes Marketing­versprechen. Und weil die Konferenzen standard­mässig für alle offen sind, machen sich Menschen einen Spass aus dem sogenannten «Zoombombing». Sie wählen sich in eine Konferenz ein – und streamen Pornos oder Schock­videos an die Teilnehmer. Die Firma verspricht Abhilfe in den kommenden Wochen.

Was sonst noch wichtig war

Die (garantiert Corona-freien) Top-Storys

Vor gut einem Monat haben wir eine Pinnwand für die besten Geschichten von anderswo aufgeschaltet. Leider hat dieses Experiment nicht so gut funktioniert, wie wir uns das erhofft hatten. Darum führen wir es nicht weiter. Danke an alle, die Geschichten geteilt haben!

1200 Seiten heisse Thesen Thomas Piketty ist ein französischer Starökonom. Den Namen haben Sie vielleicht auch schon bei der Republik gelesen: Unser Feuilleton hat sich verdankens­werter­weise im Oktober 2019 der Aufgabe angenommen, die 1200 Seiten auf Französisch (!) für Sie zusammenzufassen. Nun ist das Buch auf Deutsch erschienen. Im sonntäglichen Talkformat «Sternstunde Philosophie» hatte das Schweizer Fernsehen Piketty diese Woche zu Gast.

«Unorthodox» So heisst die neuste Miniserie auf Netflix. Orientiert an der Biografie von Deborah Feldman, erzählt sie die Geschichte der jungen Jüdin Esty, die ihre ultra­orthodoxe Familie in New York nur mit einem kleinen Bündel Geld in der Hand verlässt und heimlich nach Berlin flüchtet. Eine Story und eine Haupt­darstellerin, die einfahren.

Adieu, liebe Hebamme! Zuerst hatte sie eine Kolumne, zuletzt hatte sie einen Podcast: Die deutsche Hebamme unter dem Pseudonym Maja Böhler ergänzte viele Monate das «Süddeutsche Zeitung Magazin» um wundersame, schräge und tieftraurige Episoden, die sie während ihrer Arbeit im Spital erlebt hatte. Kürzlich ist ihre letzte Podcast-Folge erschienen. Sie handelt von Haus­geburten. Und überforderten Männern.

Illustration: Till Lauer

Was diese Woche wichtig war

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