Fall Globegarden: Die ersten Konsequenzen
Die Politik reagiert auf die Zustände beim Kita-Unternehmen. In Zürich und Basel verlangen Parlamentarierinnen Antworten von der Regierung.
Von Philipp Albrecht, Andrea Arežina und Ronja Beck, 16.01.2020
Knallharter Sparkurs, hungrige Kinder, überlastetes Personal: Die Republik-Recherche schlug hohe Wellen. Zahlreiche Medien nahmen die Geschichte über den grössten Schweizer Kita-Betreiber auf. In Zürich, Zug und Bern berichteten Regionalzeitungen über Probleme in den dortigen Globegarden-Krippen. Die Mediendatenbank SMD listet heute 175 Artikel zum Stichwort Globegarden auf, knapp dreimal mehr als noch vor der Veröffentlichung.
Globegarden ist der grösste Kita-Betreiber der Schweiz. Seine drei Gründerinnen wollten die perfekte Kinderkrippe erschaffen. Doch das Personal leidet unter unmöglichen Arbeitsbedingungen. Mit Folgen für die Kinder.
Die Kita-Welle hat auch die Politik erfasst. Sechs Parlamentarierinnen aus drei Parteien haben in den vergangenen Tagen nicht weniger als 78 Fragen formuliert.
Sie verteilen sich auf den Zürcher Kantonsrat, den Stadtzürcher Gemeinderat und den Grossen Rat in Basel.
Im Zentrum steht die Frage, ob sich die Politik in den vergangenen Jahren zu sehr darauf konzentriert hat, so viele Krippenplätze wie möglich zu schaffen, und dabei das Niveau der Kinderbetreuung vernachlässigt hat. Quantität vor Qualität.
Deshalb zielen die meisten Fragen auf die Krippenaufsicht. Sie kontrolliert in erster Linie, ob genug Personal vorhanden ist (Betreuungsschlüssel) und ob dieses die richtige Ausbildung hat. In Basel will die Grünen-Grossrätin Lea Steinle wissen, ob «Betriebe der Firma Globegarden in den vergangenen zwei Jahren einer genauen Kontrolle unterzogen» worden seien. Und in Zürich fragen die SP-Gemeinderätinnen Anjuschka Früh und Natascha Wey, wie viele Meldungen von Eltern oder Angestellten über Missstände in Globegarden-Kitas in den vergangenen fünf Jahren bei der Stadt eingegangen seien.
Die Vorstösse zielen aber nicht nur konkret auf Globegarden. In allen drei Parlamenten wird gefragt, wie oft die jeweilige Behörde unangekündigte Kontrollen durchgeführt habe. Noch ist vielen Beteiligten nicht bewusst, dass die Krippenaufsichten in den meisten Fällen ihren Besuch vorab anmelden. Branchenkenner, wie der Verband Kibesuisse, verlangen hingegen, dass es nur noch unangekündigte Kontrollen geben darf.
Was aus den parlamentarischen Fragen besonders heraussticht, ist, wie wenig über das Krippenwesen und die Kontrollen in der Gesellschaft bekannt ist. So will die Basler Grossrätin Lea Steinle wissen, wie sich in ihrem Kanton eigentlich der Betreuungsschlüssel zusammensetze. Das ist immerhin die wichtigste Kennzahl im Kita-Business. Tatsächlich muss einige Recherchearbeit leisten, wer herausfinden will, dass in Basel eine ausgebildete Person maximal fünf Kinder allein betreuen darf.
Im Kanton Zürich sind es übrigens maximal sieben Kinder. Das ist offenbar den drei Zürcher Kantonsparlamentarierinnen Karin Fehr Thoma, Selma L’Orange Seigo (beide Grüne) und Judith Stofer (AL) bewusst. Aus ihren 30 Fragen, die sie dem Regierungsrat stellen, lassen sich zwei andere Prioritäten herauslesen: Was taugt die Krippenaufsicht, und wie einfach ist es, eine Kita-Bewilligung zu bekommen?
Dass in Zürich so viele Fragen gestellt werden, hat mit einer neuen Ausgangslage zu tun. Denn per Anfang Jahr hat der Kanton die Hoheit über die Krippenaufsicht den Gemeinden übergeben. Sie kontrollieren nun selber oder übertragen sich die Aufsicht gegenseitig. Darum fragen die drei Kantonsrätinnen auch, wer denn künftig prüfe, ob die Gemeinden bei den Kontrollen alles richtig machen.
Der Basler Regierungsrat hat die Antworten bereits gestern Mittwoch im Parlament gegeben. Bei konkreten Fragen zu Globegarden blieb er schwammig: Deren sechs Basler Einrichtungen würden in gleicher Weise kontrolliert wie alle anderen Kitas. Etwas konkreter fiel die Antwort auf die Frage aus, wie viele Leute mit der Aufsicht betraut seien: Drei Leute teilen sich 190 Stellenprozente. Und das für über 100 Krippen.
Der Zürcher Regierungsrat wird derweil spätestens in zwei Monaten Antworten liefern. Die Stadtzürcher Regierung hat noch einen Monat länger Zeit, auf die schriftliche Anfrage der SP zu reagieren. Ironischerweise muss dort SP-Stadtrat und Sozialvorsteher Raphael Golta die Antworten liefern. Golta hatte in einem Interview mit der Republik die Vorwürfe der Ex-Angestellten von Globegarden kleingeredet, was angeblich in seiner Partei auf wenig Gegenliebe gestossen sei. Kurz darauf, als er in einem «10 vor 10»-Beitrag zu Globegarden befragt wurde, äusserte er sich nur noch allgemein zu Krippen. Das Wort Globegarden nahm er nicht mehr in den Mund.
Nun kommt es noch dicker für Golta: SP-Frau Früh fordert zusammen mit Katharina Prelicz-Huber (Grüne) vom Stadtrat, dass er künftig jede Kita in Zürich einmal pro Jahr unangemeldet kontrolliert. Kommt der Vorstoss durch, muss Golta bei der Krippenaufsicht nochmals über die Bücher.
In einer früheren Version haben wir geschrieben, dass in Basel eine ausgebildete Person maximal vier Kinder allein betreuen darf.