Eine Reise in die arabische Welt
Reiseroute und Übersicht über alle Folgen der Republik-Serie.
Von Amir Ali, Monika Bolliger (Texte), Hawre Khalid, Salih Basheer und Heba Khamis (Bilder), 29.11.2019
Diese Reise führt vom Stadtzentrum Beiruts in die Souks von Bagdad; auf den grössten Friedhof der Welt und in die Imam-Ali-Bibliothek in Najaf, in der Michel Foucaults «Sexualität und Wahrheit» zu finden ist; nach Khartum im Sudan, wo Frauen die Revolution vorantreiben und der gestürzte Diktator im Käfig vor Gericht sitzt; nach Kairo, Ägypten, wo die Regierung Strassen und Brücken, Hotelanlagen und Paläste baut, während die Menschen ums wirtschaftliche Überleben kämpfen und Kritiker in Gefängniszellen landen.
Zuerst in Algerien, dann im Sudan, jetzt auch im Irak und im Libanon: In der arabischen Welt finden wieder historische Aufstände statt.
Doch wie lange werden sie anhalten?
«Der Sudan und Algerien machen mir Hoffnung», sagte der ägyptische Journalist und Oppositionelle Khaled Dawoud Ende August, als unsere Reporter ihn in Kairo getroffen haben.
Einen Monat später wurde Khaled Dawoud, einer der letzten offenen Kritiker des Regimes in Ägypten, als Dissident verhaftet.
In Beirut werden Demonstrationen im Tränengas erstickt.
Und in Bagdad wird scharf geschossen.
Bald zehn Jahre nach dem Arabischen Frühling 2011. Zwei Reporterinnen brechen auf zu einer Reise in die arabische Welt. Und gehen der Frage nach: Was haben die Menschen in der arabischen Welt heute für Perspektiven?
Die Arabistin Monika Bolliger arbeitet als Analystin und Forscherin in Beirut und Zürich. Zuvor war sie als Nahostkorrespondentin der NZZ in Jerusalem, Kairo und Beirut tätig. Amir Ali, der ebenfalls fliessend Arabisch spricht, war fünf Jahre Co-Leiter des Strassenmagazins «Surprise». Seit diesem Sommer ist er als freier Journalist tätig, der Schwerpunkt seines Interesses gilt den Ländern im Nahen Osten.
Als die beiden Reporter Ende August das Flugzeug nach Kairo bestiegen, waren die Umstürze im Sudan und in Algerien ein paar Monate alt. Dass so bald darauf auch im Irak und im Libanon – und selbst für kurze Zeit in Ägypten – Proteste beginnen würden, konnte niemand voraussehen.
Erleben wir gerade den nächsten Arabischen Frühling?
Die Reiseroute
Diese Reise in die arabische Welt führte über die letzten drei Monate vom Libanon nach Ägypten, in den Sudan und in den Irak.
Syrien
Beirut
Bagdad
Mittelmeer
Libanon
Irak
Najaf
Jordanien
Israel
Kairo
Kuwait
Ägypten
Libyen
Saudiarabien
Rotes Meer
Tschad
Khartum
Eritrea
Sudan
Jemen
Beirut
Bagdad
Mittelmeer
Libanon
Irak
Najaf
Kairo
Ägypten
Libyen
Saudiarabien
Rotes Meer
Sudan
Tschad
Khartum
Eritrea
Und sie beginnt in Beirut, der Hauptstadt des Libanon.
Serien-Übersicht
Prolog: Der zweite Frühling – Der Libanon ist das vierte arabische Land, das dieses Jahr einen Volksaufstand erlebt. Auf den Strassen Beiruts ertönt wieder der Schlachtruf des Arabischen Frühlings von 2011, den damals Demonstranten von Tunesien über Ägypten und Syrien bis in den Jemen wiederholten: «Das Volk will den Fall des Regimes!» Die Menschen bewegen sich aus ihren engen Zirkeln von zankenden Parteien, Religionsgruppen und Klassen heraus, kommen zusammen und überwinden unsichtbare Linien, die nach dem Bürgerkrieg nie ganz verschwunden sind.
Irak, Teil 1: Der Krieg ist vorbei, die Revolution beginnt – Nach Jahrzehnten des Blutvergiessens öffnete sich im Irak ein Zeitfenster, um dieses geschundene Land aufzuräumen. Doch die Politiker haben ihre Chance nicht genutzt – jetzt ist ein Volksaufstand ausgebrochen. Der Aufstand hat eine Breite, einen Patriotismus und ein bürgerliches Engagement erreicht, wie es der Irak in vielen Jahrzehnten nicht gesehen hat. Denn von der Erholung spüren die meisten Menschen nichts. Doch sie lassen sich nicht mehr gegeneinander ausspielen, sondern wenden sich gegen ihre eigenen Eliten. Das Land ist an einem Tiefpunkt – darin liegt eine grosse Tragik und ein Funken Hoffnung.
Irak, Teil 2: Land der Märtyrer – Gräber, so weit das Auge reicht: Wadi al-Salam ist der grösste Friedhof der Welt. Statt Kriegsgefallene werden dort jetzt die Toten der Aufstände begraben. Es sind hier vor allem Angehörige der schiitischen Mehrheit, welche sich gegen ein schiitisch dominiertes Establishment erheben. Die Kleriker im «Vatikan der Schiiten», der nach langer Unterdrückung aufgeblüht ist, stellen sich hinter die Protestbewegung. Trotz all der Toten, der Repression, der geopolitischen Verstrickungen – viele glauben, dass sie mehr zu gewinnen haben als zu verlieren.
Sudan, Teil 1: Die Revolution ist weiblich – Im Sudan hatte im April ein Volksaufstand den langjährigen Autokraten Omar al-Bashir gestürzt und ein Abkommen zur Machtteilung zwischen Militärs und Zivilisten für eine Übergangsregierung erreicht. Sudans Frauen litten am stärksten unter dem alten Regime und prägten den Aufstand. Jetzt versucht das Land einen Neuanfang – und der Kampf der Frauen geht weiter.
Sudan, Teil 2: Brot oder Gerechtigkeit? – Nach dem Sturz des Langzeitherrschers Omar al-Bashir stellt sich im Sudan die Frage: Wie viel Pragmatismus hält eine Revolution aus? Das Land steht vor vielen schwierigen Herausforderungen. Wie bringt man die Militärs dazu, die Macht abzugeben, wenn ihnen danach die Verurteilung wegen Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen droht? Wie bringt man die Militärs dazu, echte Wirtschaftsreformen zuzulassen, wenn sie einen Grossteil der Wirtschaft kontrollieren und davon profitieren?
Ägypten, Teil 1: Eine Brücke öffnet Gräben – Strassen und Brücken, Hotelanlagen und Paläste: Ägyptens Regierung baut wie wild. Während der Präsident die schöne neue Welt und das Wirtschaftswachstum feiert, kämpft der Grossteil der Menschen im Land ums Überleben.
Ägypten, Teil 2: Die eiserne Hand ist nervös – In Ägypten unterdrückt das wieder erstarkte Militärregime acht Jahre nach der Revolution von 2011 jegliche abweichende Meinung mit eiserner Faust. Zehntausende sind inhaftiert, NGOs werden gegängelt, die Medien gleichgeschaltet. Darüber, dass viele mit der Politik der Regierung unzufrieden sind, kann all das nicht hinwegtäuschen.
Alle Folgen der Serie «Reise in die arabische Welt» sind übrigens auch in einer Hörversion verfügbar, gelesen von Patrick Venetz und Anna-Tina Hess.