Et Dieu créa la plage
Der Strand von Pampelonne bei Saint-Tropez hat die Welt gesehen, und die Welt ihn. Jetzt hat er ein Facelift erhalten hin zu mehr Natürlichkeit. Das passt nicht allen. «Am Strand», Folge 8.
Von Michael Rüegg, 15.08.2019
Gut zwei Dutzend Schiffe liegen in der Bucht. Ob eine betagte Zeitzeugin bei deren Anblick wohl zurückdenken würde – an jenen 15. August 1944, vor genau 75 Jahren?
Es muss damals ähnlich ausgesehen haben wie heute, an der plage de Pampelonne. Bloss waren die Schiffe der amerikanischen Marine nicht weiss wie die Jachten heute. Anderthalb Stunden lang hatten bereits über tausend Flugzeuge deutsche Stellungen an der südfranzösischen Küste bombardiert, zwischen Saint-Raphaël und Le Lavandou. Dann schossen die Kanonen der Schlachtschiffe in Richtung Küste. Gegen acht Uhr morgens landeten die ersten amphibischen Boote, Soldaten zweier Divisionen betraten den Strand südlich von Saint-Tropez.
Die Operation Dragoon war in vollem Gang. Innerhalb weniger Tage eroberten die mehrheitlich US-amerikanischen Streitkräfte mit Unterstützung von französischen Exilverbänden den Süden Frankreichs und drängten die Wehrmacht nordwärts das Rhonetal hinauf. Das Unternehmen war ein Erfolg, obwohl die Erinnerung daran im Gegensatz zur Landung der Alliierten in der Normandie mittlerweile verblasst ist.
Von S’Arenal im Westen bis Tripoli im Osten: Es gibt Tausende Strände am Mittelmeer. Einige haben es zu Berühmtheit gebracht. Andere warten auf ihren Durchbruch. Neun Besuche an Sehnsuchtsorten am Wasser. Zur Übersicht.
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Saint-Tropez, Frankreich
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Vlora, Albanien
Sie sind längst zurück, die Deutschen. Auf den Liegebetten der Strandclubs bräunen sie sich vor der malerischen Kulisse, der ihre Grossväter vor 75 Jahren eiligst den Rücken gekehrt haben. Neben ihnen italienische Paare, britische Familien, Schweizerinnen, Holländer, Spanierinnen – alle möglichen Sprachen hört man am Strand von Pampelonne. Zwei Dinge verbindet die kosmopolitische crowd: die Liebe zu Saint-Tropez und gut gefüllte, locker sitzende Portemonnaies.
Ein Hauptgrund für die Berühmtheit dieses Fleckens ist Brigitte Bardot: Ein Jahrzehnt nach Kriegsende entstieg sie hier als junges Mädchen dem Schaum des Meeres – in der Rolle eines schwer promiskuitiven Waisenkindes in Roger Vadims Skandalstreifen «Et Dieu … créa la femme» – auf Deutsch etwas uncharmant «… und ewig lockt das Weib». Der Film machte Vadims damalige Ehefrau quasi über Nacht zum Weltstar. Und den Strand von Pampelonne zur Legende.
Berühmt aus Film und Fernsehen
Einige Kilometer nördlich, im Zentrum von Saint-Tropez. Auf dem Platz vor der alten Gendarmerie steht eine Skulptur; die junge Brigitte Bardot in Bronze, wie Gott sie schuf. Sie wird aus einer zu gross geratenen Jakobsmuschel geboren. Das Gebäude dahinter ist längst keine Polizeikaserne mehr, sondern ein Museum. Es behandelt im ersten Stock die Geschichte der Gendarmerie und im zweiten Saint-Tropez als Filmlocation. Eine nachgestellte Garderobe zeigt die glamouröse Welt der beiden berühmtesten Diven, die hier gedreht haben. Die Bardot – und Romy Schneider, die hier für den Thriller «La piscine» vor der Kamera stand.
Und noch einer darf nicht fehlen: Louis de Funès, dessen Gendarmenfilme die Destination ebenso bekannt machten wie Brigitte Bardot und ihr Hang zum Männerverschleiss (vor und hinter der Kamera). Louis und seine leicht schusseligen flics machten auf der Halbinsel Jagd auf Ausserirdische, Nonnen und Nudisten. Apropos: Am Strand von Pampelonne, so erfährt man, soll auch der «Monokini» erfunden worden sein – in seiner skandalösen Original-Variante, die die Brüste der Trägerin unbedeckt liess.
Eine Spotify-Playlist für Saint-Tropez
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Neben dem Museum, im Hafen von Saint-Tropez, liegen Jachten in diversen Preisklassen. Nur für die ganz üppigen, die an kleine Kreuzfahrtschiffe erinnern, ist am Quai kein Platz, sie ankern draussen. Ein rundlicher Herr auf einem mehrstöckigen Exemplar in Silber métallisé filmt gerade, wie seine Crew anlegt. Auf dem Oberdeck lethargieren die beiden Töchter, in ihre Mobiltelefone starrend. Papa hat die Jacht gemietet, inklusive Personal.
Keine günstige Angelegenheit: Ein kleines Motorboot mit zwei Kabinen und einem Skipper gibts zwar bereits für rund 2000 Euro pro Tag. Wer allerdings etwas angeben möchte und einen Tagestörn mit maximal drei Dutzend Gästen an Bord will, kommt auf 14’000 Euro – zuzüglich Mehrwertsteuer, Treibstoff, Trinkgelder und Konsumationen.
Wo immer eine Jacht anlegt, das bummelnde Publikum am Ufer hält inne und gafft. Etwa, als der Hightech-Segler angefahren kommt – der achtern befestigte Union Jack zeigt an, dass es sich nicht um Mietware handelt. Die Crew hantiert emsig mit Seilen. Der Bootsherr, Typ Dotcom-Millionär, trägt eine Interesselosigkeit auf dem Gesicht, wie nur Angehörige seiner Kaste sie kennen. Am Ende des Manövers wird ein Steg ans Ufer gelegt, eine Kordel versperrt Unbefugten den Zutritt, und eine Fussmatte auf dem Quai sagt «Private». Luxusjachten – die schwimmenden Wohnmobile der Schwerreichen.
Alles soll anders werden
Das Städtchen Saint-Tropez und der Strand von Pampelonne bilden eine luxuriöse Einheit. Dabei liegt Pampelonne auf fremdem Terrain. Die Gemeinde Saint-Tropez hört hinter dem kleinen Hügel auf, an den sie gebaut ist, mitten im Villenviertel. Dort beginnt das Gemeindegebiet von Ramatuelle, ein weniger klingender Name. Dafür besitzt Ramatuelle mit Pampelonne einen der berühmtesten Strände der Welt. Und der musste sich unlängst einer schweren Prüfung stellen.
Die Nachricht ging um die Welt: Pampelonne soll renaturiert werden. Vergangenen Oktober fuhren die Bulldozer auf und demolierten reihenweise legendäre Strandrestaurants, in denen Generationen von Playboys, Stars und Jetsetterinnen zu stark überhöhten Preisen mediterrane Pfadihütten-Atmosphäre genossen hatten. Im vorderen Strandabschnitt dürfen nun zum Ufer hin keine festen Bauten mehr errichtet werden. So wollen es die französischen Gesetze seit Jahrzehnten – doch mit ihrer Umsetzung hat man sich bis jetzt Zeit gelassen.
Brigitte Bardot, seit vielen Jahren Einwohnerin von Saint-Tropez, klagte in der Zeitschrift «Paris Match» in einem ihrer seltenen Interviews, der Strand würde durch die Renaturierung seinen Charme verlieren.
Das Hotel Saint-André liegt am Nordende von Pampelonne, nur durch einen öffentlichen Parkplatz vom 4,5 Kilometer langen Strand getrennt. Es gehört zu den wenigen günstigen Häusern am Platz. Trotzdem versprüht seine directrice, Madame Raymonde, die Eleganz vergangener Jahrzehnte. «Wie ist es denn jetzt am Strand, was hat sich alles verändert, Madame?» – «Es ist ja noch nicht fertig», sagt Raymonde, «ich bilde mir erst ein Urteil, wenn alles abgeschlossen ist. Aber einige der Gäste sagen, der Strand hätte seinen Charme verloren.» – Dasselbe sagte doch Brigitte Bardot in der Presse? Madame Raymonde lächelt: «Sie ist meine Freundin.»
Strandspaziergänge sind hier anstrengender als anderswo. Der Sand ist gröber, man sinkt entweder am Ufer ein oder verbrennt sich weiter weg die Fusssohlen. Tut man sich die Strapazen trotzdem an und geht einige Kilometer zu Fuss, fallen zweierlei Dinge auf: Erstens mangelt es noch immer nicht an Verpflegungsmöglichkeiten, Beach Clubs mit Matratzen, Liegen und Tagesbetten, Strandbars und Wassersportzentren. Zweitens: Die meisten der Betriebe wirken neu. Und sie sind so gebaut, dass sie im Herbst weggeräumt werden können und der Strand ein paar Monate lang durchatmen kann.
Die Klientel wird immer reicher
Es ist Markt auf der place des lices in Saint-Tropez. Die Ware wirkt etwas schicker als anderswo in Frankreich, tote Hühner und Plastikschuhe für 3 Euro sucht man vergeblich. In einer alten Villa am Platz residiert die Verwaltung des office du tourisme, im Erdgeschoss sitzt Sabrina Noto. Das mediterrane Aussehen der jungen Frau täuscht, aufgewachsen ist sie im fernen Mulhouse, nahe der Schweizer Grenze.
Noto ist Medienverantwortliche des Verkehrsbüros. Fünf Millionen Gäste empfängt Saint-Tropez pro Jahr, «und mehr wollen wir auch nicht», so Noto. Die meisten bleiben vier Nächte oder länger, ein grosser Teil sind Stammgäste. Die Touristen des Städtchens kommen aus 85 Nationen, im Moment bearbeiten Noto und ihre Kolleginnen vor allem den indischen Markt. Dort sehen sie Potenzial. Das Reiseverhalten gewisser Nationalitäten sei halt starken Schwankungen ausgesetzt. «Nach den Terroranschlägen in Nizza beispielsweise hatten wir eine sehr gute Saison mit US-Amerikanern.» Statt wie üblich nach Cannes zogen einige es vor, ins weiter vom Tatort entfernte Saint-Tropez zu reisen.
In der Tendenz wird die Klientel des Ortes immer reicher, bestätigt Sabrina Noto. Am wenigsten Freude machen ihr die Besitzer der teils riesigen Villen rund um den Hügel, der Saint-Tropez umgibt: «Die meisten wohnen im Ausland, sie kommen vielleicht einmal im Jahr vorbei. Fürs Gewerbe sind sie kaum relevant.» Die Jachtbesitzer hingegen konsumierten eifrig – und tauschten auch gerne ihre Luxuskabinen gegen eine standesgemässe Unterkunft mit festem Boden unter den Füssen.
Ist nicht gerade Markt, beginnt das Leben in Saint-Tropez am Abend. Den Tag verbringt man auf See oder drüben an der plage de Pampelonne. Hat die Renaturierung eine Auswirkung auf den Tourismus? «Indirekt, vielleicht», sagt Noto. Einige der Restaurants und Hotels im Ort sind mittlerweile in den Besitz von Luxuskonzernen übergangenen. Und die setzen auf eine Maximierung des Gewinns: «Die Saison wird immer kürzer, alle versuchen in den vier Monaten von Juni bis September Geld zu verdienen. Die restliche Zeit machen viele zu.» Noto glaubt, dass auch die Strandlokale sich der kürzeren Saison anpassen werden. Die übrigen Monate gähnt Saint-Tropez vor sich hin. Abgesehen von Liebhabern seltener Vögel und Orchideengewächsen verirren sich nur wenige hierher.
Ja, es wurmt die tropéziens ein wenig, dass die crowd tagsüber nach Ramatuelle zieht. Sie hätten es lieber, wenn die Touristinnen all ihr Geld im Städtchen liegen lassen würden. Warum also die Destination nicht als Einheit betrachten und gemeinsam mit der Gemeinde Ramatuelle vermarkten? Sabrina Noto räumt ein, dass die Zusammenarbeit zwischen den beiden Nachbargemeinden Luft nach oben hat.
Die alte Geselligkeit
Einen Steinwurf von Madame Raymondes Hotel entfernt, ist am Tahiti Beach die Bar au Soleil beheimatet. Ein nagelneuer Modulbau, der im Oktober weggetragen und für die Überwinterung verstaut wird. An der Bar sitzt Stéphane, den rechten Arm in der Schlinge, und redet mit Anaïs, die hier ausschenkt. «Bring doch Monsieur noch einmal dasselbe», sagt er zu ihr. Das Glas Rosé findet den Weg zu mir und Stéphane und ich den Einstieg in eine Konversation.
Bis letzten Herbst hat er gleich neben der Bar au Soleil gearbeitet, als Kellner im «Tabou». Ende Saison lief die Konzession des Restaurants ab. Heute ist der Flecken leer, wo einst sein Lokal stand. Renaturiert. Noch bevor die Bulldozer kamen, hatte Stéphane einen Unfall mit seinem Roller, ein komplizierter Bruch, Operationen, Reha. In ein paar Wochen kommt die Schlinge nach fast einem Jahr endlich weg. Ob er wieder Arbeit finden werde? «Natürlich!», sagt Stéphane und lacht. «Das hier ist Saint-Tropez.»
Und, will ich von Anaïs und Stéphane wissen, was ist denn jetzt anders als vorher? «Früher durften wir hier eine Terrasse haben und eine Boutique», sagt Barkeeperin Anaïs. Gast Stéphane: «Pampelonne war immer ein Ort der convivialité, der Geselligkeit. Du hast irgendwelche Leute kennengelernt und bist dann bis in die frühen Morgenstunden mit ihnen um die Häuser gezogen. Das war Pampelonne. Und jetzt ist alles, wie sagt man, uniformer geworden», findet er. «Was verloren gegangen ist, ist der Charme.»
Ein jahrelanges Tauziehen
«Der Charme?» Roland Bruno hebt amüsiert die Augenbrauen. «Alle reden vom Charme, aber Sie hätten sehen sollen, wie es in den Küchen aussah!» Nein, das sei zum Teil schon hygienisch bedenklich gewesen, sagt der Bürgermeister von Ramatuelle.
Monsieur le Maire sitzt an seinem Schreibtisch im Hôtel de ville. Das eigentliche Ramatuelle hat mit dem Strand nicht viel zu tun. Ein reizendes mittelalterliches Städtchen, einige Kilometer weg vom Meer an einen Hügelzug gebaut, mit engen, schattigen Gassen, die vor der Hitze schützen.
Saint-Tropez ist das Dorf der Fischer. Ramatuelle das der provenzalischen Bauern. Der Gegensatz könnte grösser nicht sein.
Es ist angenehm kühl im Büro des Bürgermeisters. Draussen in der Hitze ist gerade eine Verkehrspolizistin kollabiert, sie wird von einem herbeieilenden britischen Arzt notfallmässig versorgt. «Kein Wunder, schauen Sie sich mal die dicken Uniformen an, die die tragen müssen», kommentiert Roland Brunos Vorzimmerdame.
«Hätten Sie sich manchmal gewünscht, der Strand würde nicht zu Ihrer Gemeinde gehören, Monsieur Bruno?» – «Nie! Ich bin dort geboren», sagt er und zeigt auf einen Flecken in den Reben am Nordende von Pampelonne.
Seit 2001 ist Bruno Bürgermeister von Ramatuelle, früher nannte er sich Sozialist, heute in Macron-Frankreich de la gauche, ein Linker. Er trägt ein weisses Hemd mit offenem Kragen, hat silbergraues Haar und einen geduldigen, gutmütigen Gesichtsausdruck. Das Dossier Renaturierung des Strandes hat er geerbt, kannte es bereits aus seiner Zeit als Stadtrat.
Ihren Anfang nahm die Sache im Jahr 1992. Schon damals war klar, dass das Treiben auf dem Sand nicht so weitergehen kann. Denn die ersten rund hundert Meter des Küstenabschnitts ab Wasserlinie gehören nicht der Gemeinde, sondern dem französischen Staat. Die Gemeinde erhielt sie in Konzession und vergab Abschnitte davon ihrerseits zur Bewirtschaftung an Gastronomen. Doch nun wurde Pampelonne zum espace naturel remarquable erklärt, ein Status, der quer zur intensiven wirtschaftlichen Nutzung des Strandes lag. Die Konzession wurde zum Gerichtsfall, letztlich entschied das zuständige Regierungskommissariat, der Strand müsse vollständig leer geräumt werden.
Ein 4,5 Kilometer langer Umsatzriese
Das war nun in niemandes Interesse, nicht der Gemeinde und schon gar nicht des Gewerbes. Schliesslich wird am Strand viel Geld verdient, der Jahresumsatz beträgt derzeit um die 50 Millionen Euro. Ein Teil der Einnahmen geht an die Gemeinde, ein anderer an die Republik. Nach jahrelangem Tauziehen entstand 2006 ein Novum; ein Dekret, das die touristische Nutzung des Strandes erlaubte – unter Auflagen. Es war der Versuch, den Naturschutz und den Tourismus unter einen Hut zu bringen.
Heute ist Pampelonne der erste französische Strand, der sich jeweils im Oktober in ein Stück Natur zurückverwandelt – erst ab Frühling kommen die Bars und Clubs wieder zurück.
Doch es hätte auch anders kommen können. Roland Bruno holt eine müffelige Mappe aus dem Jahr 1963 hervor. Es sind Pläne für eine urbane Entwicklung des Strandes. Während der touristischen Aufbruchstimmung sollte auch Pampelonne eine Art Retortenstadt am Meer werden, wie La Grande Motte, Cap d’Agde, Marina Baie des Anges. Mit eigenem Jachthafen und grossen Blocks mit Ferienappartements. Ausgerechnet dort, wo der Strand heute am naturbelassensten ist, hätte er grossflächig überbaut werden sollen.
Doch die Gemeinde Ramatuelle wehrte sich gegen die hochfliegenden Pläne aus Paris. Und setzte sich durch: «Wir wussten schon immer, dass die Natur unser grösstes Kapital ist», sagt Bruno. «Ich führe hier nur eine Politik weiter, die wir seit über 50 Jahren machen.»
Mehrere Millionen investiert Ramatuelle in die Neugestaltung des Strandes, dazu gehören neue Trinkwasserleitungen und ein Radweg. Eine unschöne Überraschung erlebte die Gemeinde, als sie im Oktober begann, die alten Strandbauten zu demontieren und die Überreste abzutragen. «Wir haben jede Menge Asbest gefunden», sagt Bruno. «Die Entsorgung war kompliziert und teuer.» Asbest in den Strandbars der Reichen und Schönen – ein weiterer Indikator für den berühmten Charme von Pampelonne.
Nun ist das schädliche Zeug weg. Die neuen Lokale sind alle aus natürlichen Materialien gebaut, hauptsächlich Holz. Dass nicht alle Pächter mit der gefundenen Lösung und ihrer Umsetzung einverstanden sind, kümmert den Bürgermeister nicht. «Es gibt Gewinner und es gibt Verlierer», sagt Bruno. «Mir tut es leid, dass einige nicht mehr da sind. Aber wir mussten nun einmal reduzieren. Von 30 Prozent auf 20 Prozent bewirtschaftete Strandfläche.»
Einige der langjährige Betreiber konnten ihre Geschäfte ins neue Zeitalter hinüberretten. Nicht alle Flächen lagen innerhalb der betroffenen Küstenzone. Zum Teil musste der Barbereich am Strand erneuert werden, die dahinter liegenden Restaurant- und Clubflächen konnten bleiben. Die Konzessionen sind auf zwölf Jahre angelegt. Während des letzten Jahrzehnts wurden sie nur noch jährlich vergeben. Das führte dazu, dass die Betreiber kein Geld in ihre Lokale steckten. Der neue Zeithorizont erlaubt es ihnen, grössere Investitionen vorzunehmen. Noch wird da und dort gebaut. Vieles mag nicht mehr den Charme des Improvisierten haben – dafür den Glanz des Neuen.
Luxushotels mischen mit
Bei der Vergabe der Konzessionen berücksichtigt wurden auch einige der ansässigen Luxushotels. Die karren nun mit Vorliebe eigene Gäste an ihre plages. Damit können sie auch tagsüber von deren Kaufkraft profitieren. Die Wertschöpfungskette ist etwas länger geworden.
Sieht man mal vom grundsätzlich hohen Preisniveau ab, ist am Strand eine gewisse Spannweite da. Bürgermeister Bruno legt Wert darauf, dass man auch erschwingliche Angebote findet. Ein zuverlässiger Index könnte etwa der Preis eines Glases Rosé sein: von vier Euro in der kleinen Strandbar bis zehn im luxuriösen Club. «Ein guter Indikator», findet der Bürgermeister – zumal die Weine überall dieselben sind. Die Reben wachsen einige hundert Meter hinter dem Strand, an dem der Rosé hektoliterweise konsumiert wird.
Ähnlich verhält es sich mit den Liegen: Ab rund 30 Euro bekommt man an einigen Orten eine einfache Matratze. Spitzenreiter ist der Beach Club des Fünfsternehotels La Réserve, wo Gäste 85 Euro am Tag hinblättern.
Doch einfach Zahlen zu zitieren, würde dem Strand nicht gerecht werden. Man kann auch vier Euro Parkgebühr bezahlen, den Sonnenschirm aufspannen und sich irgendwo in den Sand legen. Zum Beispiel am Südende, einer von zwei Zonen für Nudistinnen. «Aber Monsieur le Maire, Louis de Funès hat doch früher in Uniform Jagd auf Nacktbadende gemacht!» – «Ach was, wir waren hier immer tolerant gegenüber Naturisten und Monokinis», winkt der Bürgermeister ab. Das gehört zu Pampelonne: Mythos und Realität stimmen nicht zwingend überein, aber sie ergänzen sich.
Nun, nach der Entfernung der alten Bauten, soll die Düne im südlichen Abschnitt wieder wachsen. «Es geht dabei auch darum, den Strand vor den Auswirkungen der Klimaerwärmung zu schützen», sagt der Bürgermeister. «Die Stürme im Winter werden zunehmend heftiger.» Die Natur soll sich zumindest in der einen Jahreshälfte erholen können, während die Strandkneipen im Winterquartier sind.
Die kleine Ölpest
Für kurze Zeit schien es, als ob etwas anderes der Renaturierung einen Strich durch die Rechnung machen würde: Just zur Zeit, als die Bulldozer auffuhren, wurden grosse Mengen an Ölrückständen an den Strand gespült. Schwarze, dickliche Massen. Sie stammten von einem Schiffsunfall vor Korsika und wurden von der Strömung nach Südfrankreich getragen. Gemeinde und Staat reagierten umgehend: Badeverbote wurden erlassen, Dutzende Katastrophenhelfer reinigen seither die Küstenabschnitte rund um Saint-Tropez. Noch immer findet man an der Fusssohle gelegentlich einen klebrigen, teerartigen Fleck. Aber die grosse Katastrophe ist ausgeblieben. Noch einmal gut gegangen.
Nein, weder ein kleines Umweltdesaster noch eine gross angelegte Renaturierung werden dem Mythos von Pampelonne etwas anhaben können. Der Strand könnte dereinst sogar eine Antwort liefern. Auf die Frage, wie viel Natur der Mensch verträgt. Und wie viel Mensch die Natur.