Sand am Meer
Es gibt Tausende Strände am Mittelmeer. Einige haben es zu Berühmtheit gebracht. Andere warten auf ihren Durchbruch. Eine Serie über Sehnsuchtsorte am Wasser.
Von Marco Di Nardo, Brigitte Meyer und Michael Rüegg, 20.07.2019, Update 10.04.2020
Es gibt eine einfache Methode, um festzustellen, ob und wann ein Thema in der Medienberichterstattung eine gewisse Bedeutung hat. Man gibt als Journalistin einen Suchbegriff in die Schweizer Mediendatenbank ein. Das Wort «Mittelmeer» zum Beispiel führt für die vergangenen zwölf Monate bei den erfassten Medien zu rund 7500 Treffern. Zehn Jahre zuvor waren es noch um die 2000. Das zeigt: Es wird heute häufiger in Zusammenhang mit dem Mittelmeer berichtet als früher.
Die Häufigkeit ist das eine. Die Konnotation eines Begriffes das andere. Zwar taucht das Mittelmeer auch in Zusammenhang mit Artikeln über Plastikverschmutzung und fossile Energien auf. Doch in vielen Beiträgen geht es um geflohene Menschen, die versuchen, nach Europa zu gelangen. Und darum, dass viele dabei scheitern. Ihre Boote kentern, manche der Passagiere werden gerettet, andere ertrinken oder verdursten. Das Mittelmeer ist zu einem grossen Friedhof geworden – und zu einem Mahnmal für eine dysfunktionale Migrationspolitik, deren Grundprobleme in historischen Wunden, wirtschaftlichen Interessen und einer ungleichen Verteilung von Wohlstand liegen.
Frankreich
Italien
Saint-Tropez
Ostia
Vlora
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Albanien
Türkei
Mallorca
Bodrum
Sousse
Varosha
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Mittelmeer
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Mittelmeer
Tunesien
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Israel
Von Mallorca bis nach Israel: Neun Mittelmeerstrände haben wir besucht.
Im Vergleich zu den Ozeanen ist das Mittelmeer mit seiner Fläche von 2,5 Millionen Quadratkilometern ein Winzling. Und doch treffen hier drei Kontinente aufeinander. Drei Weltreligionen entstanden im Mittelmeerraum oder breiteten sich entlang seiner Gestade aus.
Stets hat dieses Meer getrennt und verbunden zugleich. Seefahrervölker legten Handelsrouten in jede Ecke des verwinkelten Gewässers. Phönizier, griechische Stadtstaaten, das Römische Reich, Byzanz, islamische Staatengebilde, Kreuzfahrer, die Republik Venedig, das Osmanische Reich, die Kolonialmächte – die Liste derer, deren Erfolg, Beständigkeit und Niedergang mit dem Mittelmeer verbunden sind, ist lang.
Verlässt man die historische, die politische, die Ebene der täglichen Berichterstattung über die Tragik der Flüchtlingsdramen, ist das Mittelmeer noch etwas: ein Sehnsuchtsort für so manche und manchen von uns. Fast alle haben wir Erinnerungen an die ersten Urlaube als Kinder. Irgendwo im grössten Sandkasten, den wir als kleine Wichte je gesehen haben. Viele sassen schon am Strand, bevor sie überhaupt stehen konnten. Und lange bevor sie schwimmen gelernt haben.
Strände locken uns an wie in Erzählungen die Sirenen die Seefahrer. Unzählige Strände säumen die Mittelmeerküsten. Und jeder von ihnen hat seinen eigenen Charakter, seine eigene Geschichte, die er erzählt.
Das Best-of: Eine Spotify-Playlist zur Serie
Wir haben zu jeder Folge eine Playlist, hier finden Sie das Best-of zur Serie.
Für diese Serie haben unsere Autorinnen und Autoren Strände besucht und versucht, ihnen ihre Geheimnisse zu entlocken. Einige davon sind berühmt (wie Hollywoodstars). Andere berüchtigt (wie Hollywoodstars). Wieder andere kennt man kaum, sind vergessen oder werden erst noch von sich hören machen. Mal haben wir uns in den Sand geworfen und sind liegen geblieben. Mal wird ein Strand zum Sprungbrett, um das zu erzählen, was um ihn herum geschieht.
Das Mittelmeer mag zu einem Ort des Showdowns der Migrationspolitik geworden sein. Dahinter verbergen sich jedoch noch weit mehr Probleme, die Anlass zur Sorge geben. Gewisse Gebiete gelten als stark überfischt, Tierarten verschwinden, Müllberge türmen sich auf, und eine stetig wachsende Armada von Kreuzfahrtschiffen tuckert von Hafen zu Hafen, von Lastschiffen und Tankern mit gefährlicher Ladung ganz zu schweigen.
In der Serie werden Sie vom Strand Pampelonne bei Saint-Tropez lesen. Er wurde zurück zur Natur gezwungen. Doch kaum hatten die Arbeiten begonnen, drohte dem Vorhaben ein von Korsika her angeschwemmter Ölteppich einen Strich durch die Rechnung zu machen.
Sie werden erfahren, warum man im türkischen Ferienort Bodrum nichts hört und nichts sieht. Sie werden über einen Strand in Tunesien lesen, der ein trauriges Kapitel der jüngeren Terrorismusgeschichte geschrieben hat. Von einem, dessen Name längst vergessen ist. Von Stränden, die alle umarmen, die zu ihnen wollen. Einem, der kaum zur Ruhe kommt. Und einem Strand, dessen letzte ruhige Minute bald geschlagen haben wird.
Eine Frage hat uns beschäftigt, beantworten können wir sie noch nicht: 300 Millionen Menschen pilgern jeden Sommer zu den Stränden des Mittelmeers. Was, wenn im Zuge der Sensibilisierung für den Klimawandel mehr Europäerinnen auf Reisen in die Karibik oder den Fernen Osten verzichten? Es ist wahrscheinlich, dass dann der Druck auf die Mittelmeerstrände weiter zunehmen wird. Und die mediterranen Küsten mit noch grösseren Touristenströmen als heute werden umgehen müssen.
Aber zuerst einmal zurück dorthin, wohin es im Sommer so viele zieht: an den Strand. Als Sehnsuchtsort. Als Magnet. Als Argument. Als Ort und als Unort. Ein Strand als Katalysator für eine Entwicklung.
Setzen Sie sich in den Sand und lauschen Sie dem Meer, den Menschen und Ihrer inneren Stimme. Oder den Stimmen unserer Autoren und Sprecherinnen. Denn alle «Am Strand»-Artikel liegen auch als Audioversionen vor. Viel Vergnügen.
Sie lesen: Auftakt
Sand am Meer
Es gibt Tausende Strände am Mittelmeer. Einige haben es zu Berühmtheit gebracht. Andere warten auf ihren Durchbruch. Die Serie über Sehnsuchtsorte am Wasser.
Folge 2
S’Arenal, Mallorca
«Ballermann» ist zum Inbegriff für Party-Tourismus geworden, den viele Reisende meiden. Besuch an einem Strand mit einem Ruf wie Sau.
Folge 3
Tripoli, Libanon
Einst war Tripoli ein Knotenpunkt im Handel zwischen Westasien und Europa. Heute ist die Stadt eine der ärmsten am Mittelmeer.
Folge 4
Tel Aviv, Israel
Für die einen Lebensfreude, für andere Hedonismus: Der Strand von Tel Aviv ist eine kleine Enklave in einer fundamentalistischen Welt.
Folge 5
Varosha, Zypern
Seit dem Zypern-Krieg ist Varosha Sperrgebiet. Ausflug zum längsten menschenleeren Strand des östlichen Mittelmeers.
Folge 6
Ostia, Italien
In Italien müssen Strände frei zugänglich sein, per Gesetz. In Ostia bei Rom aber darf nur ans Wasser, wer zahlt. Doch es gibt eine Alternative.
Folge 7
Sousse, Tunesien
Am Strand von Kantaoui in Tunesien wurde vor vier Jahren ein Terroranschlag verübt. Heute liegen Bikinis neben Burkinis, das Business läuft wieder.
Folge 8
Saint-Tropez, Frankreich
Der Strand von Pampelonne hat die Welt gesehen, und die Welt ihn. Jetzt hat er ein Facelift erhalten hin zu mehr Natürlichkeit. Das passt nicht allen.
Folge 9
Vlora, Albanien
Der Massentourismus blieb Albaniens Stränden lange fern. In der Stadt Vlora soll sich das ändern – wären da nicht fragwürdige Investoren.