Parteien im Netz, Geheimarmee im Museum – und eine depressive Kuh
Das Wichtigste in Kürze aus dem Bundeshaus (43).
Von Andrea Arezina, Carlos Hanimann und Dennis Bühler, 07.02.2019
Sind Sie knapp bei Kasse? Können Sie Ihre Krankenkassenprämien-Rechnung nicht bezahlen? Dann sind Sie in immer besserer Gesellschaft. Früher führten Barkredite in die Schuldenfalle, heute sind es Krankenkassenprämien. Betroffen sind jene, die knapp keine Prämienverbilligung, Ergänzungsleistungen oder Sozialhilfe erhalten. Betroffen ist die Mittelschicht. Das zeigen übereinstimmend die Erhebungen des Bundesamts für Statistik und der Schuldenberatung Schweiz.
Ein Glück, hat die Politik das Problem schon erkannt. Zwei Initiativen sind in Arbeit. Die CVP möchte die Gesundheitskosten an die Lohnentwicklung koppeln. Und die SP verlangt, dass die Ausgaben für Krankenkassenprämien 10 Prozent des Haushaltseinkommens nicht übersteigen dürfen.
Doch vorderhand müssen finanziell überforderte Haushalte noch selber schauen, wie sie in die schwarzen Zahlen kommen. Eine Schuldenberaterin aus Zürich verriet in der «Tagesschau» einen Weg: auf «Auto, Ferien, Ausgang» sei zu verzichten.
Aber nicht auf das Briefing aus Bern.
Online-Wahlkampf boomt
Worum es geht: Fast alle Parteien haben bekannt gegeben, dass sie bei den nationalen Wahlen vom kommenden Herbst neben der klassischen Plakat- und Inseratewerbung auch auf Facebook, Instagram und Twitter werben wollen.
Was Sie wissen müssen: Im Netz wird zielgruppenspezifische Werbung betrieben. Auf Facebook funktioniert das so: Man stellt eine Zielgruppe nach Wohnort, Geschlecht und Interesse zusammen. Facebook zeigt die Werbung dann nur dieser Zielgruppe an. Werbung auf Facebook ist viel günstiger als jede Plakatstelle. Und vor allem: Sie findet im Verborgenen statt. Plakate sind für alle sichtbar, Facebook-Werbung nur für die Menschen aus der Zielgruppe. Die Parteien können so noch besser verschleiern, wie viel Geld sie in den Wahlkampf stecken. Und Internetwerbung ist anfällig auf Fake News: In der Zielgruppe überleben Fehlinformationen länger, sie verbreiten sich schneller, und niemand kriegt es mit. Man weiss, dass bei Wahlkämpfen in den USA und Brasilien Fake News in sozialen Netzwerken grossen Einfluss hatten. Und: Bei politischer Werbung im Netz ist ein sorgloser bis illegaler Umgang mit den persönlichen Daten von Userinnen und Usern gang und gäbe.
Wie es weitergeht: «Im Zusammenhang mit politischen Prozessen ist der Einsatz von Sanktionen heikel», sagt Andreas Lobsiger, der oberste Datenschutzbeauftragte. Er hofft, dass unter den Parteien ein Wettbewerb um das Respektieren der Privatsphäre einsetzt. Es wird ihm nicht leichtfallen, zu überprüfen, ob seine Hoffnung in Erfüllung geht. Lobsiger und seine Mitarbeitenden (24 Vollzeitstellen) müssen über 700’000 Unternehmen, Stiftungen und Vereine beaufsichtigen, die in der digitalen Welt Personendaten bearbeiten.
P-26: Wie das VBS den Revisionisten hilft
Worum es geht: Die Geheimarmee P-26 bleibt fast zwanzig Jahre nach ihrer Enttarnung und Auflösung von Rätseln umwittert. Letzte Woche hat die Geschäftsprüfungsdelegation bekannt gegeben, dass die verschollenen Dokumente zur P-26 nicht gefunden wurden. Dafür sind nun neue Dokumente aufgetaucht, die zeigen, wie Ex-Bundesrat Samuel Schmid und Ex-Geheimdienstchef Markus Seiler die Verklärung der Geheimarmee unterstützten.
Was Sie wissen müssen: Unter dem Namen «Projekt 26» entstand während des Kalten Kriegs eine Geheimarmee ohne rechtliche Grundlage oder demokratische Kontrolle. Seit ihrer Enttarnung ist sie Gegenstand reger Kontroversen. In den letzten Jahren gab es eine Reihe von Bestrebungen, die Mitglieder der Geheimarmee zu rehabilitieren und die Erkenntnisse der parlamentarischen Untersuchungskommission von 1990 zu revidieren. Unterstützung fanden die Revisionisten dabei auch beim damaligen Verteidigungsminister Ueli Maurer. Nun macht die WOZ in ihrer aktuellen Ausgabe publik, dass Maurer nicht der Einzige war: So unterstützte bereits sein Vorgänger Samuel Schmid den Revisionisten Felix Nöthiger beim Aufbau eines P-26-Gedenkmuseums in einem Bunker in Gstaad und ermöglichte ihm mit einem persönlichen Schreiben die Ausleihe von P-26-Materialien. Auch der mittlerweile ins Aussendepartement übergesiedelte ehemalige Geheimdienstchef Markus Seiler scheint Nöthigers P-26-Nostalgie wohlgesinnt: Er dankte ihm in einem Schreiben für die «grosse Leistung», sich für das «Andenken an die ehemaligen Widerstandsorganisationen» einzusetzen.
Wie es weitergeht: Die verschollenen Akten bleiben verschwunden. Felix Nöthiger muss einige für sein Museum ausgeliehene P-26-Memorabilien an den Geheimdienst zurückgeben. Und das private P-26-Museum in Gstaad bleibt für die Öffentlichkeit bis auf weiteres geschlossen.
Der Hornkuh-Rebell hört auf
Worum es geht: Vor zweieinhalb Monaten stimmten 45 Prozent der Stimmbürgerinnen für die Hornkuhinitiative, mit der Bauern mit horntragenden Kühen und Ziegen finanziell entschädigt werden sollten. Nun geht der Mann hinter diesem Achtungserfolg in Pension. Die 100’000 Unterschriften sammelte der 67-jährige Bergbauer Armin Capaul fast allein.
Was Sie wissen müssen: Weil Capaul nach acht Jahre währendem Kampf für die Würde seiner Tiere müde ist, gibt er die Leitung der von ihm gegründeten IG Hornkuh an einen Berner Oberländer Architekten weiter. «Ich habe mich mit Liebe und Herzblut für meine Kühe und Ziegen eingesetzt», sagt Capaul auf Anfrage. «Mehr konnte ich nicht tun.» So stolz Capaul darauf ist, dass ihm 1,15 Millionen Schweizer ihre Stimme gaben: Seine Tiere hätten unter seiner häufigen Abwesenheit in der Endphase des Abstimmungskampfes gelitten, sagt er. «Kuh Marianne, die sich bei jedem Fotografenbesuch auf unserem Hof ins Bild schob, wurde depressiv. Wir mussten sie weggeben.» Auch Hund Lunik überlebte die Initiative nicht: Er starb zwei Tage nach der Abstimmungsniederlage.
Wie es weitergeht: Vor Bundesgericht ist eine Abstimmungsbeschwerde hängig. Eine Privatperson, die nicht mit der IG Hornkuh verbandelt ist, stört sich daran, dass die Universität Bern erst zwölf Tage nach der Volksabstimmung darüber informierte, dass mehr als ein Drittel der enthornten Kühe auch drei Monate nach dem Eingriff noch Schmerz verspüren. Über die unter Verschluss gehaltene Studie hatte vorgängig unter anderem die Republik berichtet. «Gut möglich, dass wir gewonnen hätten, wenn die Ergebnisse am Abstimmungssonntag breit bekannt gewesen wären», sagt Capaul. Dennoch: Es ist sehr unwahrscheinlich, dass das Bundesgericht die Abstimmung für ungültig erklären wird. Entsprechend setzt die IG Hornkuh eher auf die Politik. Sie möchte finanzielle Entschädigungen für Horntiere im Rahmen der Diskussion um die Agrarpolitik 2022+ auf Gesetzesstufe vorschlagen. Und Sympathieträger Capaul will sich nach der Polit- einer zweiten Karriere widmen: Er plant die Wiederaufnahme seiner Tätigkeit als Mundartsänger.
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