Whistleblower gesucht
Was machen die Technologiekonzerne mit unseren Daten? Das wollen wir herausfinden in einer internationalen Recherchekooperation – und mit Ihrer Hilfe.
Von Ihrem Expeditionsteam und Adam Higton (Illustration), 30.01.2019
In diesen Tagen hat sich der 30-jährige Portugiese Rui Pinto geoutet – er ist der Whistleblower hinter den Football Leaks.
Über Jahre hat er Journalisten mit brisanten Unterlagen versorgt. Cristiano Ronaldo flog als Steuerhinterzieher auf, erhielt eine bedingte Gefängnisstrafe und muss mehr als 18 Millionen Euro Steuern nachzahlen. Bei Paris Saint-Germain wurde ein rassistisches Scouting-System öffentlich. Europaweit berichteten Journalisten, ermitteln nun Staatsanwältinnen.
Aktuell sitzt Rui Pinto, der Whistleblower, mit einer Fussfessel in Budapest in Hausarrest. Portugal will ihn behandeln wie einen gewöhnlichen Kriminellen. Sein Anwalt William Bourdon, der auch Edward Snowden verteidigt hat, widerspricht: Rui Pinto ging es darum, einen Missstand aufzuklären, er wollte, dass die Welt Bescheid weiss, wie es im Profifussball wirklich zugeht, und ging dafür ein grosses Risiko ein. Nicht aus Eigennutz habe Pinto gehandelt, sondern aus öffentlichem Interesse.
«Das Einzige, was ich sagen kann, ist, dass am Anfang der Geschichte die Liebe zum Fussball stand. Die wurde von dem, was er entdeckt hat, verletzt», sagte William Bourdon dem «Spiegel». «Je mehr Zugang er zu Dokumenten hatte, desto empörter und angewiderter war er. Und desto mehr hielt er es für seine Pflicht, der Welt zu zeigen, dass seine Leidenschaft, der Fussball, von Kriminalität, Gier, Geldwäsche und Steuerhinterziehung beschädigt wird.»
Oder Christopher Wylie, der Mann mit rosafarbenen Haaren und Bart, der den Datenskandal um die Analysefirma Cambridge Analytica enthüllte. Wylie war dabei, als das Unternehmen Millionen Facebook-Profile heimlich ausbeutete, um zielgenau politische Werbung zu schalten – und so in die Brexit-Abstimmung und die US-amerikanische Präsidentschaftswahl eingriff.
Bis es Wylie zu bunt und sein Zweifel zu gross wurden und er sich Journalisten anvertraute. Gemeinsam brachten sie den Skandal bei Facebook ans Licht, der Mark Zuckerberg bis vor einen US-amerikanischen Untersuchungsausschuss brachte und Facebook zwang, einige seiner Geschäftspraktiken zu überdenken.
Netzwerk für Whistleblower
Sind unsere Daten nun besser aufgehoben? Wir wissen es nicht. Aber wir wollen es herausfinden. Und dafür brauchen wir Sie. Sie, die in einem solchen Unternehmen arbeiten und sehen: Da läuft etwas falsch.
Wir suchen Whistleblower aus dem Inneren von Technologieunternehmen, die sehen, was die Öffentlichkeit nicht sieht. Die wollen, dass dies ans Licht kommt.
In diesen Tagen ist die Republik einem weltumspannenden Rechercheverbund beigetreten. Organisiert wird er von The Signals Network, einer gemeinnützigen und unabhängigen Stiftung aus den USA, gegründet vom Franzosen Gilles Raymond. Der hatte im Silicon Valley den Nachrichtenaggregator «News Republic» gegründet. 2016 verkaufte er das Unternehmen für 57 Millionen Dollar.
Der Zweck des Signals Network: Whistleblower weltweit zu unterstützen, auch in der Schweiz. Zu dem Team gehörten Journalisten, ehemalige Whistleblower und Anwälte. Sie bieten praktische Hilfe an und juristische Beratung, psychologische Betreuung und, im Extremfall, eine sichere Unterbringung.
Zugleich steht das Signals Network im Zentrum jener Recherchen, die sich gezielt an Whistleblower aus Technologieunternehmen wenden. Zusammen mit «Mediapart» aus Frankreich, «The Daily Telegraph» aus Grossbritannien, «The Intercept» und «McClatchy» aus den USA, der «Zeit» und «Zeit Online» in Deutschland, «El Mundo» aus Spanien und der Republik in der Schweiz.
Die Daten-Giganten arbeiten weltumspannend. Wir Journalisten müssen es ihnen gleichtun. Wie einst bei den Panama Papers und jüngst bei den Cum-Ex-Files.
Wir arbeiten gemeinsam und nach höchsten Sicherheitsstandards. Wir Journalistinnen recherchieren, die Mitarbeiter der Stiftung betreuen die Hinweisgeber. Ihre Hinweise werden höchst vertraulich behandelt und sorgfältig begutachtet.
Im digitalen Zeitalter bedrohen nicht nur Geheimdienste oder fremde Mächte die Demokratie, auch Konzerne können sie aushöhlen. Weltumspannende Unternehmen, die ihren Aktienkurs im Blick haben und sich unabhängiger Kontrolle entziehen. Was im Innern ihrer Serverzentren geschieht, welche Daten gesammelt und wie ausgewertet werden, welche Gesetze dabei möglicherweise gebrochen werden – kaum jemand weiss es.
Nein, wir rufen nicht zum Denunziantentum auf, sondern zu demokratischer Verantwortung. Es geht nicht darum, Unternehmen zu schaden. Wohl aber darum, illegale Praktiken aufzudecken. Im Interesse von uns allen.
Ein verantwortungsvoller Umgang mit Daten ist wichtig für die Demokratie.
Wer sieht, dass Grenzen überschritten werden, sollte handeln.
Jetzt.
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