Ruag, Finanzkontrolleure und Gleichstellung in 200 Jahren
Das Wichtigste in Kürze aus dem Bundeshaus (38).
Von Andrea Arezina, 20.12.2018
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Konzertsaal. Sie haben dafür ordentlich Eintritt bezahlt. Das Orchester spielt, doch von Wohlklang keine Spur. Als würde jeder Musiker ein anderes Stück spielen. Der Dirigent hingegen scheint ganz in seinem Element. Präzise gibt er mit seinem Taktstock die Töne vor, die schrägen Töne beirren ihn nicht.
So verläuft derzeit die Diskussion um das Rahmenabkommen. Nach welchen Partituren die Grünliberale Partei, die Gewerkschaften, der Gewerbeverband und die CVP spielen, lesen Sie hier.
Auf das Dirigentenpult ist FDP-Bundesrat Ignazio Cassis gestiegen.
In einem Interview mit der NZZ empfiehlt er der Schweiz den auf dem Tisch liegenden Entwurf zu einem Rahmenabkommen, obwohl dieser vom Gesamtbundesrat schlecht aufgenommen wurde. Auf die Frage, wie zuversichtlich er sei, dass im Bundesrat nun ein Reifungsprozess einsetze, sagt er: «Die Hoffnung stirbt zuletzt (...). Ich gehe davon aus, dass die Vernunft und die Intelligenz über Prinzipien und Ideologien gewinnen.»
Derweil ist die Kakofonie ohrenbetäubend. Vielleicht findet sich das Orchester irgendwann. Es ist zu hoffen. Und damit zum Briefing aus Bern.
Versteckspielchen der Ruag
Was bisher geschah: Der Rüstungskonzern Ruag gehört dem Bund und ist für den Unterhalt der Schweizer Luftwaffe zuständig. Für diesen Auftrag soll die Ruag dem Bund insgesamt 400 Millionen Franken zu viel in Rechnung gestellt und zur Querfinanzierung anderer Bereiche genutzt haben. Die Mediengruppe CH Media erzählt, wie die Ruag getrickst haben soll: Budgetposten, die Verluste einbrachten, sollen aufgelöst und in den grössten Budgetposten überführt worden sein. Das Ergebnis: eine nur sehr schwer nachvollziehbare Gemischtwaren-Buchhaltung.
Was Sie wissen müssen: Der Vorwurf, die Ruag habe dem Bund während mindestens zehn Jahren zu hohe Rechnungen gestellt, ist alt. Seit zwei Jahren ermittelt die Bundesanwaltschaft. Neu sind nur die Details zu den buchhalterischen Manipulationen. Als die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) und das Parlament bereits vor Jahren versuchten, die Ruag zur Herausgabe von mehr Informationen zu bewegen, gab diese sich maximal verschlossen. Zuletzt empfahl die Finanzkontrolle dem Bund, einen transparenten Finanzbericht zu verlangen. Dieser steht bis heute aus.
Wie es weitergeht: Die Ruag weist die neuen Vorwürfe zurück. Es seien nachweislich falsche Aussagen gemacht worden. Finanzpolitikerinnen fordern nun volle Transparenz in Sachen Ruag. Für die Sitzungen der Finanzkontrolle und der Finanzkommission im Januar ist das Thema traktandiert. Mit der Ruag wird sich auch die neue Bundesrätin und Verteidigungsministerin Viola Amherd befassen müssen.
Keine neuen Finanzkontrolleure für die EFK
Was bisher geschah: Die Eidgenössische Finanzkontrolle wollte zehn neue Finanzprüfer einstellen. Und forderte dafür vom Bund 2 Millionen Franken. Das Parlament lehnte die Budgetaufstockung ab. FDP-Nationalrat Hans-Ulrich Bigler kritisierte, dass die Finanzkontrolle zunehmend politisch agiere. Beispielsweise habe die EFK während der diesjährigen Diskussion über Waffenexporte einen kritischen Bericht zum Thema veröffentlicht und damit politischen Aktivismus bewiesen. Der Chef der Finanzkontrolle, Michel Huissoud, klagte: «Es gibt grosse Risiken, die wir nur ungenügend abdecken können.» Da in den letzten Jahren einige teure IT-Beschaffungen aus dem Ruder gelaufen waren und weitere IT-Projekte anstehen, hätte die EFK die zehn zusätzlichen Mitarbeitenden für die Überprüfungen im Bereich der Informatik einsetzen wollen.
Was Sie wissen müssen: Das Bundesbudget beträgt 72 Milliarden Franken. Die EFK hat die Aufsicht über die Finanzen des Bundes und der bundesnahen Betriebe. Dazu gehört neben der Ruag auch die Post. Auch sie geriet dieses Jahr wegen ihres Umgangs mit öffentlichen Geldern in die Schlagzeilen: Sie hatte für den Postautobetrieb 188 Millionen an Subventionen von Bund, Kantonen und Gemeinden erschlichen. In beiden Fällen hatte die EFK den Bundesrat auf Unstimmigkeiten hingewiesen. Ihre Beamten haben bewiesen, dass sie ihr Geld wert sind.
Wie es weitergeht: Für die EFK heissen diese Nachrichten: weitermachen wie bisher. Hans-Ulrich Bigler forderte lapidar, die Finanzkontrolle müsse halt Prioritäten setzen. Dieser bleibt jetzt nur die Hoffnung, dass 2019 weder der Bund noch ein bundesnaher Betrieb Schlagzeilen mit zu hohen Ausgaben im IT-Bereich machen.
Zahl der Woche: Noch 200 Jahre bis zur Gleichstellung
Wer geglaubt hat, die Gleichstellung am Arbeitsplatz werde bald erreicht sein, wird enttäuscht: Eine Studie des Weltwirtschaftsforums WEF hat die Gleichstellung in 149 Ländern analysiert, und zwar in vier Bereichen: Bildung, Gesundheit, Politik und Wirtschaft. Die Studie zieht den Schluss: Wenn es global gesehen im gleichen Tempo weitergeht, dauert es noch über 200 Jahre, bis Frauen im Arbeitsmarkt die gleichen Chancen, Jobs und Löhne haben wie ihre Arbeitskollegen. Mit der Situation in der Schweiz stehts noch ärgerlicher: Hier ging der Frauenanteil in Führungspositionen im letzten Jahr zurück und liegt aktuell bei 34 Prozent.
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