Was diese Woche wichtig war

Spanien bockt, Frankreich gegen Fake News – und Hunde unter Wildschweinen

Woche 47/2018 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.

Von Michael Kuratli, 23.11.2018

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Spanien stellt dem Brexit-Deal einen Felsen in den Weg

Darum geht es: Spanien droht, den Brexit-Deal, auf den sich das Vereinigte Königreich mit der EU einigte, mit einem Veto zu verhindern. Grund dafür ist das aus der Sicht Spaniens ungeklärte Verhältnis zu Gibraltar.

EU-Chefunterhändler Michel Barnier machte klar, dass es keine Nachverhandlungen über den Brexit-Deal geben wird. Olivier Hoslet/EPA/Keystone

Warum das wichtig ist: Michel Barnier, Brexit-Beauftragter der EU, hatte sich selbst wohl fest die Daumen gedrückt, als er den 27 Mitgliedsstaaten am Mittwoch den ausgehandelten Scheidungsvertrag schickte. Irgendjemand würde doch wohl ein Haar in der Suppe finden. Was sich im Fall von Spanien bewahrheitete: Es handelt sich dabei um einen Artikel, der zuvor in keinem Dokument einsehbar gewesen war. In diesem wird erwähnt, dass die EU und das Vereinigte Königreich nach der Scheidung Verhandlungen führen werden – Drittstaaten werden nicht erwähnt. Für Spanien eine Provokation, da es befürchtet, bei zukünftigen Gesprächen über den südlichsten Felsen der Iberischen Halbinsel – das britische Territorium Gibraltar – übergangen zu werden. Spaniens Aussenminister Josep Borrell drohte mit einem Veto bei der Abstimmung der verbleibenden EU-Staaten über den Deal, sollte nicht klar werden, dass in Zukunft Verhandlungen über Gibraltar mit der Madrider Regierung und nicht mit der EU geführt werden. Die spanische Regierung fordert, dass der Artikel um eine klare Formulierung diesbezüglich ergänzt wird.

Der Haken dabei: Barnier machte bei seinem Massenversand bereits klar, dass es keine Nachverhandlungen geben wird. Wohl auch aufgrund der Befürchtung, dass einzelne Länder den Deal vonseiten der EU blockieren würden. Die spanischen Bedenken versuchte die EU-Kommission mit der Bemerkung zu zerstreuen, aus den ursprünglichen Leitlinien gehe hervor, dass ohne Madrid am Tisch nicht über Gibraltar verhandelt wird.

Was als Nächstes geschieht: An der Gibraltar-Frage wird der Brexit-Vertrag wohl nicht scheitern. Spanien zielt vielmehr auf eine starke Position in weiteren Verhandlungen ab. Etwa zum Zusatzvertrag, welcher das zukünftige Verhältnis zwischen dem Königreich und der EU regelt. Derweil muss sich Grossbritannien entscheiden, ob es mit dem Deal, den Theresa Mays Regierung aushandelte, leben will. Analysiert hat die Position des Königreichs Mark Dittli in unserer Rubrik «Auf lange Sicht».

CIA-Bericht: Kronprinz für Khashoggis Tötung verantwortlich

Darum geht es: Ein brisanter CIA-Bericht legt nahe, dass der saudische Kronprinz Muhammad bin Salman direkt in die Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi involviert gewesen war. US-Präsident Donald Trump will trotz der immer klareren Mitverantwortung höchster staatlicher Stellen am amerikanischen Verhältnis zu Saudiarabien nichts ändern. Deutschland verhängte vergangene Woche einen Waffenexportstopp für das arabische Königreich.

Warum das wichtig ist: Ein in den USA lebender Journalist wird von seinem Heimatland brutal ermordet. Schrieben wir nicht das Jahr 2018, wäre es wohl ein Skandal, dass sich der amerikanische Präsident nicht distanziert von der Regierung, die in die Ermordung involviert war. Doch Trump kann das alles wegreden. «Wird man es je wirklich wissen?», fragte er rhetorisch in einem Fernsehinterview auf dem Sender Fox News auf die Frage, ob er es einfach akzeptiere, dass der saudische Kronprinz ihn vermutlich angelogen habe.

Khashoggi-Masken liegen auf einer Strasse in Istanbul. Demonstranten hatten sie während einer Solidaritätskundgebung getragen. Lefteris Pitarakis/AP Photo/Keystone

Bin Salman weist die Schuld am Tod Khashoggis nach wie vor von sich. Trump gab in einer Pressemitteilung auch gleich die Antwort, weshalb der CIA-Bericht keine Konsequenzen für die Beziehungen zu Saudiarabien haben wird: «Wir haben einen Alliierten, der in vielerlei Hinsicht sehr gut gewesen ist.» Die USA werden wohl dabei bleiben, lediglich für 18 saudische Staatsangehörige, die nachweislich an der Tat beteiligt waren, eine Einreisesperre zu verhängen. In der EU wird derzeit ein Waffenexportverbot diskutiert, das deutsche Wirtschaftsministerium hat ein solches am Montag bereits vorweggenommen.

Was als Nächstes geschieht: Traditionell hatten alle US-Regierungen einen guten Draht zum saudischen Königreich. Trump intensivierte die Zusammenarbeit und machte damit dem aufstrebenden Thronfolger und Regierungschef klar, dass er in der Regionalpolitik freie Hand hat. Den Freipass nutzt Bin Salman nun ausgiebig, und Trump wird ihn auch in anderen Belangen, etwa im Krieg mit dem Jemen, im Verhältnis zum Libanon oder zu Israel/Palästina, nicht behindern. Ob die EU bereit ist, auf die verurteilenden Worte auch Taten – sprich Sanktionen – nachzulegen und damit Deutschland zu folgen, ist offen.

Frankreich beschliesst Fake-News-Gesetz

Darum geht es: Das französische Parlament hat einem umstrittenen Gesetz zugestimmt, das die Verbreitung von Fake News unter Strafe stellt.

Warum das wichtig ist: «Die Frage, die dieses Gesetz stellt, ist gut, aber die Antwort schlecht», kommentierte Senatorin Catherine Morin-Desailly das Fake-News-Gesetz, über das die beiden französischen Kammern die letzten Monate debattierten. Präsident Emmanuel Macron hatte angekündigt, gegen die Verbreitung von falschen Nachrichten vorgehen zu wollen, insbesondere in Zeiten von Wahlen. Das Gesetz zielt denn auch vor allem auf nationale Wahlen ab. Per richterlichen Beschluss soll die Verbreitung von Falschmeldungen während dreier Monate vor einer nationalen Wahl unterbunden werden. Ausserdem müssten soziale Netzwerke deklarieren, wer für die Verbreitung einer Meldung bezahlt hat und wie hoch der Betrag war.

Während die Nationalversammlung, Frankreichs grosse Kammer, das Gesetz befürwortete, stand es im Senat zweimal an. Einzig Macrons Partei La République en marche und Vertreter der Journalistengewerkschaft verteidigten dort das Gesetz. Kritikerinnen fürchten mit dem Gesetz eine Zensur, die politisch genutzt werden könnte. Andere halten es für unnötige Symbolpolitik, da das Pressegesetz von 1881 bereits die Verbreitung von Falschmeldungen verbietet. Für Macron ist es ein symbolischer Sieg, den er bitter nötig hat. Schliesslich sind seine Umfragewerte derzeit im Keller.

Was als Nächstes geschieht: Es besteht noch die Möglichkeit, dass sich 60 Senatorinnen und Senatoren zusammentun und den Verfassungsrat anrufen, der das Gesetz auf seine Verfassungskonformität hin prüfen würde.

Zum Schluss: Unter Schweinen (nur kurz)

Sie sind echt nicht zu beneiden. Monatelang müssen sie unter ihren Feinden leben, sich an die borstigen Wildviecher gewöhnen, sich ihren Respekt erkämpfen. Nur um sie danach durch die Wälder und vor die Flinte des Herrchens zu treiben. Die Rede ist von Jagdhunden. Spezieller noch von solchen, die für die Jagd auf Wildschweine ausgebildet werden. Für sie wurde eigens in Elgg, Kanton Zürich, ein Ausbildungscamp errichtet. Eine Rekrutenschule für Jagdhunde. Passender ist jedoch der offizielle Begriff «Schwarzwildgewöhnungsgatter», bei dem man – laut ausgesprochen – gleich die gefletschten Zähne der dressierten Spürnasen und das ängstliche Quieken der Wildschweine hört. Obs hilft? So eine Sau ist ja in der Regel intelligenter als ein Hund – und zuweilen auch cleverer als so mancher Jäger.

Top-Storys: Wo sich Fremdgehen diese Woche lohnt

Green Book: Die USA – das Land der eingeschränkten Reisemöglichkeiten für Schwarze. Wie «The Negro Motorist Green Book» der segregierten Bevölkerung half, unbehelligt durch das Land zu ziehen, erzählt der Podcast von «99% Invisible».

Vox: Eine neofaschistische Partei versucht in Spanien Fuss zu fassen. Doch hat eine solche Partei noch Platz in einem Land, das sich nie so richtig vom langjährigen Diktator Franco distanziert hat? Die Auslegeordnung von links lesen Sie im «Jacobin».

Schrumpfende Welt: Warum die Welt immer kleiner wird, je länger wir den Klimawandel ignorieren, lesen Sie im «New Yorker» – ein Klima-Longread zum Wochenende.

Arme Alte: Das deutsche Pflegesystem ist überfordert – und bald kommen die Babyboomer. Die SRF-Sendung «International» porträtiert in ihrer aktuellen Ausgabe ein System am Rande des Kollapses.

Was diese Woche wichtig war

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