US-Demokraten im Aufwind, Fifa in der Kritik – und ein lebloser Wahlsieger
Woche 45/2018 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.
Von Michael Kuratli und Adelina Gashi, 09.11.2018
Halber Sieg der Demokraten – Justizminister Sessions entlassen
Darum geht es: In den USA fanden die Kongresswahlen, die sogenannten Midterms, statt. Die Demokraten erreichten zwar die Mehrheit im Repräsentantenhaus. Im Senat werden jedoch nach wie vor die Republikaner den Ton angeben. Kurz nach der Wahl drängte Präsident Donald Trump seinen Justizminister Jeff Sessions zum Rücktritt.
Warum das wichtig ist: Nach den Wahlen am Dienstag haben die Republikaner nicht mehr die Mehrheit in beiden Parlamentskammern. Die Gewaltentrennung ist dadurch wieder hergestellt. In die Geschichte eingehen werden die Wahlen aus mehreren Gründen: Erstmals wurde ein offen schwuler Demokrat, Jared Polis, zum Gouverneur gewählt. Die beiden Demokratinnen Rashida Tlaib aus Michigan und Ilhan Omar aus Minnesota sind die ersten Musliminnen in der US-amerikanischen Geschichte, die es in den Kongress geschafft haben. Ein weiteres Novum: Zum ersten Mal ziehen mit Sharice Davids aus Kansas und Deb Haaland aus New Mexico Vertreterinnen der Ureinwohnerinnen, der native americans, in den Kongress ein. Überhaupt stellten sich in diesem Jahr so viele Frauen zur Wahl wie noch nie. Dass etliche von ihnen einen Sitz holten, ist vor allem der Erfolg einer neuen Generation in der Demokratischen Partei. Für eine Mehrheit im Senat reichte es der Partei jedoch nicht. Im Gegenteil: Die Republikaner konnten im Senat ihre Mehrheit sogar noch um ein paar Sitze ausbauen. Was die neue Zusammensetzung im Kongress bedeutet, lesen Sie im Kommentar, den Michael Rüegg gleich nach den Wahlen verfasst hat.
Kaum waren die Resultate verlesen, trat Justizminister Jeff Sessions auf Druck von Präsident Trump zurück. Zuvor hatte er sich wegen Befangenheit aus der Aufsicht der Untersuchung zur Russland-Affäre zurückgezogen, was Trump als Fehler bezeichnete. Es wird befürchtet, dass sich der künftige Justizminister in die Untersuchung zur Russland-Affäre einmischen wird. Im Blickpunkt der Tätigkeit von Sonderermittler Robert Mueller steht der Präsident selbst. Sessions Abgang löste ausserdem eine Hausse bei Cannabis-Aktien aus. Der Justizminister war ein dezidierter Gegner jeglicher Legalisierung der Droge.
Was als Nächstes geschieht: Noch sind nicht alle Resultate klar. Aufgrund äusserst knapper Wahlausgänge sind nicht alle Resultate für die zu besetzenden Senatssitze bekannt. US-Präsident Trump hat die bisherigen Wahlergebnisse als «gewaltigen Erfolg» bezeichnet. Er sprach sich für eine Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinweg aus und signalisierte den Demokraten so seine Kooperationsbereitschaft. Gleichzeitig warnte er sie davor, seine Amtsführung zu untersuchen. Die Demokraten haben dank ihrer Mehrheit ab Januar parlamentarische Mittel dazu, dem Präsidenten das Leben schwerzumachen.
Fussball-Leaks stellen Fifa-Chef bloss
Darum geht es: Seit der Wahl zum Fifa-Präsidenten hat der Walliser Gianni Infantino seine Macht mit allen Mitteln ausgebaut. Ausserdem war eine Eliteliga mit den besten europäischen Klubs geplant. Dies zeigen neue Enthüllungen der «Football Leaks» des Recherchenetzwerks European Investigative Collaborations (EIC).
Warum das wichtig ist: Der Fussball hat ein Machtproblem. Als Sepp Blatter 2015 in einem Strudel von Vorwürfen seinen Präsidentschaftsposten räumen musste, erhofften sich mit dessen Nachfolger Gianni Infantino viele mehr Transparenz und weniger Skandale. Wie die neuen Berichte nahelegen, ist seither im Weltfussball alles andere als eine Machtbereinigung geschehen. Die Unmengen an Dokumenten, die unter anderem der «Spiegel» und das Recherchedesk von Tamedia auswerteten, zeigen beispielsweise, dass Infantino konsequent an der Stärkung seiner Position arbeitete – indem interne Kontrollinstanzen geschwächt und kritische durch ihm wohlgesinnte Personen ersetzt wurden. Zudem soll Infantino 2014 bei Untersuchungen der Uefa gegen die Klubs Manchester City und Paris Saint-Germain seine Kompetenzen als damaliger Uefa-Generalsekretär überschritten und die Klubs vor dem Ligaausschluss bewahrt haben.
Ausserdem wurde öffentlich, dass offenbar ein grosser Umbau der Fussballligen geplant ist. Die europäischen Topklubs wie der FC Bayern München, Manchester United oder Real Madrid prüfen offenbar die Einführung einer europäischen «Super League». Die Klubs würden sich von den regulären Länderligen und ihren Verbänden loslösen und eine Eliteliga gründen – massgeschneidert auf die millionenschweren Einnahmen aus den Übertragungsrechten.
Was als Nächstes geschieht: Die Enthüllungen der «Football Leaks» fanden vor mehr als zwei Jahren dank eines Whistleblowers ihren Weg an die Öffentlichkeit. Nun kamen 70 Millionen Dokumente hinzu. Es ist zu erwarten, dass die Enthüllungsserie noch nicht abgeschlossen ist. Ob deswegen bei der Uefa oder der Fifa Köpfe rollen werden, ist unklar. Die Verbände wiesen Kritik bisher zurück. Dass 2021 tatsächlich eine Eliteliga entstehen könnte, ist nicht ausgeschlossen.
Razzia bei Blackrock wegen Cum-Ex-Geschäften
Darum geht es: Die Enthüllungen zum Cum-Ex-Skandal zeigen juristische Wirkung. Die Kölner Staatsanwaltschaft untersuchte in München die Büros des weltgrössten Vermögensverwalters Blackrock.
Warum das wichtig ist: Es ist der grösste Steuerskandal der Geschichte Europas. Auch in der Schweiz zockten Investoren über Jahre dank eines Schlupflochs den Fiskus ab. Untersuchungen der Republik zusammen mit einem internationalen Rechercheteam mehrerer Medienhäuser entlarvten die skandalösen Praktiken, die die Öffentlichkeit über Jahre Milliarden Euro kosteten. Die jetzigen Untersuchungen der Staatsanwaltschaft bei Blackrock werfen auch ein negatives Licht auf einen der Kandidaten für die CDU-Parteispitze, Friedrich Merz. Der ehemalige Aufsichtsratschef des deutschen Ablegers der Firma wurde ohnehin bereits kritisiert, zu stark mit der Hochfinanz verflochten zu sein. Die etwaigen Steuerbetrugsgeschäfte sollen sich jedoch auf die Zeit von 2007 bis 2011 beziehen. Merz übernahm die Lobbyistenstelle bei Blackrock erst 2016. So distanzierte er sich in der Presse denn auch stark von den fragwürdigen Cum-Ex-Praktiken. Allerdings sass Merz bereits Jahre zuvor im Aufsichtsrat bei der Bank HSBC, die ebenfalls in Cum-Ex-Geschäfte verwickelt war.
Was als Nächstes geschieht: Die Untersuchungen bei Blackrock werden Friedrich Merz’ Kandidatur kaum schaden. Die juristische Aufarbeitung der Cum-Ex-Geschäfte ist europaweit noch nicht weit fortgeschritten.
Zum Schluss: Death can’t stop him (nur kurz)
Grundsätzlich ist ja nichts dagegen einzuwenden, wenn ein Bordellbesitzer für ein öffentliches Amt kandidiert. Ein wenig absurd ist aber der Fall von Dennis Hof, der im Bundesstaat Nevada einen Parlamentssitz erkämpfte. Denn Hof ist seit drei Wochen tot. Wahlen lassen sich im Land der unbegrenzten Absurditäten aber offenbar auch aus dem Jenseits gewinnen. So geht der Sitz denn auch nicht an seine demokratische Kontrahentin. Sondern an einen Nachfolger, den die Republikanische Partei nun bestimmen darf.
Top-Storys: Die besten Geschichten der Woche
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