Briefing aus Bern

Gerangel um Moutier, die «Tageswoche» ist Geschichte – und gehen der SP die Frauen aus?

Das Wichtigste in Kürze aus dem Bundeshaus (32).

Von Dennis Bühler und Elia Blülle, 08.11.2018

Reicht einander die Hände, und reicht einander die Hände / Wenn der Feind unserer Unabhängigkeit / Sein Gesetz in unseren Tälern erzwingen will (...)

So heisst es im Refrain der Jura-Hymne, die gerade wieder hochaktuell ist. Denn das «fremde» Gesetz hat erneut gesprochen; die Jurassier sind empört. Am Montag hat die Berner Regierungsstatthalterin Stéphanie Niederhauser die Volksabstimmung über den Kantonswechsel von Moutier für ungültig erklärt. Sie annulliert den Entscheid vom 18. Juni 2017. Damals hat die Berner Kleinstadt entschieden, dass sie sich dem Jura anschliessen will. Das Resultat war äusserst knapp: 137 Stimmen machten den Unterschied.

Die Berner Regierungsstatthalterin bemängelt, dass die mehrheitlich projurassische Stadtbehörde von Moutier intransparent und parteiisch informiert und so den Abstimmungskampf in unzulässiger Weise beeinflusst habe. Zudem seien Personen an die Urne gegangen, deren Stimmberechtigung fraglich gewesen sei.

Für die Jurassier ist der Berner Entscheid eine Schmach. Am Freitag planen sie einen Schweigemarsch. Ob die Annullierung rechtens war, werden nun wohl Gerichte entscheiden müssen. Das Urteil kann bis vors Bundesgericht gezogen werden.

Wer also geglaubt hat, dass mit dem 18. Juni 2017 die letzte Episode in der Jura-Frage zu Ende ging, hat sich getäuscht. Es scheint, als hätte die Berner Regierungsstatthalterin die nächste Staffel gerade lanciert.

Und damit zum Briefing aus Bern. Zuerst mit zwei Nachrichten aus der Medienwelt, die sich auch auf die Politik auswirken werden.

Die «Tageswoche» kam, zitterte und wird nun eingestellt

Das müssen Sie wissen: Nach genau sieben Jahren wird das Basler Medienprojekt eingestellt. Rund dreissig Stellen gehen verloren.

Das ist passiert: Gegründet wurde die «Tageswoche» im Herbst 2011 als Reaktion auf den Rechtsrutsch der «Basler Zeitung». SVP-Politiker Christoph Blocher erschütterte damals als neuer BaZ-Verleger mit Markus Somm als Chefredaktor die Stadt. Doch die «Tageswoche» wollte mehr sein als eine Anti-BaZ: Und so konzentrierte sie sich nicht auf den Raum Basel, sondern baute auch auf Geschichten aus dem In- und Ausland. Die Stiftung für Medienvielfalt von Mäzenin Beatrice Oeri finanzierte das Projekt. Vor zwei Jahren entschied sie, nur noch maximal eine Million Franken pro Jahr einzuschiessen. Aus heutiger Sicht das Todesurteil. Der «Tawo» gelang es nämlich nicht annähernd, selbsttragend zu werden.

So geht es weiter: Die Stiftung für Medienvielfalt will den Journalismus im Raum Basel auch in Zukunft mit einer Million Franken pro Jahr fördern. Im besten Fall könne schon 2019 ein neues Medienprodukt lanciert werden, heisst es. Konkret ist aber noch nichts. Bis auf weiteres lebt der Geist der «Tageswoche» in anderen Projekten weiter, die sich für hintergründigen Onlinejournalismus starkmachen. Auch in der Republik. In diesem Sinne: Farewell, Kollegen. Wir werden euch vermissen.

Mehr dazu: Möchten Sie im Detail erfahren, weshalb die «Tageswoche» scheiterte? Dann empfehlen wir Ihnen diese treffliche Analyse von Publizist und Medienwissenschaftler Matthias Zehnder.


Nathalie Wappler wird SRF-Direktorin

Das müssen Sie wissen: Der SRG-Verwaltungsrat hat Nathalie Wappler zur neuen Direktorin des Schweizer Radios und Fernsehens (SRF) gewählt. Die
50-jährige Thurgauerin wird im kommenden April Ruedi Matter ablösen und somit verantwortlich werden für 2100 Mitarbeitende, für drei TV- und sechs Radioprogramme sowie für verschiedene Onlineauftritte.

So hat sie es an die Spitze geschafft: Seit mehr als einem halben Jahr galt Wappler als Favoritin. Leicht gemacht hat sich die SRG die Entscheidung aber nicht: Wappler setzte sich gegen 39 Mitbewerber durch. Für sie sprach, dass sie das SRF als ehemalige Kulturchefin zwar aus dem Effeff kennt, dass sie das behagliche Leutschenbach in ihrer Karriere aber auch schon mal verlassen hat: Zuletzt gewann sie als Programmdirektorin des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) an Format und internationaler Erfahrung.

Diese Herausforderungen warten: Auch wenn die gröbste Gefahr mit der im vergangenen März gebodigten No-Billag-Abstimmung ausgestanden ist: Die SRG und mit ihr das SRF befinden sich nach wie vor in einer Krise. Intern herrscht Unmut, etwa wegen der beschlossenen Verlegung des Radiostudios Bern nach Zürich; und nach aussen muss das öffentliche Medienhaus sich und seinen Finanzbedarf ständig von neuem erklären. Nicht zuletzt deshalb, weil das Publikum stark überaltert ist. Bei den Jungen macht SRF gegen Netflix und Youtube keinen Stich.


Géraldine Savary tritt zurück

Das müssen Sie wissen: Die Waadtländer SP-Ständerätin Géraldine Savary tritt zurück, gibt das SP-Vizepräsidium ab und zieht sich ganz aus der Politik zurück. Sie sass seit 2007 in der kleinen Kammer. Vorher war sie während vier Jahren Nationalrätin.

Darum tritt sie ab: Die parteiinterne Kritik an Savary wurde zu gross. Sie habe keine Kraft mehr. Géraldine Savary hat ihrer Partei Wahlkampfspenden des milliardenschweren Unternehmers Frederik Paulsen verheimlicht und wurde von ihm zu Reisen nach Sibirien und Granada eingeladen.

Darum wiegt der Rücktritt schwer: Vier von zwölf SP-Ständeräten sind Frauen. Davon haben bereits drei ihren Rücktritt bis 2019 angekündigt – mit Savary sind es vier. Das heisst: Findet die SP in den Kantonen keine geeigneten Kandidatinnen, droht ihr in der kleinen Kammer eine reine Männerfraktion. Das wäre ein Desaster für die Sozialdemokratinnen. Zudem verliert die SP mit Savary eine Sympathieträgerin, die vor allem in der Westschweiz für viele Stimmen sorgte. Der breiten Bevölkerung aber wird sie vor allem wegen ihres legendären Lachanfalls in Erinnerung bleiben.

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Lachanfall im Ständerat - lachen - Géraldine Savary - Parlament - swiss parlamentarian laughs

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