Ungemach für die UBS aus Malaysia
Die Antikorruptionsbehörden des Landes haben den früheren Regierungschef der Provinz Sabah wegen Korruption angeklagt. Er soll mehr als 60 Millionen Dollar veruntreut haben – den grössten Teil davon über Konten bei der Schweizer Grossbank.
Von Mark Dittli, 06.11.2018
Im März veröffentlichte die Republik eine Recherche zu Korruptions- und Geldwäschereivorwürfen, die in der Schweiz Beachtung fand. Doch für echte Furore sorgte die englische Version des Artikels in Malaysia – dort, wo die Geschichte spielt.
Der Protagonist: Musa Aman, langjähriger Chief Minister der Lokalregierung im Bundesstaat Sabah im Nordosten der Insel Borneo. Im Mai wurde er überraschend abgewählt, worauf er sich für mehrere Monate nach London absetzte. Im August kehrte er nach Malaysia zurück, wo er sogleich von den Justizbehörden einvernommen wurde.
Gestern Montag nun hat Malaysias Antikorruptionskommission in 35 Punkten Anklage gegen Musa Aman erhoben. Der Vorwurf: vermutete Annahme von Bestechungsgeldern. Der Ex-Regierungschef von Sabah soll im grossen Stil Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit der Vergabe von Holzschlagkonzessionen erhalten haben.
Insgesamt mehr als 63 Millionen Dollar soll der Politiker über Konten von sechs westlichen Banken in Singapur und Hongkong abgezogen haben. Fast drei Viertel davon flossen über die UBS.
Gleichentags wie die Anklageerhebung wurde Musa Aman gestern in der Hauptstadt Kuala Lumpur verhaftet. Lokale Medien zeigten Bilder des 67-Jährigen, wie er dem Richter vorgeführt wurde: grauer Vollbart, schulterlange Haare, müde Augen. Der Ex-Politiker plädierte auf nicht schuldig. Er sagte, er werde die Vorwürfe bekämpfen.
46 Millionen Dollar über UBS gewaschen
Von 2003 bis 2018 war Musa Aman Chief Minister von Sabah, dem östlichsten Bundesstaat von Malaysia. In seiner Funktion wachte er auch über die Vergabe von Holzschlagkonzessionen im Staat. In der Zeit zwischen 2004 und 2008, so die Anklageschrift der Antikorruptionsbehörde, liess er sich über Strohmänner von Holzkonzernen bezahlen, damit diese bestimmte Waldparzellen – auch in geschützten Gebieten Sabahs – roden durften.
Gemäss der Anklageschrift, die der Republik vorliegt, begannen die Schmiergeldzahlungen im Dezember 2004 auf Konten der amerikanischen Citibank in Hongkong sowie der britischen Bank HSBC in Singapur. Im Verlauf der Jahre 2005 und 2006 folgten mehrere Zahlungen über Konten – von HSBC und J.P. Morgan Chase.
Am 21. Juni 2006 lief erstmals eine grosse Zahlung von mehr als 16 Millionen Dollar über ein Konto der UBS in Hongkong. Abgewickelt wurde sie über einen malaysischen Strohmann namens Chia Tien Foh. Das UBS-Konto in Hongkong lautete auf Richard Christopher Barnes, einen Anwalt in Sabah mit engen Verbindungen zu Musa Aman.
Danach folgten bis Dezember 2008 insgesamt 17 weitere Zahlungen über die UBS in Hongkong und Singapur. Das Gesamtvolumen der zwischen Juni 2006 und Dezember 2008 über die Schweizer Grossbank abgewickelten Überweisungen beträgt 45,6 Millionen Dollar.
Die Informationen in der Anklageschrift decken sich mit Dokumenten und Zeugenaussagen, die der Republik in der Recherche vom März dieses Jahres vorlagen. Daraus war ersichtlich, dass ein UBS-Kundenberater in Singapur den Strohmännern von Musa Aman geholfen hatte, die Zahlungsströme zu verschleiern, indem sie über Briefkastenfirmen auf den British Virgin Islands geleitet wurden.
Dreimal benutzte Musa gemäss der Anklageschrift auch Konten bei der Credit Suisse in Singapur für den Transfer von Korruptionszahlungen. Die Beträge summierten sich dort auf 640’000 Dollar.
Jahrelang von höchster Stelle gedeckt
Erste Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit der Vergabe von Holzschlagkonzessionen gegen Musa Aman wurden bereits im Frühjahr 2012 vom Investigativblog «Sarawak Report» publik gemacht. Malaysias Antikorruptionsbehörde ermittelte bereits zu dieser Zeit, wurde jedoch vom damals amtierenden Justizminister zurückgepfiffen.
Die Basler Nichtregierungsorganisation Bruno-Manser-Fonds reichte im Sommer 2012 bei der Finanzmarktaufsicht Finma sowie bei der schweizerischen Bundesanwaltschaft Anzeige gegen die UBS wegen Beihilfe zu Geldwäscherei ein. Die Finma eröffnete kein Verfahren, doch die Bundesanwaltschaft nahm die Ermittlungen auf. Die Arbeit der zuständigen Staatsanwältin des Bundes wurde erschwert, weil die malaysischen Behörden jahrelang die Rechtshilfe verweigerten. Die Staatsanwältin musste in einer Sache zudem bis vor Bundesgericht gehen, um die Herausgabe interner Dokumente von der UBS zu erzwingen.
Im Fall der UBS steht der Vorwurf im Raum, dass die Bank es hätte merken sollen, dass während Jahren Millionenbeträge auf Konten des Anwalts eines hohen regierenden Politikers geflossen sind. Zum Teil war auf den Zahlungseingängen explizit vermerkt, dass es sich dabei um Kommissionen für Holzschlagkonzessionen handelte. Von den UBS-Konten wurden zudem regelmässig Zahlungen an die in Australien lebenden Söhne von Musa Aman ausgelöst. Das alles blieb in den Risikosystemen der Bank unbemerkt.
Musa Aman genoss während Jahren offensichtlich die Rückendeckung von Malaysias Premierminister Najib Razak. Musa und Najib wurden im Mai überraschend abgewählt, als Malaysias Bevölkerung den früheren, mittlerweile 93-jährigen Regierungschef Mahathir Mohamad zurück an die Macht hievte.
Bundesanwaltschaft ermittelt weiter
Seit der Amtsübernahme von Mahathir haben die Justizbehörden in Kuala Lumpur ihre Untersuchungen gegen die früheren Machthaber intensiviert. Najib Razak steht unter Verdacht, im Zusammenhang mit dem Staatsfonds 1MDB mehrere hundert Millionen Dollar veruntreut zu haben. Auch in diesem Fall ermittelt die schweizerische Bundesanwaltschaft, zusammen mit den Behörden in den USA und Singapur.
Angesprochen auf den Status der Ermittlungen gegen die UBS im Fall Musa Aman, kommentierte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft gegenüber der Republik: «Das seit August 2012 geführte Strafverfahren der Bundesanwaltschaft gegen die UBS sowie gegen unbekannte Täterschaft wegen Strafbarkeit des Unternehmens und wegen Geldwäscherei ist hängig.» Da es sich bei Strafverfahren um dynamische Prozesse handle, könne bezüglich des weiteren Verlaufs keine Prognose gemacht werden. «Nach den jüngsten Entwicklungen in Malaysia ist die Bundesanwaltschaft nach wie vor sehr interessiert an einer Zusammenarbeit mit den zuständigen malaysischen Behörden.»