Blick in den Regenwald von Sabah
Grün, wild und atemberaubend schön: Regenwald im malaysischen Bundesstaat Sabah. Agentur Mauritius

Die UBS im Dschungel

Ein hoher Politiker in Malaysia steht unter Verdacht, aus der Abholzung des Regenwaldes Millionen veruntreut zu haben. Eine Geschichte über Korruption, Macht, einen toten Staatsanwalt, Geldwäscherei – und die Rolle der UBS.

Von Mark Dittli, 23.03.2018

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Prolog: Ein Lächeln

Ein Verkehrskreisel am Stadtrand von Kota Kinabalu, Ende Februar 2018. Der Mann, der allen Glück wünscht, lächelt von einer Plakatwand aus fünf Metern Höhe. Er trägt ein flammendrotes, oben offenes Hemd, am linken Handgelenk eine massive Uhr, die Macht und Tatkraft ausdrücken soll. Der Mann hat ein mageres, fast schüchternes Buchhaltergesicht mit schütterem Schnurrbart. Obwohl der Mann Politiker ist, wirkt sein Lächeln nicht routiniert. Eher leicht gequält, als hätte er einen Witz gehört, dessen Pointe er schon kennt.

Der Mann auf dem Plakat grüsst am nördlichen Stadtrand von Kota Kinabalu die Besucher. Er wünscht ihnen ein glückliches neues chinesisches Jahr. Es ist das Jahr des Hundes. Der Name des Mannes: Musa Aman. Er ist seit fünfzehn Jahren Regierungschef in Sabah.

Sabah ist einer der Bundesstaaten von Malaysia. Er liegt etwas nördlich des Äquators auf der Insel Borneo, auf drei Seiten vom Meer umgeben. Sein Umriss erinnert an den Kopf eines Hundes, der nach Osten, in Richtung der philippinischen Inseln blickt. Das Landesinnere ist grün, wild und atemberaubend schön, mit Bergen von bis zu 4000 Metern Höhe. Sabah ist nicht dicht besiedelt. Etwas mehr als 3,5 Millionen Menschen leben auf einer Fläche, die knapp der zweifachen Grösse der Schweiz entspricht.

Sabah ist einer der ärmsten Bundesstaaten Malaysias; aber sein Regierungschef ist ein reicher Mann. Die folgende Geschichte handelt davon, warum das so ist. Sie handelt vom Raubbau am Regenwald und einem Koffer voller Bargeld. Von einer Bloggerin in London, einem toten Ermittler. Und von einer Bank, der UBS.

Die Republik hat die Hintergründe aufgearbeitet, anhand von mehr als tausend Seiten Bankbelegen, Gerichtsprotokollen und Gesprächen mit mehr als einem halben Dutzend involvierten Personen in Europa und Asien. Einige davon müssen aus Gründen ihrer Stellung anonym bleiben.

Die Geschichte beginnt mit einem Wahlsieg: im März 2003.

Die Protagonisten

Musa Aman. Regierungschef des malaysischen Bundesstaats Sabah
Michael Chia / Chia Tien Foh. Geschäftsmann, spezialisiert auf Holzschlag-Konzessionen
Dennis Chua. Kundenberater bei der Bank HSBC in Singapur; er wechselt zur UBS
Kathryn Shih. Chefin der Vermögensverwaltung für Asien bei der UBS
Mohammed Hayssam Musa und Hazem Mubarak Musa. Die Söhne von Musa Aman
Richard Christopher Barnes. Anwalt in Sabah und Vertrauensmann von Musa Aman
Derrick Tan. Chef von Kundenberater Dennis Chua bei der UBS
Kevin Anthony Morais. Staatsanwalt bei der malayischen Antikorruptionsbehörde, 2015 ermordet
Abdul Gani Patail. Malaysischer Justizminister bis 2015
Anifah Aman. Aussenminister Malaysias; Musa Amans jüngerer Bruder
Clare Rewcastle Brown. Britische Enthüllungs-Journalistin
Lukas Straumann. Historiker und Geschäftsführer des Bruno Manser Fonds in Basel
Najib Razak. Malaysischer Premierminister, verstrickt in den Skandal um den Staatsfonds 1MDB


1. Der Chief Minister

Kota Kinabalu, 27. März 2003. Musa Aman, 51, tritt in der Kreishauptstadt sein Amt als Chief Minister und Regierungschef von Sabah an. Im Wahlkampf hatte Musa seine Geschäftstüchtigkeit hervorgehoben. Und er tritt mit einem wirtschaftlichen Dreipunkteplan an: Tourismus fördern, den Agrarsektor stärken durch Ausweitung der Palmöl-Produktion, Ansiedelung von Industriebetrieben.

Musa Aman an einem Rednerpult
Geschäftstüchtiger Regierungschef: Musa Aman, Chief Minister von Sabah. Shutter Stock

Der Karrierepolitiker ist ein aufsteigender Stern in seiner Partei, der United Malays National Organisation (UMNO). Sie ist seit der Staatsgründung Malaysias 1963 die stärkste Partei in der ebenfalls seit 1963 herrschenden Regierungskoalition. In ihrem Programm stehen malaysischer Nationalismus, islamische Werte und liberale Wirtschaftspolitik. Kurz: Die UMNO ist in Malaysia das, was die FDP ein Jahrhundert lang in der Schweiz war.

Sabah ist ärmer als die Teilstaaten in der westlichen Hälfte Malaysias. Die Hauptstadt Kuala Lumpur ist weit weg: drei Flugstunden entfernt. Die Provinz lebt von Tourismus, Fischerei, Erdöl und Erdgas, Palmöl und vor allem: vom Holzschlag. Eine staatliche Stiftung, die Yayasan Sabah, verwaltet riesige Waldflächen. Und erteilt die Holzschlag-Konzessionen mit der Bewilligung des Regierungschefs. Musa Aman kennt das Geschäft wie kein Zweiter: Vor seiner Wahl war er seit 1995 Direktor und später Präsident des Stiftungsrats der Yayasan Sabah.

«Er wusste aus dieser Erfahrung sehr gut, wie viel Geld im Holzgeschäft im Spiel ist», erzählt eine gut informierte Quelle in Malaysia.

Ebenfalls nicht entgangen sein dürfte Musa Aman, wie unfassbar reich sein Regierungskollege im benachbarten Bundesstaat Sarawak, Abdul Taib Mahmud, in seiner langen Amtszeit als Chief Minister seit 1981 geworden ist.

Einige Monate nach seiner Wahl engagiert Musa Aman einen jungen Geschäftsmann, um die Vergabe von Holzschlag-Konzessionen unbürokratisch für ihn zu verwalten. Sein Name: Michael Chia. Bilder zeigen ihn als hageren Mann mit eingefallenen Wangen in den frühen Dreissigern, der meist viel zu weit geschnittene Hemden trägt.

Mit Chias Vater ist Musa seit Jahren im engmaschigen Holzgeschäft von Sabah verbandelt. Die Chias sind Mitglieder der ethnisch-chinesischen Minderheit auf Sabah, die einen Grossteil der Geschäftswelt kontrolliert. Die Beziehung ist eng. Michael Chia, der gelegentlich mit seinem chinesischen Namen Chia Tien Foh auftaucht, bezeichnet sich öffentlich als «Adoptivsohn» von Musa Aman.

Holzunternehmen werden vom Chief Minister fortan dazu angehalten, Konzessionen mit Michael Chia zu verhandeln. Für ein Schmiergeld von umgerechnet rund 1000 US-Dollar je Hektar Wald sorgt Chia dafür, dass der Chief Minister die entsprechende Bewilligung erteilt. Stimmt die Bezahlung, erhalten Holzunternehmen auch Zugang zu Urwaldparzellen in Schutzgebieten.

Als Erstes rekrutiert Michael Chia zwei weitere junge Geschäftsmänner aus Sabah als Frontleute. Sie eröffnen Konten bei der britischen Bank HSBC in Singapur, worüber sie die schwarzen Zahlungen für die Holzschlag-Konzessionen abwickeln. Ein Teil der Gelder fliesst danach in die Taschen von Musa, ein Teil in die Kassen der UMNO-Partei.

Das System läuft rund zwei Jahre lang gut, doch im Frühjahr 2006 meldet sich die Risikoabteilung der HSBC. Die Bank vermutet Geldwäscherei. Sie teilt Chia und seinen Partnern mit, dass sie die Geschäftsbeziehung beenden werde. Doch der Kundenberater der HSBC, ein junger Singapurer Banker namens Dennis Chua, kann umgehend eine Lösung präsentieren: Er berichtet den Geschäftsleuten aus Malaysia, er werde zur UBS wechseln und könne sie dort weiter betreuen. Am 10. April 2006 stellt HSBC elf Schecks für Michael Chia in der Gesamthöhe von umgerechnet rund 15,5 Millionen US-Dollar aus und saldiert die Konten.

Für die britische Bank ist das Kapitel damit zu Ende. Und für die UBS beginnt es. «Mit dem Wechsel der Bank gewann das Korruptionssystem deutlich an Fahrt», sagt ein Zeuge in Malaysia.

2. Die Bank

Singapur, Suntec Tower Five, 11. April 2006. Die elf Schecks machen nur eine kurze Reise. Am Tag nach ihrer Ausstellung treffen sich Michael Chia, einer seiner Leute und der UBS-Kundenberater Dennis Chua in den Büros der UBS am Temasek Boulevard in Singapur. Sie eröffnen mehrere Konten, die fortan von der UBS-Filiale in Hongkong mit postlagernder Korrespondenz in Singapur geführt werden. Die Tarnung ihres Geschäfts ist nicht gerade aufwendig: Ihren beruflichen Hintergrund geben sie in den Eröffnungsformularen der Bank mit «plantation» und «timber trading» – Holzhandel – an.

Als Einzahlung präsentieren die Männer die tags zuvor von der HSBC ausgestellten Checks über rund 15,5 Millionen US-Dollar. Kundenberater Dennis Chua stempelt die Schecks und bestätigt den Eingang der Zahlungen bei der UBS.

Scan eines Schecks
Einer der elf Schecks von HSBC. Unten rechts der UBS-Stempel, gezeichnet von Dennis Chua.

Aus Zeugengesprächen und den Dokumenten des Falls geht nicht hervor, dass diese Millionen-Einzahlung irgendwelche Fragen ausgelöst hätte. 2006 ist für die UBS keine Zeit für Fragen. Es ist die Zeit, als die Schweizer Bank mit grosser Geschwindigkeit und noch viel grösserem Selbstbewusstsein zur Weltspitze strebt. Unter der Führung von Verwaltungsratspräsident Marcel Ospel und Konzernchef Peter Wuffli will sie die unangefochtene Nummer eins in der Branche werden. Das gilt auch für Fernost. Die Chefin der Vermögensverwaltung in Asien, Kathryn Shih, hat das Ziel ausgegeben, die Kundengelder binnen drei Jahren zu verdoppeln: das perfekte Biotop für ehrgeizige Kundenberater wie Dennis Chua.

Bereits wenige Wochen nach der Eröffnung, ab Mai 2006, kommt es auf den Konten zu sonderbaren Bewegungen. Jeden Monat fliessen Zahlungen nach Australien, meist mehrere tausend Dollar. Begünstigte sind Mohammed Hayssam Musa und Hazem Mubarak Musa: die beiden Söhne von Chief Minister Musa Aman, die in Perth studieren.

Scan eines Bankauszugs
Jeden Monat fliessen Zahlungen von den UBS-Konten an die Söhne von Chief Minister Musa Aman, die in Australien studieren.

Die Auffälligkeiten gehen weiter. Regelmässig kommt es zu Transaktionen, die nahelegen, dass die UBS-Konten in Singapur nur für den Durchlauf benutzt werden. Am 16. August 2006 etwa bezahlen zwei Unternehmen namens Wayco Enterprises und Hillywell zusammen 4,04 Millionen Dollar ein. Sechs Tage später fliesst der exakt gleiche Betrag an ein UBS-Konto in Hongkong, das einem Mann namens Richard Christopher Barnes gehört.

Wayco und Hillywell sind Unternehmen zweier malaysischer Holz-Tycoons namens Freddy und Andrew Lim. Der Empfänger der Zahlungen, Richard Barnes, ist Anwalt in Sabah. Und ein Vertrauensmann von Musa Aman.

Im Sommer 2006 setzen UBS-Berater Dennis Chua und sein Vorgesetzter Derrick Tan mithilfe der auf Offshore-Konstrukte spezialisierten Kanzlei Portcullis TrustNet in Singapur mindestens drei Briefkastengesellschaften auf: CTF International, Zenique Investment und Blisstop Corporation. Alle auf den British Virgin Islands (BVI). Alle versehen mit einem UBS-Konto.

Von nun an fliessen sämtliche Zahlungen stets nach dem gleichen Muster: Eine Einzahlung kommt von Holzhandelsfirmen mit Namen wie Wayco, Multilink Star oder Well Capital. Sie landet auf dem UBS-Konto der Briefkastengesellschaft Zenique. Als Zahlungsgrund steht mehrmals der Vermerk: «Deposit for Logging Concession» – Einzahlung für Holzschlag-Konzession.

Scan eines Bankauszugs
Einzahlung vom Holzunternehmen Multilink Star auf das UBS-Konto der Briefkastengesellschaft Zenique. Zahlungsgrund: «Deposit for Logging Concession».

Wenige Tage später überweist Zenique Summen in gleicher Höhe auf das UBS-Konto der Briefkastenfirma CTF International. Hinter CTF steht Michael Chia, der Frontmann von Chief Minister Musa Aman. Das ganze System ist eine Mischung aus professioneller und amateurhafter Tarnung: Die Initialen der Gesellschaft stehen für seinen chinesischen Namen – Chia Tien Foh.

Von dort, das werden die Ermittler der Antikorruptionsbehörden in Hongkong und Malaysia später aufdecken, fliessen die Gelder weiter auf die UBS-Konten des Anwalts Richard Barnes in Hongkong. Und von dort schliesslich zu Musa Aman, der unter den Nummern 210109 und 230-750692.01 zwei Konten bei der UBS hält. Eines in Hongkong und eines in Zürich.

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Aus den der Republik vorliegenden Dokumenten und aus Gesprächen mit informierten Quellen geht hervor: Einigen Leuten in der UBS musste zu dieser Zeit bewusst gewesen sein, dass die Konten zu Geldwäschereizwecken benutzt werden. Die Gründung der Briefkastengesellschaften auf den British Virgin Islands wurde von Dennis Chua und seinem Vorgesetzten Derrick Tan aktiv vorgeschlagen, um die Zahlungsflüsse zu verschleiern – im Jargon «layering» genannt.

Es muss auch sichtbar gewesen sein, dass regelmässig hohe Beträge über mehrere Durchlaufkonten zum Anwalt Richard Barnes in Hongkong und von dort zu Musa Aman fliessen. Gemäss Informationen der Republik existiert ein Schreiben mit Datum vom 23. Mai 2007, welches gegenüber der UBS bestätigt, dass Barnes seine Konten in Hongkong treuhänderisch («on trust») für Musa Aman hält. Es soll auch ein bankinternes Schreiben existieren, in dem ein Mitarbeiter der UBS diesen Sachverhalt bestätigt.

Jedenfalls: Das System funktioniert. Das Geld fliesst, die Bäume im Dschungel von Sabah fallen. Michael Chia lebt ein Rockstar-Leben in der Partyszene von Kota Kinabalu, Singapur und Kuala Lumpur. In Untersuchungsberichten wird später zu lesen sein, dass er zwei Lamborghinis, einen Ferrari F430, einen Hummer H2, einen BMW X6 und ein halbes Dutzend weitere Sportwagen besitzt. Und dass er eine teure Konkubine bei Laune hält – mit Schmuck, Uhren und Immobilien.

Irgendwann im Lauf des Jahres 2007 werden die Antikorruptionsbehörden in Kuala Lumpur und in Hongkong auf die Zahlungen rund um das Netzwerk von Michael Chia aufmerksam. Die Fahnder nehmen die Fährte auf. Und lassen dann die Falle zuschnappen.

3. Die Verhaftung

Ein Hotelzimmer in Hongkong, 14. August 2008. Die Ermittler der Independent Commission Against Corruption (ICAC), der Antikorruptionsbehörde von Hongkong, nehmen Michael Chia fest, als dieser nach Kota Kinabalu reisen will. In seinen Koffern liegen 40 Millionen malaysische Ringgit in bar, umgerechnet rund 12 Millionen US-Dollar.

Für Chia ist es bereits die zweite Verhaftung: Schon ein knappes Jahr zuvor, im September 2007, hatten ihn die Antikorruptionsermittler von Malaysia zusammen mit mehreren seiner Partner vorübergehend festgenommen. Chia wurde befragt, aber wieder auf freien Fuss gesetzt.

Die Ermittler in Hongkong und Kuala Lumpur beginnen nun, die Geldströme zu eruieren, die ab 2006 über die UBS-Konten geflossen sind: von den Holzschlag-Unternehmen bis zu Chief Minister Musa Aman. Alles innerhalb der UBS. Insgesamt sind es mindestens 90 Millionen Dollar – in weniger als zwei Jahren.

Michael Chia war bereits nach der ersten Verhaftung in Panik geraten. Er liess mit einem Telefonanruf bei seinem Berater Dennis Chua alle Konten – auch die der Offshore-Gesellschaften – bei der UBS schliessen und die Saldi an seine Frau überweisen.

Doch das half nichts mehr. Die Ermittler der malaysischen Antikorruptionsbehörde unter der Leitung eines Staatsanwalts namens Kevin Anthony Morais erheben in 42 Punkten Anklage gegen Musa Aman. Die ICAC in Hongkong lässt die UBS-Konten von Musas Treuhänder Richard Barnes einfrieren.

Der Chief Minister von Sabah, so scheint es, ist im Netz. Doch dann geschieht: nichts.

Malaysias Justizminister Abdul Gani Patail ignoriert die Klageschrift seiner eigenen Fahnder und verweigert jede Amtshilfe an Hongkong. Den dortigen Behörden lässt er ausrichten, dass die beschlagnahmten Gelder nicht Musa Aman gehörten, sondern lediglich der Finanzierung der Regierungspartei UMNO dienten – und ergo keinen korrupten Hintergrund hätten.

Die Ermittler in Hongkong stellen ihre Untersuchung danach ein und deblockieren die eingefrorenen Gelder.

Hunderte von Seiten Bankbelege nützen nichts. Das Netz reisst. Musa Aman entkommt. Der Grund ist simpel – die Machtverhältnisse. Musas jüngerer Bruder Anifah Aman ist Aussenminister von Malaysia. Justizminister Abdul Gani Patail, der Mann, der die Klageschrift gegen Musa ignorierte, stammt ebenfalls aus Sabah. Und er ist mit Anifah verschwägert.

Das könnte das Ende dieser Geschichte sein. Hätten die von den Antikorruptionsbehörden in Malaysia und Hongkong sichergestellten Dokumente, Bankbelege und Geldflussdiagramme nicht ihren Weg zu einer furchtlosen Journalistin in London gefunden.

4. Die Journalistin

London, April 2012. Clare Rewcastle Brown liebt Malaysia. So sehr, dass sie sofort verhaftet würde, wenn sie das Land beträte: Die Polizei in Malaysia hat sie zur Festnahme ausgeschrieben. Denn die Britin mit den langen roten Haaren, dem feinen englischen Akzent und der spitzen Feder ist die ärgste Feindin der Mächtigen im Land.

Clare Rewcastle wurde 1960 in der damaligen britischen Kronkolonie auf Borneo, dem heutigen Sarawak, geboren. Ihr Vater war Offizier in der Geheimpolizei der Kronkolonie, die Mutter eine Nightingale-Krankenschwester. Im Alter von acht Jahren zog Clare mit ihrer Familie zurück nach London. Sie studierte Geschichte in London, erlangte einen Master an der London School of Economics und arbeitete als Journalistin für die BBC. Ihr Ehemann Andrew ist der Bruder des früheren britischen Finanz- und Premierministers Gordon Brown.

2010, nach einer Reise in ihre alte Heimat, begann sie, aus London einen Blog zu schreiben: den «Sarawak Report». Es ist kein freundlicher Blog. Denn Clare Rewcastle Brown verliert kein Wort über Strände, Sonne, Palmen und hübsche Landschaften. Sie schreibt über Raub, Mord, Macht – und über Geld. In den ersten Jahren konzentriert sich Rewcastle mit dem «Sarawak Report» auf Enthüllungen über den schwerreichen Regierungschef ihrer Geburtsprovinz Sarawak, Chief Minister Taib Mahmud.

Im Frühjahr 2012 erhält Rewcastle Brown die Akten über Taibs Kollegen Musa Aman. Ab April veröffentlicht sie in ihrem Blog mehrere Scoops zu den verdächtigen Geschäften des Chief Minister aus Sabah. Sie stützt sich dabei auf Bankbelege und Geldflussdiagramme, offenbar aus den Ermittlungen der Antikorruptionsbehörden. Eine zweite ergiebige Quelle ist ein Zivilprozess vor dem High Court in Singapur, in dem sich Michael Chia, seine ehemaligen Geschäftspartner sowie die UBS gegenseitig beschuldigen, dass die von Chia überstürzt angeordnete Schliessung der Konten nicht korrekt verlaufen sei.

Von Rewcastle gelangen die Dokumente im Frühjahr 2012 auch in die Schweiz. Empfänger ist der Historiker Lukas Straumann, der Leiter des Bruno Manser Fonds in Basel. Manser war ein Abenteurer, der zum Aktivisten wurde. Er lebte von 1984 bis 1990 im Regenwald von Sarawak beim Urvolk der Penan – und begann, gegen die Holzschlag-Konzerne auf Borneo zu kämpfen. Im Mai 2000 verschwand seine Spur im Dschungel.

Rewcastle und Straumann sind Alliierte. Sie arbeiten seit längerem zusammen. Nach Erhalt der Dokumente mandatiert Straumann die Basler Juristin Monika Roth, im Namen des Fonds Strafanzeige gegen die UBS nach Artikel 305 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (Geldwäscherei) und Art. 102 StGB (Unternehmensverantwortung) einzureichen.

Ende Mai 2012 gehen die Anzeigen bei der Finanzmarktaufsicht Finma und der Schweizerischen Bundesanwaltschaft ein. Die Bundesanwaltschaft erklärt sich am 29. August für zuständig und eröffnet eine formelle Strafuntersuchung gegen die UBS.

In Malaysia bleibt Musa Aman zwar unantastbar. Die Bank, die ihm geholfen hat, sein Geld zu waschen, ist es nicht.

5. Die Schweiz

Bern, Sommer 2012: Nach Erhalt der Anzeige fordert die Finma von der UBS im Juli 2012 einen Bericht. Sie fragt nach den internen Kontrollmechanismen in Singapur, Hongkong und Zürich. Denn eigentlich sollten die Kontrollen in diesem Fall besonders engmaschig sein: Weil Musa Aman als Regierungschef eine sogenannte Politically Exposed Person – kurz PEP – ist, gelten besondere Sicherheitsvorkehrungen zur Vermeidung von Geldwäscherei.

Die Finma erhält den Bericht wenige Wochen später. Und ist offensichtlich beruhigt. Sie legt das UBS-Memorandum zu den Akten und verzichtet darauf, es mit der Bundesanwaltschaft zu teilen.

Tobias Lux, Sprecher der Finma, versichert heute: «Die Finma hat den Fall damals gründlich untersucht, sehr ernst genommen und ihre Tätigkeiten mit der Bundesanwaltschaft koordiniert.»

Die Staatsanwälte des Bundes lassen derweil nicht locker. Sie führen im November 2014 bei der UBS eine Hausdurchsuchung durch – und beschlagnahmen das Memorandum der UBS für die Finma. Die Anwälte der Grossbank lassen die beschlagnahmten Akten sofort in einem Umschlag versiegeln. Sie vertreten den Standpunkt, das Memorandum sei nur für die Finma verfasst worden, nicht für andere Behörden. Es folgt ein juristisches Katz-und-Maus-Spiel zwischen der UBS und der Bundesanwaltschaft, das erst endet, als das Bundesgericht der Bank Ende Mai 2016 befiehlt, das Finma-Memorandum zu entsiegeln.

Seither ist es still geworden um den Fall. Die Bundesanwaltschaft ermittelt immer noch gegen die UBS, seit nunmehr bald sechs Jahren. Sie hat sich noch für keine der drei Optionen entschieden: Ob sie gegen die Grossbank einen Strafbefehl aussprechen soll. Ob sie den Fall vor Bundesstrafgericht in Bellinzona zieht. Oder ob sie das Verfahren einstellen soll.

Wieso dauert das so lange? Ein erster Grund: Die Schweizer Ermittler haben keine Rechtshilfe aus Malaysia und aus Singapur erhalten. Einzig Hongkong hat kooperiert.

Zweitens ist der Fall für die Justiz teilweise Neuland. Es gab in der Schweiz noch kein Gerichtsurteil gegen ein Finanzinstitut im Zusammenhang mit Geldwäscherei und Artikel 102 des Strafgesetzbuches, und seit 2011 gab es lediglich sieben Verurteilungen mit Strafbefehl.

Die Frage der Unternehmensverantwortung ist komplex: Geldwäscherei benötigt eine Vortat, also beispielsweise Korruption in Form der Entgegennahme illegaler Schmiergelder. Wenn diese Tatbestände erfüllt sind, muss der betreffenden Bank auch ein Organisationsmangel nachgewiesen werden können. Sie muss die Mängel in den eigenen Kontrollmechanismen gekannt und zu wenig dagegen unternommen haben. Oder, wie es im Gesetzestext heisst: «… wenn dem Unternehmen vorzuwerfen ist, dass es nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen hat, um eine solche Straftat zu verhindern».

Dass die Korruption und Geldwäscherei, die eigentliche Straftat also, im Ausland stattgefunden hat, ist dabei irrelevant: Die Bank als Mutterhaus in der Schweiz ist global für die Einhaltung aller Rechtsnormen verantwortlich.

Im konkreten Fall der UBS mit Musa Aman haben die Geldwäscherei und ihre Vortat im Ausland stattgefunden: in Malaysia, Singapur oder Hongkong. Aus Schweizer Rechtssicht ist also zentral, dass die Bundesanwaltschaft der Grossbank einen Organisationsmangel nachweisen kann, gegen den sie zu wenig unternommen hat. Einen Anhaltspunkt dafür liefert dem Vernehmen nach ein interner Prüfbericht von Ernst & Young, der die damaligen Kontrollstrukturen der UBS bemängelt. Doch Genaues lässt sich dazu nicht sagen: Der Bericht liegt der Republik nicht vor.

Ein dritter Grund für die lange Dauer der Ermittlungen liegt in der juristischen Feuerkraft der Bank. Ihre Anwälte wissen die Verfahrensrechte der UBS durchzusetzen. Allein die Frage der Entsiegelung des Finma-Memorandums beschäftigte die Parteien fast zwei Jahre. Gemäss Informationen der Republik schrieb die oberste Konzernleitung der UBS im Frühjahr 2017 sogar einen Brief an Bundesanwalt Michael Lauber und intervenierte im Fall. «Das zeigt ein sonderbares Verständnis von der Bank für die Schweizer Rechtsstaatlichkeit und wirkt reichlich unsouverän», sagt eine informierte Quelle.

Das sagt die UBS

Die Republik hat der Medienstelle der UBS einen detaillierten Fragenkatalog zum Fall Musa Aman geschickt. «Wir können aus gesetzlichen Gründen zu Fragen, ob gewisse Personen Kunden oder Mitarbeiter der UBS waren oder sind, keine Stellung nehmen. Auch nimmt UBS zu laufenden Verfahren keine Stellung», richtet eine Sprecherin, Anita Greil, aus.

Das sagt die Bundesanwaltschaft

Auf die Frage nach dem Status und der Dauer der Untersuchungen bei der Bundesanwaltschaft (BA) antwortet Sprecher André Marty: «Das seit August 2012 geführte Strafverfahren der BA gegen die UBS sowie gegen unbekannte Täterschaft wegen Strafbarkeit des Unternehmens und wegen Geldwäscherei ist hängig. Da es sich bei Strafverfahren um dynamische Prozesse handelt, die nicht von der BA alleine beeinflusst werden, kann bezüglich des weiteren Verlaufs keine Prognose gemacht werden. Ziel ist es jedoch, das Verfahren in einem zeitgerechten Rahmen abzuschliessen. Dabei stehen alle Varianten offen: Einstellung, Strafbefehl, Anklageschrift. Die Dauer von Strafverfahren ist nicht alleine von der BA abhängig. In einem Verfahren wie diesem gibt es rechtliche Fragen, welche zum Teil erst durch ein Gericht geklärt, oder Rechtshilfeersuchen, welche nur mit erheblichen Verzögerungen oder gar nicht beantwortet werden. Die Zeit, welche das Verfahren bisher in Anspruch genommen hat, entspricht der üblichen Dauer im Bereich der Wirtschaftskriminalität.»


«Die Beweislage des Falles ist äusserst gut dokumentiert», sagt Lukas Straumann vom Bruno Manser Fonds. «Wir erwarten von der Bundesanwaltschaft, dass sie das Schweizer Recht durchsetzt – auch wenn es sich um die grösste und mächtigste Bank des Landes handelt.»

Die Räder der Justiz in der Schweiz drehen seit 2012 also in Zeitlupe. Aber sie drehen. Zur selben Zeit wird Malaysia von einem politischen Erdbeben erschüttert: Ein weiterer Korruptionsskandal. Aber nicht irgendein weiterer. Sondern einer, der alle früheren Fälle in den Schatten stellt.

6. Der Premierminister

Kuala Lumpur, im März 2015. Najib Razak, der 61-jährige Premierminister Malaysias, gerät immer tiefer in den Sumpf um den Staatsfonds 1Malaysia Development Berhad (1MDB). Seit Monaten macht der Fonds in der Weltpresse Schlagzeilen – bei Investitionen in undurchschaubare Infrastrukturprojekte sind mehrere hundert Millionen Dollar verschwunden. Im März 2015 enthüllt Clare Rewcastle im «Sarawak Report», dass 700 Millionen Dollar allein an einen 29-jährigen Geschäftsmann aus Penang namens Jho Low geflossen seien. Dieser ist ein Kumpel des Stiefsohns von Premierminister Najib. Wenig später berichtet das «Wall Street Journal», weitere 700 Millionen Dollar aus dem 1MDB-Fonds seien direkt auf ein Konto von Najib überwiesen worden.

Portrait Najib
Tief im Sumpf des Skandals um den Staatsfonds 1MDB: Malaysias Premierminister Najib Razak. Chris Jung/NurPhoto/Getty Images

Wie immer, wenn grosse Summen im Spiel sind, tauchen bald die Namen von grossen Banken auf: Goldman Sachs hat für 1MDB zu horrend hohen Gebühren Anleihen platziert. Die von Najib und seinem Netzwerk mutmasslich veruntreuten Gelder fanden Ermittler in Singapur, Australien, in der Schweiz, Grossbritannien und den USA. Banken wie Coutts, J.P. Morgan, die Singapurer DBS und die Schweizer BSI, Falcon Private Bank und auch die UBS sind an vorderster Stelle involviert.

Das amerikanische Justizdepartement, die Schweizerische Bundesanwaltschaft und die Behörden in Singapur beginnen zu ermitteln. Loretta Lynch, Justizministerin der USA unter Barack Obama, nennt 1MDB im Juli 2016 den «grössten Kleptokratie-Fall in der Geschichte der Vereinigten Staaten».

Doch in Malaysia gelingt es Najib, seine Gegner kaltzustellen. Im Sommer 2015 setzt er Justizminister Abdul Gani Patail und seinen Vizepremier Muhyiddin Yassin ab. Die zwei Minister hatten geplant, den 1MDB-Fall aufzurollen und Klage gegen den Premier zu erheben.

Der Antikorruptionsbehörde seines Landes zieht Najib die Zähne. Kevin Anthony Morais – jener Staatsanwalt, der 2007 die Untersuchungen gegen das Korruptionsnetz von Musa Aman geleitet hatte – verschwindet im September 2015 in der Nähe von Kuala Lumpur.

Zwölf Tage später wird seine Leiche in einem mit Beton gefüllten Fass gefunden. Der Mord wurde bis heute nicht aufgeklärt.

Clare Rewcastle, die in ihrem Blog ab 2015 immer intensiver über 1MDB berichtet und regelmässig neue Enthüllungen präsentiert, erhält erste Morddrohungen. Hacker legen die Server des «Sarawak Report» lahm. Als sie in Singapur Informanten trifft, wird sie beschattet. In Malaysia verfügt die Regierung ein Einreiseverbot und einen Haftbefehl gegen sie. «In Europa, spezifisch auch in der Schweiz, hat Malaysias Regierung teure PR-Leute und Lobbyisten engagiert, um mich zu diffamieren», erzählt Rewcastle.

Nur ein Mann ist glücklich über den 1MDB-Skandal: Chief Minister Musa Aman. Seine 90-Millionen-Dollar-Affäre rund um die Holzschlag-Konzessionen ist keine Schlagzeile mehr wert. Sein politisches Netzwerk ist sogar gefestigt. Premierminister Najib sitzt nun im gleichen Boot wie er – beide Politiker können nur gemeinsam überleben oder untergehen. Sie eint jetzt ein Ziel: mit der UMNO-Partei an der Macht bleiben.

Für sie geht es in Kürze um alles oder nichts, denn: Wahlen stehen bevor.

7. Die Politik

Kota Kinabalu, Sabah, Anfang März 2018. Die knapp 32 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner Malaysias wählen demnächst ihre neue Regierung. Ende März soll das Parlament aufgelöst werden. Im April oder Mai, spätestens im August, müssen die nationalen Wahlen stattfinden.

Zwei ungleiche Männer haben sich verbündet, um gegen Premierminister Najib anzutreten. Der eine ist ein Greis: der 92-jährige Mahathir Mohamad, Premierminister Malaysias von 1981 bis 2003. Der andere ist Mahathirs ehemaliger Vizepremier und sein Opfer: Anwar Ibrahim, der 1999 von Mahathir unter fadenscheinigen Vorwürfen von Korruption und Homosexualität ins Gefängnis geworfen wurde.

Nun haben sich die beiden ehemaligen Todfeinde in einem Zweckbündnis gefunden. Ihr Ziel: die Absetzung von Najib Razak. Auch der von Najib im Jahr 2015 geschasste Vizepremier ist heute Teil der Opposition.

Ein Sieg von Mahathir in den Wahlen gilt als beste Chance, die Korruptionsfälle in Malaysia ans Licht zu bringen. Eine neue Regierung würde die Ermittlungen aufrollen und internationale Rechtshilfe leisten. Auch an die Schweiz.

Mit dabei wäre wahrscheinlich mit aktuellen Kontobewegungen auch Musa Aman. «Es ist in Sabah ein offenes Geheimnis, dass das Korruptionsnetz von Musa Aman in den Jahren seit der Schliessung der UBS-Konten über andere Banken weitergeführt wurde», sagt eine gut vernetzte Quelle in Kota Kinabalu.

Von der Republik schriftlich eingereichte Fragen an die Presseverantwortliche von Chief Minister Musa Aman blieben unbeantwortet.

Der Mann, der am Stadtrand von Kota Kinabalu auf der Plakatwand leicht gequält lächelnd Glück wünscht, hat also seine Machtposition zementiert. Und er wird sie nur verlieren, wenn nach den Wahlen in Kuala Lumpur ein neuer Justizminister die Arbeit aufnimmt.

Epilog: Der Wald

Abseits der Fernstrasse von Kota Kinabalu nach Sandakan, Sabah, im März 2018. Links und rechts der Route 22, die quer durch Sabah führt, breiten sich tiefgrüne, weiche Hügel aus. Wolkentürme, drohend wie der Blick eines Abts in der Klosterschule, hängen in der Ferne, dort, wo die Sulusee beginnt. Ein grünes, wildes, atemberaubend schönes Land.

Luftaufnahme Palmölplantage
Zerstörerische Schönheit: Eine Palmölplantage in Sabah. Die wachsende Nachfrage von Palmöl führt zur Abholzung des Regenwalds. Justin Guariglia/Mauritius

Erst auf den zweiten Blick wird deutlich, dass die Hügel nicht mit Regenwald bedeckt sind. Alle Bäume stehen artig in terrassierten Reihen, alle sind gleich hoch, alle im gleichen mattdunklen Grün, das an die Farbe von leeren Weinflaschen erinnert: Ölpalmen.

Wo einst Regenwald stand, erstrecken sich nun Palmöl-Plantagen. Exakt so, wie es Musa Aman zu seinem Amtsantritt vor fünfzehn Jahren versprochen hat. Mehr als 14’000 Quadratkilometer, zwanzig Prozent von ganz Sabah, sind es gemäss eines aktuellen Berichts des World Wildlife Fund. Das entspricht der Fläche der Kantone Graubünden, Bern und Zürich zusammen. Palmöl hat Holz als wichtigstes Exportgut von Sabah abgelöst.

Am Rand der Fernstrasse liegen Haufen frisch geschnittener Ölfrüchte, rot und feucht glänzend, sie riechen wie vergorene Trauben. Bald wird sie ein Laster einsammeln, nach Sandakan zu den Mühlen fahren, danach tragen Frachtschiffe das Palmöl in die Welt, wo es zu Hautcremen, Waschmittel, Shampoo, Frühstücksflocken und Nutella verarbeitet wird: Palmöl trifft man überall dort, wo es in einem westlichen Mittelklassehaushalt angenehm wird.

Es dauert eine Weile, bis die Ohren und Augen realisieren, dass etwas nicht in Ordnung ist. In den Palmenhainen herrscht absolute Stille. Keine Insektengeräusche, kein Vogelgezwitscher, kein Lärm, wie er in tropischen Regenwäldern üblich ist. Ein einzelner, dicker, schwarzer Käfer liegt rücklings auf dem roten Boden und strampelt mit den Beinen.

Die Plantage ist ökologisch tot. Der Dschungel ist nicht mehr. Er existiert bald nur noch in der Welt der Politiker und Banker.