Bundesrat streitet um Kronprinz, die 5G-Auktion – und doch keine Waffen für Bürgerkriege
Das Wichtigste in Kürze aus dem Bundeshaus (31).
Von Elia Blülle, 01.11.2018
Die englischsprachige Presse schreibt, Saudiarabien erlebe gerade sein «Game of Thrones» der Wüste. Denn Kronprinz Muhammad bin Salman hat in den vergangenen zwei Jahren alle Macht ergriffen und führt das Land mit machiavellistischer Intelligenz: Er punktet bei der Bevölkerung mit liberalen Reformen, entfernt aber unliebsame Minister, wirft seine Gegner in den Kerker oder stellt sie ruhig. Wie zuletzt geschehen in Istanbul. Ein fünfzehnköpfiger Rambotrupp hat den saudischen Journalisten Jamal Khashoggi brutal ermordet – mutmasslich im Auftrag von Salman.
Wie bereits andere Länder muss sich nun auch die Schweiz fragen: Soll sie weiterhin mit dieser Unrechtsmonarchie zusammenarbeiten?
Bundesrätin Simonetta Sommaruga ist dagegen. Laut dem «Tages-Anzeiger» hat die Justizministerin letzte Woche vom Gesamtbundesrat gefordert, sämtliche Rüstungsgeschäfte mit dem Emirat per sofort einzustellen. Die Schweiz müsse ein politisches Signal setzen. In einer schriftlichen Antwort habe sich der scheidende Wirtschaftsminister und Rüstungsfreund Johann Schneider-Ammann gegen diese Forderung gestemmt. Die Schweiz sei ein Rechtsstaat – und könne bewilligte Exportverträge nicht einfach so widerrufen.
Ein «politisches Signal» der Schweiz dürfte den Kronprinzen wohl kaum zum Umdenken bewegen. Im Gegenteil: Er ist bekannt für seinen diplomatischen Trotz. Als sich Kanada und Deutschland gegen Salman stellten, zog er seine Botschafter ab.
Viel wichtiger aber wäre die Aussenwirkung einer solchen Strafaktion. Gerade auch, weil letzte Woche bekannt wurde, dass die Flugzeugfirma Pilatus wohl illegale Geschäfte mit Saudiarabien abgewickelt hat und saudische Soldaten mit Schweizer SIG-Gewehren im Jemen-Krieg töteten. Die neutrale Schweiz kann es sich nicht leisten, als Waffenbruder des Kronprinzen dazustehen. Deshalb wird jetzt der Gesamtbundesrat Massnahmen gegen Riad vertieft prüfen.
Künftig wird es mit Saudiarabien wohl sowieso keine Waffengeschäfte mehr geben. Der Bundesrat verzichtet auf die geplante Lockerung der Kriegsmaterialverordnung. Mehr dazu finden Sie im Briefing aus Bern.
Keine Waffen für Bürgerkriegsländer
Das müssen Sie wissen: Der Bundesrat wollte die Regeln für den Waffenexport so anpassen, dass Schweizer Rüstungsunternehmen auch in Bürgerkriegsregionen liefern dürfen. Das hat zu lauten Protesten geführt.
Das ist nun passiert: Aktion abgebrochen. Nachdem ein Komitee mit einer Volksinitiative gedroht hatte und sich auch viele Parlamentarierinnen gegen die geplante Verordnungsänderung ausgesprochen hatten, gab der Bundesrat gestern bekannt, dass er auf eine Anpassung der Kriegsmaterialverordnung verzichtet.
So geht es weiter: Es wird wohl nicht das letzte Mal gewesen sein, dass der Bundesrat an den Regeln zum Export von Waffen herumzudoktern versucht. Vorerst ist aber Schluss. Nachdem diverse Schweizer Rüstungsfirmen mit problematischen Waffenlieferungen für Schlagzeilen sorgten, ist das Klima ungünstig für solche Liberalisierungen.
Mehr dazu: Die Republik hat vor einem Monat über die geplante Verordnungsänderung geschrieben. Was der bundeseigene Rüstungskonzern Ruag damit zu tun hat, können Sie hier nachlesen.
Bundesratsrennen: Sind die CVP-Kandidaten gut genug?
Das müssen Sie wissen: Die CVP stellt drei Bundesratskandidatinnen und einen Bundesratskandidaten: die Nationalrätinnen Viola Amherd und Elisabeth Schneider-Schneiter, die Urner Regierungsrätin Heidi Z’graggen und den Ständerat Peter Hegglin. Dieses Wahlticket freut die Linken und ärgert die Rechten.
Das ist das Problem: Die CVP-Kandidatinnen hätten keine Führungserfahrung und seien zu links. SVP-Nationalrat Christian Imark wünscht sich eine «bessere Auswahl», wie er in der «SonntagsZeitung» sagte. Sollte das nicht geschehen, würden er und ein paar andere SVP-Parlamentarier sich überlegen, einen anderen CVP-Kandidaten zu unterstützen, der nicht auf dem Ticket steht – wie zum Beispiel Gerhard Pfister. Ein solches Vorgehen wäre höchst ungewöhnlich, gerade auch, weil die SVP mit Sprengkandidaturen schlechte Erfahrungen gemacht hat. 2008 hat das Parlament überraschenderweise die Wahlen gesprengt und den Bundesrat Christoph Blocher durch Eveline Widmer-Schlumpf ersetzt.
So geht es weiter: Alle Kandidaten für die Bundesratswahl stehen. In der «SonntagsZeitung» bekannte sich Fraktionschef Thomas Aeschi zu den Anwärterinnen und sagte, dass sich die SVP an das CVP-Ticket halten werde. Ob Teile der SVP trotzdem eine wilde Kandidatur unterstützen werden, wird sich am 5. Dezember bei den Bundesratswahlen zeigen.
Interessenkonflikt bei der Netzvergabe
Das müssen Sie wissen: Mit dem neuen Netz soll das mobile Internet zehnmal schneller werden. Die 5G-Frequenzen versteigert der Bund im Januar. Kann er alle Frequenzbänder verkaufen, verdient er damit eine Viertelmilliarde. Entscheidend ist diese Auktion vor allem für die drei grossen Schweizer Netzanbieter: Swisscom, Salt und Sunrise. Ihr künftiger Erfolg hängt massgeblich davon ab, wie gut und schnell sie die neue Technologie integrieren können. Damit das gelingt, müssen sie im Januar genügend Frequenzbänder ersteigern. Nun wurde bekannt, dass es bei dieser Versteigerung grosse Interessenkonflikte gibt.
Darum ist das problematisch: Neue Frequenzen versteigert die Eidgenössische Kommunikationskommission (Comcom). Sie besteht aus sieben Mitgliedern, die als «unabhängige Sachverständige» über das Auktionsverfahren entscheiden. Nun hat der «Tages-Anzeiger» bekannt gemacht, dass drei der sieben Comcom-Mitglieder berufliche Verbindungen zur Marktführerin Swisscom haben oder hatten. Darüber beklagen sich die beiden anderen Anbieter. Die Auktionsregeln würden die Swisscom bevorteilen. Das Kommunikationsdepartement sieht das anders. Die drei Kommissionsmitglieder hätten die Interessenbindungen gemeldet. Sie seien unbedenklich.
So geht es weiter: Sunrise und Salt haben gedroht, dass sie sich beim Bundesverwaltungsgericht beklagen würden, sollte die Versteigerung zu ihren Ungunsten ausfallen. Ein solcher Schritt könnte die Einführung des neuen 5G-Netzes stark verzögern.
Darf ich sterben?
Das müssen Sie wissen: Soll man ärztliche Sterbehilfe beziehen dürfen, wenn die Schmerzen so gross sind, dass man nicht mehr leben will? Ja, meint die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW). Sie hat im Mai die ethischen Richtlinien zur Suizidhilfe gelockert. Ein Arzt soll künftig tödliches Gift verschreiben dürfen, wenn ein Patient aufgrund einer Krankheit und des Leidens nicht mehr leben will. Zuvor war das nur möglich, wenn ein nahes Lebensende absehbar war. Gar keine Freude an den neuen Richtlinien hat die Ärzteschaft.
Darum ist Sie dagegen: Die Ärztekammer will, dass eine Medizinerin nur Suizidhilfe leisten darf, wenn eine schwere, unheilbare Krankheit vorliegt. Für sie sind die neuen Richtlinien zu subjektiv. Neben körperlichen und psychischen Krankheiten könnten auch andere Faktoren Leiden verursachen. Darum übernimmt die Ärztekammer die neuen Richtlinien nicht.
So geht es weiter: Die Ärztekammer will die Richtlinien auch ändern, aber nicht so stark liberalisieren, wie das die Ethikkommission der SAMW vorschlägt. Sie könnte sich zum Beispiel vorstellen, dass Ärzte Sterbehilfe leisten dürfen, wenn jemand an einer schweren, unheilbaren Krankheit leidet, deren Symptome trotz Therapie nicht kontrollierbar sind. Damit wäre der Freitod bereits in einem frühen Stadium einer schmerzhaften Krankheit möglich.
Zahl der Woche: Weniger Raucher, mehr Übergewichtige
Die gute Nachricht: Die Schweizerinnen und Schweizer rauchen immer weniger Tabak. Zwar hat sich die Zahl der Raucher in den letzten zehn Jahren kaum verändert, ein Viertel der Bevölkerung greift immer noch regelmässig zur Zigarette, doch ist die dabei konsumierte Tabakmenge stark zurückgegangen. Der Anteil der Kettenraucher hat sich in den vergangenen 25 Jahren halbiert. Und auch der tägliche Alkoholkonsum ist seit 1992 um die Hälfte zurückgegangen. Die schlechte Nachricht: Wir werden immer dicker. 42 Prozent der Bevölkerung sind übergewichtig. Dabei hat sich vor allem der Anteil der schwer Übergewichtigen in den letzten 25 Jahren verdoppelt. Und das, obwohl immer mehr Menschen Sport treiben.
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