Brief an eine Frau, die sich nicht mit mir treffen wollte
Von Oliver Fuchs, 23.10.2018
Ach, Emrah, das hätte wirklich spannend werden können. Verzeih, dass ich dich gleich duze, aber bis zum Austauschen der Nachnamen haben wir es nicht geschafft.
Wir haben beide den Fragebogen von «Die Schweiz spricht» ausgefüllt. Ich bei der Republik, du beim SRF. Und dann fand der Algorithmus, dass wir zwei uns treffen sollten. Ich fand das auch. Wo ich dafür bin, bist du konsequent dagegen. Gemäss Postleitzahl könnten wir Nachbarn sein. Und doch gehören wir zu den gerade mal 70 Paaren, die sich in allem uneins sind.
Das fängt schon bei den Katzen an. Du magst die Viecher offenbar, ich gar nicht. Sind mir zu clever. Hunde, das sind echte Freunde. Die mögen dich in jeder Lebenslage. Katzen? Die mögen dich, bis du sie gekrault und gefüttert hast. Dann bist du Luft. So lange, bis sie wieder was von dir wollen.
Hättest du in diesem Land das Sagen, dann würde sich wohl nicht viel ändern. Wahrscheinlich ist das vernünftig. Hätte ich das Sagen, dann wäre die Schweiz ein anderes Land. Das würde es für Journalisten wie mich etwas spannender machen. Ob es das Land auch besser machen würde, das weiss ich nicht.
Darum hätte ich gerne mit dir diskutiert. Ich bin einer von 681 Menschen, deren Treffen auf halbem Weg stecken blieb. Du bist einer von 1351 Menschen, die es sich dann doch anders überlegt haben.
Du verstehst sicher: Uns 681 lässt das ein wenig enttäuscht zurück. Viele Teilnehmer – das weiss ich aus E-Mails an die Republik – hätten einiges für ein Treffen in Kauf genommen.
Da ist der Mann aus dem Mittelland, dessen Gesprächspartner ihn auf Whatsapp mit seltsamen Youtube-Links bombardierte. Trotzdem hat er das Gespräch erst auf unser Anraten sein lassen.
Da ist die Frau aus Zürich, die grosse Angst vor Hunden hat. Was ein Treffen mit ihrem Gesprächspartner schwierig gemacht hätte. Der ist Hundenarr. Sie hätte ihn trotzdem getroffen. Er hat sich nicht mehr gemeldet.
Da ist zum Beispiel der Rentner aus der Nähe von Bern, der sich jemanden gewünscht hätte, der ihm altersmässig näher ist. Er ist 96, sein Partner 19. Trotzdem wäre er zum Treffen bereit gewesen. Der junge Mann nicht.
Und da sind wir zwei. Bei den Katzen wären wir uns nicht einig geworden. Bei allem anderen: Wer weiss?
Darum, liebe Emrah, wenn wir uns mal im Coop kreuzen: Sag doch Hallo!