«Der sieht das ja gar nicht schwarz-weiss»

Menschen sitzen zusammen und sprechen darüber, warum sie die Welt verschieden sehen. Was ist bei «Die Schweiz spricht» herausgekommen?

Von Elia Blülle, Oliver Fuchs (Text) und Nick Lobeck (Bilder), 22.10.2018

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«Dürfen wir Ihnen jemanden vorstellen?»

Das haben wir per E-Mail 3000 Personen gefragt. Sie alle haben sich vor ein paar Wochen für die Aktion «Die Schweiz spricht» angemeldet. Rund die Hälfte haben sich auf ein Gespräch eingelassen. In Zürich haben wir drei der Gesprächspaare getroffen und sie gefragt: Wie wars?

Darshan Rubischung und Peter Schneider.

Darshan Rubischung aus Wetzikon ZH ist Gymnasiast, schreibt seine Maturaarbeit, produziert Bioschokolade in der Elfenbeinküste und ist Präsident der Hinwiler Jungfreisinnigen. Mit ihm spricht Peter Schneider, seit sechs Jahren pensioniert. Zwanzig Jahre lang hat Schneider als Sozialarbeiter in der Stadt Winterthur Flüchtlinge betreut. Heute lebt er in Fältsch ZH, fliegt zweimal pro Jahr für mehrere Wochen nach Laos und arbeitet freiwillig in einem Provinzspital.

Zwischen Darshan Rubischung und Peter Schneider liegen 47 Jahre Lebenserfahrung und eine grosse Meinungsverschiedenheit: Braucht es Frauenquoten für die Führung von Unternehmen?

«Für einen Jungunternehmer wie mich ist es selbstverständlich, dass ich diejenige Person für einen Job engagiere, die sich am besten eignet – unabhängig vom Geschlecht. Quoten führen nur zu mehr Bürokratie. Mit der nächsten Generation wird sich das Problem sowieso von selber lösen.»
Darshan Rubischung (19), Gymnasiast und Jungunternehmer
«Nach dem Gespräch mit Darshan glaube ich auch, dass wir in zwanzig Jahren keine Frauenquote mehr brauchen. Aber dafür müssen wir jetzt reagieren. Die Männerseilschaften in den Unternehmen sind zu stark. Die kann man nur mit einer Quote brechen.»
Peter Schneider (66), Rentner
Claudia Berger und Dorothea Bergler.

Claudia Berger und Dorothea Bergler. Zwei Frauen, die fast den gleichen Nachnamen tragen, beinahe gleich alt sind und sich ferner nicht sein könnten. Die Bernerin Dorothea Bergler arbeitet als Fundraising-Spezialistin und verteilt eigene Visitenkarten. Ganz anders Claudia Berger. Sie lebt von der Sozialhilfe, arbeitet Teilzeit für eine Stiftung und schluckt jeden Morgen Tabletten, um ihre Drogensucht zu substituieren. Weil Claudia Berger sich die Fahrt von Uetendorf BE nach Zürich nicht leisten konnte, hat sie Dorothea Bergler mit dem Auto abgeholt. Auf der einstündigen Fahrt haben die beiden über Politik gesprochen, vor allem aber über ihre unterschiedlichen Leben.

«Dorothea und ich hätten uns wohl nie getroffen. Ich habe den Stempel des Junkies. Das merke ich, wenn Leute mit mir sprechen. Sie reden oft über mich hinweg. Man nimmt mich nicht ernst. Bei Dorothea war das ganz anders. Eine schöne Erfahrung.»
Claudia Berger (51), Sozialhilfebezügerin
«Als ich gesehen habe, wie Claudia den Fragebogen ausgefüllt hat, dachte ich, dass ich es mit einer typischen ‹Weltwoche›-Leserin zu tun bekomme. Nun habe ich aber gemerkt, dass wir uns so fern gar nicht sind.»
Dorothea Bergler (53), Fundraising-Spezialistin
Salim Brüggemann und Christine Feller.

Sie ist Gymilehrerin, er ist Politologe. Sie hat die Republik abonniert, er die WOZ. Gerade mal in zwei der Fragen sind sich Christine Feller und Salim Brüggemann uneins. Trotzdem hat der Algorithmus die beiden verbunden. Wars die Zeit wert?

«Ich hatte schon etwas anderes erwartet. Klar, ich hätte gerne jemanden getroffen, der zu 100 Prozent anderer Meinung ist. Jetzt haben wir halt darüber diskutiert, wie man ein Ziel am besten erreicht – und nicht, ob das Ziel das richtige ist.»
Salim Brüggemann (29), Politologe
«Kontroverse Fragen werden meistens absolut verhandelt. Frauenquote: Bist du dafür, oder bist du dagegen? Dann beginnt man zu sprechen und merkt: Der andere sieht das gar nicht schwarz-weiss.»
Christine Feller (38), Gymilehrerin

Ob sich Christine Feller und Salim Brüggemann noch einmal treffen wollen, haben sie noch nicht entschieden.

Die Schweiz hat gesprochen. Jetzt sind Sie dran!

Haben Sie bei der Aktion mitgemacht? Teilen Sie Ihre Erfahrungen! Sie waren nicht dabei? Was müssten wir bei einer nächsten Ausgabe anders machen, um Sie dabeizuhaben? Oder ist gar die ganze Sache grundsätzlich verkehrt? Hier gehts zur Debatte.