SVP lanciert Grossangriff, Bundesrat gegen Transparenz – und Junge sorgen sich um die AHV
Das Wichtigste in Kürze aus dem Bundeshaus (22).
Von Elia Blülle, 30.08.2018
Liebe Leserinnen und Leser,
Was gestern funktioniert hat, wird auch morgen gelingen. Denkt sich die SVP und greift zu ihren bewährten Instrumenten. Gleich mit drei Vorlagen attackiert sie die Schweizer Beziehungen zur EU und bindet den Wählerinnen so ihre Lieblingsdebatte auf.
Das erste Anti-Europa-Projekt der SVP steht bereits im November zur Disposition: die Selbstbestimmungsinitiative. Nehmen die Schweizerinnen das Anliegen an, stürbe ein institutionelles Rahmenabkommen mit der Europäischen Union wohl endgültig. Die Beziehungen mit Brüssel wären nachhaltig zerrüttet.
Nicht weniger heikel ist das zweite Anti-Europa-Projekt: das Waffenreferendum. In der Herbstsession berät das Parlament die Übernahme der neuen europäischen Waffenrichtlinien. Dazu ist die Schweiz vertraglich verpflichtet. Verschiedene Schützenverbände und SVP-Vertreter haben angekündigt, das Gesetz ungeachtet der Ergebnisse im Parlament an die Urne zu zerren. Nehmen die Schweizerinnen ein solches Referendum an, beginge ihr Land Vertragsbruch, und es droht der Ausschluss aus den Schengen-Dublin-Abkommen, welche die europaweite Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit und Asyl regeln.
Das jüngste und dritte Anti-Europa-Projekt der SVP erreicht morgen Freitag sein erstes Etappenziel. Die Partei wird in Bern die sogenannte Begrenzungsinitiative einhändigen. Mit ihr will die SVP in die Verfassung schreiben, dass die Schweiz ihre Zuwanderung künftig eigenständig steuert und das Abkommen über die Personenfreizügigkeit kündigen muss. Der Haken: Weil diese Vereinbarung über eine Guillotineklausel mit den Verträgen der Bilateralen I verknüpft ist, stünde das ganze Vertragspaket auf der Kippe und somit eine der wichtigsten Verbindungen zur EU.
Bisher läuft für die SVP alles nach Plan. Die Schweiz ist nach der sommerlichen Eskalation ums Rahmenabkommen weiter von Europa entfernt als auch schon. Und dank der SVP-Offensive werden die Schweizerinnen im Wahlkampf eher über den Rückbau der Europa-Beziehung diskutieren anstatt über ihre Weiterentwicklung. Perfekt getimt. Die anderen Parteien müssen mitspielen. Selbst wenn die SVP alle Abstimmungen verlieren sollte, hat sie dennoch eines gewonnen: Aufmerksamkeit. Sie bestimmt, über welche Themen die Schweiz im Wahljahr 2019 spricht.
Die NZZ bietet einen guten Überblick über die aktuellen Fragen in der Schweizer Europapolitik.
Und hier geht es weiter mit dem Briefing aus Bern und einer Partei, die sich den Europaplänen der SVP mit einer neuen Strategie in den Weg stellt.
GLP greift nach den europäischen Sternen
Das müssen Sie wissen: Die Schweizer Beziehungen zur EU werden von links blockiert und von rechts attackiert. Nun wollen die Grünliberalen in die Bresche springen und sich als Proeuropäer positionieren. Sie fordern, dass die Schweiz «mehr Europa wagt».
So will die Partei das erreichen: Die GLP verlangt eine rasche Weiterentwicklung der bilateralen Verträge und will, dass ein Rahmenabkommen ohne «ideologische Scheuklappen» verhandelt wird.
Darum ist das eine Chance: Wofür steht die GLP? Sie wissen es nicht? Dann sind Sie nicht alleine. Die Partei hatte bisher stets Mühe, ihr eigenes Profil zu schärfen und sich von den anderen Parteien abzugrenzen. Mit einem klaren proeuropäischen Kurs könnte sich das ändern.
Cyberattacke Ruag ... ungelöst
Das müssen Sie wissen: 2016 sind Hacker in die Systeme der bundeseigenen Rüstungsfirma Ruag eingedrungen. Bei der Cyberattacke, die über ein Jahr gedauert hat, wurden grosse Datenmengen gestohlen. Die Bundesanwaltschaft leitete daraufhin eine Untersuchung wegen Wirtschaftsspionage ein.
Das ist nun passiert: Die Bundesanwaltschaft bestätigte gegenüber Radio SRF, dass sie die Untersuchung nach zweieinhalb Jahren beendet hat. Ohne Erfolg. Die Täter konnten nicht gefunden werden.
Das hat es mit Gerüchten auf sich: Schon früh spekulierten verschiedene Experten und Medien, dass Russland hinter dem Angriff stecken könnte. Diese Einschätzung bestätigte die Bundesanwaltschaft nicht, wies aber darauf hin, dass bei solch komplexen Angriffen meist nur staatliche Akteure infrage kämen.
Bundesrat lehnt Transparenz-Initiative ab
Das müssen Sie wissen: Ein überparteiliches Komitee will mit einer Initiative erreichen, dass Parteien, Wahl- und Abstimmungskampagnen ihre Finanzen offenlegen müssen. Zudem sollen anonyme Spenden verboten werden.
Das sagt der Bundesrat: Wollen wir nicht. Das vorgeschlagene Gesetz sei nicht mit dem politischen System der Schweiz vereinbar. Der Bundesrat bezweifelt, dass finanzielle Macht einen Einfluss auf den politischen Erfolg hat. Zudem würde das Gesetz hohe administrative Kosten verursachen und in die Kompetenzen der Kantone eingreifen.
So geht es weiter: Als Nächstes muss das Parlament die Initiative behandeln, bevor sie voraussichtlich im nächsten Jahr zur Abstimmung kommt.
Weniger Erbe für Kinder
Das müssen Sie wissen: Wenn ein Elternteil stirbt, stehen den Kindern vom gesetzlichen Erbteil drei Viertel als Pflichtteil zu. So zumindest sind die Pläne des Bundesrats.
Das will der Bundesrat: Künftig soll nur noch die Hälfte direkt an die Kinder gehen. Sind Ehepartner oder eingetragene Partner vorhanden, erhalten sie nur noch ein Viertel des Vermögens – anstatt drei Achtel wie bisher. Wer das restliche Geld bekommen soll, kann der Erblasser vor seinem Tod selber entscheiden. Damit will der Bundesrat das Gesetz modernisieren und ermöglichen, dass zum Beispiel auch unverheiratete Lebenspartnerinnen mehr erben können.
So geht es weiter: Als Nächstes muss das Parlament die Vorlage behandeln.
Junge sind besorgt um die Altersvorsorge
Das müssen Sie wissen: Einmal im Jahr publiziert die Credit Suisse das Jugendbarometer. Dabei wird ermittelt, welches die grössten Sorgen der 16- bis 25-Jährigen in der Schweiz sind.
Das ist dabei herausgekommen: Obwohl die meisten Befragten erst in rund 45 Jahren pensioniert werden, ist gemäss der CS-Studie die Zukunft der Altersvorsorge zurzeit die Hauptsorge der Jugend – wie auch der Erwachsenen. Auf dem zweiten Platz steht die Arbeitslosigkeit. Die Angst vor Migrations- und Flüchtlingskrisen hat hingegen wieder abgenommen.
Darum ist das so: Im Vorlauf der gescheiterten AHV-Reform 2020 erhielt die Problematik der Altersvorsorge erhöhte mediale Aufmerksamkeit. Seit zwei Jahrzehnten diskutiert die Politik eine dringend notwendige Reform, ausgelöst durch den demografischen Wandel. Passiert ist nur wenig. Nachdem der letzte Versuch, den Wandel herbeizuführen, abgeschmettert wurde, sehen die Jungen die selbstverständliche Sicherheit der Altersvorsorge in Gefahr. Und das macht Angst.
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