Postauto ohne Bremsen, das Wallis ohne Olympia und eine Drohung an die EU
Das Wichtigste aus dem Bundeshaus (16).
Von Elia Blülle, 14.06.2018
Liebe Leserschaft
Ein Kindervers des Liedermachers Linard Bardill geht so: «Tütato, ds Postauto / goht uf Reisli / zu dene Geissli / zu dene Gemsli / hoffentli hets guati Bremsli.»
Heute können wir sagen: Es hatte keine guten Bremsli. Die Postauto AG knallte am Montag gegen die Wand. Der Verwaltungsrat der Post feuerte die gesamte Geschäftsleitung, tags zuvor trat bereits Postchefin Susanne Ruoff zurück. Der Grund: Von 2007 bis 2016 hat Postauto Gewinne kaschiert und zu hohe Subventionen bezogen – ohne dass die Verantwortlichen einschritten.
Der am Montag veröffentlichte externe Bericht bestätigte den Verdacht: Die illegalen Anpassungen fanden im vollen Wissen der Postauto-Geschäftsleitung statt. Es sei erschreckend, sagte Verwaltungsratspräsident Urs Schwaller, «dass dabei über Jahre sämtliche Kontrollmechanismen im Konzern Post offensichtlich versagt haben».
Der Verwaltungsrat kommt zum Schluss, dass Postchefin Ruoff zwar nichts von den Manipulationen wusste, jedoch früher auf bestehende Hinweise hätte reagieren müssen. Deshalb beschloss er bereits letzte Woche, dass es keine Vertrauensbasis mehr für eine weitere Zusammenarbeit gebe.
Damit verschwindet der Postauto-Skandal aber noch nicht in den Archiven. Die Bundespolizei ermittelt weiterhin aufgrund einer Anzeige des Bundesamts für Verkehr. Gut möglich, dass im Zuge der Ermittlungen weitere Details ans Licht kommen. Klar ist: Die erschlichenen Subventionen muss die Postauto AG zurückgeben. Das Bundesamt für Verkehr fordert von ihr Zahlungen in Höhe von 78 Millionen Franken.
PS: Wieso hat die Postauto AG getrickst? Unsere Autorin Olivia Kühni wagte den Erklärungsversuch.
Und hier – tütato – kommt das Briefing aus Bern.
Zunächst die wichtigsten Entscheide aus der dritten Woche der Sommersession
Der umstrittene Steuerdeal: Der Ständerat schnürt die neue Unternehmenssteuer und die Revision der Altersvorsorge definitiv zusammen. Das hat er am vergangenen Freitag beschlossen. Die Mehrausgaben, die durch das neue Steuergesetz bei der Bevölkerung entstünden, verbindet die kleine Kammer im Gegenzug mit einem Geschenk an die Altersvorsorge. Lohnabzüge, Mehrwertsteuer und der Bund sollen zusätzliche zwei Milliarden pro Jahr in die AHV liefern. Gegner kritisieren, dass der Ständerat mit seinem Vorschlag zwei Reformen verbinde, die nichts miteinander zu tun hätten. Als Nächstes behandelt der Nationalrat die Vorlage.
Selbstbestimmt gegen die SVP: Neben dem Bundes- und dem Ständerat lehnte am Montag auch der Nationalrat die sogenannte Selbstbestimmungsinitiative ab. Mit dem Begehren will die SVP nationales Recht über Völkerrecht stellen. Das finden alle anderen Parteien keine gute Idee. Nach einer neunstündigen Debatte drückten kurz vor Mitternacht alle Fraktionen bis auf die SVP den roten Abstimmungsknopf. Die Initiative kommt ohne parlamentarischen Rückhalt und ohne Gegenvorschlag voraussichtlich im November zur Abstimmung.
Angst vor dem bösen Wolf: Der Ständerat lockert die Regeln für den Abschuss von Wölfen. Geht es nach der kleinen Kammer, dürfen Jägerinnen künftig Wölfe auch in den 42 sogenannten Jagdbanngebieten schiessen. Das sind geschützte Lebensräume, in denen die Jagd stark eingeschränkt ist. Mit dieser Massnahme soll der Wolfsbestand reguliert werden können, wenn die Tiere «grossen Schaden» anrichten. Ferner erleichtert der Ständerat auch den Abschuss von Luchs und Biber. Das schockiert diverse Tierschutzorganisationen: Sie drohen mit dem Referendum. Zuerst muss aber der Nationalrat die Vorlage noch behandeln.
Klares Ja für das Geldspielgesetz – Vollgeld chancenlos
Geldspielgesetz: Die Bedenken der Jungparteien vermochten das Stimmvolk nicht zu überzeugen. 73 Prozent befürworteten die Vorlage aus dem Bundeshaus.
Vollgeld: Wie erwartet lehnten 76 Prozent der Stimmbürgerinnen die Vollgeld-Initiative ab. Eine mutige Idee, die das Komitee bis zum Schluss nicht verständlich zu bewerben vermochte. Das könnte einer der Gründe sein, wieso die Stimmbeteiligung bei äusserst niedrigen 34 Prozent lag.
Schneller, höher, abgestürzt – keine Olympischen Spiele
Das müssen Sie wissen: 2026 sollten die Olympischen Spiele nach achtzig Jahren endlich wieder in die Schweiz kommen. Ein Komitee um den illustren Walliser Fussballpatron Christian Constantin hatte die Kandidatur «Sion 2026» lanciert. 2,4 Milliarden hätten die Spiele gemäss Budget gekostet. Unterstützung erhielt das Vorhaben auch vom Bundesrat. Er wäre bereit gewesen, eine Milliarde beizusteuern.
Das sagt das Wallis: Nein. Mit 54 Prozent lehnten am Wochenende die Stimmbürgerinnen einen Olympia-Kredit über 100 Millionen Franken ab.
Das passiert als Nächstes: Nichts. Der Bundesrat schrieb am Sonntag: «Ohne Walliser Feuer keine Olympischen Spiele.» Damit ist die Kandidatur beerdigt.
Mehr dazu: Wieso wollen die Walliserinnen keine Spiele? Unsere These: Weil das Internationale Olympische Komitee ihren Stolz verletzt hat.
Europäische Börse: Jetzt droht auch die Schweiz
Das müssen Sie wissen: Die Europäische Union will mit der Schweiz ein Rahmenabkommen abschliessen – und zwar schnell. Um die Verhandlungen zu beschleunigen, hat sie im Dezember der Schweiz nur eine befristete Börsenanerkennung gegeben. Stuft Brüssel die Schweizer Börse nach Ablauf der Frist nicht als den Börsen der EU-Länder gleichwertig ein, drohen hohe Umsatzeinbussen. Europäische Händler würden die Schweiz meiden. Die Ansage der EU: Kommt die Schweiz in den Verhandlungen um das Rahmenabkommen entgegen, gibt es im Gegenzug die unbefristete Börsenanerkennung. Wenn nicht, steht sie auf der Kippe.
So reagiert nun der Bundesrat: Wie du mir, so ich dir. Anerkennt die EU die Schweizer Börse nicht als gleichwertig, dürften europäische Handelsplätze keine Aktien von Schweizer Unternehmen mehr anbieten. Die Wertpapiere müssten dann zwingend in der Schweiz oder ausserhalb Europas gehandelt werden. Es sei ein Plan B, der notfalls die Existenz der Schweizer Börse sichere, sagt Bundesrat Ueli Maurer. Eine verschleierte Drohung: Denn diese Massnahme hätte ebenfalls Verluste für die europäischen Börsen zur Folge, wenn auch in kleinerem Ausmass. Die FDP kritisiert den bundesrätlichen Plan. Ein solches Vorhaben würde am Ende vor allem den Schweizer Unternehmen schaden.
Das passiert als Nächstes: Die EU-Kommission kommentierte die Pläne des Bundesrats zurückhaltend. Man nehme den Beschluss zur Kenntnis. Mehr wird man nächsten Herbst wissen, sobald die EU über die Zukunft der Anerkennung der Schweizer Börse informiert.
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