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Nichts ist wichtiger als die frühzeitige und konsequente Eindämmung der Infektionszahlen
Dieses Hadern ist was mich am meisten entsetzt an der Strategie (wenn man das Handeln des Bundesrates denn so nennen kann). Stellt euch vor, wir hätten genau die selben Massnahmen wie wir jetzt haben, nur hätten wir 10 Tage früher damit angefangen. Alles hätte sich auf einem tieferen Niveau eingependelt, statt 100 würden nur 70 pro Tag sterben. Das wären pro Monat 900 gerettete Leben. Alles nur weil man erst mal die Kantone anhören wollte....
Das selbe gilt auch für die Klimakrise, wir müssen sowieso die Wirtschaft dekarbonisieren, am besten hätten wir schon vorgestern damit angefangen, damit Arten, Leben und möglicherweise unsere Zivilsation gerettet und unserer Wirtschaft einen unglaublichen Vorsprung in emmisionsfreier Technologie verschafft. Aber nein, wir eiern planlos durch die Krisen und verschenken wertvolle Zeit, und haben dafür... Ja was haben wir dafür eigentlich?
Einen ganz herzlichen Dank an Daniel Graf für diesen hervorragend zusammengefassten, prägnant formulierten und sehr differenzierten Bericht über unser gesellschaftliches und politisches Corona-Verhalten und Corona-Versagen. Ich kann diese Beobachtungen und Schlussfolgerungen voll und ganz unterstützen.
Aus meiner ärztlichen Erfahrung habe ich zwei Dinge verinnerlicht. Das eine ist die Prävention, die voraussehend, rechtzeitig und konsequent erfolgen muss. Das andere ist die Bereitschaft, in den Notfallmodus zu wechseln, wenn es die Situation erfordert. Im Notfallmodus muss eindeutig geführt, rasch gehandelt und klar kommuniziert werden.
Eine Pandemie ist eine Notfallsituation, die sich leider sehr in die Länge zieht. Meiner Ansicht nach müssen aber auch hier dieselben Regeln gelten.
Weder präventives, vorausschauendes Denken und Handeln, noch der Wille, den Notfall zu akzeptieren und im entsprechenden Modus zu handeln scheint bei unseren politischen VerantwortungsträgerInnen auf all den verschiedenen Ebenen in erforderlichem Ausmass vorhanden zu sein.
Die bundesrätliche Pressekonferenz vom letzten Mittwoch erlebte ich diesbezüglich als einen absoluten Tiefpunkt unseres Systemversagens. Es geht mir dabei nicht primär um die Person von Alain Berset, dem nichts anderes übrig bleibt als die rechtsbürgerlich bestimmte Richtung des Gesamtbundesrates zu vertreten, sondern es geht um das komplizierte und von Interessengruppen völlig blockierte System, in dem Verantwortungen hin und her geschoben werden und kurzfristige wirtschaftliche Interessen dominieren.
Es kommt mir vor, als müsste der Notfallarzt bei einem akuten Herzinfarkt die ganze Verwandtschaft zusammentrommeln um zu besprechen, ob der Defibrillator nun doch eingesetzt werden sollte.
Meine bescheidene Meinung ist, dass sehr vieles an der derzeitigen Krise mit klarer, selbstkritischer Kommunikation vom Bund sowie jedem Einzelnen vermieden hätte werden können. Die Wohlstandsneurose, die wir in der Schweiz alle haben, zeigt je länger je mehr ihr hässliches Gesicht; fehlende Resonanz zu Leid, Armut und Krankheit... Bis es einen selber trifft.
Wann eigentlich haben wir angefangen, staatlich verordnete Gesundheitsmassnahmen, die allen zugute kommen, als "unschweizerisch", gar "undemokratisch" zu empfinden? Es war völlig unbetritten und wurde einfach durchgeführt, als ich als ca 7jährige Schülerin wie alle Kinder in der Schweiz in der Schule die Polioimpfung schluckte. Also etwa um 1968. Ich erinnere mich gut, wie wir im Bibliothekzimmer anstanden und dann das getränkte Zuckerstück erhielten und es zergehen liessen im Mund. 2 oder 3mal wiederholt.
Ist es tatsächlich ein Fortschritt, dass dies heute "unzumutbar" sein soll? Und "totalitär", davon zu reden? Wie dekadent sind wir denn mittlerweile nach den vielen Jahren Wohlstand, dass es nur noch das Primat des Individuums geben soll, welches sich an der kleinen Gruppe von voraufklärerischen fast schon abergläubischen ImpfgegnerInnen orientiert? Ist das vernünftig? Warum machen wir es uns unnötig so schwer??
Warum war es unzumutbar, einen kurzen heftigen Totallockdown auszurufen, als noch früh genug war, wie alle Länder ringsum, um die Zahlen auf unter 500 Positive pro Tag zu halten und dann nicht den Ereignissen hinterherzurennen, sondern sie zu steuern?
Ich möchte dem Bundesrat manchmal mit Zwingli zurufen: "Tut um Himmels Willen etwas Tapferes!" (Wobei ich nicht an den Himmel glaube;-)).
Der entscheidende Punkt ist: Wer entscheidet, dass es allen zu Gute kommt?
In einer Diktatur ist das der Staat, in einer Demokratie das V. (Mehrzahl und Stände).
Nein, diese "Verkürzung" ist falsch: In einer Demokratie werden vertretende Personen gewählt, die entscheiden. "Das V." will und kann doch nicht jedes Ding entscheiden, und auch nicht a posteriori picken, wozu es doch noch seine Meinung kundtun möchte.
Und wie
In einer Diktatur ist das der Staat, in einer Demokratie das V. (Mehrzahl und Stände).
falschverstanden ausarten kann, konnte diese Woche haargesträubt verfolgt werden.
Ich habe diese Woche in die Diskussion bei "Lanz" ZDF reingeschaut. Thema Pandemiemassnahmen. Die Diskussion verlief ganz anders als bei uns. Der Tenor war, dass man gleich von Anfang an einen härteren Lockdown hätte durchführen sollen. Es wurde entgegnet, dass der leichte Lockdown im November auf einem Vorschlag von Epidemiologen und Modellierern beruhte, die damit "ruhige Weihnachten" versprachen. Die Kosten für die zusätzlichen Massnahmen in Nov. und Dez. von 25 Mia. € wurden erwähnt, aber es gab, ausser ein wenig wegen der geschlossenen Schulen, kaum Kritik, auch nicht, dass die Massnahmen nun bis Ende Januar verlängert werden mussten. Es wurde auch nicht gefragt, wie wahrscheinlich es sei, dass das Ziel von 5000 Ansteckungen pro Tag (entspricht unseren 500) erreicht werde. Die Todesfälle waren kaum ein Thema, was sich aber nun ändern könnte, nach mehreren weiteren Tagen mit mehr als 1000 Fällen und hoher Belegung der Intensivstationen.
Die Impfdiskussion verlief exakt wie bei uns. Es gab Vorwürfe wegen falscher Firmenwahl, zu spätem Einkauf und ungenügender Vorbereitung. Auch in Deutschland werden immer noch Daten mit Fax übermittelt und dann "händisch" eingegeben.
In der Forschung wird dieser "Herdenzwang" unter dem Begriff der sozialen deskriptiven Normen untersucht. Diese deskriptiven Normen, also die Information wie sich meine Peers verhalten, hat mitunter den stärkeren Einfluss auf unser Verhalten als persönliche Einstellungen oder Verhaltensintentionen. Die Probanden schätzen diesen Einfluss jedoch selbst meist als sehr gering ein und haben das Gefühl ihr Handeln geschehe grösstenteils aufgrund eigener Werte und rationalen Abwägungen.
Das ist alles seit langem bekannt und besonders in der Gesundheitskommunikation oftmals Grundlage von Kampagnen. Wieso der Bundesrat und das BAG anscheinend noch nie davon gehört haben und ständig von "Eigenverantwortung" sprechen ist mir ein Rätsel.
Es gibt da ja schon noch einiges dazwischen. Man könnte beispielsweise als Bundesrat ein Vorbild sein anstatt um die Frage "gehen sie Skifahren" rumzutänzeln. Man könnte als BAG auch anstatt einer Kampagne mit dem Slogan "Mach's einfach", der suggerieren könnte dass viel "es" nicht machen, eine Kampagne fahren die zeigt dass sich viele an die Massnahmen halten.
Und ja: Schlussendlich sind auch klar vorgegebene Massnahmen nötig um eine solche Pandemie zu bewältigen. Einen kompletten Lockdown kann man ohne nur schwer umsetzen.
Die Corona-Krise zeigt beispielhaft, welche Auswirkungen Lobbying hat und wie gut sich gewisse Interessengruppen gegenüber den Behörden durchsetzen können, während andere kaum gehört werden. Die im Artikel erwähnten „Wechselwirkungen zwischen politischen Repräsentantinnen und Zivilgesellschaft“ werden seitens der Zivilgesellschaft von einigen wenigen, gut organisierten und vernetzten Akteuren dominiert — mit dramatischen Folgen.
Die links-libertären 68er, die z. T. zumindest zu Beginn noch eine utopische Gemeinschaft anstrebten, und der rechts-libertäre Neoliberalismus der 80er/90er, der mit seinen Mantras von «There Is No Alternative» und «There’s No Such Thing As Society» Gesellschaft und Staat durch Markt und Familie ersetzen wollte, führten zu eben jener Aushöhlung des Begriffs «Eigenverantwortung», von dem nur mehr die Bedeutung des «Rechts auf Egoismus» übrig blieb.
Dergestalt, dass selbst sanfte Anreize wie das sog. «Nudging» als unzumutbarer, paternalistischer Freiheitsentzug empfunden werden (wobei ausser Acht gelassen wird, dass Werbung genau so funktioniert – aber bei der Privatwirtschaft ist das natürlich kein Problem).
Womöglich ist diese Aushöhlung schlicht Ausdruck der Wohlstandsverwahrlosung: Jede*r kann für sich selbst sorgen, also muss sich niemand um andere sorgen.
Wir wollen alle Rechte, aber möglichst keine Pflichten. Wir sind nicht nur «Generation beziehungsunfähig», sondern auch «Generation verpflichtungsunfähig». Denn Commitment bedeutet für uns Unfreiheit.
"Mythos Eigenverantwortung"
Das im Zusammenhang mit den kommunizierten Massnahmen vielbenutzte Wort "Eigenverantwortung" hat mich von Anfang an gestört, suggeriert es doch schon rein sprachlich, dass jede/*r ganz individuell und autonom entscheiden darf, wie damit umzugehen ist und was eingehalten werden sollte.
Kleiner aber wichtiger Unterschied: "Mitverantwortung" wäre hier im demokratischen Sinne treffender gewählt und angebracht.
Danke, Herr Graf, dass Sie diesen sprachlichen "Faux- Pas" seitens unserer Regierung entmystifizieren :-)
Wieso erwartet man eigentlich in der Schweiz eine effiziente Bewältigung der Pandemie? Es ist doch fast vorprogrammiert, dass in unserem Schönwetter-Politsystem eine Pandemie grosse Probleme (Tschuldigung: Herausforderungen) aufwerfen wird.
Warum ich zu diesem Urteil komme:
Geld ist das Wichtigste (360'000 Grenzgänger sind eine Folge davon und machen die Pandemiebekämpfung nicht einfacher)
unsere Regierung entspricht nicht dem Wählerwillen
unsere Gesetze werden von Lobbys, Juristen und Dilettanten gemacht
sehr viele 'Probleme' schieben wir seit Jahren vor uns her (z.B. AHV/BVG, Erbrecht, Nachhaltigkeit, Verhältnis zur EU, Umgang mit Religionen, Kantönligeist....)
die Bevölkerung besteht aus sehr vielen konservativen und verweichlichten Jammerern
die Medienlandschaft besteht neben ein paar 'Nischenprodukten' nur aus Kommerz und wird stark von ausländischen Konzernen 'gesteuert'
wenn nicht gerade Pandemie ist, ertrinken wir fast in Selbstverliebtheit. Wir sind die Besten! Wir wollen Aufgaben nicht lösen und Änderungen wollen wir auch nicht. Experimente schon gar nicht.
SRF bringt es auf den Punkt: Die Schweiz im Herzen! Jede andere Nation würden wir für solchen Kitsch gehörig kritisieren.
Warum sollten wir etwas auf die Reihe kriegen? Eine Pandemie wird sich nicht mit einer Mehrheit von 50,1 % einschüchtern lassen.
Guter Punkt:
Maskenpflicht im öV. Ja, alle haben mitgemacht. Nutzen: Null
Masken im Geschäft: alle machen mit. Nutzen: Null
Sperrstunden: Alle halten sich daran. Nutzen: Negativ, weil nun mehr Menschen gleichzeitig einkaufen müssen
Restaurant schliessen: Noch immer machen alle mit, doch Nutzen weiterhin Null, oder weniger als Null
Lockdown, vorläufig erst im Ausland: Nutzen sehr deutlich weniger als Null; in den meisten westeuropäischen Ländern ist die dritte Welle dank den Lockdowns bereits angelaufen.
Also, grosses Totalversagen. Alle Massnahmen nutzlos. Politiker und Experten hilflos. Warum also nicht endlich Massnahmen gegen das Virus ergreifen, statt gegen Menschen, Kultur und Wirtschaft?
Es gäbe genug Ansätze. Etwa, eine Corona-App obligatorisch für alle, mit Lokalisationsdienst, damit man endlich herausfindet, wo und wie sich das Virus verbreitet. Oder, bessere Behandlung von COVID-19, ohne Spitäler zu bemühen. Paul R. Vogt, Klinikdirektor Herzchirurgie am Unispital Zürich, hat dazu gute und einfach umzusetzende Ideen. Und endlich die Kulturinstitutionen wieder öffnen, inklusive Alterausflüge, Opern und Konzerte, damit unsere Alten wieder ans Leben glauben und nicht mehr beschliessen, lieber zu Hause an COVID zu sterben statt sich helfen zu lassen.
Liebe Leser, statt einfach Gegenstimmen abzugeben, können Sie nicht irgend etwas zu den Massnahmen sagen, wo sie nachgewiesenermassen etwas gebracht hatten? Irgend ein Argument? Evidenz?
Ihre Aussagen
“Nutzen: Null"
"Nutzen: Null"
"Nutzen: Negativ, (...) "
"Nutzen weiterhin Null"
"oder weniger als Null"
"Nutzen sehr deutlich weniger als Null"
"Also, grosses Totalversagen."
"Alle Massnahmen nutzlos."
lassen eine gewisse Voreingenommenheit oder Ignoranz erahnen, oder Unwille, sich zu informieren. Daher, ne, keine Lust auf Argumente, keine Lust, Statistiken zu verlinken.
Dafür ein Gedanke: Wenn alles nicht genützt hat, wieso wurde dann das exponentielle Wachstum in der ersten Welle gestoppt? Etc. Ein Vergleich mit historischen Epidemien lohnt sich.
Und zu Ihrem Wunsch, eine Lokalisierungs-App vorzuschreiben, damit endlich Klarheit hergestellt werden könne: Wie schon oft erklärt im Forum: Wir wissen, wie sich das Virus verbreitet, über Aerosole. Darum diese Massnahmen und hoffentlich bald weitere, wie Home-Office-Pflicht. Die Lokalisierung hilft nicht, da die Daten statistisch nicht sinnvoll auswertbar wären. Und falls doch: Angenommen, an der S-Bahn-Station "Wirrenlast" werden viele Menschen angesteckt. Was passiert? Die Menschen wechseln auf die Station "Alternatives Tation" und dann muss diese auch geschlossen werden?
Keine der
Massnahmen [wird] gegen Menschen, Kultur und Wirtschaft
ergriffen. Und ja, es sind unangenehme Zeiten.
PS: Ups, das wurde länger als vorgesehen, ich bitte um Nachsicht.
Eine Behauptung wie "x Nutzen: Null" aufzustellen, ohne Quellen und Daten zu verlinken und stattdessen einfach so zu tun, als ob das der Wahrheit entspricht, solange niemand das Gegenteil beweist ist meiner Ansicht nach etwas zu einfach.
Die Beweislast liegt bei Ihnen, wenn Sie solche Aussagen machen.
Ob sie recht haben Herr F. ist schwierig zu sagen, aber das Gegenteil ist richtigerweise auch nicht bewiesen. Und genau da fehlt es an investigativem Journalismus, der auf die von Ihnen erwähnten Widersprüche hinweist und hinterfragt.
Stattdessen wird Halbwissen und Zahlen trotz Dunkelziffern als harte Fakten verkauft. Studien werden so herausgepickt, wie es dem Journalisten gerade für seinen Artikel passt.
Was wäre zum Beispiel mit dieser Studie vom Internationalen Währungsfonds:
"Je schärfere Corona-Massnahmen ein Land im ersten Halbjahr 2020 verhängte, desto grössere wirtschaftliche Schäden waren zu beobachten. Das zeigt eine Studie des Internationalen Währungsfonds, der Daten von mehr als fünfzig Ländern unter die Lupe nahm."
Passt halt nicht ins Bild, also ignorieren... und genau so entstehen diese Bubbles, weil nicht einmal Journalisten ihren Bias zur Seite legen können und ein Problem ohne vorgefertigte Meinung zu beleuchten.
Die Artikel der Republik zum Thema Corona sind allesamt nur noch Kommentare und Meinungen. Für mich eine einzige Enttäuschung. Man erfährt kaum Neues und weiss im Prinzip schon vor dem Lesen, was darin stehen wird.
Ich bin dann mal raus, werde mein Abo nicht verlängern. Ich habe es mir lange überlegt, aber so Leid es mir tut, eine Redaktion ohne Meinungsvielfalt, welche dogmatisch immer ins gleiche Horn blässt, möchte ich nicht weiter unterstützen und bringt mir als Leser auch nichts Neues.
Danke trotzdem für euren Einsatz für freien Journalismus.
Vielen herzlichen Dank für Ihre Kritik, Herr Nagel. Selbstverständlich ist Ihr Entscheid zu respektieren! Ich würde Ihnen jedoch in der Sache in zwei Punkten widersprechen wollen: Nein, so wie Sie beschreiben arbeiten wir bei der Republik nicht. Unser Wirtschafts-Team hat in zahlreichen Beiträgen beleuchtet, wie sich kluge Corona- und Wirtschaftspolitik kombinieren lassen und blendet nichts aus. So wie auch sonst niemand im Team irgendetwas bewusst ausblendet. Journalisten können wie alle Denkfehler machen oder etwas Relevantes übersehen, deshalb ist die Diskussion mit den vielen Profis und Fachfrauen im Dialog so wichtig, die wir bei der Republik pflegen. (Was nicht gleichbedeutend ist, dass Autorinnen und Leser in einzelnen Grundhaltungen und vielen Bewertungen immer einig sein müssen.)
Dass die kurzfristigen Schäden eines Shutdowns schwerwiegend sind leuchtet ja (in ihrer leider von Ihnen unverlinkten Studie) vollkommen ein, entscheidend ist der Vergleich mit langfristigen Schäden, auch daran ist das Team schon neugierig und unvoreingenommen rangegangen und wird das sicher noch viele Male wieder tun.
Einige Beispiele aus Dutzenden:
– Die Jahrhundert-Krise – wie schlimm wird es? (Serie)
– Wie lässt sich die Krise bewältigen?
– Die Fieberkurve der Corona-Rezension
– Welche Branchen sind von Corona besonders stark betroffen?
– in Ihrem vorgebrachten Zusammenhang besonders interessant: Schützen die Behörden in der Corona-Pandemie die Gesundheit auf Kosten der Wirtschaft?
– Wie die Corona-Massnahmen die KMU treffen
– Die vielen Verlierer der Corona-Krise
Dies ist mein zweiter Widerspruch: Sie sehen an den verlinkten Beiträgen, wir versuchen vor allem zu beleuchten, erklären und einzuordnen. Kommentare machen einen sehr kleinen Anteil der Publizistik aus, fallen aber etwas mehr auf und haben deshalb eine überproportionale Wirkung. Die letzte vertiefende Recherche zu Corona publizierten wir Ende November und viele, viele (manchmal zu viele, wir sind in einer Krisensituation) sind im Republik-Team in Arbeit. Dass der Jahresübergang mit geschlossenen Auskunftsstellen keine Hochzeit für Investigation ist, ist quasi eine saisonale Schwankung.
Dass der Essay von Feuilleton-Kollege Daniel Graf uns alle auch in irgend einer Form schmerzt, zeichnet den Beitrag gerade aus. Das muss eine gesellschaftliche Reflexion tun, die daraus entstehende Debatte ist ihr Wert.
Vielen Dank für Ihre Unterstützung bis hierhin und alles Gute!
Da sie den Nutzen der Massnahmen so exakt mit "Null" oder darunter beziffern können: wollen Sie Ihre Studie, die das belegt nicht veröffentlichen?
Um noch – wie Daniel Graf sagt – «philosophisch anspruchsvoll» zu werden (Spoiler Alert): Immanuel Kant war nicht nur Fürsprecher des selbstständigen Denkens, der Mündigkeit und der Autonomie, sondern gerade auch der gegenseitigen Verpflichtung, der Abhängigkeit und der (Welt-)Gemeinschaft.
Entgegen dem Vorwurf des Idealismus und Rigorismus sah er ganz realistisch und pragmatisch, dass mit Menschen kein «Staat von Engeln» zu machen ist, da sie keine reinen Verstandeswesen ohne sinnliche Strebungen sind, die immer vernünftig entscheiden würden und keine Differenz zwischen gutem Willen und Handlung vorhanden wäre (und damit eigentlich keinen Staat bräuchten). Sie bilden im Gegenteil ein «Volk von Teufeln». Das ist das Problem – aber eines, das nicht unauflösbar ist:
Das Problem der Staatserrichtung ist, so hart wie es auch klingt, selbst für ein V. von Teufeln (wenn sie nur Verstand haben) auflösbar und lautet so: «Eine Menge von vernünftigen Wesen, die insgesamt allgemeine Gesetze für ihre Erhaltung verlangen, deren jedes aber insgeheim sich davon auszunehmen geneigt ist, so zu ordnen und ihre Verfassung einzurichten, daß, obgleich sie in ihren Privatgesinnungen einander entgegen streben, diese einander doch so aufhalten, daß in ihrem öffentlichen Verhalten der Erfolg eben derselbe ist, als ob sie keine solche böse Gesinnungen hätten» (Zum Ewigen Frieden).
Das sind nicht zuletzt die Zutaten des Liberalismus: Wir brauchen einen Staat zur Selbsterhaltung (Hobbes), Private Vices, Publick Benefits (Mandeville, Smith) und negative Freiheit (Leibniz).
Die (Meta-)Regel für die allgemeinen Gesetze ist der kategorischen Imperativ. Das primäre Subjekt des kategorischen Imperativs sind in erster Linie die Institutionen: Gesetze, also Rechte und Pflichten, müssen universal gelten können und alle Individuen als Selbst-Zweck und nie nur als Mittel behandeln.
Aufgeklärt ist eine Gesellschaft erst, wenn die Individuen Pflichten aus eigener Vernunft als «innere Gesetze» erkennen und analog mechanischer Naturgesetze danach handeln.
In der (Sozial-)Ethik gibt es nun das Prinzip «Sollen impliziert Können»: Ohne Können also kein Sollen. D. h. ohne entsprechende Fähigkeiten, können keine Pflichten gefordert werden.
Doch kann diesem auch ein anderes Prinzip entgegengesetzt werden: Aus Nicht-Können folgt ein Können-Sollen. D. h. gewisse, notwendige Fähigkeiten sollen durch Übung, Bildung und Aufklärung gebildet werden. Capability durch Empowerment.
Ein berühmtes Paradigma für institutionelle Regeln und individuelle Entscheidungen ist die Spieltheorie und die Tragedy of the Commons, welche kurz darin besteht, dass ein Commons, also ein Gemeingut wie etwa eine Allmende, durch nicht-kooperierende Free Rider, Trittbrettfahrer also, auf lange Sicht zerstört wird.
Insbesondere Elinor Ostrom, die erste Frau, die den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt, befasste sich damit (u. a. anhand Schweizer Allmenden). Etwa hinsichtlich Public Goods wie Umwelt, Forschung und geistiges Eigentum.
Public Health als Public Good ist nun ebenfalls ein Commons. Und insbesondere bei einer Epidemie ist das kooperative «Spiel» aller oder zumindest einer hinreichend grossen Mehrheit von Individuen notwendig.
Eine solche Perspektive auf die Corona-Pandemie wäre nun notwendig zu deren Bewältigung sowie eine entsprechende institutionelle Regulierung durch den Staat und v. a. Bildung entsprechender Fähigkeiten.
Doch nicht nur Public Health muss als Commons betrachtet werden, sondern auch die Freiheit als solche. Denn wenn nur Wenige die Freiheit über die Masse besitzen und ausnutzen, also eine grosse Ungleichheit besteht, dann verlieren alle auf lange Sicht die Freiheit. Etwa in dieser Pandemie, dadurch, dass die Freiheit weniger das Leben – also die Möglichkeit zur Freiheit überhaupt – anderer kostet.
Und weil sich diese Art Freiheit – und damit die Demokratie – selbst unterminiert und in eine Herrschaft der Wenigen (Oligarchie), Reichen (Plutokratie) oder aber des Mobs (Ocholokratie) oder gar des Einzelnen (Autokratie/Tyrannis) verfällt – wie wir in einigen rechts-populistischen bzw. autoritäre national-radikale Entwicklungen beobachten können.
Eigenverantwortung impliziert Verantwortung für Andere. Oder sie ist gar nichts.
Heute nach Daniel Binswanger schon die zweite ausgezeichnete und treffende Analyse in der Republik. Herzlichen Dank Herr Graf.
Stimmt alles. Was fehlt, ist der Blick auf die Gründe der Pandemie. Bei der Fixierung auf die Impfung geht vergessen, das dies nicht die erste Corona-Epidemie ist, und das die Intensität der Tierhaltung möglicherweise daran beteiligt ist: BCV 1890 (Rinder), SARS1 2003 (Fledermäuse via Zwischenstation? ), MERS 2011 (Kamele). Wenn die globale Gesellschaft weiterhin derart rücksichtslos Mensch und Natur ausbeutet, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für weitere Pandemien dauernd. Dann ist es eine Frage der Zeit bis zum nächsten Lockdown. Da schweigen alle drüber... dabei wäre das mindestens ebenso wichtig wie die Bekämpfung der akuten Krankheit.
Lieber Herr R., vielen Dank. Sie erinnern meines Erachtens zurecht daran, dass die sogenannten Zoonosen, also von Tieren auf den Menschen überspringende Krankheiten, ein grosses, grundsätzliches Problem sind. Dieser Artikel zum Thema von Sonia Shah aus der Anfangszeit der Pandemie ist meines Erachtens noch immer ein Schlüsseltext zur Einordnung dieser Krise (in diesem Text aus dem Sommer habe ich schon einmal auf Shahs Text verwiesen).
Klartext ohne Häme, ohne blame game, ohne Selbstgerechtigkeit. Man liest und macht sich Gedanken, kann zurückschauen, wenn man mag, auch auf eigenes Verhalten, Überzeugungen, die sich als illusionär herausstellten, Enttäuschungen, Irrtümer, Hoffnungen, Emotionen. Herzlichen Dank für diesen Anstoss zur Reflexion.
Ich freue mich, Frau J., dass Sie das so positiv lesen können - und falls es wirklich Anstoss zur Reflexion geben sollte, würde ich Ihnen gerne zustimmen.
Leider lese ich diese endlose Ausbreitung der monatelang entwickelten Ideologie der REPUBLIK (in diesem 'Corona'-Bereich) als genau das Gegenteil: ein eindimensionales, selbstgefälliges Summery dessen, was schon seit bald einem Jahr deklariert und deklamiert wird. Die Menschen werden als dumm und verantwortungslos disqualifiziert - ohne sich je um ihre objektiven und subjektiven Interessen und Bedürfnisse, geschweige denn um ihre Gesundheit in einem anspruchsvollen Sinne, zu kümmern. Es wird Ihnen vorgeworfen, dass sie Massnahmen erst befolgen, wenn sie Ihnen explizit befohlen werden. - Stattdessen könnte ja auch der Versuch gemacht werden, sie in einer offen differenzierten (statt suggestiv drohenden) Art zu informieren und so aufzuklären, dass sie aus eigener Einsicht auf Massnahmen eingehen.
Dagegen legt man sich selbst sofort auf ein, in der Medienlandschaft gut abgestütztes, enges Narrativ fest und lässt in der Folge nur noch Informationen und Sichtweisen zu, welche dieses Narrativ stützen ("Wir bringen nur was stimmt, den Rest lassen wir weg.") und schliesst alle anderen Narrative als böswillige Verschwörungstheorien aus dem Diskurs aus. - Das reine "Mantra" ! - das wieder einmal lieber andernorts verortet wird (wie verschwörerisch ;).
Aus dieser Position lässt sich dann alles kritisieren (auch ein Verständnis von "kritisch"), was nicht genau ins eigene Bild passt - dazu gehören auch behördliche Massnahmen und politische Auseinandersetzungen, die - durchaus auch mit Häme - in der Luft zerrissen werden.
Da muss ich ja bald den Bundesrat verteidigen, mit dem ich allerdings viel grundsätzlichere Differenzen habe - die aber nicht etwa ins hier vorgelegte Schema der Streitereien und Lobbyismen passen.
Ich finde (wieder einmal), die heutigen Einwahl-Schlüsselwörter super passend für diesen Artikel: "blümerant piesacken Dreikäsehoch" - schade eigentlich.
Allerdings - ein bisschen Hoffnung in Ihrem Sinne gibt es doch:
Der Artikel hat doch zu den strahlenden Überlegungen von Michel Rebosura, Ratsmitglied, angeregt, die - wieder einmal im Rückgriff auf Kant - einige grundlegende Aspekte der Fragen rund um 'Demokratie' und ihre Möglichkeiten zur Diskussion stellt; - herzlichen Dank !
Zwar befürchte ich, dass es 'der Redaktion' ein Leichtes sein wird, diese Ausführungen wieder für sich und ihr Lieblings-Narrativ zu vereinnahmen; - aber vielleicht entschliessen sie sich ja doch einmal zu einer Retraite, um sich etwas vertieft auf eine echte (Selbst-)Kritik einzulassen.
Schön, dass Sie sich für mich freuen, Herr H. Was den Anstoss zur Reflexion anbelangt: um angestossen zu werden, muss man sich auch anstossen lassen. Mir ist Ihr Kommentar genauso zu viel 'wir' und 'die' wie viele von Binswangers Kolumnen der vergangenen Monate. Und 'die' tun hier wie dort halt einfach nicht so wie sie sollten.....
Ja, mich hat Daniel Grafs Artikel gefreut. Was nicht heisst, dass ich mit jedem einzelnen Satz einverstanden bin, aber für mich ist und bleibt es der Ton, der die Musik macht. Und der Ton hier hat mich nachdenklich gestimmt und mein eigenes Verhalten der letzten Monate reflektieren lassen. Dass das für Sie anders war, kann natürlich sein. Jede*r liest und nimmt auf vor dem eigenen Hintergrund.
Alles richtig. Sehr guter Beitrag. Interessantester Satz für mich: "Aber muss man von Beginn an die Kommunikation an der skeptischen Minderheit ausrichten?"
Wichtigste Kritik: "Wohlstand als Selbstzweck." Relevanteste Hinterfragung: "Eigenverantwortung - Freischein für Egoismus oder Gesellschaftsbewusstsein" Chapeau!
Was nützt die Maskentragpflicht wirklich?
Wo infizieren sich die Menschen?
Wurde die Maskentragplicht wirklich ohne murren umgesetzt?
Wurden die Masken korrekt eingesetzt oder wird sie auch heute noch chic unter der Nase getragen?
Wann ist eine übersterblichkeit dramatisch?
welche Massnahmen werden gegen "andere" Ursachen die zu Übersterblichkeit führen (z.B. Kriegswaffenexport, Bootsflüchtlinge) als sinnvoll erachtet und eingeführt?
sind die Massnahmen verhältnismässig in der Abwägung zueinander?
Ist das Ziel den Virus zu bekämpfen/vernichten realistisch? oder müssen wir lernen mit Covid zu leben langfristig?
Ist das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit den anderen Menschenrechten voranzustellen?
Heisst Eigenverantwortung für sich zu schauen oder für andere?
Wie weit geht die Mitverantwortung?
Wenn grenzenlose Solidarität gefordert wird im Bezug auf Covid, weshalb ist die Gesellschaft nicht auch zu grenzenloser Solidarität bei Armut, Krieg oder Hunger verpflichtet?
Wie wirksam ist der Impfstoff? Wir der Impfstoff vor Übertragungen schützen? wird er wieder ein "normales" Leben ermöglichen?
Covid, wie jeder andere Erreger ist ernst zu nehmen. Die bisherigen Massnahmen dienen wohl hauptsächlich dazu das Gesundheitswesen vor dem Kollaps zu bewahren. Wie wir als Gesellschaft mit Pandemien und Epidemien umzugehen gedenken und welche Eingriffe in die jeweiligen Grundrechte gerechtfertigt sind, scheint mir bisher aber nicht bedacht zu werden. Langfristige Strategien fehlen - was daraus die Folge sein kann, lehrt uns z.B. der Einmarsch im Irak oder Afghanistan, die Probleme sind nicht gelöst. Die langfristigen Konsequenzen von kurzfristigen (extremen) Massnahen wurden auch da nicht bedacht.
Die "Jungen" müssen diese Massnahmen mittragen, obschon sie wenig von dieser Krise betroffen sind, sie werden auch die Schulden aus dieser Krise abbezahlen müssen. Die Politik wird sich dann anderen Themen widmen, und die "Verlierer" dieser Krise alleine lassen. Nennen sie das "Solidarität" oder wird das Wort Eigenverantwortung dann wieder seinen eigentlichen Sinn erhalten und jeder muss dann für sich selbst schauen?
Ich bin mir nicht sicher ob wir uns mit dieser Strategie gegen Covid einen Gefallen tun. Möglicherweise produzieren wir viele "Verlierer", welche den Rest Ihres Lebens damit umgehen müssen.
Man kann ja vieles zu ihrer Liste von Suggestivfragen sagen.
Ich will mich auf zwei beschränken. Wenn Sie vorschlagen, man könne das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit gegen andere Rechte verrechnen (welche eigentlich?), dann frage ich mich schon, welche Grundrechte Sie letztlich verteidigen möchten.
Ich bin der Ansicht, dass Menschenrechte NICHT in eine Hierarchie gestellt werden dürfen. Tatsächlich aber können Menschenrechte Konflikte bergen. Die Abwägung der verschiedenen Rechte sollte dabei wohlbedacht und verhältnismässig sein.
Mir scheint, dass der körperlichen Unversehrtheit, derzeit Vieles untergeordnet wird. Daher werfe ich diese Frage auf.
Ausgezeichneter Beitrag! Gar nicht auf der Linie der Republik, welche bis auf ein ewiges Gejammer absolut unfähig ist irgend welche Zukunftsperspektiven zu entwickeln es sein denn ein ewiges Lockdown. Lesenswert ein Artikel in der heutigen NZZ über die Langlebigkeit: etwas mehr Bewegung und gesünderem Essen inkl. Rotwein retten mehr Menschen als alle Covidmassnahmen von Bundesrat, Taskforce und DB. Also Liebe Redaktion erweitert eures Gesichtsfeld und legt die Röhre beiseite.
Die jungen Leute, welche auch keine wesentlichen Symptome zeigen, leben in einer eigenen Welt. Für die ist das Alter sehr weit weg. Für die ist Covid eine Krankheit, welche Oma und Opa etwas früher sterben lässt. Allenfalls sehen sie die Grosseltern einmal im Jahr. Das ändert sich erst wenn sie selber Kinder haben und sich die Eltern als praktisch zum Hüten der (Enkel-)Kinder herausstellen.
Die Alten sind die abtretende Generation, welche zwar das Geld hat, aber die Jungen sind die kommende Generation. Die kommenden Wähler. Welchen will man es nun recht machen, da die Sicht der Generationen auf Corona diametral verschieden sind?
Beiden .. das haben wir jetzt.
Ich weiss nicht, mit welchen "jungen Leuten" Sie Kontakt haben oder ob überhaupt. Ich finde diese Sicht sehr negativ. Die Jungen nehmen sehr viele Einschränkungen in Kauf, sie mussten ins Homeschooling oder Vorlesungen remote verfolgen. Sie können ihre Freunde nicht treffen und keinen Sport mehr treiben. Viele Junge, die ich kenne, nehmen die Massnahmen ernster als viele Erwachsene. Und sind von den Massnahmen sehr viel mehr betroffen, als die Älteren, die nicht mehr im Arbeitsleben stehen.
Herr B., als junger Mensch muss ich Ihren Darstellungen jetzt doch vehement Parole bieten. Ich kenne Menschen, die an einer Covid-Infektion verstorben sind oder sehr schwer erkrankt sind. Ich und viele meiner Freunde machen uns ernsthafte Sorgen um Menschen in unserem Umfeld, die einer Risikogruppe angehören – darunter auch viele in unserem Alter. Glauben Sie mir, die Pandemie ist für junge Menschen genauso real wie für ältere. Ihre Darstellung widerspricht dann auch jeglicher Empirie. Die jüngsten Corona-Umfragen von Sotomo haben gezeigt, dass es bei der Akzeptanz von Massnahmen kaum grosse Unterscheidungen zwischen den Altersgruppen gibt.
Sehr geehrter Herr Hartmann
Nein, das heisst es definitiv nicht, dass die Demokratie abgeschafft gehört. Was für eine unsinnige Verkürzung ist das denn wieder?
Der Artikel zeigt im Gegenteil auf, wie hochkomplex das Agieren und Reagieren in einer so "ausserordentlichen Lage" ist.
Leider ist Pandemiebekämpfung keine Aufgabe, wo basisdemokratische Instrumente die erfolgsversprechendsten Mittel zum Erfolg sind, und es ist leider auch keine Glanzstunde individueller Freiheiten und oder gar Egoismen. Aber zu unterstellen, insgeheim gehe es bei der recht gut aus der Notlage und der Wissenschaft begründeten vorübergehenden Aufhebung von Freiheiten um die schrittweise Aufhebung der Demokratie... woher nur schon kenne ich das?
Auch die Maskenpflicht wird ja gerne zum Inbegriff der Gängelung hochstilisiert. Ich finde das Maskentragen auch nicht toll. Aber weil ich kein Interesse daran habe, all mein Wissen zu kippen und anzufangen, mich total irrational zu verhalten, aus lauter Frust über die Ungeheuerlichkeit, dass uns die Natur als Reaktion auf unser unsägliches Wirken auf Erden mit diesem Virus so in unseren Allmachtswahn reinpfuscht, trage ich die Maske (und trug sie mit Überzeugung schon vor dem Obligatorium). Ich bin sogar froh, haben wir dieses Mittel. Ich finde nicht, dass mich das zu einer Marionette macht, denn mein persönliches Konzept von Freiheit und Eigenverantwortung wird davon überhaupt nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil.
Danke also sehr für diesen Artikel, der ganz vieles aufgreift, was ich seit spätestens Juli beobachtet habe in unserem Verhalten und Versagen. Auch ich bin konsterniert gewesen von dieser Paradoxie des braven Maskentragens erst auf Anweisung, habe aber meine Schlüsse daraus gezogen und bin echt frustriert, in welchem Ausmass unsere Regierungen geschlossen NICHT in der Lage waren und noch sind, diese wichtigen Schlüsse zu ziehen. In einer Pandemie kann man (leider) seine Bevölkerung nicht gleich behandeln wie sonst. Und echte Eigenverantwortung ohne dauernden Blick auf: was machen die anderen? ist leider seltener als man sich wünscht.
Ich erinnere mich an eine Geschichte von Bundesrat Leuenberger, die ich hoffentlich einigermassen richtig sinngemäss wiedergebe. Er erzählte in einem Interview, er habe jahrelang einen grossen Widerwillen dagegen gehabt, sich als Magistrat zu "inszenieren" in Katastrophensituationen. Ich glaube, es war im Zusammenhang mit einem der katastrophalen Erdrutsche damals, dass er realisiert habe, dass er da hin müsse, weil die Menschen das von ihm erwarten und das irgendwie brauchen. Er hat sowas also nicht gern getan, es entsprach ihm nicht, aber er tat es, weil es zu so einer Situation gehört.
Die Parallele? BR Leuenberger hat erkannt, dass Menschen in Katastrophen "anders" funktionieren. Ich würde sagen: archaischer und "unreifer". Klar sind Katastrophen auch Momente, wo wir unser Bestes geben und zeigen können. Viele leisten dann Grossartigen, ganz ohne den Blick darauf, ob sie jetzt mehr geben als viele andere. Aber auch unsere Schwächen spielen in der Krise eine grössere Rolle. Das zu negieren, vor allem, nachdem man es immer und immer wieder sehr konkret beobachten konnte, ist gefährlich und führt zu Ansätzen, die zum Scheitern verurteilt sind. Wie dem Appell an die viel bemühte und gern missverstandene "Eigenverantwortung".
Das alles genügend zu berücksichtigen, hat unsere Regierung bisher verpasst.
Die Staatsschulden werden auch in diesem Artikel leider etwas stiefmütterlich behandelt. Es werden Sparschweinvergleiche gemacht die für den monetär-souveränen Staat nicht gelten. "Spare in der Zeit, so hast du in der Not" suggeriert doch auch einfach, dass die Überschüsse der letzten Jahre notwendig waren, und dass es gut war, dass die Schweiz mit einem niedrigen Staatsschuldenstand in die Krise gegangen ist. Das ist leider falsch. Auch bei einem hohen Schuldenstand hätte der Staat jede Ausgabe tätigen können, die er bei dem jetzigen niedrigen Schuldenstand getätigt hat. Oder glaubt jemand das Rekordschuldenland Japan ist komplett handlungsunfähig?
Die Realität ist, dass die Staatsschulden isoliert betrachtet komplett irrelevant sind. Die Staatsschuldenbremse in unserer Verfassung sollte ersetzt werden durch eine Klimakatastrophenbremse.
Richtig! Der Staat könnte auch jetzt noch „jede Ausgabe tätigen“, die zum Beispiel die unzähligen Kleinbetriebe retten könnten, die sich mit irgendwelchem Ersparten bisher noch über Wasser hielten, aber in den nächsten Monaten untergehen werden, und unsere Gesellschaft langfristig gesehen viel mehr belasten werden als wenn sie überleben. Z.B mit einem Lockdown-Grundeinkommen für alle. Einige Wochen das Geschäft komplett einzustellen wäre für die meisten Betriebe kein existentielles Problem, wenn die Fixkosten in der Zeit gedeckt wären. Einige Wochen (vom Arbeitgeber) unbezahlte Ferien für Angestellte auch nicht, wenn die Lebenshaltungskosten in der Zeit durch ein Grundeinkommen gedeckt wären.
Aber mit einem Finanzminister, dessen Verständnis (oder Propaganda) von der Logik des Sparschweinchens gespiesen wird, dessen Bewirtschaftung ihm als 6-Jähriger beigebracht wurde, ist das schwierig.
Da treiben wir lieber die Existenz weiter Gesellschaftsteile langsam in den Ruin, als ein, zwei harte, kurze Lockdowns durchzuführen und zu bezahlen. Dass das die Gesellschaft viel viel mehr kosten wird an Sozialleistungen, Gesundheitskosten, psychischen Folgen etc. scheint egal, wenn nur das Märchen vom Bundessparschwein erhalten bleibt.
Aber mit einem Finanzminister, dessen Verständnis (oder Propaganda) von der Logik des Sparschweinchens gespiesen wird, dessen Bewirtschaftung ihm als 6-Jähriger beigebracht wurde, ist das schwierig.
Ich würde nicht auf einzelne Politiker zielen, denn das heutige Staatsschuldenverständnis ist tief verankert (z.B. Schuldenbremse, Maastrichtvertäge und PayGo in den USA) und kommt in jedem ökonomischen Lehrbuch so vor. Zudem ist das Konzept gegen die eigene Intuition und Erfahrung, denn Privatpersonen und Unternehmen müssen die Einnahmen und Ausgaben in Balance behalten um nicht Bankrott zu gehen. Es ist die Ökonomik der letzten Jahrzehnte die diesbezüglich komplett versagt hat. Und die wir in Zukunft ignorieren sollten, wenn wir die Klimakatastrophe bremsen wollen.
Sehr gut analysiert von Herrn Graf. Besonders der Satz :"So wird Wohlstand als Selbstzweck begriffen – anstatt als riesige Ressource, in einem der reichsten Länder der Welt eine Jahrhundertkrise zu meistern." finde ich treffend. Ich persönlich habe dies bereits lange vor Corona festgestellt und überrascht mich deshalb jetzt in keiner Weise.
Als widerwilliger Maskenträger hier meine Perspektive. Nicht anonym.
Einer Maskenpflicht, die bei den Bürgerinnen und Bürgern schon am ersten Tag auf überwältigende Akzeptanz stösst, ist offenbar längst die umfassende Überzeugung vorausgegangen, dass das Maskentragen unter den gegebenen Umständen sinnvoll ist. Warum also wurden die Masken nicht schon vorher aufgesetzt?
Ich erinnere mich, dass ich eben nicht überzeugt war. Am Anfang hiess es immer, auch von offizieller Seite, Masken würden nichts bringen. Noch zur Zeit, als die Pflicht kam, habe ich in meinem (zugegeben kleinen) Umfeld gefragt, was denn jetzt die neue wissenschaftliche Erkenntnis sei, mit der die Maskenpflicht begründet werde. Niemand wusste eine Antwort. Eigentlich das einzige Argument war, dass ich mich damit selber schütze (*1). Ich habe dann eine Abwägung gemacht, wieviel Angst ich vor der Krankheit habe (wenig), wieviel ich als Brillenträger durch die Maske behindert bin (viel!) und wie oft ich ÖV fahre (wenig, ich arbeite zu 95% im Home Office und bin auch privat Stubenhocker).
So ging die Rechnung. Deshalb habe ich nicht vorher die Maske aufgesetzt.
Als dann nach und nach die Verschärfungen kamen, bei denen man auch im Freien die Maske tragen muss (Bushaltestellen, in den Strassen in Ballungsgebieten) habe ich wieder gegrummelt, denn ich sah nicht ein, wieso die Ansteckungsgefahr im Freien jetzt plötzlich so gross sein sollte, dass man wie in geschlossenen Räumen Masken tragen muss.
Jedesmal habe ich meinen Kopf überzeugt, dass ich mit dem Maskentragen meinen unsichtbaren Beitrag leiste, die Spitäler nicht zu überfüllen. Aber der Bauch ist nicht überzeugt. Es ist einfach nicht das gleiche wie meine tief verankerte innere Überzeugung, dass ich z.B. keinen Abfall wegschmeissen soll oder niemandem das Portemonnaie wegnehmen darf. Und deshalb trage ich auch heute noch die Maske widerwillig, aus Solidarität weil es alle um mich herum tun, und in Momenten des Zweifels weil der Kopf es dem Bauch befiehlt.
EDIT (erst einige Tage später): Weiter oben bei (*1) wollte ich eigentlich schreiben „dass ich damit andere schütze“.
Am Anfang hiess es immer, auch von offizieller Seite, Masken würden nichts bringen.
Das stimmt so nicht ganz. Von offizieller Seite hiess es immer: «Eine substanzielle Wirksamkeit der Masken ist nicht bewiesen.» Das ist ein kleiner, aber bedeutender Unterschied, denn das heisst, Masken helfen schon, aber ungenügend, weil . . .
. . . sie nicht immer korrekt getragen werden (zu lange, falscher Sitz)
. . . sie qualitiativ ungenügend sind (verschiedene Filterstufen, Verschmutzungen)
. . . sie falsche Sicherheit vorspiegeln (zuwenig Abstand, Aerosol)
Es gilt bis heute, dass die Masken zwar helfen, aber leider zu falschem Verhalten verleiten können, weil man sich damit sicher fühlt. Deshalb gilt heute wie vor einem Jahr:
Abstand
Maske
Hygiene
Wobei der Abstand das Wichtigste ist, aber leider nur mit einem Lockdown zu erreichen ist und die Maske deshalb als Kompromiss willkommen war. Die vergangenen Monate zeigen, dass weder Eigenverantwortung noch Maskenpflicht das Problem lösen konnten, ja vielleicht sogar verschlimmerten.
Der Beitrag von Daniel Graf beschriebt diese Situation sehr schön. Ich glaube, wir müssen einsehen, dass in Krisenzeiten eine starke, mutige Regierung das Heft in die Hand nehmen sollte. Dafür wurde sie gewählt, nicht nur für Schönwetterlagen. Ausserdem ist es kurzsichtig und haltlos, vor solch einem Hintergrund von Demokratieabbau zu sprechen.
lieber Herr Näf, ausser dem von Ihnen schon angeführten Motiv für das Tragen der Masken gilt vor allem:
Korrekt getragene Masken schliessen eine Infektion durch Spucken (Tröpfchen) vollständig aus.
Ausserdem reduzieren sie deutlich den unsichtbaren Nebel der Aerosole, die wir ständig mit der feuchten Luft, die wir ausatmen, produzieren.
Weil das Fehlen von Symptomen nicht bedeutet, dass wir nicht Corona-positiv sind, reduzieren wir durch ein 'so tun als ob (positiv)'/Maske tragen, die Ausbreitung der Infektion.
Auf diesem Weg wird das Schützen der Anderen dann auch wieder zum Selbstschutz.
🙂
Die soziale Medien schäumten schon in der ersten Welle über vor "Stay The Fuck At Home", die Foren aller Zeitungen glühen seit dem ersten Tag vor Betteleien um eine starke Hand der Regierung, die Medien wüten seit Monaten gegen den, ihrer Meinung nach zu wenig aggressiven, Bundesrat, und ein Gang durch die Stadt zeigt, selbst an nur mässig frequentierten Orten: Auch ohne Maskenpflicht sind die meisten maskiert. Die Paketdienste sind weiterhin ausgelastet, weil die meisten Leute ihre Weihnachtseinkäufe online machten, selbst wenn das die Bescherung verspätete. Arbeitskollegen berichten übereinstimmend, dass Weihnachtsfeste abgesagt und Silvester zu Hause gefeiert wurde. Etc. pp.
Und dann kommt wieder so einer, der das Echo seiner persönlichen Panik nicht laut genug aus "der Gesellschaft" widerhallen hört und dazu einen Artikel publizieren darf, inklusive Kohorten von gleichgeschalteten Kommentatoren, die sich im Argumentarium verblüffend nahe an rechtspopulistischen Wutbürgern bewegen. Sorry, aber nach 34% habe ich aufgehört zu lesen und nur noch überflogen - zu wenig Gehalt, zu viel Meinung: Geschwurbel.
Wenn Sie Ihre Kritik nicht mit Anstand und damit nach den Regeln dieses Dialogs anbringen können, begleite ich Sie gerne zur Türe. Letzte Warnung.
Na, gut, der "Schreiberling" war etwas harsch und persönlich, nicht der gute Ton, gebe ich zu und habe ich korrigiert. Die unverhohlen einseitige Haltung der Republik zu diesem Thema echauffiert mich eben. Wenn Sie bei der Berichterstattung über Covid nicht die gleichen journalistischen Standards ansetzen wie bei Ihren anderen Themen (dieser Standard war eigentlich der Grund meiner Beteiligung), brauchen Sie mich bald nicht mehr zu warnen und dürfen, von mir ungestört, in ihrer Blase vor sich hin dümpeln. Wenn das der Sinn der Republik ist, brauche ich keine Tür, um rauszufinden.
Was erlaubt ist, wird auch gemacht; was verboten ist, wird unterlassen. Das ist bis heute eine Faustregel dieser Pandemie geblieben
Das war in dieser Pandemie nie meine Devise und ich denke mal, dass ich da nicht der Einzige bin. Als zu Beginn der zweiten Welle der Covid-19-Newsletter neu aufgelegt wurde, habe ich angemerkt, dass ich folgendes ergänzen würde:
Tun Sie jetzt nichts, nur weil es (noch) erlaubt ist!
Ich bin der Überzeugung, dass viele nach dieser Devise handeln. Dass die meisten Menschen und auch die Befürworter einer Maskenpflicht im ÖV, vor deren Einführung keine Masken getragen haben, hängt meiner Meinung nach damit zusammen, dass sich viele nicht exponieren wollen. Auch mir ist es zu Anfang etwas schwer gefallen. Aber schon nach 2-3 min in der Tram war das Gefühl verflogen. Keiner hat mich angestarrt oder blöd angemacht. Etwas nicht zu tun, wie z. B. ins Restaurant zu gehen, ist grundsätzlich einfacher. Allerdings braucht es auch da manchmal Mut bzw. Überwindung, z. B. guten Freunden die Geburtstagseinladung auszuschlagen. Letztlich ist es dann ja immer ein Abwägen und eine persönliche Entscheidung. Und aus Bequemlichkeit, Gewohnheit, falscher Einschätzung oder Gedankenlosigkeit mache ich wie jeder andere auch Fehler. Dass sich alle immer an alle Massnahmen halten und darüber hinaus vernünftig handeln, kann man sich wünschen. Aber es ist nicht realistisch.
Besten Dank Herr Graf, besten Dank Republik!
Ich habe Ihren Beitrag erst jetzt gelesen und mag, bevor ich diesen Kommentar schreibe, nicht alle bisherigen Kommentare durchlesen. Mir gefällt dieser Beitrag ausserordentlich. Gerade deshalb, weil er nicht auf einem vorgefassten "Feindbild" basiert, sondern differenziert analysiert, eine Stringenz in den Argumenten verfolgt und uns schweizerische Individuen - mich und dich - direkt in die Verantwortung einbindet. Wo es etwas zu kritisieren gibt, kritisieren Sie. Wo es etwas zu loben gibt, und das gibt es wirklich, loben Sie. Wo Zielkonflikte einfache Lösungen verunmöglichen, erklären Sie. Das verstehe ich unter Journalismus, wie ich ihn wünsche. Bitte weiter so!
Volltreffer! Exzellente Analyse - klar, ein einziger Beitrag kann nie alle Umstände abdecken - und, was noch mehr zu loben ist, auch Überlegungen zu einer Lösung. Wie aus dem Artikel zu entnehmen ist, muss die Lösung aus sowohl der Zivilgesellschaft als auch aus der Politik entstehen - im Prinzip muss die erste offen zu bzw. Brutkasten für gewissen Stossrichtungen und Ansätze sein, welche die zweite dann in Handlungen und Regelungen formuliert.
In der Zivilgesellschaft der heutigen Schweiz verbreitet - oder bestätigt - sich die Ansicht, dass es nötig ist aktiv zu sein; bereit zu sein, mitzudenken und mitzugestalten. Und dies unabhängig von der offiziellen Politik, die zur Handlung in der Krise nicht gewachsen ist. Das heisst, es braucht eine neue Art Politik, welche wir schon in Anliegen um die Klima, Unternehmensverantwortung, usw. gesehen haben. Diese neue Art von Politik, bottom-up und etwas abseits den etablierten Parteien, muss wachsen, um Lösungen beizutragen. Eine neue Art von Partizipation ist am Entstehen - höchstspannend! Um daran teilzunehmen ist ein Abo zu Die Republik gar keine schlechte Ausgangslage, finde ich.
Eine sehr gute Reflektion unserer Gesellschaft. Vielen Dank für den Beitrag. Man könnte wohl für das 2020 zwei Begriffe erküren: 1. Das Unwort des Jahres: «Eigenverantwortung». Ich mache was ich will; die anderen kümmern mich nicht im Geringsten. 2. Das Wort des Jahres: «Der Wohlstandsversorgungseidgenosse». Unser Gross- und Urgrosseltern mussten vom weit niedrigerem Lebensstandard aus mehr Einschränkungen in den beiden Weltkriegen und in der Weltwirtschaftskriese der 1930er Jahren in Kauf nehmen für weit längeren Zeiten und haben es auch gekonnt. Wir sind, um es mit dem Kalten Krieg-Begriff aus dem Osten zu sagen: offenbar dekadent geworden.
Die grosse Mehrheit macht genau nur das, was minimal vorgeschrieben ist und nicht was logisch und vernünftig wäre. Und das Wenige wird nicht einmal geahndet, sondern mit dem Appell der «Eigenverantwortung» beschworen.
Sie erhalten in den Kommentaren viel Lob für Ihren Beitrag. Das mag ich Ihnen gönnen. Trotzdem messen Sie meines Erachtens dem Maskentragen eine zu grosse Bedeutung zu. Dies zeigt schon der Vergleich mit anderen Ländern. Klar bieten Masken einen gewissen Schutz. Aber andere Faktoren wie Distanz und Vermeidung von Ansammlungen sind wichtiger. Ich würde vorschlagen, wir verzichten gänzlich auf Schuldzuweisungen, zeigen nicht mit dem Finger auf Behörden, die schwierige Entscheide zu fällen haben, und hinterfragen jetzt nicht gleich die Mitglieder der Gesellschaft.
Zur Verteidigung der Autoren: die Sektion zu den Masken war gar nicht zum Thema Schutz (auch wenn Masken sich per Januar als komplett wirkungslos herausgestellt hätten wäre dieser Abschnitt noch relevant), sondern zur Dynamik kollektiven Handelns in der Schweiz. Das war m.E. ein hervorragender Aufhänger für den Artikel.
Gerade die Masken eignen sich eher schlecht, um das Verhalten der Bevölkerung zu erklären. Wir sind im Frühling praktisch OHNE Masken auf sehr tiefe Fallzahlen herunter gekommen. Im Herbst bzw. Winter haben wir es MIT Masken auf sehr hohe Werte gebracht. Der Umgang mit den Masken ist gelinde gesagt problematisch. Der Nutzen ist auf ganz bestimmte Situationen bei korrekter Handhabung beschränkt. Die Masken werden umstritten bleiben. Von der Nachhaltigkeit will auch niemand etwas wissen.
Man kriegt den Eindruck, dass die Politik gar nicht lernen will. Soviel ich weiss, müssen wir auch in Pandemiezeiten immer noch für Schmerztabletten in die Apotheke gehen. Online bekommen wir sie nur mit einem Rezept, für das wir zum Arzt gehen müssen. Das zeigt klar: Selbst die dümmsten Regelungen will man nicht abschaffen. Nicht mal temporär! Das Geld von Interessengruppen ist viel wichtiger als die Pandemie.
@Anonym 3: Richtig, im Lockdown braucht es tatsächlich keine oder fast keine Masken (zuhause...). Aber in so einem halb- bis viertelherzigen Placebo-Modus wie heute ("-herzig" in allen Bedeutungsformen), sind Masken immer noch deutlich besser als gar nichts. Mir wärs auch lieber so wie im Frühling: keine Maske, dafür radikale Kontaktvermeidung. So würden wir auch kaum Mutationen züchten. Allerdings wär dann die "Story" auch rasch wieder beendet. Die Frage ist nur, ob "wir" das wirklich wollen oder nicht. Dann können wir entsprechend handeln, oder - wie jetzt - nicht oder kaum handeln, und in diesem Zustand noch etwas weiterseuchen.
„….Wenn die Regierung nun aber Hoffnungen auf staatliche Kompensationsgelder eine Absage erteilt (oder angekündigte Unterstützung endlos hinausschiebt), verwundert es nicht, dass einzelne Branchen ihre Partikulinteressen vor den Solidaritätsgedanken stellen…..“ Besten Dank für diese guten Recherchen.
Sie meinen damit, Daniel Graf, man würde die Regeln bereitwilliger befolgen, wenn ….. es mit den versprochenen Entschädigungen klappen würde. Auch ginge es besser mit den Impfungen voran, wenn nicht wieder geknausert würde….
Seit längerem hört man von Seiten der SP Schweiz:
In dieser Situation hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) heute bekannt gegeben, dass sie für 2020 mit einem Gewinn von 21 Milliarden Franken rechnet. Ihre Ausschüttungsreserven steigen damit auf beinahe 100 Milliarden Franken. Es ist Zeit, diese Anhäufung von Reserven zu überdenken: Die SNB muss ebenfalls ihren Beitrag dazu leisten, die grossen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen.
Soweit mir bekannt ist, betrifft das einen Notfall Fond der SNB, den man der Bevölkerung zum Beispiel in dieser Pandemie Notzeit zur Verfügung stellen muss!
Ich stimme Herrn Graf gerne zu und wünschte, alle Massnahmen-Kritiker würden genau den Aspekt, den Herrn Kienholz (weiter unten) in seinem Kommentar fokussiert, erkennen: in einer akuten Notsituation geht es um "schnelles und konsequentes Reagieren", um diese möglichst schnell zu beenden. Leider ist es wohl so, dass viele gar nicht (an)erkennen wollen oder können, dass es eine akute Notsituation ist, die dies nötig macht. Alle die hier gebetsmühlenartig darauf hinweisen, dass Massnahmen wie Masken und vorübergehende Schliessungen von Restaurants etc. "umsonst" waren, weil die Zahlen "nicht genug gesenkt" werden, verkennen
a) dass dadurch dennoch ein exponentielles Wachstum eingedämmt wird und
b) was viel zentraler ist: dass das eigentliche Problem darin besteht, dass die Massnahmen nicht schon spätestens ab November - für einen konkreten, kürzeren Zeitraum von einigen Wochen - viel konsequenter und massiver (eben einem Notfall angemessen!) hätten sein müssen!
Das Versagen, um das es in dieser Debatte geht, ist meines Erachtens auf zwei Ebenen anzusiedeln:
die mangelhafte Aufklärungsarbeit
die Inkonsequenz im Entscheiden
Der erste Punkt nimmt der Bevölkerung ein wenig von der Last, die ihr Herr Graf (auch nicht ganz zu Unrecht!) mit dem Aspekt der "Eigenverantwortung" aufbürdet und reicht sie an den Bund weiter. Der zweite Punkt deckt sich mit seinen Anmerkungen - wer auch immer - ad personam - dafür verantwortlich gemacht werden sollte!
Übersterblichkeit ist ein Euphemismus, um unsere hohen Zahlen der Pandemietoten zu beschönigen und zu kaschieren. Dabei geht es um den Vergleich im internationalen Kontext: z.B. wir haben bis heute 8.253 Tote. Auf Deutschland hochgerechnet sind die über 80'000 Tote, Deutschland hat aber rund die Hälfte, d.h. 40'600 Tote dank der konsequenteren Massnahmen.
Niemand hat versagt, das ist einfach Unsinn! Wir wissen weiterhin viel zu wenig über das Virus. Wahrscheinlich hatten wir längst alle Kontakt mit dem Virus und unser Immunsystem hat in den allermeisten Fällen ausgereicht (auch abhängig von gewissen Umständen, die ebenfalls noch viel zu wenig erforscht sind, zB Viruslast, wiederholter Kontakt, pathogenität der entsprechenden Virusvariante, etc.). Vermutlich bleibt das Virus aber in uns und kann sich unter bestimmten Voraussetzungen reaktivieren. Denkbar wäre, wie bei anderen Coronaviren, dass die Kälte eine Rolle spielt, aber auch Modulationen der Immunabwehr (Schwächung, Überforderung und vermutlich sogar Stärkung, unter bisher ebenfalls noch unbekannten Gründen). Auch könnte eine Autoimmun-Komponente von grosser Bedeutung sein. Impfungen sind leider auch
so ein Event, das dem Virus zumindest in manchen Fällen hilft sich wieder zu vermehren (Erkrankung innerhalb weniger Tage nach einer Impfung). Das erklärt die hohen Fallzahlen und Todesfälle unter der Grippeimpfung und jetzt wieder unter den Coronaimpfungen. Auch die hohen Fallzahlen in den Altenheimen, trotz aller Massnahmen, sind so leicht erklärt. Die Menschen stecken sich in der Hauptsache nicht bei anderen an, sondern sie erkranken am Virus (erneut und dann evtl. schwerer oder überhaupt erst mit Symptomen) das längst schon viel früher in ihnen angekommen ist.
Ihrem zweiten Satz «Wir wissen weiterhin viel zu wenig über das Virus» würden wohl alle Wissenschaftler*innen zustimmen (was nicht heisst, dass sie nichts wüssten). Doch alle anderen Sätze sind höchst spekulativ (auch weil sie in Ermangelung von Quellenangaben nicht nachvollziehbar sind). Sie weisen mit Ausdrücken wie «vermutlich», «denkbar» usw. zwar selbst darauf hin, jedoch nur um mit einem Schluss-Satz zu enden, der als Tatsachen-Aussage daherkommt. Das geht so nicht.
Absolut unerträglich diese Belehrungen, moralische Überheblichkeit und nicht zuletzt diese lateinischen Fremdwörter.
Unerträglich, diese Arroganz und Ignoranz, dieses pathetische oberschlaue Gerede.
Das alles ausblendet, was Investigativ-Journalisten zur laufenden Pandemie wissen müssten.
Ich brauche keine Republik als Sprachrohr dramatisierender PolitikerInnen und der Mainstream-Medien, die genaus so pathetisch von "dramatischer Übersterblichkeit" reden (wenn es, eben richtig - und richtig heisst die demografische Entwicklung mitberücksichtigend - betrachtet, 2020 in keiner Altersgruppe eine Übersterblichkeit, geschweige eine "dramatische" Übersterblichkeit gab).
Ich brauche keine Republik, die das Tragen der Masken verherrlicht, ohne darauf hinzuweisen, dass die Ansteckungszahlen im Frühjahr auch ohne Maskenpflicht sanken und im Spätherbst trotz ausgeweiteter Maskenpflicht zunahm, dass die Länder mit den rigorosesten Maskenvorschriften trotzdem steilste Infektionszahlen aufweisen und die höchsten Corona-Todeszahlen haben. Die genauso wie die Mainstream-Medien alles ausblendet, was den Nutzen der Masken infrage stellen könnte (u.a. grosse Studien, die keinen Nutzen zeigen). Es sind genau diese unreflektierten Aussagen zur Maskenproblematik, die dazu führen, dass inzwischen Menschen im Freien, ohne Kontakt zu andern, mit Masken herumlaufen. Es dürfte klar sein, dass das nichts nützt sondern schadet.
Ich brauche keine Republik, die vom "alarmschlagenden Klinikpersonal" schreibt - das machen Tages Anzeiger und Blick schon - ohne dabei die Situation in den Intensivstationen der Schweiz selber zu analysieren. Hätte sie das getan, wüsste auch die Republik, dass wir in der Schweiz sogar im Oktober bis Dezember eine normale, zu dieser Jahreszeit höhere Bettenbelegung in den Intensivstationen hatten. Und sie könnte darauf hinweisen, dass es sogar in der Schweiz immer schon Fälle übervoller Spitäler im Zusammenhang mit Infektionskrankheiten gab.
Und ich brauche keine Republik, die im Zusammenhang mit der nun anlaufenden Impfung von einer "Innovation von historischer Bedeutung" schreibt. Es ist eher eine Schande von hisorischer Bedeutung, wenn nun vor dem Hintergrund dieser hochgespielten Pandemie sämtliche bisherigen Regeln zum Schutz der Bevölkerung bei der Entwicklung neuer Impfstoffe "über den Haufen gekippt" werden.
Wohl kaum zum Nutzen der Bevölkerung, sicher zum Nutzen der Pharmaindustrie. Jener Industrie, die nicht davor zurückschreckt, Arzneimittel oder Impfstoffe auf den Markt zu bringen, die auf gefälschten Studien basieren und die auch dann noch verkauft werden, wenn Studien fehlenden Nutzen und/oder sschwerwiegende Nebenwirkungen ergaben.
Investigativer Journalismus, auf den sich die Republik beruft, ist anders. Da müsste auch einmal der Dank der Frau Sommaruga an die Pharmaindustrie an einer Pressekonferenz im Früjahr in Basel! hinterfragt werden.
Oder die Frage gestellt, was die Massnahmen für die Armen der Welt auslösen. Ob sie sich aus dieser Sicht überhaupt je rechtfertigen liessen.
Oder warum jetzt plötzlich Milliarden ausgegeben werden können, weltweit Tausende von Milliarden, und was das für unser Finanzsystem heisst.
Es gäbe wirklich vieles im Zusammenhang mit Corona, über das zu schreiben sich lohnte. Aber dieser Bericht, nein, das liegt sogar unter dem Niveau des Tages Anzeigers.
Wie zum Geier wollen sie das mit demografischer Entwicklung erklären?
Meine Aussage zur Übersterblichkeit bezieht sich auf die Jahreszahlen bezogen auf 10-Jahres-Bevölkerungsgruppen. In keiner dieser Gruppen, auch bei den über 70-, 80- und 90ig-Jährigen gab es 2020 in der Schweiz den höchsten Anteil an Verstorbenen.
Ihre Grafik einer zeitlich begrenzten Übersterblichkeit lässt sich in fast jedem der letzten Jahre und in fast jedem Land finden. Das ist der Lauf des Lebens. Die Menschen sterben einmal, und das gehäuft beim Ausbruch von Infektionskrankheiten. Indem ihre Grafiken verbreitet werden, und nicht diese Tabellen, wird genau jene Angst und Panik erreicht, die letztlich mehr schadet als nützt.
Die Kommunikation spielt meines Erachtens eine Schlüsselrolle: Das fängt damit an, dass wir nicht genau hinschauten wie China mit der Pandemie umging, weil wir die Zahlen anzweifelten und sämtlichen Massnahmen unterstellten, das sie hauptsächlich der Kontrolle der Bürger dienten. Die Informationen aus Ländern, die positive Resultate haben, wie z.B. Asien werden ausgeblendet oder relativiert … «in Deutschland steigen die Zahlen auch», meinte die Bundespräsidentin im Jahresinterview. Und der Gesundheitsminister fügte hinzu: «ich habe keine Angst vor dem Virus». 200 Neuansteckungen in einer Millionenstadt in China verleiten zur Titelzeile «Die grösste Anzahl Ansteckungen in China …». Die positiven Beispiele werden nur am Rand erwähnt. Die 20 Millionenstadt Tokyo geht in einen Teillockdown bei 8000 Infizierten und fährt die Tests hoch. NHK, der japanische Nachrichtensender widmet die ganze Sendung diesem Thema während bei uns der Sturm aufs Capitol thematisiert wird. Wir befinden uns in einer Desinformationsblase und wissen nicht, wo wir stehen, weil alles zum Thema Corona relativiert oder ausgeblendet wird. Die Meinungsbildung ist deshalb schwierig, denn wir scheinen kein richtiges Problem zu haben. Und wer das Problem nicht erkennt, findet auch keine Lösung…
Zwei zentrale Probleme haben eine ungleich grössere Wirksamkeit von Anfang an verhindert: technische Voraussetzungen, die einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung von vornherein ausschlossen (selbst ein iPhone 6 war anfangs «zu alt» für die Nutzung der App).
Das ist kein Problem der App an sich sondern der API von Apple und Google.
Mal abgesehen davon reden wir von einem 6 Jahre alten Gerät welches nicht mehr supported wird. Apple hat sogar noch vor kurzem das Update auch für das iPhone 6 verfügbar gemachte.
An der App sollten sich aktuell so ziemlich alle staatlichen Projekten messen. Privacy by design und freie Software ab dem ersten Tag. So sollte das immer laufen.
Die Vermarktung hätte man aber definitiv besser machen können.
Lieber Herr Z., vielen Dank. Da stimme ich Ihnen fast vollständig zu – bis auf die Einschätzung zum 6 Jahre alten Gerät. Wenn man «höchstens 6 Jahre alt» zur Voraussetzung macht, schliesst man entweder eine ganze Menge Leute aus oder verlangt quasi von ihnen, dass sie sich mal eben ein neues Handy zulegen, das sie nicht wollen, nicht brauchen oder sich nicht leisten können.
Ich weiss was Sie meinen. Aus meiner Sicht ist das aber eine völlig andere Diskussion und zwar über die Nachhaltigkeit von elektronischen Geräten.
Die App kann ja nichts dafür, dass Apple das iPhone 6 deprecated hat.
Man könnte es Apple vorwerfen, im Branchenvergleich stehen die jedoch ziemlich exzellent da wenn es um Software Updates für ältere Geräte geht.
Bei der Android App werden ja auch keine älteren Geräte als 5 Jahre unterstützt (Android 6.0, ist eigentlich auch nicht mehr supported).
Herzlichen Dank Ihnen allen! Ich freue mich sehr über die schönen Rückmeldungen und die vielen vertiefenden Gedanken.
Ein nachfolgender Artikel könnte beleuchten, welche Massnahmen strategisch ergriffen werden müssten/könnten um uns vor einer dramatischeren Pandemie zu schützen.
Umbau Katastrophenschutz Institutionen
Investitionen in Pflege / ätztinnen-Ausbildung / Spitalkapazitäten
Investitionen im Alltag (Hygienemassnahmen in Gebäuden)
Effizienz der Behörden
Notlager
Nebst der riesigen Tragik, welche dieser Pandemie innewohnt, fördert Corona ans Tageslicht, was in der Schweiz schon seinigen Jahren in die falsche Richtung läuft: Überheblichkeit anstatt Solidarität, Machtspielchen anstatt Verantwortung. Vielen Dank für diese klare und mutige Analyse.
Was ihr hier schreibt, heisst im Klartext:
Demokratie gehört abgeschafft, da die meisten Leute nicht in der Lage sind, eigene, gute Entscheidungen zu treffen. Wie solche politischen Systeme funktionieren kann man sich zum Beispiel in China anschauen: Also dann, Chinesisch lernen und umziehen..
Es würde vermutlich reichen, Lobbying abzuschaffen und was noch ganz nett wäre, wie in der allerersten Demokratie - und etwas modifiziert - die Legislative nach dem Zufallsprinzip zu besetzen. (Wer das als ganz an den Haaren herbeigezogen erachtet, möge sich 10 Minuten TED gönnen.)
Seid ihr nicht auch ein bisschen ratlos wenn ihr nach Deutschland schaut? Erst Circuit-Breaker, dann Lockdown-Light, dann Lockdwon und trotzdem steigende Zahlen?
und jetzt sollen die gleichen Massnahmen hier eine Umkehr bewirken? Meiner bescheidenen Meinung nach bringen diese Massnahmen wie Fitnesscenter/Restaurant schliessen nicht viel, wenn gleichzeitig die grossen Brocken ÖV, Schule, Arbeitsplatz wie
gehabt funktionieren und die Leute so das Virus nach Hause bringen und sich anstecken.
Gemüt abkühlen, Aufregung runterfahren und den Artikel im Tagi von Anton Gunzinger lesen: https://www.tagesanzeiger.ch/risiko…3222690917
Ich hab die Zahlen grad nicht zur Hand aber das Problem ist nicht die Sterblichkeit sondern der Aufenthalt auf der Intensivstation.
Ja jüngere Leute sterben weniger an den Folgen von Covid-19, als die alten aber sie belegen trotzdem in vielen Fällen einen Platz auf der Intensivstation welcher etwa für einen Autounfall benötigt wird.
So viele Beatmungsgeräte haben wir in der Schweiz dann auch nicht.
Heute Samstag Daniel & Daniel im Doppelpack - aus meiner Sicht eine gelungene Kombination:
Die MitverlegerInnen, die ihre Messer wohl jeweils schon am Freitag wetzen, um sich samstags auf Daniel Binswanger bzw. seine treffenden Analysen der Covid-Situation in der Schweiz zu stürzen, laufen heute ins Leere.
Die Graf-Binswanger Zwillingsartikel verdeutlichen m.E., dass deren Themen ohne einander nicht zu betrachten sind.
Dies hat sich auch anderorts gezeigt: nicht nur in der doppelten Themenwahl in der gestrigen Arena-Sendung (USA/Covid), sondern auch in den entsprechenden Äusserungen des neuen SVP-Präsidenten. Und das erste Wort des neuen Bundespräsidenten in der Sendung war übrigens "wirtschaftlich". :(
Aus meiner Sicht ist dies der erste Beitrag seit Beginn der Pandemie, indem nicht abgewiegelt, sondern Klartext gesprochen wird. Und ja – es ist auch ein gesellschaftliches Problem – einer polarisierten Schweiz. In erster Linie jedoch hat sich unsere Regierung deren Aufgabe der Schutz der Bürger ist, versagt. Weil nicht genügend Masken vorhanden waren, wurde ihnen die Zweckdienlichkeit durch das BAG abgesprochen. Keiner hat sicher dagegen gewehrt. Der damals Verantwortliche leugnet bis heute deren Nützlichkeit. Ich gehörte zu den ersten Maskenträger und wurde, wie ein Aussätziger behandelt. Das Verkünden der neuen Triage Regeln durch eine Krankenschwester und eine stammelnde Ethikerin durch SRF geriet zur Groteske. Dadurch wurde eine Zweiklassengesellschaft geschaffen und uns Alten das Recht auf Leben abgesprochen. Während dieser Zeit hat sich nie eine Politikerin oder Politiker für die Versäumnisse entschuldigt. Solidarität wurde zur Worthülse. Das Ende ist nicht abzusehen und stellt unser Land wahrscheinlich vor eine Zerreissprobe.
Vielleicht wäre es Zeit, den Fokus mal etwas zu erweitern. Wenn wir bei allen Situationen der letzten 30 Jahre (was natürlich auch wieder ein beschränkter Fokus ist), in welchen unser Verhalten im täglichen Leben Menschen das Leben gekostet hat (über kurz oder lang), gleich entschlossen reagiert hätte wie in der aktuellen Situation (ja, ich finde, es wurde entschlossen reagiert!), wären wir heute nicht an diesem Punkt. Wie wir alle wissen, und zwar seit langem wissen, basiert die Wohlstandsgesellschaft, das ständige Wachstum auf der Ausbeutung von Ressourcen (sowohl Menschen wie auch andere Ressourcen). Entsprechend haben wir alle Armut, Krankheit und Tod in anderen Gegenden der Welt, ausgelöst durch unser tägliches Verhalten, einfach in Kauf genommen, solange hier bei uns alle ihren Wohlstand vergrössern konnten. Dazu kommt, dass Expert*innen seit Jahrzehnten vor möglichen Pandemien gewarnt haben. Ich zitiere aus einem Artikel aus "The Guardian": "The causes are no mystery: habitat destruction - mainly deforestation - and industrialised agriculture put large numbers of humans in increasing contact with highly stressed animal production. (...) The problem is not the wet markets of Wuhan or the highend trade in exotic animals, but a system that sucks all nature into globalised circuits of capital."
lieber Herr Graf, am besten gefiel mir die lichtvolle Diskussion des Begriffes 'Eigenverantwortung'. Mehrere Stellen wollte ich für Szenenapplaus zitieren 🙂
Ausserdem bin ich über '... versank die Idee der notwendigen Vorkehrungen in den Untiefen von Kantönligeist und Verantwortungsscheu.' gestolpert.
Um ganz sicher zu gehen, möchte der Oberlehrer in mir auf das Januswort hinweisen und anmerken, dass sich (nautische) Untiefen zum Versinken besonders schlecht eignen.
Die Gesundheitsdienste sind meiner Meinung nach nicht wegen den scheinbar ungenügenden Massnahmen überlastet, sondern wegen der zu geringen Kapazität ganz allgemein (2006 gab es 540 Betten pro 100‘000 Einwohner, heute noch 356.) und speziell in Bezug auf ein neues Virus, wozu man viele Jahre (nicht umgesetzte Pandemiepläne) und seit Frühling viele Monate Zeit hatte die Kapazitäten (zivil, Zivilschutz / Militär) hochzufahren. Wieso gab es am Anfang der Pandemie, als sie nicht gebraucht wurde, eine massive Mobilisierung der Armee, aber jetzt nicht mehr?
Wieso gab es am Anfang der Pandemie, als sie nicht gebraucht wurde, eine massive Mobilisierung der Armee, aber jetzt nicht mehr?
Als direkt davon Betroffener: Ich war letztes Jahr 3 Monate im Dienst. 2 Monate im Frühling, 1 bis kurz vor Weihnachten. Stehe gerne Antwort.
Im Frühling war für die Deutschschweiz ein Überangebot da, viele Einheiten wurden auch bald wieder entlassen, da sie keine Aufträge hatten. Es war nicht gerne gesehen, dass Holzhäuschen gebaut oder Karten gespielt wurde. Die Medien berichteten darüber. Retrospektiv sinnvoll, sie aufzubieten, denn man wusste ja nicht, was kommen würde.
In der Westschweiz, wo wir eingesetzt waren, war dies teilweise anders. Einige von uns waren im CHUV/HUG, Wallis, auch auf Intensiv- und Covid-Stationen, und dort gerne, nötig und sinnvoll eingesetzt. Wieder andere verlegten ein komplettes Altersheim und betreuten die Covid-freien Leute zusammen mit stark unterbesetztem Pflegepersonal. Noch einmal andere sahen 1/3 des Altersheims sterben und hatten danach "keine Arbeit" mehr. Alles auch sehr notwendig und sinnvoll.
Probleme gab es trotzdem. Die Institutionen/Kantone konnten aber auf Reserve bestellen, sozusagen. Wo ich eingesetzt war (Mo-Fr, "normale" Schichten) waren zusätzlich noch täglich Zivildienst (reguläre Arbeit) und -Schutz (2 Personen pro Tag, ausserordentlich) sowie Azubi Pflege HF (ausserordentlich) aufgeboten. Abgesehen von Verdachtsfällen (etwas Husten/Fieber) blieben wir verschont. Die Arbeit war allemal sinnvoll und ich habe sie gerne gemacht, notwendig aber nicht. Personal war genug vorhanden, ich hatte Zeit, mit den Personen spazieren zu gehen und zu spielen. (Ja, das ist im Altersheim Teil der Arbeit, wichtige Arbeit, aber eben nicht Arbeit, für die man guten Gewissens Soldaten aufbieten kann.) Daneben konnte ich logischerweise meinen (Studien-)Verpflichtungen nicht im gleichen Masse nachgehen. Glücklicherweise waren meine Dozierenden/Institutsleitung sehr kulant und liessen mir mehr Zeit, um im Nachhinein alles aufzuarbeiten. Einige meiner Kameraden durften daraufhin das Semester oder auch Jahr wiederholen. Massive persönliche Kosten entstehen so bei einer Mobilisierung, die den Maurer eben nicht im Budget stören.
Auf unsere Rückmeldungen ging wenig, da die Einheit nicht direkt mit den Institutionen aushandeln konnte, sondern immer via Vertreter des Militärs und Kantons. Welche teilweise wenig Ahnung von unseren Fähigkeiten hatten, oder eben die Verhältnisse "vor Ort" nicht direkt sahen.
Im November wurden initial Freiwillige aufgeboten. Ein guter Teil der fertigen RS blieb im Dienst, und weitere Soldaten meldeten sich. Etwas bei 200-300 Personen? Man merkte später, dass das nicht reichen sollte, und unsere Einheit durfte ein weiteres Mal einrücken. Entsprechende Frustration, auch hier, auf vielen Stufen.
Die Rückmeldungen hatten aber etwas bewirkt, was nicht unbedingt gut war: Unsere Legislative entschied, die Armee nur für Spitäler einzusetzen, jetzt, da einige Pflege-Institutionen im Vergleich zum Frühling wirklich Not hatten. Auch wurden die Rahmenbedingungen der Selbstdeklaration "nötig" verschärft.
Trotz allem verlief der Einsatz +/- gut, auch wenn bei vielen ein Mis-Match Anforderungen/Fähigkeiten bestand; das Gros wurde von den Freiwilligen per Weihnachten abgelöst. Ich rechne damit, dass in kommender Zeit wieder eine andere Einheit in den Dienst darf.
Allgemein lässt sich festhalten, dass die Trägheit, die das Militär mit sich bringt (lange Wege), mässig geeignet ist, um rasch wechselnden Situationen Rechnung zu tragen.
Gleichzeitig muss auch gesagt sein, dass ein Zielkonflikt besteht. Die Institutionen setzen alles daran, dass es das Militär nicht wirklich braucht. Das generiert Frustration, wenn dann keine Arbeit da ist, während diese sich zuhause stapelt. Je nach eingesetztem Bereich ist es auch schwierig, Fähigkeiten und Anforderungen abzugleichen. Das sind sonst Schreiner, Buchhalter, Lehrer, Automechaniker!
Zu lange, nicht gelesen: Es ist sinnlos, hunderte/tausende Soldaten aufzubieten und denen damit selbst Probleme zu bereiten, wenn es nicht zwingend notwendig ist. Eine kleinere Organisationseinheit, die flink einen Personen-Pool anbieten, zum Einsatz bringen und auch wieder verschieben kann, bringt mehr. Es bringt grosse Personalprobleme mit sich: Manche, die letztes Jahr die RS gemacht hatten, haben nächstes Jahr nun schon ihren letzten Dienst.
Nachtrag: Das klingt jetzt doch vielleicht alles ein wenig zu negativ. Man muss sich dabei bewusst sein, dass ich genau während den Einsätzen eine Masterarbeit hätte beginnen bzw. fertigstellen wollen ;) Das Gros der Kameraden und auch ich haben die Arbeit gerne gemacht und wieder viel gesehen, die Dankbarkeit (von Patienten/Personal/zufälligen Leuten auf der Strasse) hat vielen Stress aufgewogen. Für "Manpower" an sich sind wir sicher geeignet - aber dann sind nicht nur Sanitäter nötig, sondern auch weniger medizinisch qualifizierte Personen können viel helfen - so wie viele der Freiwilligen dies im Moment noch tun.
Die Gesundheitsdienste sind gar nicht überlastet. Das ist eine Corona-Lüge. Wer vom Virus erwischt wird, und alt ist, zieht es vor, zu Hause oder im Heim zu sterben, ohne Spital. Verantwortlich dafür sind die Corona-Massnahmen, an denen wir Alten nicht schuld sein wollen. Wer will denn noch weiterleben, ohne Kultur und ohne mit andern Menschen sich treffen zu können?
Überfordert sind dann Angehörige und Pflegepersonal im Heim.
Die Gesundheitsdienste sind gar nicht überlastet. Das ist eine Corona-Lüge.
Ich schätze kontroverse Ansichten sehr. Aber nehmen Sie jetzt bitte mal den Aluhut ab, das geht zu weit. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, dass eine Intensivstation eines grösseren Spitals 50% mit Covid belegt war (ja, immer noch hauptsächlich ältere Personen) und deshalb eine Warteliste für nicht zwingend notwendige Eingriffe erstellt wurde. Heisst hauptsächlich Krebspatienten, die nun nach weiteren Monaten dann entsprechend schlechtere Prognose haben. Weitere Personen aus dem eigenen Umfeld durften auf Knie/Hüften warten; daran stirbt man nicht gerade, aber es schmerzt.
Ja, es gibt Stadien der Überlastung, wir sind nie in kompletter "Kriegstriage" gelandet, aber eine Überlastung ist bereits da. Das "Lüge" zu nennen ist daneben.
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