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Die Argumentation von Zucman ist eigentlich erstaunlich einfach und gleichzeitig überzeugend. Wenn die grossen europäischen Länder (bspw. DE/FR/IT/ES) die in ihren Ländern erzielten Umsätze der globalen Konzerne anfangen, konsequent zu besteuern und die von Zucman genannten Sanktionen (Tätigkeitsverbot in diesen Ländern im Falle des Widerstands) festlegen und durchsetzen, dann finde ich es realistisch, dass der Dominoeffekt schnell greift und weitere Länder auf diesen Zug aufspringen. In jedem Land muss der politische Widerstand überwunden werden, dem dieser Kurswechsel gar nicht passt.
Die Schweiz ist unstreitbar eine Profiteurin im globalen Steuerwettbewerb und darf jetzt vor ihrer eigenen Türe kehren. Es ist auch fast schon wohltuend, wenn hier von Diebstahl gesprochen wird (allerdings liessen sich viele Länder in der Vergangenheit "gerne" bestehlen).
Auch bei uns wird der Widerstand gross sein - die jetzige Krise bietet auch bei uns die Chance, grundsätzliche Anpassungen anzubringen. Dafür müssen wir nun die neoliberale Periode zu ihrem raschen Ende bringen und darauf hinarbeiten, dem Steuerwettbewerb ("race to the bottom") ein Ende zu setzen und generell staatliche Gelder so zu verteilen, dass zukunftsgerichtete Branchen profitieren und nicht die fossil-basierte Old Economy. Ich bin gespannt, ob wir diese Chance packen werden!
John Cochrane hat ein paar berechtigte Kritikpunkte an den Thesen von Zucman & Saez geäussert (https://johnhcochrane.blogspot.com/…rview.html). Er zeigt darin auf, weshalb die beiden die Vermögensungleichheit aufgrund ihrer Berechnungsmethoden stark überschätzen. Trotzdem bin ich mit Zucman einverstanden, dass eine Vermögenssteuer aus ökonomischer Sicht sinnvoll ist, jedenfalls sinnvoller als eine Kapitalgewinnsteuer oder eine Erbschaftssteuer. Wichtig ist, dass man dabei die Körperschaftssteuer (also die Vermögenssteuer für Unternehmen) nicht vergisst. Die Schweiz hat bereits beides. Schade, dass Binswanger die Gelegenheit verpasst hat, hier gegenüber Zucman aufzuzeigen, dass die Schweizer Demokratie trotz des kritisierten Steuerwettbewerbs ein vorbildliches Steuersystem mit einer gut funktionierenden Vermögenssteuer hervorgebracht hat.
Ich wage sogar zu behaupten, dass bei der Vermögenssteuer die im Gespräch kritisierte Dezentralität ein Vorteil ist. Das Gemeindesteueramt ist nämlich viel näher an den Bürgern dran als jedes nationale Steueramt und ist somit auch in einer besseren Position, die deklarierten Werte auf ihre Plausibilität überprüfen zu können. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es um Immobilien geht, wo ein grosser Teil aller Vermögen drin steckt. Wenn man sich das Beispiel der Immobilien vor Augen führt, wird übrigens auch sofort klar, dass der von Zucman genannte Steuersatz von 3%-4% völlig überrissen ist. Intuitiv würde ich sagen, dass alles über 1% eher hoch ist - aber auch schon 1% schenkt ein, besonders wenn die Zinsen so tief sind wie heute und damit die Vermögenswerte entsprechend aufgebläht werden.
Weshalb sollte ein hoch dezentrales Steuersystem, wie die Schweiz es kennt, von Vorteil sein? Die von Ihnen gelobte "Nähe zum Bürger" ist ziemlich irrelevant. Der "Bürger" entzieht sich dieser Nähe elegant, wenn ihm die örtliche Steuerbehörde zu nahe tritt - er (und natürlich auch die Bürgerin) zieht ins nächste kommunale oder kantonale Steuerparadies. In einem Nebensatz kippen Sie auch gleich noch Kapitalgewinn- und Erbschaftssteuern über Bord, notabene ohne auch nur einen einzigen Grund dafür anzugeben. Ihr Beitrag zeigt, dass der politische Druck noch ziemlich zulegen muss, um Steuerregimes zu reformieren. Die sich abzeichnende globale Wirtschaftskrise und auch die noch viel fundamentalere Klimakrise dürften in diese Richtung wirken.
Zur Frage: den ersten Vorteil habe ich bereits erläutert. Wenn es um die Besteuerung von Immobilien geht, ist Nähe von Vorteil. Ein weiterer Vorteil ist der folgende: dezentrale politische Systeme sind weniger anfällig auf Einflussnahme durch Interessenvertreter. Ich könnte mir gut vorstellen, dass unser dezentrales politisches System dazu beigetragen hat, die Vermögenssteuer zu erhalten, während zentralistischere Staaten wie Frankreich diese abgeschafft haben, obwohl Frankreich ansonsten wesentlich sozialistischer ist als wir. Auch bei uns gibt es ja auf Bundesebene keine Vermögenssteuer mehr - was ein weiterer Hinweis dafür ist, dass Vermögenssteuern lokal besser funktionieren. Generell gilt: Wenn wir ein bürgernahes Steuersystem wollen, müssen wir auch lokal darüber befinden dürfen, und nicht global.
Zu den Kapitalgewinn- und Erbschaftssteuern: diese "kippe" ich nicht. Eine private Kapitalgewinnsteuer haben wir in der Schweiz ja ohnehin nicht. Zudem war meine Aussage nur eine qualitativ vergleichende: ich bin überzeugt, dass es ökonomisch gesünder ist, 1000 Franken über eine Vermögenssteuer einzuziehen, als den gleichen Betrag über eine Kapitalgewinnsteuer oder eine Erbschaftssteuer zu erheben. Bei der Kapitalgewinnsteuer liegt der Grund darin, dass diese dazu tendiert, das Kapital genau denjenigen zu entziehen, die es am produktivsten einsetzen. Volkswirtschaftlich gesehen ist es aber besser und auch ethisch einfacher vertretbar, alles Kapital gleichermassen zu besteuern und insbesondere auch denjenigen wegzunehmen, die faul darauf sitzen ohne was gescheites damit anzustellen. Bei der Erbschaftssteuern sind es eher praktische Erwägungen: wenn man jemandem jedes Jahr 0.5% wegnimmt, dann ist das viel schmerzloser als wenn man jemandem auf einen Schlag 30% wegnimmt, obwohl ersteres aufs ganze Leben aufgerechnet gleich viel ausmacht. Das heisst, die Vermögenssteuer ist einfacher zu ertragen und wird deshalb wohl auch seltener umgangen als eine gleich einträgliche Erbschaftssteuer.
Sie sehen, ich lasse mich in meiner Argumentation eher von praktischen als von ideologischen Beweggründen leiten.
Besten Dank für das hervorragende Interview! Es ist erfreulich, dass so kompetente, unabhängige und anerkannte Ökonomen wie Gabriel Zucman sich mit solchen Gerechtigkeitsfragen auseinandersetzen und nun in der Republik noch eine breitere Plattform erhalten. Die besprochenen Themen werden sowohl in der globalisierten Welt als auch auf nationaler Ebene immer bedeutsamer. Als problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang, dass die Steuerrechtswissenschaftler sehr oft teilzeitlich in der Beratungsbranche engagiert sind und damit reichlich Geld verdienen. Das vermittelt zwar einen Praxisbezug der Wissenschaft, führt aber gleichzeitig zu Abhängigkeiten und Interessenkonflikten. Es erstaunt daher nicht, dass Fragen der Steuergerechtigkeit in der Forschung immer mehr tabu sind oder nur noch am Rande, allenfalls gar einseitig geprägt behandelt werden. Ins Bild der so schön dargestellten fragwürdigen Systeme passt, dass in der Schweiz z.B. die „Steueroptimierung“ durch die Lücke der steuerfreien privaten Kapitalgewinne erheblich gefördert wird. Trotz wiederholter Debatten ist bis heute nicht gelungen, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen. Abschliessend kann man nur hoffen, dass auch jenen, die sich in der Schweiz mit Fragen der Steuergerechtigkeit wie auch eines nachhaltigen und fairen Wirtschaftssystems befassen, eine grössere Sichtbarkeit und breitere Plattform gewährt wird. Gutem Journalismus sei Dank...
Da schliesse ich mich an, fänd ich auch super, wenn die Republik an diesem Thema dranbleibt. Und falls möglich mal beleuchtet, wie man als Bürger/in (ausser durch abstimmen und wählen der hoffentlich richtigen Leute ...) in dem Bereich irgendwas bewirken kann. Auf jeden Fall danke für diesen lehrreichen Artikel!
"...also einen Steuersatz von 2 Prozent für Vermögen über 50 Millionen Dollar und von 6 Prozent auf Vermögenswerten, die 1 Milliarde übersteigen."
Wäre eigentlich nur logisch, da genau diese Gruppe alle Steuertricks nutzt.
Es ist es auch bei uns merkwürdig, dass der Mittelstand fast immer geschröpft wird. Vom kleinen Vermögen-, über AHV-Beiträge, Gebühren bis Eigenmietwert. Die Steuerprogression jedoch schon um 200'000. - endet und der Trick mit der Pseudo-Firma und Briefkastenfirma auch bei uns funktioniert, möglichst im steuergünstigen Kanton. Was auch fehlt ist die Besteuerung der Luftfahrt und eine richtige CO2-Abgabe, die an die Bevölkerung geht. Mit letzterem würden sparsame und weniger umweltschädlich lebende Menschen belohnt. Zudem wäre es ein erster Schritt zu einem kleinen Grundeinkommen.
Ein Steuersystem ist nie 100% gerecht, aber fairer gestalten kann man es. Wer Geld sinnlos hortet, sollte nicht belohnt werden, auch das ist logisch.
Das heutige System zwingt viele, vor allem in der niedrigen Einkommenschicht, zu 100% (bei Familien 2) Jobs bis nach 65, früher aufhören wird sehr teuer. Derweilen das oberste Segment >10 Mio, vom meist geerbten Kapital, sehr bequem ohne Arbeit und zudem mit sehr wenig Steuern leben kann.
Das ist nicht erstaunlich Herr Fuchs, es ist nur das Ergebnis einer jahrelang praktizierten Verunglimpfung seitens der Neoliberalen von Staat, Regierungen und der Zivilgesellschaft im Ganzen...
Um sich selbst gesellschaftlich mehr Legitimation und damit Macht zu verschaffen.
Man wollte dabei vor allem eines. Das Vertrauen in den Anderen, die Menschlichkeit an sich schwächen und den Egoismus als einzige, wenn auch schlechte Lösung kultivieren!
Wie lautet Thatchers so berühmter wie selten dämlicher Satz? Es gäbe gar keine Gesellschaft...
Diese Leute postulierten frei nach Chicagoer-Schule die Theorie, die eigentlich mehr mit Sozialogie oder Psychologie zu tun hat, die dementsprechend auch eher lachhaft anmutet und auf welcher all diese angeblichen "Erkenntnisse" und Paradigmen fussen und zwar, dass der Mensch immer logisch, eigennützig handle. Eine Theorie die schon an sich als absurd abgehakt werden muss.
Der Mensch ist und war immer ein Soziales Wesen, schon in Uhrzeiten nie ein Einzelkämpfer, was sich mit der Entstehung der Zivilisation noch mehr entwickeln musste, indem man neu mit der zunehmenden Spezialisierung nicht einmal mehr innerhalb der eigenen Gruppe autonom war.
Dies führte dazu, dass der Menschliche Angstreflex, der auf alte überblickbare Strukturen ausgelegt war, immer mehr überstrapaziert wurde.
Der Mensch versucht bis heute aus Angst davor im ewigen darwinistischen Wettkampf unterzugehen immer mehr Geld und Macht anzuhäufen, weil das wie das einzige erscheint, was diesen ewigen Durst nach Sicherheit zu stillen in der Lage sein könnte.
Logischerweise hört dieser Durst durch Tränken nicht auf zu Wachsen, im Gegenteil.
Je mehr man hatt, je mehr denkt man noch haben zu müssen, um der Konkurrenz doch noch eine Nasenlänge voraus sein zu können.
So etwas werden wir nur jemals bekämpfen können, wenn wir als Gemeinschaft, die Notwendigkeit für individuelle äussere Befriedigung dieses Sicherheitsbedürfnisses ausmerzen.
Der Staat muss als Vertreter der Gesellschaft allen Menschen eine bedingungslose Existenz und die Möglichkeit zur freien persönlichen Entfaltung, Bildung und Krankenversorgung liefern, er muss endlich darauf ausgelegt werden Menschen nicht mehr lenken und kontrollieren, sondern unterstützen und fördern zu wollen.
Dafür brauchen wir dringend gerechte Besteuerung, welche aber in einem solchen Staat, auch sicher genügend Legitimation durch die Bürger erfahren würde.
Wir müssen vor allem mehr Vertrauen wagen! In den Menschen, nicht machtgierige manipulative Wirtschafts und Lobbykonstrukte, sondern in ein bedingungslos freies Individuum!
Ein Mensch allein ist vernünftig, nur wenn Macht, Angst und Interessenkonflikte hinzukommen, wird er unberechenbar!
Machen wir dem ein Ende mit mehr Vertrauen in die Menschlichkeit!
Was auch fehlt ist die Besteuerung der Luftfahrt und eine richtige CO2-Abgabe, ...
Richtig! Heute subventionieren wir Verkehr und Reisen, obschon es enorme Kosten verursacht. Stichworte: Pandemiekosten und Klimakosten, vergiftete Kinder.
Diese enormen Kosten sollten umbedingt endlich vom Verkehr bezahlt werden statt von der Allgemeinheit.
Eine Kostenwahrheitssteuer ist noch dringender als eine Vermögenssteuer.
Man erkennt schon an den negativen Wertungen, dass viele lieber Geld und sinnlosen Spass, als eine saubere Umwelt wollen. Erkennt man auch an den vielen fossilen Ego-Fahrzeugen, möglichst gross und laut um 4x am Tag etwas herum zu fahren. Man ist dann wer, vermeintlich. Billigflug und Ferien auf den untergehenden Malediven inklusive. Suffizienz ist für viele nur ein Fremdwort.
Zucman hat absolut recht!
Allerdings wird eine solche Änderung der globalen Steuer-"Philosophie" kein Spaziergang werden (muss es auch nicht). Man wundert sich ja schon, warum Regierungen trotz üerall hoher Staatsdefizite nicht schon länger als "Steuereintreiber letzter Instanz" auftreten, sondern lieber - vor allem die indirekten - Steuern erhöhen, welche wie allseits bekannt sein dürfte, die unteren und mittleren Einkommensschichten stark belasten, infolge der Progression insbesondere den Mittelstand.
Nun, dazu gibt es meiner Meinung nach einen offensichtlichen Fakt, welcher Zucman ziemlich treffsicher erwähnt: «Und wir sollten nicht vergessen: Vermögenskonzentration zieht Machtkonzentration nach sich.». Warum wohl die Heere von Lobbyisten, gerade auch der ebenfalls erwähnten 'Big-Four' der sog. 'Wirtschaftsprüfer', welche leider auch im Bundeshaus zu Bern in Scharen ein und aus gehen?
Auch ich weiss noch nicht, wie diese Phalanx durchbrochen werden kann, aber wir sollten dringendst beginnen, daran arbeiten!
Im Schweizer Kontext scheint mir das Folgende die zentrale Aussage Zucmans in diesem hervorragenden Interview:
„Um den Globus sind die Gewinnsteuern für Firmen gesunken und wurden die Einkommenssteuern weniger progressiv. In vielen Ländern wurde eine Flat Tax für Kapitalgewinne, Zinserträge und Dividenden eingeführt und die Vermögenssteuer abgeschafft. Gleichzeitig wurden überall die Sozialabgaben und die Mehrwertsteuern erhöht, welche die unteren und mittleren Einkommen überproportional belasten. Für die Bevölkerungsschichten, die von der Globalisierung nur wenig oder gar nicht profitieren – das Gewerbe, die Rentner, die unteren Lohnkategorien –, ist die Belastung gestiegen.“
Gewinnsteuern runter, Sozialabgaben und Mehrwertsteuer rauf. Genau das war das Konzept hinter dem AHV-Steuerdeal (STAF), den wir letzten Mai an der Urne mit einer 2/3-Mehrheit angenommen haben, obwohl er wie Zucman überzeugend aufzeigt, den fundamentalen ökonomischen und demokratiepolitischen (Verschärfung des Gewinnsteuerwettbewerbes zwischen den Kantonen) Interessen eines Grossteils der Schweizer Bevölkerung widersprach (von den globalen Effekten, die diese Verschärfung der Konzernsteueroasen-Politik in der Schweiz mit sich bringt, einmal ganz zu schweigen). Bis weit in die Schweizer Linke hinein war diese Vorlage völlig unbestritten. Ihre verschärfenden Effekte auf die soziale Ungleichheit in der Schweiz wurden in der Abstimmungsdebatte nur sehr am Rande thematisiert (im Gegenteil, es wurde chronisch behauptet, sie würden positiv ausfallen). Wenn aber in einer Debatte zur wichtigsten wirtschaftspolitischen Vorlage der letzten zehn Jahre (darüber bestand hingegen Konsens) zentrale Mehrheits-Interessen nicht verhandelt werden können, stellt das augenfälligerweise einen System-Error der direkten Demokratie dar. Für zukünftige steuer- und finanzpolitische Abstimmungen scheint es mir zentral, diesen System-Error aufzuarbeiten, um eine Wiederholung zu verhindern (es gab schon bei der Unternehmenssteuerreform II von 2007 ein ähnliches Problem). Das ist aber bis heute nicht passiert. Ein Beispiel für diesen System-Error: Vor der Abstimmung sagte mir ein Wirtschaftsredaktor des SRF - das bekanntlich einen expliziten Auftrag zur ausgewogenen Information in Abstimmungskämpfen hat - anlässlich eines Interviews mit mir zum Thema, dass Zusammenhänge zwischen Demokratie und Steuerwettbewerb dem Publikum nicht vermittelbar seien.
Danke für dieses interessante Interview. Das Spannende an Piketty, Zucman, Saez etc. ist meines Erachtens gerade, dass diese "linken" Ökonomen keine Marxisten sind und auch nicht so auftreten - was wohl auch die liebe Mühe erklärt, welche z.B
die NZZ mit ihnen zu haben scheint: Sie sind vehemente Verteidiger des liberalen Glücksversprechens, zeigen aber datenreich und deutlich auf, dass die Erfüllung dieses Versprechens durch ökonomische Ungleichheiten zerzerrt wird und der Kapitalismus durch progressive Steuern sowie sozialstaatliche Einrichtungen "gezähmt" werden muss, will er nicht seine eigene Legitimität untergraben. Wie weit diese Zähmung gehen soll, muss dabei Gegenstand demokratischer Auseinandersetzungen sein, die frei von Denkverboten und Erpressungen ablaufen müssen. Leider erleben wir gerade in der Schweiz in der Fiskal- und Finanzpolitik massive Manipulation und Angstmacherei:
1.) das rechtsbürgerliche Mantra, das alle Steuern (ob direkt oder indirekt, ob progressiv oder proportional, ob auf Kapital oder auf Arbeit) in den gleichen Topf wirft und dort möglichst runterkochen will, ganz zum Vorteil der jeweils grössten Einkommen und Vermögen;
2.) der Diskurs über die Sachzwänge des Steuerwettbewerbs in all seinen Schattierungen (vom "linken" Bedauern bis zum neoliberalen Applaus);
3.) die ganz unverhohlene Drohung mit Kapitalflucht bzw. Verlegung des Firmensitzes ins Ausland.
Dass dieses TINA-Prinzip die Demokratie aushöhlt, ist offensichtlich.
Nun sind wir aber nicht mehr in den 1980ern, 90ern oder Nullern - die Krise von 2007/8 sowie die aktuelle (und wohl noch schlimmere) machen das Ende der neoliberalen Epoche deutlich - und mit ihm die Neuaushandlung eines "Gesellschaftsvertrags" über die gerechte Verteilung von Lasten, Chancen und Gewinnen notwendig. Alles hängt einmal mehr von den gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen ab und somit auch davon, ob die Angst wieder einmal die Seite wechselt bzw. auch die Eliten einsichtig werden, dass es ohne Zugeständnisse nicht geht (sozialer Ausgleich oder brennende Barrikaden).
Was die «amerikanischen Verhältnisse» sind, zeigt «The New York Times» mit beeindruckenden Graphiken im Artikel America Will Struggle After Coronavirus. These Charts Show Why.
Um Fans des deregulierten freien Marktes nicht zu erschrecken, mag es natürlich nur Zufall sein, dass der Zeitraum dieser Entwicklung mit dem Neoliberalismus (Reaganomics & Co.) zusammenfällt.
Vielen Dank für diese Einführung in das Thema Steueroasen von Zucman. Ich habe dieses Buch (noch) nicht gelesen, dafür das Buch "Treasure Islands" von Nicholas Shaxson. Hier habe ich erfahren, dass es neben diesen "Big Four der Wirtschaftsprüfung" noch weitere bekannte wichtige Unternehmen gibt, die globalen Konzernen Dienstleistungen für die "Steueroptimierung" anbieten, etwa die Anwaltskanzlei Appleby sowie die Banken HSBC und Goldman Sachs.
Besten Dank für das Interview. Die Ausführungen zur Vermögenssteuer sind interessant. Innerhalb der OECD nimmt übrigens kein Land mehr mit der Vermögenssteuer ein als die Schweiz. Rund 3.5% der Steuereinnahmen stammen aus der Vermögenssteuer. Zur Vermögenssteuer gibt es deshalb auch in der Schweiz sehr gute Forschung; insbesondere von Kurt Schmidheiny und Marius Brülhart. Diese zeigt, dass das Vermögen ein sehr elastisches Steuersubstrat darstellt und zwar, wie es scheint, unabhängig von dessen Höhe. Sowohl vermögende als auch weniger vermögende Steuerpflichtige reagieren also generell empfindlicher auf die Vermögenssteuer als auf die Einkommenssteuer, d.h. sie versuchen diese zu vermeiden oder zu reduzieren. Vermutlich spielen hier die Möglichkeiten der Steuerplanung eine wichtige Rolle.
Auf Mindeststeuersätze für Unternehmen werden wir uns vermutlich einstellen müssen. Man muss sich aber bewusst sein, dass die Regierungen der G20 Staaten diese Mindeststeuersätze festgelegen werden. Die Schweizer Bevölkerung wird hierauf keinen Einfluss haben, genauso wenig wie die Bevölkerungen der meisten anderen Staaten. Wie Gabriel Zucman es als demokratischer Fortschritt verkaufen kann, wenn die G20 anderen Staaten den Gewinnsteuersatz vorschreibt, ist mir schleierhaft, und leider unterlässt es Daniel Binswanger hier kritisch nachzufragen.
Um ein vollständiges Bild über die aktuell laufende Diskussion zu erhalten, wäre es wünschenswert, die Republik würde nun ein Interview mit einem Kritiker der Theorien von Piketty, Seaz und Zucman folgen lassen.
Vielen Dank für den sehr interessanten Bericht, der gut aufzeigt, dass es auch Alternativen zu unserem unsäglichen heutigen System gibt, die gangbar sind. Trotzdem habe ich auch einige Fragen zu den Aussagen von Gabriel Zucman.
Der Zusammenhang zwischen der Gewinnbesteuerung von Firmen und der Einkommensbesteuerung von Firmenbesitzer will sich mir z.B. nicht so recht erschliessen. Nur so ein Gedanke. Was wäre, wenn man die Gewinnsteuer vollständig aufhebt, aber konsequent sämtliche Entnahmen aus einer Firma (Löhne, Kapitalgewinne, Dividenden, ...) besteuern würde?
Der Firmenbesitzer und die Angestellten bezahlten dann für jeden Franken, den sie aus der Firma entnehmen, Steuern, auch progressiv. Und das werden sie tun, denn mit Geld, das in der Firma liegt, können sie ihren Lebensunterhalt nicht bezahlen.
Die Firma als rechtliches Konstrukt braucht kein Geld, aber die Gelder, die in der Firma verbleiben, können dazu genutzt werden, mit Investitionen und Innovationen die Zukunft abzusichern, gesellschaftlich relevante Entwicklungen zu fördern, Rückstellungen für harte Zeiten wie heute zu bilden, und vieles mehr. Ausserdem wäre die heutige zerstörerische Konkurrenzsituation zwischen den Ländern obsolet. Und die Steuern würden dort eingenommen, wo die Menschen, die den Mehrwert schaffen, arbeiten, nämlich durch die Lohnbesteuerung. Ausweichen und Verschieben von Gewinnen unmöglich.
Gewinnsteuern werden in jeder Buchhaltung als Ausgaben verbucht, d.h. sie verteuern das Produkt oder die Dienstleistung jeder Firma. Ohne Gewinnsteuern würden also auch die Preise sinken.
Und natürlich muss auch die Substanz besteuert werden, damit sich Kapital nicht übermässig ansammelt und unproduktiv rumliegt, sondern zielgerichtet dem Zweck dient, für den es erfunden wurde, als Tauschmittel in einer hochgradig arbeitsteiligen Gesellschaft. Die im Bericht genannten Steuersätze auf Vermögen sind gut begründet.
Und um das ganze System auf eine gerechte Basis zu stellen, wäre zusätzlich ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle einzuführen, das die Existenz vom Erwerbseinkommen entkoppelt. Denn eine Garantie auf lebenslange Erwerbsarbeit wird in Zukunft immer unrealistischer. Durch die Mehreinnahmen an Steuern durch das oben beschriebene System wäre das auf jeden Fall zu finanzieren.
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