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Eigentlich plädiert er lediglich dafür, zu akzeptieren, wie unsere Psyche funktioniert. Das ist sowieso überfällig in unserer zunehmend komplexen Welt. Die meiste Zeit stellen wir uns sonst selber ein Bein, wenn wir es nicht tun. Beispiele: +. Das Selbstbild ist notorisch zu positiv. Wir blenden Wahrnehmung aus, die nicht hineinpasst. (Nur bei Depressiven ist es pathologisch umgekehrt). Wir tun alles - zumindest vielzuviel - , um das zu positive Selbstbild zu erhalten, sogar lügen und andere anschwärzen. Deshalb sind wir oft überzeugt, dass andere die Schuld haben und selber man nichts tun kann und nichts falsch gemacht hat. Besonders Männer werden qua Rolle dazu stärker sozialisiert.
2. Besonders wenn man wie beim Klimawandel weiss, dass Handeln angesagt ist, entsteht aber eine "kognitive Dissonanz": "Uff, ich sollte...., aber ich möchte nicht oder tue es zumindest nicht (genug)". Das positive Selbstbild schummelt dann oft das Problem oder unsere Möglichkeiten klein: "Ich kann hier als einzelner Mensch eh nichts tun"! Das heisst dann, man verringert mit nur dieser einen "Entschuldigung" die kognitive Dissonanz und kann das zu hohe Selbstbild erst noch erhalten.
3. Hat man erst einml eine Meinung gefasst, tritt der "Confirmation Bias" auf die Bühne: Wir sind ständig auf der Suche nach Bestätigung unserer Meinung, weil es beruhigend, bestätigend (zu hohes Selbstbild!) und bequem ist. Alle gegenteiligen Informationen werden viel schlechter aufgenommen und gespeichert. So ist man am Ende überzeugt, "ehrlich und mit völliger Offenheit" sich informiert zu haben und gründlich nachgedacht zu haben. Und dass es eben "nicht anders geht". Ein Mittel, Letzteres zu bestätigen liegt wie Foer sagt, darin, in entweder-oder zu denken: Wenn man nicht völlig vegan lebt und zwar subito, kann man gleich jede Anstrengung lassen. Es ist wie bei den viel zu hohen unrealitischen Neujahrsvorsätzen. Mittelwege sind dann disqualifiziert. Obschon psychologisch es nie funktioniert ohne Mittelwege. Mittelwege sind aber unbeliebt, weil man die gefestigte und Selbstwahrnehmung stabilisierende Meinung teilweise verlassen muss und erst noch zugeben muss, dass man "den perfekten Weg" nicht schafft. Dann betont man lieber, wie "schwach das Fleisch halt ist" und bestätigt sich gegenseitig im "nichts tun können". Dabei bestätigt man erst noch die Zugehörigkeit zu einer "Ingroup", welche den Menschen genauso wichtig ist wie das Selbstbild.
Alle diese Hindernisfaktoren gilt es auszuschalten, um Handeln für den Klimawandel zu erreichen.
Der erste Schritt ist, diese Wirkmechanismen zu kennen. Bildung, Wissen, Verständnis - Wir sind so, Alle!
Dann wird man sie plötzlich bei sich selber erkennen - und auch das unangenehme Gefühl dabei zulassen - und das wird dann das Selbstbild ankratzen - was man ja gar nicht gerne hat! Nun entseht aber Druck, sich nicht vor sich selber allzu lächerlich zu machen. Das kann konstruktives Handeln auslösen/fördern. (Männer müssen gegen ihre Sozialisation dazu noch die Hürde nehmen, dass dies keine "Kränkung" und Schwächung der Männlichkeit ist).
Wenn dieses Wissen nicht bald einmal Allgemeingut wird (allein Christliche Werte oder was immer an Werten werden da absolut nichts ausrichten, denn sie können auch zur Selbstbilderhöhung benutzt werden), werden wir uns in dieser unübersichtlich werdenden globalen Welt eh bald einmal wieder die Köpfe einschlagen, weil wir unter Umständen überfordert sein werden, strikt den demokratischen Strukturen verpflichtet zu bleiben.
Alle diese Hindernisfaktoren gilt es auszuschalten, um Handeln für den Klimawandel zu erreichen.
Der erste Schritt ist, diese Wirkmechanismen zu kennen. Bildung, Wissen, Verständnis - Wir sind so, Alle!
Welche Schritte bedarf es noch? Ihre Expertise dazu nähme mich sehr wunder.
Selbsterkenntnis und Verständnis für Andere ist immer der erste Schritt zum Besseren - oder die Voraussetzung dazu. Die nächsten Schritte wären - wie bei baby steps - das Üben. Das auch ein Experimentieren ist, ein Scheitern und besser scheitern, ein Umfallen und unverzagt wieder aufstehen. Und warum nicht, als Gemeinschaft sich als Übungsgemeinschaft sehen, die sich gegenseitig auffangen und unterstützen. Erst als eine solche Übungsgemeinschaft schaffen wir "einen Sprung für die Menschheit".
Letztlich um das Entlernen oder Entwöhnen und gleichzeitige Lernen und Einüben neuer Gewohnheiten.
Gehen ist im Grunde ein ständiges Fallen, das durch den nächsten Schritt aufgefangen wird.
Ich würde etwas nüchterne Worte bevorzugen: "Die Menschheit" muss es ja nicht unbedingt geben, es wäre lediglich schön für diejenigen, die geboren werden, wenn sie ein möglichst gutes Leben hätten und dabei nicht die Natur und andere kaputtmachen. Wir haben uns nicht selber erfunden und gemacht, das waren evolutionäre Kräfte, die wir nie ganz verstehen werden können. Wir haben lediglich einen gewissen Spielraum, wie das für uns abläuft. Es gibt Zeit vor uns und Zeit nach uns, ganz pragmatish.
Zu Ihrer Frage: Es ist ein dynamische "Selbstläufer-Prozess". Menschen wollen "dazugehören", wie ich erwähnt habe. Wenn also immer mehr Menschen die Erkenntnis der ganz normalen psychologischen "Selbstüberlistung" haben und dementsprechend dagegen zu handeln lernen, oder sie zumindest etwas zu bremsen, werden viele weitere diesem Handeln folgen, ganz einfach, weil sie dazugehören wollen. Und weil es sich tatsächlich besser und nachhaltiger gut anfühlt, etwas Gutes für die Welt zu tun, wie Foer es schildert. Dahin muss man eben aber erst kommen.
Toller, lehrreicher Thread hier. Vielen herzlichen Dank!
Vielen Dank, R. P., sie sprechen mir aus der Seele!
Es ist, als würde man erwarten, gleich mit dem ersten Schritt bereits am Ziel zu sein. Doch geht es vor allem darum, sich zuallererst auf den richtigen Weg zu machen. So simpel es klingt: Der Weg ist das Ziel. Transformation ist ein Prozess und kein plötzliches Umschlagen in einen anderen Zustand (1/0, Entweder/Oder).
Oft begeht man den sog. Nirvana-Fehlschluss oder Trugschluss der perfekten Lösung, der etwas "Wirkliches oder Realisierbares mit einem unrealisierbaren modellhaften Ideal vergleicht" und angesichts der Urealisierbarkeit auch das Realisierbare ablehnt.
Oft dient der Vorwurf der Heuchelei nicht nur dazu, die eigene Schuld - früher hätte man auch gesagt Sündhaftigkeit - zu projizieren: "Die meinen, sie seien etwas Besseres, doch seht mal, wie sie scheitern, wie falsch sie sind". Sondern zugleich das eigene Nichts-tun zu entschuldigen: "Ja, wenn es anderen nicht möglich ist, dann muss ich es erst gar nicht versuchen".
Begleitet wird es oft - wie sie richtig schreiben - mit dem Gefühl der Ohnmacht und der daraus folgenden Resignation: "Ich kann hier als einzelner Mensch eh nichts tun!". Und der daraus sich nährenden Ressentiments. Manche sehen darin ihren Pessimismus - "Es wird nie besser, alles nur schlechter" - bestätigt. Zynismus ist dann der reaktive Nihilismus, der nur die eigene Ohnmacht verdeckt und in der einzig verbliebenen, aber illusorischen Macht besteht, andere schlecht zu machen: "Alles ist eitel! Alles ist vergeblich! Alle sind schlecht!"
Nie wird eine Seilschaft auf den Gipfel gelangen, wenn sie sich gegenseitig herunterziehen, sondern nur, wenn alle am selben Strick ziehen und sie sich gegenseitig unterstützen.
Spannend wäre auch die Psychologie des Rebound-Effekts: 'Einsparungen durch effizientere Technologien dienen dann zur moralischen Selbstlegitimierung (moral licensing) von zusätzlichem Konsum'. So "dass Menschen ohne Schuldgefühle eine schlechte Tat vollbringen können, wenn sie zuvor eine gute Tat getan haben". Und so jegliche Bemühungen und erreichten Erfolge konterkarieren und unterminieren. Oder, wie sie sagen, uns selber ein Bein stellen.
Purer Hedonismus? Sind wir schlicht lustgesteuerte Lebewesen, deren Begehren unendlich ist, so dass unsere Bedürfnisse nur in den Himmel wachsen können? Ist das unsere Hybris?
Doch auch bei Epikur, dem Hedonismus nachgesagt wird, ging es um die vernünftige Mässigung der Lust.
So, genug des Fragen-Bombardements.
„Deshalb sind wir oft überzeugt, dass andere die Schuld haben und selber man nichts tun kann und nichts falsch gemacht hat. Besonders Männer werden qua Rolle dazu stärker sozialisiert.“
War sicher einmal so. Mittlerweile bin ich als Mann sowieso an allem Schuld.
Ansonsten sehr gute Überlegungen liebe R. P..
Der "Prozess des Verlustes" darf durchaus in vielfacher Hinsicht als "Prozess des Gewinnens durch Verlust" betrachtet werden. Gerade auch bei der Mobilität. Andere Menschen und Kulturen kennen lernen kann ich auch in der näheren Umgebung...Zugdistanz. Und über Sarawak oder Sansibar erfahre ich sowieso viel mehr aus einer Fernsehreportage, denn als Tourist.
Und wie viel gemütlicher und erholsamer ist eine Zugfahrt mit der Furka- Oberalpbahn.
Danke für dieses unaufgeregte, Mut machende Interview!
Zu empfehlen ist auch die interface-Reihe der Fachhochschule Nordwestschweiz in Brugg-Windisch mit dem Titel "Klimawandel - Klimakrise - Klimahoffnung": https://www.fhnw.ch/de/die-fhnw/hoc…-interface. Das erste Podium vorgestern zum Thema "Klimawandel in der Schweiz - Vergangenheit und Zukunft" mit Stefan Brönniman, Uni Bern war ein viel versprechender Start in die neue Reihe!
es muss auch nicht entweder oder sein: nur wenig fleisch, ein ei die woche (und nicht noch zwei für dem pfannkuchen und zwei fürs schoggimousse), milch ist sowieso nur für die kinder, sparsam mit der butter und dem rahm. so in etwa. schön ist auch, sich auf besonderheiten beim essen zu freuen, der braten am sonntag so wie früher, erdbeeren im sommer - im zeitalter des 'alles-haben-können'.
Liebe Frau B., da bin ich sehr mit Ihnen einverstanden. Ich versuche momentan, nur Schweizer Gemüse zu essen - also keine Peperoni auf die Pizza, kein fancy mediterranes Auberginenmenü. Dadurch entdeckte ich aber, was es in der Schweiz für spannendes Wintergemüse gibt. Statt ein Verzicht ist es viel eher eine Entdeckung - die nichts mit Patriotismus, sondern einfach mit nachhaltigem Konsum zu tun hat.
genau, frau W. und die entdeckungen gehen weiter, weil im sommer anders gekocht werden sollte als im winter, im frühling anders als im herbst. das ist eine abwechslung, die spass macht und fordert und unseren körperbedürfnissen entspricht. so wie wollsocken im winter und barfuss im sommer. und als konsumentin können wir schlussendlich bestimmen, was wir kaufen wollen. wenn niemand mehr erdbeeren kauft im winter, werden sie irgendwann auch nicht mehr angeboten (sorry für das immer gleiche beispiel mit den erdbeeren).
Als würden wir in einen Laden gehen und einen Artikel sehen, den wir haben wollen: Welchen Aufwand müssen wir betreiben, damit wir ihn nicht einfach klauen? Einen sehr kleinen! Wir müssen uns in diesem Moment nicht den Gesellschaftsvertrag ins Gedächtnis rufen und brauchen auch keine starke emotionale Verbindung zum Ladeninhaber. Sondern du stiehlst nicht, weil du einfach nicht stiehlst – du bist eben kein Dieb. Genauso müssen wir Menschen werden, die den Planeten nicht bestehlen, und zwar nicht deshalb, weil wir diese starken Gefühle empfinden, sondern weil es zu dem gehört, wer wir sind.
Warum ist es trotzdem für viele Leute so schwer, den Planeten nicht zu «bestehlen»?
Weil wir nicht gewohnt sind, auf diese Weise zu denken.
Ein wichtiger Faktor fehlt für mich in dieser Gleichung. Wenn (z.B. von der Polizei) auf allen Kanälen Werbung gemacht würde, dass es gut/cool/sexy sei, in dem Laden zu stehlen und selbst wenn man erwischt würde beim Stehlen, müsste man den Preis nicht zahlen, sondern nur eine Busse (an die Polizei), die wesentlich günstiger wäre als der eigentliche Preis, dann würden wohl einige mehr Menschen zu Dieben werden.
Unser Gesellschaftsvertrag mit dem Laden beruht nicht nur auf Gewohnheit, Religion und Gewissen, sondern zusätzlich auf knallharten Regeln mit Überwachungskameras und Konsequenzen. Das ist ein riesiger Unterschied, nicht?
Lieber Samuel Blatter, ich gehe mit Dir einig, dass unsere Gesellschaft und unser soziales Verhalten auf beidem beruht: Charakter und (Anreiz-)Struktur. Beide sind ja via Sozialisierung und Habitualisierung verschränkt.
Worauf Foer aufmerksam macht, ist m. M. n. der Unterschied zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik. Mit der Gesinnung oder dem Ethos ist man aus Selbstverpflichtung gegenüber seinen Werten und Prinzipien intrinsisch motiviert etwas zu tun oder zu unterlassen. Das Motiv zu stehlen kommt damit erst gar nicht auf. Es gehört zu deiner Identität oder zu deinem Habitus.
Mit der verantwortungsethischen Frage, welche Konsequenzen eine Handlung haben könnte, ist es vorstellbar, dass jemand aufgrund der Situation, Bedürfnissen oder positiven Anreizen, trotz social contract das Motiv zu stehlen hat. Aber aufgrund externer Gründe - Gesetze, Überwachung, negative Anreize wie Sanktionen oder Mitleid - das Stehlen unterlässt. Und daher "gut" erscheint. Dem Unterlassen ging jedoch ein (utilitaristisches) Kalkül voraus. Das je nach Situation mal so, mal so ausfallen kann. Und ja, die Wirtschaftsordnung fördert entsprechend der Bienenfabel solche egoistische Kalküle: Private Vices, Publick Benefits oder die unsichtbare Hand.
Was Foer also fordert, sind weniger neue Gesetze, Sanktionen oder emotionale Botschaften, sondern vielmehr neue gesellschaftliche Normen, Werte und Selbstbilder. Wobei beides Hand in Hand gehen kann. Das Problem ist nur, "dass das Alte stirbt und das Neue nicht zur Welt kommen kann" (Gramsci). Die neue Gesinnung bedarf also noch der Aufklärung, Vorbilder, Arbeit an einem Selbst, gemeinsames Einüben von "Tugenden" und, ja, wohl auch eines gewissen Charismas oder Ausstrahlung.
Der Unterschied ist: Diebstahl ist verboten. CO2 Emmission hingegen ist staatlich subventioniert und steuerlich absetzbar. Unser Staat fördert den Klimawandel, und das an vielen Fronten.
Foer behauptet
Der Grossteil der Flugreisen ist entweder berufsbedingt oder erfolgt zwar aus persönlichen Gründen, aber nicht als Freizeitvergnügen, sondern etwa um einen kranken Verwandten zu besuchen.
Zumindest die Angaben für Deutschland bei der Zeit lassen mich aber eher etwas anderes glauben:
Um Zeit zu sparen, entscheiden sich vor allem Geschäftsreisende für das Flugzeug, könnte man denken. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft fand in einer Verbraucherumfrage aus dem Jahr 2018 aber heraus, dass tatsächlich nur elf Prozent der Befragten geschäftlich fliegen.
Dass dann von den anderen 89 Prozent nicht die Mehrheit vorwiegend zum Vergnügen fliegt fällt mir schwer glauben. Sieht das in den USA derart anders aus?
Liebe(r) Anonymous, vielen Dank. Es gibt tatsächlich beträchtliche Unterschiede zwischen den Ländern, was wiederum auch nicht verwunderlich ist, wenn man die Grössenverhältnisse bedenkt. Die Distanzen in den USA sind ja ungleich grösser, das Bahnnetz hingegen deutlich weniger ausgebaut, als wir das etwa in der Schweiz kennen. So kommen dann Statistiken wie diese hier zustande, nach denen der Anteil von Geschäftsreisen und «non leisure purposes» leicht über den Freizeitreisen liegt. Das ändert aber nichts daran, dass der Anteil von «leisure purpose»-Reisen, also Urlaubs- und freizeitbedingten Flügen, in den letzten Jahren auch in den USA stark zugenommen hat. Worum es Foer meines Erachtens vor allem geht, ist der Hinweis, nicht alle hätten im gleichen Masse die Wahl zu fliegen oder nicht und es gebe zahlreiche Flüge, die nicht aus Ignoranz und Egoismus gemacht würden, sondern aus einer gewissen Dringlichkeit heraus. Deshalb plädiert er für eine weniger rigoristische Auslegung moralischer Regeln, weil er glaubt, dass man damit am Ende mehr erreiche.
Freiwillig gegen den Klimawandel vorzugehen ist etwa gleich aussichtsreich wie freiwillig die Steuern einzufordern.
Vera, 2020
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