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Sehr geehrte Frau Hürlimann, danke für Ihre Beiträge, die ich immer wieder interessiert lese und mir einen Einblick ins Gerichtswesen geben, einer wichtigen Stütze unserer demokratischen Gesellschaft. Mein Bauchgefühl und Gerichtsentscheide decken sich nicht immer und doch muss ich meistens den Urteilen beipflichten, da sie gewissen Regeln und Werten folgen (Rechtssicherheit vs. Willkür). Daher finde ich es wichtig, dass das Thema Rechtsprechung in der Öffentlichkeit besprochen wird. Ihr Kommentar im heutigen Beitrag über den Zuhälter vom Sihlquai, dass es absurd sei den Wunsch zu haben, sich vor krimineller Energie schützen zu wollen, hat mich irritiert. Den Wunsch zu haben finde ich verständlich/natürlich, nur gibt es Grenzen der Wunscherfüllung, nicht alles was machbar ist, soll gemacht werden.
Ich freue mich auf weitere Beiträge von Ihnen.
Sehr geehrter Herr L., auch ich muss ein Kompliment aussprechen, solche Reaktionen wie die Ihre tragen dazu bei, dass wir unsere Arbeit, jedes einzelne Wort unserer Artikel, immer wieder hinterfragen. Ich merke jetzt, dass der Begriff "absurd" in Zusammenhang mit der Nullrisikomentalität wohl zu provozierend ist. Meine Absicht war es, in einer Nebenbemerkung darauf hinzuweisen, dass es im Umgang mit Menschen nie ein Nullrisiko gibt, weder mit Straftätern noch mit solchen, die sich wohl verhalten. Das Strafrecht tendiert dazu, immer mehr in die Zukunft blicken zu wollen, nicht mehr nur vergangene Untaten zu bestrafen. Das bedeutet, dass immer mehr Menschen auf Vorrat eingesperrt bleiben, weil sie vielleicht auch in Zukunft wieder straffällig werden könnten. Aber eben, nur vielleicht. Das sind ganz wichtige gesellschaftliche Themen und Abwägungen, die wir im Auge behalten müssen. In welchem Ausmass nehmen wir die Unfreiheit von Menschen in Kauf, wo sind die Grenzen unseres Sicherheitsbedürfnisses? Mit besten Grüssen, Brigitte Hürlimann
Ich finde den Begriff "absurd" sehr passend ...
Das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung, der (absurde) Wunsch nach Nullrisiko im Umgang mit Straftätern, hat Vorrang.
Ich gebe Herrn L. recht, sowohl was die Berichterstattung aus den Gerichten betrifft, die ich immer spannend und lehrreich finde.
Auch die Sache mit dem Wunsch nach Nullrisiko sehe ich ähnlich: absurd ist nicht der Wunsch an sich. Der ist verständlich, auch wenn er im Vergleich zur Sorglosigkeit, mit der wir in ein Auto steigen, ein irrationales Ausmass hat: die Wahrscheinlichkeit ist grösser, im Verkehr zu Schaden zu kommen als durch ein Verbrechen.
Absurd und illusionär ist aber der Anspruch, der Wunsch nach absoluter Sicherheit müsse erfüllt werden und die mangelnde Bereitschaft, anzuerkennen, dass es Grenzen der Wunscherfüllung gibt. Das kommt mir manchmal wie ein Spiegelbild des Wunsches hinter der kriminellen Energie vor: auch dort fehlt die Bereitschaft, Grenzen anzuerkennen und einzuhalten.
Die Gesellschaft oder zumindest ein Teil davon will die Grenzen des human noch Machbaren nicht aushalten, die Kriminellen sie nicht einhalten. Ein Problem mit den Grenzen ist es auf beiden Seiten.
Ich denke, dass das einen Teil der Attraktivität der Gerichtsberichterstattung ausmacht: man wird bestätigt, dass man selber auf der 'richtigen' Seite jener Grenze ist, die von beiden Seiten her weiter geschoben werden will.
Und man wünscht sich eine Justiz mit Mut und Augenmass, die bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung Rechnung zu tragen, ohne dem illusionären Anspruch stattzugeben. Auch von der 'richtigen' Seite her können Grenzen verletzt werden.
Liebe Frau J., danke für diese Ergänzungen, Sie legen den Finger exakt auf die wichtigen Punkte. Beste Grüsse, Brigitte Hürlimann
Republik AG
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