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Danke für den interessanten Beitrag!
Wenn ich mich richtig erinnere, so müssten alle Schulden und alle Guthaben auf dem Planeten zusammen Null ergeben. Tun sie aber nicht; die Differenz macht etwa 10% aus (gemäss Piketty). Die Erklärung dafür lautet, dass nicht alle Vermögen deklariert werden. Davon ausgehend, dass es wohl nicht die Habenichtse sind, welche zu wenig Vermögen deklarieren, ist zu spekulieren, dass die Lorenz-Kurve wohl noch stärker ausgeprägt ist, als man annimmt.

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Florian Gysin
Software Engineer
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"Gleichzeitig ist ein Mindest­mass an Ungleichheit fördernd für Innovation und Motivation."

Dafür hätte ich gerne eine seriöse Quelle.

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Hier als Beispiel ein wissenschaftlicher Artikel von 2018 zur Auswirkung von Ungleichheit auf die Motivation von Individuen:

https://onlinelibrary.wiley.com/doi…jopy.12432

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Florian Gysin
Software Engineer
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Danke schön, schaue gerne rein sobald ich mir Zugriff organisiert habe.

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Informatik-Ingenieur und Ökonom
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· editiert

Betrachtet man das durchschnittliche Einkommen der fünf genannten Länder (Slowakei: 17'600$/Jahr, Italien: 31'953$/Jahr, Frankreich: 38'477$/Jahr, Schweiz: 80'190$/Jahr, USA: 59'532$/Jahr), fällt auf, dass dieses in der Regel mit mehr Ungleichheit einhergeht. Dies könnte darauf hindeuten, dass starke Umverteilung die Leistungsfähigkeit eines Landes schwächt und so zu sinkenden durchschnittlichen Einkommen führt. Die Frage, die man sich demnach als Gesellschaft stellen muss, ist: leben wie lieber in einem Land, in der jeder 100 hat, oder in einen Land, in dem ein paar wenige 1000 haben und alle anderen 110? (Das Ideal liegt wohl irgendwo dazwischen, aber eine objektive Methode, dieses festzulegen, sehe ich nicht.)

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Lieber Herr M., sie sprechen hier den Zusammenhang zwischen ökonomischem Wachstum (bzw. Einkommen) und Ungleichheit an. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es dazu keine klare Antwort. Lange wurde tatsächlich davon ausgegangen, dass die gesamte Gesellschaft von Spitzenverdienern und Spitzenvermögen profitiert. Für diese Idee steht das Bild "a rising tide lifts all boats", das durch eine Rede von John F. Kennedy von 1963 bekannt wurde. Empirische Studien der letzten Jahrzehnte waren nicht schlüssig - einige fanden einen negativen Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Ungleichheit, andere das Gegenteil. Nach dem aktuellen Stand der Forschung scheint es, dass eine hohe Ungleichheit langfristig schädlich ist für das Wirtschaftswachstum, das ist zum Beispiel auch die Position der OECD.

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Informatik-Ingenieur und Ökonom
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Dass es keine klare Antwort gibt, überrascht mich nicht. Intuitiv kommt es nämlich stark darauf an, woher die Ungleichheit kommt. Wenn die Ursache darin liegt, dass das System nicht fair ist, dann misst die Ungleichheit einen Missstand. Ein Beispiel wäre Saudi-Arabien mit seinen extrem ungleich verteilten Ölvorkommen. Wenn die Ursache aber darin liegt, dass es die Rahmenbedingungen grossen Talenten erlauben, ihr volles Potenzial zu entfalten, dann ist die in der Statistik sichtbare Ungleichheit Symptom von Erfolgsgeschichten. Hier denke ich an Personen wie Peter Spuhler, denen es gelungen ist, ein grosses und erfolgreiches Unternehmen aufzubauen. Der Schluss daraus für mich ist: nur weil wir eine höhere Ungleichheit haben als Frankreich, heisst das nicht, dass unser System weniger gerecht wäre als das französische. Ich würde jedenfalls nicht tauschen wollen. :)

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Ein Zusammenhang ist wahrscheinlich, es ist jedoch immer Vorsicht geboten, wenn daraus Kausalitäten abgeleitet werden.

Der Durchschnitt wird von sehr grossen Einkommen (Ausreissern). stark beeinflusst, ist also bei grösserer Ungleichheit immer weniger repräsentativ. Hier bietet es sich an, auch den Median zu betrachten.

Wenn alle 100 haben, wird auch der Durchschnitt etwa 100 sein. Haben aber wenige 1000, wird der Durchschnitt vielleicht auf 110 angehoben – die anderen haben aber immer noch «nur» 100.

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Informatik-Ingenieur und Ökonom
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Die beobachtete Reihenfolge (CH, USA, F, I, SVK) besteht auch dann noch, wenn man den Median anstatt des Durchschnitt betrachtet. Vgl: https://de.wikipedia.org/wiki/Mittleres_Einkommen

Die Frage stellt sich also tatsächlich so, wie ich sie formuliert habe: sind wir bereit, enorme Ungleichheit zu tolerieren, wenn dafür alle ein bisschen mehr haben?

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Das durchschnittliche Einkommen verschiedener Länder ist insofern trügerisch, als es die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten nicht berücksichtigt.

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Wieso hat dann die Schweiz ("trotz" geringerer Ungleichheit) ein doppelt so hohes Durchschnittseinkommen wie die USA? Offenbar gibt es noch viel wichtigere Faktoren. Gemäss Prof. Hintermann (Uni Basel) gibt es keine wissenschaftlich fundierte Haltung pro/contra Umverteilung, wenn mensch sich diverse Studien ansieht.

Ausserdem finde ich den Wohlstand breiter Bevölkerungsschichten und insb. der ärmsten viel relevanter.

Eine Überlegung aus praktischer (Informationsverwertungs- und Medienkompetenz-) Perspektive: Hätte Ihre These ausreichend wissenschaftliche Unterstützung, so würden uns das FDP und SVP sicher häufiger unter die Nase reiben (was sie nicht tun).

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Informatik-Ingenieur und Ökonom
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Die FDP und SVP haben diese These durchaus in ihrer Wertehaltung verinnerlicht. Wenn beispielsweise gesagt wird, "Leistung muss sich wieder lohnen", wird damit impliziert, dass zu viel Umverteilung dazu führt, dass die Leute weniger leisten, als sie könnten, und damit auch das Wirtschaftswachstum hinter dem Potenzial zurückbleibt.

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Wer bezahlt - in absoluten Zahlen - wie viel Steuern ? Gibt es auch eine "Lorenzkurve" der Steuerleistungen (zB. Bundessteuer)? Wie würde diese aussehen?

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Jede Verteilung kann grundsätzlich als Lorenzkurve dargestellt werden. In einem progressiven Steuersystem sind die absoluten Steuern sehr ungleich verteilt, das ist politisch so gewünscht. Bei der direkten Bundessteuer, wo die Progression sehr stark ist, bezahlen die 10% besten Steuerzahler 79% der Steuern. Die 1% besten Steuerzahler 41% (Zahlen von 2015 der eidgenössichen Steuerverwaltung). Darum hat die direkte Bundessteuer einen starken umverteilenden Effekt. Bei den Steuern von Gemeinden und Kantonen ist die Ungleichheit der absoluten Steuerbelastung (und die Umverteilung) allerdings geringer, da Gutverdienende und Reiche meist in Gemeinden und Kantonen mit einer geringen Steuerbelastung wohnen.

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Die progressiven Steuern haben weniger einen umverteilenden, sondern vielmehr einen rückverteilenden Effekt. Denn jeder Franken, den jemand verdient, muss irgendwie erarbeitet werden.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

Die Diskussion erinnert mich an das sog. „Differenz-Prinzip“, das der Philosoph John Rawls in seiner Theorie der Gerechtigkeit und des politischen Liberalismus formulierte :

Soziale und ökonomische Ungleichheiten müssen zwei Bedingungen erfüllen: erstens müssen sie mit Ämtern und Positionen verbunden sein, die unter Bedingungen fairer Chancengleichheit allen offenstehen; und zweitens müssen sie den am wenigsten begünstigten Angehörigen der Gesellschaft den größten Vorteil bringen.

Dieses wiederum erinnert an die Trickle-down-Theorie des Neoliberalismus (Reagonomics). Doch ist sie nicht damit gleichzusetzen, sondern müsste richtiger Diffuse-up-Theorie heissen. Die Frage nämlich ist, wer den „grössten Vorteil“ erhält und relativ zu was: Die unteren Perzentilen oder die obersten. Denn in beiden Fällen kann man ingesamt von einer Rising Tide sprechen.
So gibt es verschiedene Szenarien der Ungleichheit, die sich anhand der Scheren-Metapher illustrieren lässt:

  • Die obere Klinge geht hinauf, die untere bleibt.

  • Die obere Klinge geht hinauf, die untere Klinge auch (Rising Tide-Theorie).

  • Die obere Klinge geht hinauf und die untere hinab (eigentl. Schere von Arm und Reich, inkl. erhöhter Abwärtsmobilität).

Bei letzterem ist die Ungleichheit nicht nur im Liberalismus nach Rawls ungerechtfertigt, sondern - nach anfänglicher Tolerierung - oft auch in der Wahrnehmung von immer mehr und mehr Menschen. Und dies bereits, wenn sie - gerade jene aus dem Mittelstand - nicht selbst unmittelbar betroffen sind, sondern die Wahrscheinlichkeit des sozialen Abstiegs und nachfolgenden Statusverlusts höher erscheint - und die Angst davor entsprechend grösser ist.

So gibt es ein Absinken der Einkommensanteile der unteren 50% seit den 60ern bzw. 80ern für die Schweiz.

  • USA: Von 20% auf 12.5%

  • D: Von 30% auf 17%

  • CH: von 27.5% auf 25.6%

Wobei für die USA und D im Vergleich mit den oberen 10% oder 1% deutlich eine Schere sichtbar ist (jemand kommt also - um das Beispiel von Herr M. zu benutzen - nur weil der andere nun 1000 hat, nicht von 100 auf 110, sondern auf 90). Mit der Ausweitung der sozialen Konflikte als Folge. In der Schweiz hingegen ist aus gewissen Gründen keine so extreme Einkommens-Schere zu verzeichnen. (vgl. Artikel).

Anders wiederum sieht es traditionell beim Vermögen aus. Dem würde auf lange Sicht wohl einzig eine Erbschaftssteuer Abhilfe schaffen.

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«Zweitens ist in der Schweiz – wie in Deutschland – die Eigentümer­quote relativ gering, was mit einer grossen Ungleichheit einhergeht.»
Ist hier die Hauseigentümer­quote gemeint?

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Danke für den Hinweis, ja es handelt sich um die Hauseigentümerquote.

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Hallo Herr S., auch von meiner Seite ein Dank für den Hinweis, wir haben die Aussage mittlerweile präzisiert.

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Ich möchte den Soziologen vorschlagen anstelle der Lorenz-Kurve und dem Gini-Index, die fraktale Dimension nach Benoit Mandelbrot anzuwenden, weil darin das geografische Wohlstandsgefälle zum Ausdruck kommen würde, was wahrscheinlich für die Sozialverträglichkeit wesentlich wichtiger ist, als der Gini-Index.
Mandelbrot ist der Begründer der fraktalen Geometrie. Eine Linie (z.B. eine Küstenlinie) ist für ihn nicht eindimensional, sondern hat je nach Verlauf eine fraktale Dimension zwischen 1.0 (Gerade) und ≤ 2.0. Wir leben in Wirklichkeit auf einer Oberfläche die eine fraktale Dimension zwischen 2.0 (Ebene) und ≤3.0 hat. Bei 2.3 haben
wir eine Hügellandschaft und bei 2.6 wird es schon gebirgig. Man kann mit dem Computer über diese Dimension beliebige Fantasielandschaften berechnen und dies wird in der
Filmindustrie mit Erfolg angewendet. Für einen gewissen Dimensionsbereich erscheinen uns die so generierten Landschaften vertraut, aber bei Dimensionen über 2.7 wirken sie schroff und unheimlich.
Analog zu geografischen Landschaften lässt sich auch für eine Wohlstands- oder Entropie-Landschaft die fraktale Dimension berechnen. Für die Lebensqualität ist
wahrscheinlich diese Dimension bedeutend wichtiger als der Mittelwert dieser Grössen. Unter dem Wert 2.1 ist es zu langweilig über 2.7 wahrscheinlich unerträglich.

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Interessanter und lesenswerter Artikel - merci!
Eine kleine Anmerkung zu "Die Lorenzkurve wird in den Wissenschaften häufig verwendet." - die Lorenzkurve ist für die Sozialwissenschaften sehr wichtig - in den Naturwissenschaften spielt hingegen die LORENTZ-funktion (nach Hendrik Antoon Lorentz), die u.a. zur Beschreibung von Resonanzphänomenen in der klassischen Physik, der Teilchenphysik und der Spektroskopie dient, eine zentrale Rolle - das sollte mensch vielleicht auseinander halten.
liebe Grüsse

Daniel

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Die Lorenzkurve zeigt die Ungleichheit zu einem gewissen Zeitpunkt. Mich würde aber auch der zeitliche Verlauf der Ungleichheit interessieren. Man hört ja immer wieder, dass die Reichen immer reicher werden und die Armen nicht vorwärtskommen. Würde eine Darstellung von mehreren Lorenzkurven verschiedener Zeitpunkte Sinn machen, um diese Aussage zu analysieren?

Ich frage mich ferner, warum eigentlich mit der Lorenzkurve nur die relative Verteilung von Einkommen und Vermögen dargestellt wird. Eine absolute Darstellung würde doch viel anschaulicher zeigen, wie wahnsinnig hoch eigentlich die Werte beim reichsten Dezil sind. In Kombination mit zeitlich verschiedenen Kurven würde man mit einer absoluten Darstellung viel besser sehen, in welchem Ausmass Einkommen und Vermögen bei den ganz Reichen wachsen.

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