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Auch den zweiten Teil des Gesprächs von Daniel Binswanger habe ich mit grossem Interesse gelesen. Besten Dank für dieses äusserst lesenswerte Stück! Spannend sind die Unterschiede der Einschätzungen von Geoffroy de Lagasnerie und Didier Eribon zur Rolle des Staates und zu jener der kritischen Intellektuellen. Obwohl ich näher bei Eribon bin, scheint mir sehr wichtig zu sein, was de Lagasnerie gegen Ende des Gesprächs sagt: Wir sollten nicht nur von der vermeintlichen Durchschlagskraft der Rechten und Rechtsextremen sprechen, sondern erkennen, dass sich auch Chancen für eine gesellschaftlich-politische Entwicklung nach links abzeichnen: Sollte - was absehbar ist - Theresa May in Grossbritannien scheitern, dann könnten dort Neuwahlen kommen, mit einer starken Möglichkeit eines Sieges von Labour und Jeremy Corbyn. Und was wissen wir, wie lange sich Trump noch halten wird? Es geht nicht darum, in Zweckoptimismus zu machen, sondern zu erkennen, dass die Welt veränderbar ist - und es auch auf uns ankommt!
Da hat sich der Rücken beim Lesen gleich aufgerichtet und die denkerischen Frühstücksrealien regen an jetzt mit offenen Augen und gefülltem Puls ins Tram zu steigen. Die von mir gestern von Daniel Binswanger erwartete Rezension der geäusserten Ideen im ersten Teil des Interviews, haben Didier Eribon, Edouard Louis und Geoffroy de Lagasnerie heute gleich selbst geliefert. La Suisse est-ce qu'elle existe dans ce discours?
Eribon:"Aus meiner Sicht bedeutet Intellektueller zu sein, sich ausserhalb der Orte der Macht zu situieren. " Nein, vor allem, ausserhalb der Orte der Ideologie. Die Herren hier wollen die Linke kritisieren, kommen aber auch im 2. Teil nicht einmal in die Nähe einer neutralen, objektiven Betrachtung. Ausser einmal, indem gesagt wird, dass die Suche nach homogenen und alles erklärenden Vorgängen in der Geschichte keinen Sinn mache und eine Versimpelung sei. Es wird dann angefügt, es gäbe noch keine Lösungen, mit verschiedensten, sich widersprechenden gleichzeitigen Vorgängen umzugehen. Nicht?? Haben die nicht einmal die Werke des klassischen Liberalismus gelesen? Oder wenn doch, die Kernaussagen nicht verstanden, weil die zuwenig intellektuell aufgeblasen daherkommen? Das konkrete politische Handlungsangebot heisst: Pragmatismus! Die grösstmögliche Freiheit des Einzelnen mit Hilfe des Staates, der dafür sorgt, dass die Bedigungen auch für die Schwächeren fair werden/bleiben. Im 21. Jh. heisst dies auch, dass die Hierarchien möglichst flach bleiben, aber dass dies nur garantiert werden kann durch funktionierende Institutionen, die in Balance auch mit starken föderalistischen Strukturen gegen einen allzu starken Parlamentarismus wirken. Es muss verhindert werden, dass sich allzu abgehobene Eliten bilden können. Und als Erstes muss natürlich in Frankreich der Machtbereich des Präsidenten verkleinert werden, er ist ja immer noch etwas wie ein K. Daran würde auch ein Mélenchon nichts ändern, es liegt im System. Deshalb sind auch die starken Protesttraditionen entstanden, die immer wieder alles blockieren können. Das ist ein widersinniges Geschehen: Man will symbolartig einen K. (noch nie eine Königin!) was sehr retro ist, und dazu kompensationsartig eine links-revolutionäre Tradition, um für alle, was er entscheidet, auf die Strasse zu gehen. Das macht den Staat zunkunftsunfähig, weil handlungsunfähig. DAS sollten die (Links-)Intellekutellen anschauen.
Doch, ein Mélenchon könnte etwas daran ändern, denn er fordert eine Abkehr von den feudalistischen Strukturen der V. Republik. Das bedeutet: eine grundlegende Veränderung des französischen Staates! Mit dem von Ihnen offenbar bevorzugten Pragmatismus kommt man / frau da nicht weiter!
Wenn Mélenchon die eigene präsidiale Macht als Erstes beschneiden würde, könnte er tun, was ich für wünschenswert pragmatisch halte. Es ist einfach fraglich, ob er das tun würde, genauso wie Macron es ja auch tun wollte. Dieser Veränderungsprozess braucht wohl eine Generation. Ein De Lagasnerie könnte das noch erkennen mit der Zeit, wenn er an seinen Grundüberlegungen dranbleibt, denke ich. Revolutionen sind nicht zielführend und nicht wünschenswert, weil sie einen Staat viel zu sehr destabilisieren, daruas erwächst für lange Zeit neues Chaos und Unrecht, weil keine stützenden pragmatischen Balances mehr bestehen. Der ganze erst innerhalb der letzten ca 70 Jahre erworbene Wohlstand des Westens beruht auf demokratische Stabilität, auch wenn er noch nicht gerecht genug verteilt ist, braucht es dazu "Finetuning" und nicht den Holzhammer.
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