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Titel und Aufmachung meines heutigen Beitrages in der «Republik»-Redaktion stimmen nicht mit dem Inhalt meines Beitrages überein. Ich weise darauf hin, dass der deutsche Schriftsteller Martin Walser mit dem Wortbild «Nazi-Keule» «eine perfide Täter-Opfer-Verkehrung» vornahm. Ich sage, dass die «Nazi-Keule» «zur Chiffre für einen als Meinungsfreiheit kaschierten Geschichtsrevisionismus» mutiert ist. Das ist für mich nicht, wie im redaktionellen Kommentar unterstellt wird, eine Frage, sondern eine deutliche Feststellung. Ich würde nie für ein (Zitat «Republik»-Lead-Text) «differenziertes ‘Lob der Nazi-Keule'» plädieren. Mir geht es um einen differenzierten Umgang mit Nazi-Vergleichen, was eben gerade nicht dasselbe ist.
Nachtrag: Die Redaktion hat den Titel soeben geändert. "Kritik der Nazi-Keule" trifft den Inhalt meines Beitrages, was alle nachvollziehen können, die ihn lesen. Vielen Dank für die prompte Reaktion. Bleibt die missglückte Präsentation im Rundbrief von heute morgen.
Lieber Jakob, liebe Leserinnen,
Die Redaktion möchte zur Titel-Korrektur kurz Stellung beziehen. Wir haben einen Fehler gemacht und sind deshalb der Aufforderung zur Korrektur sofort nachgekommen. Wir bedauern den Vorfall. Als betreuender Redakteur sollte ich kurz erklären, wie es dazu gekommen ist.
Es ist offensichtlich, dass in dem Text eine scharfe und konzessionslose Kritik des Begriffes "Nazi-Keule" vorgetragen wird, dies sollte durch den Titel nicht relativiert werden. Gleichzeitig entwickelt der Text ja auch die These, dass bestimmte Formen des Nazi-Vergleichs wichtig und legitim sind. Er setzt sich also für bestimmte, der notwendigen Differenzierung genügende Nazi-Vergleiche ein und damit, so könnte man überspitzt sagen, für den richtigen, legitimen Einsatz der "Nazi-Keule". Das war unsere Überlegung hinter diesem sehr pointierten Titel.
Die Kritik, dass das eine zu gewagte Überspitzung ist, leuchtet uns jedoch ein. "Nazi-Keule" ist ein so aufgeladener Begriff, ein so penetranter politischer Marker, dass es missverständlich werden kann, wenn man ihn in einem Titel gegen den Strich gebürstet verwenden will. Wir hoffen, dass das Missverständnis jetzt ausgeräumt ist und dass der konzentrierten Lektüre dieser aus meiner Sicht exzellenten Analyse nichts mehr im Wege steht.
Herzlich, Daniel Binswanger
«Nie wieder!» setzt ja gerade voraus, dass etwas singuläres sich in abgewandelter Form wieder-holen könnte. Also, um T. Ausführungen auf eine kurze Formel zu bringen: Nazi-Vergleiche, um zu lernen, Ja. Nazi-Vergleiche, um zu dämonisieren, Nein.
Herr T., ich destilliere für mich aus Ihrem Artikel Folgendes - bitte korrigieren Sie mich, wenn Sie nicht einverstanden sind:
Wenn sich Parteien mit faschistoiden Elementen bilden, können sie den Anspruch erheben, ihre demokratischen Rechte wahrzunehmen und bei Erfolgen an der Urne in die Regierungsverantwortung genommen zu werden.
Wenn Parteien mit faschistoiden Elementen nach Umberto Eco an einer Regierung beteiligt werden, auch auf demokratischem Weg, besteht die Gefahr, dass sie demokratische Grundsätze irreversibel aushebeln. das ist belegt, weil schon passiert, mindestens einmal. Allerdings kann es auch sein, dass das nicht passiert, sei es, weil sie es nicht versuchen oder weil es nicht gelingt.
Wenn Parteien mit faschistoiden Elementen eine Regierung beherrschen, können Verbrechen gegen die Menschlichkeit, bis hin zu organisiertem Massenmord, geschehen. Belegt, weil es ist mehrmals passiert. Muss aber nicht. Hitler und Antonescu haben Holocaust begangen, Mussolini und Franco haben die Juden in Ruhe gelassen.
Wo sollen wir jetzt die Grenze setzen? Grundsätzlich setzt sich die Möglichkeitskaskade in Gang, sobald eine Partei mit einzelnen faschistoiden Elementen nach Eco sich bildet. Also müssten solche Parteien verboten werden. Ich befürchte, da schüttet die Demokratie das Kind mit dem Bade aus und wird selber totalitär. Aber auch Regierungsbeteiligungen von Parteien, die Elemente von Ecos Definition aufweisen, zu verbieten, birgt die Gefahr, dass die Demokratie sich selber verrät.
Ich befürchte, dass wir in der Demokratie mit der Gefahr leben müssen, dass sie sich a) auf demokratischem Weg selber abschafft und b) dass inhumane Dinge geschehen können - wobei dafür die die Abschaffung der Demokratie keine Vorraussetzung ist: Verbrechen gegen die Menschlichkeit können auch demokratisch beschlossen werden. Wir können beides nicht verhindern, ohne die Demokratie zu verraten und ohne Gefahr zu laufen, selber totalitär zu werden.
Ich meine: Wir müssen vor den Gefahren warnen. Aber dabei berücksichtigen, dass nicht jeder, der ein Element der Eco'schen Definition befürwortet, einen Völkermord plant. Und sehr vorsichtig umgehen mit Bestrebungen, Gruppen von der demokratischen Beteiligung auszuschliessen.
Das ist bekannt als Poppers Toleranz-Paradoxon:
Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.
Wir sollten daher im Namen der Toleranz das Recht für uns in Anspruch nehmen, die Unduldsamen nicht zu dulden. Wir sollten geltend machen, dass sich jede Bewegung, die die Intoleranz predigt, außerhalb des Gesetzes stellt, und wir sollten eine Aufforderung zur Intoleranz und Verfolgung als ebenso verbrecherisch behandeln wie eine Aufforderung zum Mord, zum Raub oder zur Wiedereinführung des Sklavenhandels.
Aber dies sei nur die Ultima Ratio. Blicken wie auf die konkrete Geschichte, so gibt es etwa gerade in Deutschland differenzierte «Werkzeuge» der Verfassungsfeindlichkeit, Verfassungswidrigkeit, Parteifinanzierung und des Parteiverbots. Und im konkreten Fall der NPD – ‹eine 1964 gegründete rechtsextreme Kleinpartei, die eine programmatische und sprachliche Nähe zur NSDAP aufweist und eine völkisch-nationalistische und revanchistische Ideologie vertritt› – urteilte das Bundesverfassungsgericht im zweiten Verbotsverfahren:
Bei der Urteilsverkündung am 17. Januar 2017 konnte das Gericht in der Frage der Verfassungswidrigkeit der NPD keine «Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Durchsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele» feststellen. «Es fehlen hinreichende Anhaltspunkte von Gewicht, die eine Durchsetzung der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele möglich erscheinen lassen. Weder steht eine erfolgreiche Durchsetzung dieser Ziele im Rahmen der Beteiligung am Prozess der politischen Willensbildung in Aussicht (a), noch ist der Versuch einer Erreichung dieser Ziele durch eine der Antragsgegnerin zurechenbare Beeinträchtigung der Freiheit der politischen Willensbildung in hinreichendem Umfang feststellbar (b).» schreibt das Bundesverfassungsgericht in der Urteilsbegründung.
So wurde die Partei nicht verboten, aber ihre Verfassungsfeindlichkeit festgehalten. In der Folge änderte der Bundestag das Grundgesetz so, dass bereits die Feststellung der Verfassungsfeindlichkeit reicht, Parteien von der Parteienfinanzierung auszuschließen, ohne sie zu verbieten.
Weitere Werkzeuge sind Prüffälle und Verdachtsfälle, etwa im Fall der AfD:
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat am 15. Januar 2019 die Gesamtpartei AfD zu einem «Prüffall» und die Sammlungsbewegung Der Flügel sowie die Jugendorganisation der AfD (Junge Alternative) zu «Verdachtsfällen» erklärt.
Das Kind wird also mitnichten mit dem Bade ausgeschüttet, sondern mit der Gefahr wird institutionell sehr sorgfältig umgegangen.
Es freut mich zu hören, dass alles zum Besten steht, die AfD effektiv, aber sorgfältig eingehegt wird und somit keine Gefahr besteht.
Popper hat das Toleranz-Paradoxon schön auf den Punkt gebracht. Wie auch nachher Gerhard Polt. Was jetzt noch fehlt, ist die Definition der Haltungen und Handlungen, gegenüber denjenigen der Tolerante unduldsam sein darf, ohne dass er seinen Tolerantenstatus verliert.
Ich befürchte eher, dass Popper mit seinem Paradoxon die Toleranz ad absurdum führt, als dass er sie auf den Weg zu einer brauchbaren generellen Lebensmaxime führt.
Vergleichen ist nicht dasselbe wie Gleichsetzen.
Und wenn KZs mit Tierfabriken verglichen werden dürfen, muss dies auch umgekehrt möglich sein. Oder seit wann haben Vergleiche Richtungen?!
Was soll das? Ich finde weder einen Vergleich noch gar eine Gleichsetzung angebracht. Die Richtung kann dann gleich mit gekübelt werden. Ich bin sehr wohl gegen Massentierhaltung und für eine nachhaltige Landwirtschaft. Nutztiere sollen möglichst tiergerecht gehalten werden. Dies alles können wir diskutieren. Aber jegliche Verbindung dieses Themas mit dem Holocaust lehne ich entschieden ab.
In Zeiten wie diesen..in denen man Menschen ertrinken lässt, in denen sich Menschen rechtfertigen müssen, weil sie Menschen vor dem Ertrinken bewahrt haben, in denen Menschen zurückgeschickt werden nach Lybien, im vollen Bewusstsein, dass diese dort unter erbärmlichen Bedingungen leben müssen, in denen man Menschen in Flüchtlingslagern verrotten lässt..in Zeiten wie diesen, sind solche Vergleiche zulässig, nicht mit Hitler selbst, aber mit der Denk- und Handlungsweise des Volkes.
Ich finde es schade dass wir nicht mehr von Hannah Arendt gelernt haben. Meiner Meinung nach ist ihr Ausdruck der "Banalität des Bösen" nicht genug einverleibt worden. Ich denke dass wir sind alle dazu fähig wie Nazis zu handeln (unter den richtigen Umständen) und Faschismus ist deshalb so immerwährend weil er sich aus allgegenwärtigen menschlichen Impulsen ableitbar ist. Was ist die Ursprung des Bösen? Nach Alice Miller ist es mangelnde Liebe, Respekt und Zuwendung während der Erziehung, was bei allen Diktatoren der Fall gewesen ist.
Wenn das so ist und wir Menschen, die nichts besseres als Hass wissen oder können, als Nazis abstempeln (was zwar richtig sein mag) führt es nicht dazu dass sie ihre Meinungen ändern, sondern dass sie Scham empfinden. Und dieser Scham ist gewaltig, denn wir behaupten ständig dass Nazis das Allerübelste sind. Meiner Meinung nach führt dieser Scham zu einer Verhärtung der Fronten und somit ist die "Nazi-Keule" kontraproduktiv.
Nazis soll man ruhig Nazis nennen. Ob solcherart Benannte dann tatsächlich Scham empfinden, ist fraglich. Ausser Frage steht für mich jedoch, dass faschistisches Gedankengut, ebensolche Äusserungen, Taten, Symbolik etc. absolut verabscheuungswürdig sind - dies ist aus meiner Sicht nicht bloss eine "Behauptung".
Ausserdem braucht es zum Durchbruch des "Bösen" etliches mehr, als etwas faschistisches Personal mit verpfuschter Kindheit - sonst hätten wir ja alle naselang einen faschistischen Putsch. In aller Regel gelangen solche Kräfte an die Macht, wenn ein demokratisches System in eine Krise kommt und das Kapital seine Macht nicht mehr auf andere Weise aufrecht erhalten kann.
Sicher soll man ruhig Nazis so betiteln wenn sie eindeutlich erkennbar werden können. Der Skinhead mit Swastikatattoo ja der "fremd-aussehende" Menschen angreift, aber die Rentnerin die zum gratis Frühstück für "echte Deutsche" geht weil sie sparen will und findet dass es zu viele Fremde im Land gibt? Ist jemand der findet dass Grenzen sinnvoll sind ein Nazi? Oder ein anderer die deutsche Asylpolitik kritisiert? Meiner Meinung nach sind die letzten 3 Beispiele keine Nazis. Sie sie rechts? Schon.
Ich mache mich Sorgen um den Gebrauch von Nazis von progressiven Menschen die meinen es gibt entweder Faschisten oder Antifaschisten und ebenso radikal denken. Ich finde dass das Wort inflationär gebraucht wird und meine Behauptung ist dass wenn rechts stehende Leute als Nazis abgestempelt werden, die aber selber keine sind, werden sie Scham empfinden und viel schlimmer werden also meinen dass wenn die Kritik für sie ungerechtfertigt ist, dann ist sie auch haltlos in Bezug auf andere.
Ich bin auch nicht einverstanden mit Ihrer Meinung dass faschistisches Gedankengut, Äusserungen, Taten, Symbolik usw. pauschal verabscheuungswürdig sind. Gedanken und Symbolen sind nicht mit Taten gleichzusetzen! In seinem eigenem Kopf darf Man denken was man will und ich akzeptiere das. Wenn einer Gedanken äussert mit denen ich nicht einverstanden bin (oder umgekehrt) hoffe ich das ein Dialog stattfindet. Symbole sind auch kompliziert denn eine Swastika ist sowohl ein Nazi-Kreuz als auch ein religiöses Symbol (z.B. im Hinduismus). Bei Taten bin ich 100% Ihrer Meinung, Gewalt und geäusserter Hass ist überhaupt nicht akzeptabel.
Zum Schluss möchte ich plädieren für eine differenziertere Diskussion. Ja, offenbar wächst der Druck der Rechtsradikalen und wir müssen entschlossen gegen diese Gefahr auftreten. Der Weg dahin ist nicht mit schwingen der Nazi-Keule zu erreichen, sondern mit offenen Diskussionen mit unangenehmen Leuten die völlig unterschiedliche und unangenehmen Meinungen haben.
Es geht hier glaube ich um verschiedene Themen: Arendt's Studien betreffen mehr wozu Menschen in einem faschistischen (oder sonstwie totalitären) System in der Lage sind.
Dieser Artikel dagegen befasst sich mit der Entstehung ebensolcher Systeme, und argumentiert dass der Vergleich zum Faschismus ein nützliches Instrument der Früherkennung sei.
Das (pardon) Gejammer auf der deutschen Rechten bis tief in die CDU hinein, dass man nichts mehr sagen dürfe weil man sonst als "rechter" bezeichnet werde finde ich lächerlich. Angela Merkel ist rechts. Man wird die Dinge wohl noch beschreiben können.
Nun was die Bezeichnung als Nazi betrifft: natürlich ist die Verbreitung von faschistischem Gedankengut als solches zu kennzeichnen. Man muss nicht warten bis geschossen wird um einem Faschisten zu glauben wenn er oder sie sagt, dass man doch an der Grenze scharf schiessen könnte. Redefreiheit schützt nicht davor beim Namen genannt zu werden.
Und war ein Propagandist, der nur die Massen aufpeitschte aber nie Gewalt ausübte oder befahl denn kein Nazi?
Ich fnde Herr T. Beitrag (inkl. seine Richtigstellung in einem Kommentar) sehr interessant und in vielen Teilen richtig. Aber zu einigen Äusserungen muss ich klar Stellung beziehen:
Ich habe M. Rothbergs Buch auch gelesen. Ich finde schade, dass es recht langweilig formuliert ist; ich weiss allerdings nicht, ob es an der dt. Übersetzung oder am Originaltext liegt. Ich finde aber im Gegensatz zu J. T. den Inhalt vollständig zutreffend. Es ist höchste Zeit, dass man endlich die Verbrechen der europ. und amerik. Kolonialmächte dem Morden der Nazis gleichsetzt und nicht wie Herr T. das macht, die Kolonialverbrechen verharmlost. Um nur ein Beispiel zu nennen: Der ehemalige "grosse" belg. König Leopold II hat vier Millionen mehr Menschen umbringen lassen als Hitler, um nur das zahlenmässig schlimmste Beispiel zu nennen. Die Deutschen beginnen langsam, den Völkermord ihrer Vorfahen in Westafrika als das darzustellen, was es war: ein brutaler Genozid! Alle diese Wahnsinnsverbrechen der Kolonialmächte werden nur sehr langsam zugegeben, nachdem man sie jahrhundertelang als zivilisatorische Leistungen anstatt Massenmord verherrlicht hat. Dass der von mir sehr geschätzte Schweizer Historiker diese Verbrechen nun verharmlost oder mindestens sehr relativiert, finde ich sehr schade. Aber eben, die Opfer waren nicht wie bei den Juden Weisse, sondern "nur minderwertige" Schwarze. Ich schreibe hier Klartext, und das ist dringend not-wendig, wenn man endlich diese immer noch andauernde neokolonialen realien Machtstrukturen überwinden will.
Herr T. hat sicher Recht, wenn er die vielen, an den Haaren herbeigezogenen völlig danebenliegenden Nazivergleiche erwähnt. Aber die menschenverachtende Politik der Regierung Nethanahu gegenüber den unterdrückten Palästinensern, die von unserem Aussenminister zusammen mit dem Trumpeltier unterstützt wurde, weist leider sehr grosse Ähnlichkeit mit dem Verhalten der Nazis gegenüber den Juden auf - aber das darf man bei uns nicht offen sagen. Leider unterstützen - soweit ich weiss - bisher alle jüdischen Vereine auf der ganzen Welt immer noch diese grausame israelische Regierungspolitik. Cassis versuchte ja - zum Glück langfristig erfolglos - die Hilfe für die wegen der Unterdrü-ckungspolitik der Israeli notleidenden Palästinenser zu unterbinden, aber seine - leider der Mehrheit der bürgerlichen CH-Politiker entsprechende - US-hörige Politik hat dazu geführt, dass der durch amerikanische Lügen und Verunfglimpfungen verärgerte ausserordentlich fähige Leiter dieses UNO-Hilfswerks den Bettel hingeschmissen hat. Eigentlich sollte man Cassis dafür vor Gericht ziehen, aber eben, er ist ja nicht allein mit seiner katastrophalen neoliberalen Weltsicht.
Die vom Autor zitierten zwei Historiker Ullrich und Brownig haben bestimmt die Einordnung der trumpschen Politik, die eben auf lange Tradition der US-Präsidenten - die Parteizugehörigkeit spielt dabei absolut keine Rolle, es sind waren total vom militär.-industriellen Machtblock abhängig, und...(da schweigt des Sängers Höflichkeit!)
aber das darf man bei uns nicht offen sagen.
Was nun? Sie haben es doch «bei uns» nun gesagt. Also was genau wäre es denn nun, ‹das man nicht offen sagen dürfe›?
Und auch Ihr letzter Abschnitt ist mir völlig unverständlich:
US-Präsidenten - die Parteizugehörigkeit spielt dabei absolut keine Rolle, es sind waren total vom militär.-industriellen Machtblock abhängig, und...(da schweigt des Sängers Höflichkeit!)
Von wem sind die US-Präsidenten abhängig? Vom «militärisch-industriellen Machtblock» und von wem noch? Und was meinen Sie mit «des Sängers Höflichkeit»?
Ich gehe mit Herrn Goldinger darin einig, dass Kolonialverbrechen immer noch viel zu wenig aufgearbeitet wurden. Trotzdem würde ich sie nicht mit dem Holocaust gleichsetzen wollen. Ich lehne die Siedlungspolitik diverser israelischer Regierungen ab. Trotzdem finde ich den Vergleich zwischen dieser israelischen Politik und der Besatzungspolitik der Nazis unzulässig.
Dies führt mich aber direkt zu einer grossen Lücke im Text von T.: Er führt uns durch eine schillernde Vielfalt von Nazi-Vergleichen. Ein ganz wichtiger wurde jedoch unterschlagen - oder vielleicht auch nur vergessen? Kaum in irgendeinem anderen Kontext wird die Nazikeule so exzessiv eingesetzt, wie wenn es um antizionistische Kritik an Israel geht. Die gängige Formel "Antizionismus=Antisemitismus" ist intellektuell ebenso dürftig und niederträchtig wie die Formel "rot=braun". Trotzdem wird sie sehr häufig eingesetzt, durchaus auch von Leuten, die genau wissen (oder zumindest wissen könnten), das das falsch ist.
Einer empfehlenswerten Version von Nazi-Keule begegnete ich vor einigen Jahren in einer Ausstellung in Berlin. Gezeigt wurden politische Plakate aus der Weimarer Republik. Blendete man aus, dass sie vor der Machtergreifung der Nazis ausgehängt wurden, und stellte sich vor, sie würden in der Gegenwart angeschlagen, erkannte man rhetorische Figuren, die tatsächlich auch heute benützt werden und kam in Versuchung, von „Übertreibung“ und von „linker und rechter Hetze“ zu reden. Bedachte man aber, was nach dieser Auseinandersetzung geschah, wurde klar, wie deutlich der Faschismus schon damals sein Gesicht zeigte und wie verzweifelt und letztlich erfolglos sich die Linke dagegen wehrte.
Noch etwas: Nach meiner Meinung hätte man diesen Artikel um die Hälfte kürzen können, ohne dass er an Gehalt verloren, dafür aber an Prägnanz gewonnen hätte.
"... wie verzweifelt und letztlich erfolglos sich die Linke dagegen wehrte....." .... weil die Rechte zeitlos gewissenlos und ohne Moral agiert:
Gewalt auf der Strasse und im Verborgenen
die Strafverfolgung politischer Gegner
die Ermächtigungsgesetze
Aktuell aus den USA:
die Verweigerung eines Hearings für Merritt Garland
die Unterdrückung einer Untersuchung der Vorwürfe gegen Brett Kavanaugh
das Durchpauken von Amy Barnett
Texas Voting Bill und Texas "heartbeat bill"
Nie wurde bei uns thematisiert, dass Blocher im September 2007 "Fünfzig Plus" Wählerprozent für die SVP anstrebte, nach seinem doch gut dokumentierten Nichtbeachten und Geringschätzen des Kollegialsystems während 3 3/4 Jahren.
Was wäre wohl passiert ohne EWS?
Weil es das aktuellste Beispiel ist: Die Texas Voting Bill und die Texas Heartbeat Bill zeugen von einer unglaublichen Niedertracht. Und offenbar sehen sich die Republikaner von einer Mehrheit getragen. Die Angst, dass aus diesem Schoss noch viel mehr Übles kriechen kann, ist berechtigt.
Die von Ihnen Herr T. erwähnte Formulierung ist mir auch aufgestossen.
Ein guter Artikel ohne radikale Wertung als Ueberblick, z.B. auch die Faschismusdefinition von Umberto Eco.
Vergleiche sind eben dann zulässig, wenn sie der historischen Aufarbeitung von Vergangenheit und dem Lernprozess für die Gegenwart dienen.
Wer lediglich die rethorisch primitive Keule schwingt, dem sind ja die rationalen Argumente ausgegangen: Selbstdisqualifikation.
(Auffallend übrigens, wie still es bei diesem Thema in dieser Kommentarspalte bleibt).
Die Aufgeregtheiten um Überschrift, Teaser und Newsletter-Text nebst Kotau der Redaktion hat der lesenswerte Essay nicht verdient.
Wer ein Thema auf so umfassende Art angeht, dass dem Leser kaum klar wird, was denn die Quintessenz des gerade Gelesenen ist, sollte womöglich gelassener mit einer redaktionellen Zuspitzung umgehen.
Lieber Herr K., also ich habe den Eindruck, wir haben alle die nötige Unaufgeregtheit walten lassen. Und Sie haben völlig recht: Der Text soll verhandelt werden. Herzlich, DB
Unaufgeregt wäre gewesen, wenn der Autor sich direkt an die Redaktion gewandt hätte, statt sich öffentlich zu distanzieren. Die Korrekur, falls nötig, hätte ja transparent erfolgen können.
So erinnert es zumindest mich ein bisschen an eine Satire vom Schlage Loriots: "Ich habe das so nicht gesagt. Nehmen Sie das sofort zurück." "Ja aber was haben Sie denn gesagt?" "Ich habe ganz viel gesagt. Aber das, von dem sie sagen, ich hätte es gesagt, das habe ich nicht gesagt."
Die Frage wie es zum Holocaust kommen konnte, hat mich schon beschäftigt als ich noch sehr jung war.
Die ersten Antworten, die ich fand waren in Erich Fromm's " Anatomie der menschlichen Destruktivität" und in Klaus Theweleits "Männerphantasien". Theweleit untersuchte das "faschistische" Bewusstsein von gewissen Männertypen.
Das literarische Pendant sah ich in Heinrich Manns " Der Untertan".
Mir fällt auf, dass ich sehr schnell: "Wehret den Anfang" (des Nationalsozialismus) denke, wenn der Wind auch hierzulande all zu sehr von rechts weht. Die Keule ist da, obwohl ich nicht weiss ob ich Fromm und Theweleit auch heute noch offenbarend finden würde.
Heinrich Mann bleibt.
Was mir irgendwie fehlt, ist "genderübergreifendes Bewusstsein menschlicher Destruktivität", denn immerhin sind es ja doch Mütter, die diese destruktiven Jungs erziehen. Ob man das so schreiben/sagen/fragen kann? wo ist mein blinder Fleck?
Der blinde Fleck: Das Patriarchat ist nicht einfach "die Männer", sondern ein Gesellschaftssystem, in dem zumeist ältere Männer die meiste Macht haben. Natürlich können auch Frauen dazu beitragen, dieses System aufrecht zu erhalten, und tun es auch oft. Und es gibt auch mehr als genug Männer, die vom Patriarchat nicht profitieren, sondern zum Beispiel als junge Soldaten in sinnlose Kriege geschickt werden.
Zuerst möchte ich meine Wertschätzung ausdrücken für die freundliche Kommentare
von Ihnen Herr S. und von Ihnen Herr P.
Da ist kein blinder Fleck bei Ihnen Herr S. Dieser ist bei den Müttern die erziehen. Mütter die fasziniert sind von soldatesken Männern und vor allem auch von dessen Führer. Ich kann hier nichts belegen. Da sind nur meine Interpretationen. Einesteils von Erzählungen von Deutsche Freunde und Freundinnen. Dann auch aus Visuellem wie die Filme von Leni Riefenstahl. Freunde berichteten mir immer wieder wie ihre Mütter bis an das Lebensende " Den Führer" vergöttlichten. Die Väter waren an der Front, die Frauen im Heimatfront, auch im zweiten Weltkrieg.
Den ersten Teil von Dan Fillmons Kommentar weiter unten finde ich sehr lesenswert,
"Unter den richtigen Umständen" kann das Böse so banal sein, dass es für Zeitgenossinnen schwer erkennbar wird.
Meiner Meinung nach ist Verstehen wichtig. Das entbindet mich eindrücklich NICHT von der Pflicht wachsam zu sein und Missstände und gefährliche Entwicklungen aufzuzeichnen.
Verstehe ich. Ich frage mich auch immer wieder, weshalb es mich stört, wenn von "patriachalen" Lösungen gesprochen wird, ich aber weniger Probleme habe, wenn über "Weisse" gelästert wird.
Meine Antwort darauf ist, dass ich mich sehr wohl über mein Geschlecht identifiziere und weniger oder garnicht über meine Hautfarbe. Deshalb kann ich mich bei "weiss" auch gut abgrenzen.
Allerdings gibt es auch "dämlich" in unserer Sprache und im Gebrauch dürfte wohl niemand (vermute ich) ständig an Frauen denken.
Meine Erkenntnis daraus ist, dass die aktuelle Genderdebatte notwendig ist, um in unserer Sprache bessere Alternativen zu bieten, ohne dass ich mich auf eine Lösung festlegen will.
Ich verstehe durch solche Beispiele besser die Problematik von Personen, deren Identifikation aktuell nur mit abwertenden Worten beschrieben werden kann und weshalb in diesen Bereichen eine andere Sprache gewünscht/gefordert wird.
Vielen Dank für diesen sorgfältig verfassten und in aller Kürze doch tiefschürfenden Artikel. Insbesondere auch der Hinweis auf Ecos fantastischen Beitrag macht den Beitrag zu etwas Speziellem: Damit lässt sich nämlich eine Liste der darin dargelegten Punkte erstellen, die als eine Beurteilungssystematik verwendet werden kann, um Texte von Köppel und Co. zu „zerlegen“. Danke.
Vielen Dank für diesen ausführlichen Beitrag. Was mich bedenklich stimmt ist: dass nur diese Art von Vergleichen uns einordnen lässt, wer, wie, denkt und vielleicht ist. Die Keule, die rechtfertigt oder polemisiert. Die subtileren, ebenso verletzenden und ausgrenzenden Äusserungen sind ausgelassen. Vielleicht sollten wir diesen mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen. Sie sind.
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