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Das ist nicht gerade das, was mich beschäftigt. Es kommt mir ein wenig so vor, als wäre da einem die Ideen ausgegangen, was man denn noch so schreiben könnte. Ein bisschen an den Haaren herbeigezogen...
Es muss ja niemand lesen, wenn es einen nicht interessiert. Ich persönlich habe es sehr interessant gefunden, mehr über die jüdischen Gemeinschaften und deren interne Zugehörigkeits-Diskussionen zu lernen. Besonders, nachdem ich mich in den letzten Tagen von Berufs wegen mit einer geballten Ladung antisemitischen Schwachsinns beschäftigen musste, ist es schön, einen solchen Text zum wirklichen Judentum zu lesen - und der Witz zum Schluss ist schlicht herrlich.
Eine ausgezeichnete, umfassend differenzierte Auslegeordnung der Hintergründe und Rahmenbedingungen jüdischer Identität, und darüber hinaus ein kleines Lehrstück fortgeschrittener Dialektik. Könnte der Grund vieler Missverständnisse und Unversöhnlichkeiten nicht eben gerade darin liegen, dass wir das, was Bodenheimer in den letzten beiden Abschnitten als Schlussfolgerung formuliert (inkl. Witz), verlernt oder - was noch schlimmer wäre - nie gelernt haben?
Die Ausführungen sind mir etwas zu akademisch.
Ich bin nicht Jüdin, mein Sohn ist nicht Jude. Aber seine Grossmutter wurde als K. mit ihrer Familie nach Gurs deportiert, sein Urgrossvater wurde zusammen mit anderen Familienangehörigen in Auschwitz ermordet. Von dieser Geschichte wusste fast niemand. Eines Tages wird mein 13-jähriger Sohn auf dem Pausenplatz als Jude beschimpft und es werden ihm Prügel angedroht. Wie sieht ein Jude aus? Mein Sohn ist gross, blond und sehr hellhäutig. Wo gehört man dazu? Wo wird man als zugehörig erkannt? Dieser Tage findet die Abdankungsfeier für seine Grossmutter statt. Eine jüdische Verwandte wird Kaddish sprechen. Wir haben eine ganze Reihe von dicken Büchern in denen die Verstorbene zusammen mit ihrer Schwester Zeugnis ablegt über das Leben in Nazideutschland, die Deportation, das Leben als K. im Lager. Von den Nazis wurde sie zur Jüdin gemacht. Der französische Lagerkommandant liess den Eltern dank dem Kommunionsfoto der Mutter die Wahl, wer ausser dem Vater mitgehe auf den Transport nach Osten.
Am besten wäre es die Juden hätten einfach an Jesus geglaubt dann müsste man dieses Jüdisch sein nicht ausleben auf Erden. Dann würden wir Juden nicht so jüdisch akademisch denken sonder Christlich Akademisch und auch am Sonntag frei nehmen.
Die Christen waren eine Sekte. Eine Sekte zudem mit einem absurden Glauben, dass nämlich der Herrgott den Leuten - und dann allen - nur verzeihen könne, wenn er seinen eigenen Sohn sterben lasse.
Als halbwegs vernünftiger und lebenserfahrener Mensch hätte ich gesagt, dass dieses absurde Gemisch genau das ist, womit Betrüger ihre Opfer kirre (sanftmütig, gefügig) machen - und hätte es nie geglaubt.
Gottes Vergebung durch Opferung des eigenen Sohnes war aber auch für die Christen ein Problem, wenigstens für solche mit Organisationstalent: Wenn alles schon gut war, wozu dann noch eine Kirche? Da brauchte es ja nur noch Geschichtsunterricht. Folglich krallte sie sich die Vergebung und erfand die Erbschuld, damit es für alle etwas zu vergeben gab. Sehr irritierend. Als halbwegs vernünftiger Jude hätte ich kein Wort geglaubt.
Und dann all die Religions-Gräuel. Doch kürzen wir ab: denn am Schluss entstand auf diesem absurden Wege so viel Schönes und Gutes, dass es eben doch gut wurde. (Hoffentlich bleibt es dabei.)
Sie, lieber Herr E., müssen nicht hadern. Wenn man anders ist, kommt man immer an die Kasse. Da braucht es keine Begründung und schon sowieso nicht etwas so Grosses wie Ethnie oder Religion: ein seltsamer Name? Poing. Rote Haare, Doppel-Poing, Eine ledige Mutter? Und wieder eins auf die Nase. Dunkle Haut - und Blut quillt aus dem Mund. Wenn die Zeit der Mobber da ist, kann man gar nicht so nahtlos stromlinienförmig sein, dass es einen am Schluss nicht doch erwischt.
Danke, Frau D., für diesen Beitrag. Teuflische Ironie der Geschichte: mit grosser Akribie haben die Nazis für sich und ihren Herrschaftsbereich definiert, was Juden, "Halbjuden", "Vierteljuden", usw. waren, mit existenziellen Folgen für die Betroffenen und die ganze Gesellschaft.
Eine weitere Bestätigung dafür das Religionen der Ausgrenzung dienen und wie positiv und wichtig es ist das ihre Bedeutung immer geringer wird. Eine Welt ohne Religionen wird ein grosses Übel weniger haben.
Wenn es denn "nur" Ausgrenzung wäre. Sie dienen der Machtausübung, Unterdrückung, Ausbeutung und Manipulation.
Hm. Das ist doch auch mit anderen Ideen so. Solche Pauschalaussagen bringen nichts. Nur die eine Seite der Medaille beleuchten ist einfach - natürlich ergeben sich wegen den Religionen viele Probleme. Aber "ergeben" ist glücklicherweise doppeldeutig... Religion ist so gut, wie die Leute, die dahinter stehen. Und es leben auch nicht-religiöse Menschen vieles aus, das der Machtausübung etc. dient.
Ich habe keine Identität und habe sie nie gesucht. Ich bin von Morgens bis Abends und wenn ich schlafe, bin ich nicht mehr, ausser ich träume. Ich habe auch keine Heimat und atme, wo ich bin. Heimat ist was von früher. Als die Leute Abends in der Stube sassen und immer die gleiche Zeitung lasen und im Kachelofen das Holz knisterte. Oder man nach dem Nachtessen im Arbeiterturnverein auf dem Dorfschulhausplatz Volleyball spielte. Auch Religionen waren Identität stiftend. Es ist ein Teil ihrer Kundenbindung. Auch die Arbeit verlieh so was wie Zugehörigkeit. Zur Arbeit eben. Diese Bezüge haben sich verlagert zum Marathon des Pekuniären . Der Reichtum schafft im Wachstumswahn vor allem neue Identitäten. Ich habe, also bin ich. Und nach mir der Klimawandel. So wird die Identitätsjagd zum Ressourcenplündern. Oder zum Kampf gegen die anderen.
Herr B., ich bin versucht, Ihnen folgendermassen zu antworten: Dass Sie keine Identität haben wollen und das auch begründen, ist absolut berechtigt. Dass Herr Bodenheimer für eine jüdische Identität bzw. für jüdische Identitäten plädiert, ist ebenfalls vollauf berechtigt. Und wenn jetzt jemand findet, es könne doch nicht sein, dass sowohl die Ablehnung als auch die Befürwortung einer Identität berechtigt seien, dann kann ich ihm/ihr nur antworten .....
Mir gefällt der Witz am Schluss am besten. Meiner Meinung nach sind wir sowieso zu sehr auf Identität und Individualität fokusiert. Damit möchte ich keineswegs sagen, dass Antirassismus nicht wichtig ist, im Gegenteil, das versuche ich zu hören und zu lernen. Oft ist es hilfreich zu denken (und zu fühlen), dass wir einfach Menschen sind.
Ein sehr akademischer Bericht, die Frage, was Identität ist und leisten soll. Negativ definiert kann man sicher sagen, dass Identität nicht dazu gebraucht werden darf, andere völlig auszugrenzen, zu marginalisieren und ihnen die Menschenwürde abzusprechen. Dies gilt auch für die " jüdischen" Kolonialisten oder Teil- Kolonialisten in Israel, die Palästinenser haben mindestens ein gleiches Recht auf Palästina, ein Recht auf ihr Mensch sein, auf ihre Würde. Wann sehen wir, wann sehr ihr das endlich ein und handeln danach. Menschenwürde ist nicht relativierende, nicht teilbar.
Dem Zeitgeist nach ist die Identitätssuche ein Selbstzweck. Mit einer Identität gehen immer seltener bestimmte Werte und Tugenden einher; man hat eine Identität, damit man eine Identität hat. Und mit ihr entdeckt man auch nicht mehr seinen Platz in der Gesellschaft, sondern sich selbst.
Danke, sehr interessanter Artikel, den ich noch mehrmals lesen werde.
Ich denke allerdings, wenn man genügend jüdisch war/ist, um zurzeit der Nazis im KZ zu landen, dann ist man auch genügend jüdisch, um sich als Juden zu fühlen und zu bezeichnen. Auch wenn - fast wie umgekehrt oft genug beim Ariernachweis - der materlineare jüdische Nachweis nicht gelingen sollte.
Ich verstehe sehr wohl, dass in einem Volk, das in der Diaspora lebt, Regeln ein viel stärkeres Gewicht bekommen, welche den Zusammenhalt des Volkes begünstigen. Weiter wissen wir alle, dass es immer Rechtspositivisten gibt, für die Rechtsnormen autoritativ sind und mit naturechtlichem oder auf Ausgleich bedachtem Denken nicht zusammenpassen. (Wir nannten sie Koranlehrer.)
Ein überdehnter Ausschluss wird auch nicht gerechtfertigt, wenn die Ausschlussarbeit Jahrtausende alt ist und akribisch und auf höchster akademischer Höhe geleistet wird und dann nicht nur ein Formular füllt, sondern ganze Bände. (Ganz abgesehen davon, dass es die Römer den Kern der Sache in drei Worten auf den Punkt brachten: mater semper certa est.) Interessant ist, dass nichts so stählern gegossen sein kann, dass es nicht, wenn es notwendig wird, angepasst werden könnte (US-Judentum). Und natürlich ist es überhaupt nicht ironisch, dass offenbar auch diese Spitzkehre nichts mit Aufhebung zu tun hat, sondern nur mit Modifikation. Da kann man nur sagen: Ja also, nun gebt euch einen Ruck und gut ist es.
Der Ausschluss nicht-materlinearer "Scheinjuden", scheint mir irgendwo in der AFD-Denke zu landen, wo auch die Unterscheidung von Deutschen und Bio-Deutschen gründet. Ein Buch "Juda schafft sich ab" von einem jüdischen Sarrazin, der die Materlinearität noch stählerner durchsetzen will, wäre wohl kein Gewinn.
"In besiegten Gemeinschaften werden weit mehr Frauen der Unterworfenen von den Fremdherrschern geschwängert als umgekehrt." Sind geschwängerte Fremdherrscher derart selten?
Glaube ich ehrlich gesagt nicht.
Das alte Bulgarien, wo das herrschende Turkvolk mit der Zeit slawisiert wurde; Anatolien, wo das herrschende Turkvolk mit der Zeit anatolisiert wurde; und das alte China, wo das herrschende Mongolenvolk mit der Zeit sinisiert wurde.
Es geht immer auch in die andere Richtung.
Da gehe ich ganz einig mit Ihnen, gut belegt. Ich fand den zitierten Satz erst einmal zum Lachen wegen dem 'umgekehrt', was dann zu von Frauen geschwängerten Fremdherrschern führt ...
Aber auch inhaltlich ist er sehr fragwürdig. Ich halte es immer für gefährlich, wenn Autoren pseudohistorische Verallgemeinerungen in den Raum stellen und sie erst noch als Regel formulieren.
Immer wieder lustig wie wichtig den Menschen ihre Gruppenzuhehörigkeit ist - die eigene wie die, der Anderen. Ob jemand zu einer Gruppe gehört, scheint mir jedoch wenig von der Entscheidung des Individuums abhängig, sondern vor allem von den Gegenübers. In jedem Fall finde ich es lästig, dass so viel über die Gruppenzugehörigkeit des Senders und so wenig über den Inhalt gestritten wird.
wie wichtig den Menschen ihre Gruppenzuhehörigkeit ist - die eigene wie die, der Anderen.
Das hat mich gerade an weise Worte eines vorzeitig Verstorbenen erinnert.
Das Judentum sollte einfach nur als Religion verstanden werden in die man hineingeboren wurde oder in die man auch ein- oder austreten kann. Alles andere empfinde ich als Rassismus.
Jede monotheistische Religion trägt in sich den Kern der Intoleranz (es gibt nur einen Gott und der meinige ist natürlich der richtige).
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