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Klimaverantwortlicher
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Merci Herr Blülle; Ihr Artikel hat mir den Konsum der täglichen Aufreger erspart, die z. B. vom Guardian angeboten werden. B. Obamas Spruch greift zwar kurz, ist aber eine gute Handlungsanleitung. Einfach machen. Einfach weitermachen und sich auf jeder Etappe an den Erfolgen freuen. So wird man 100 Jahre, und so dreht man auch seine Gesellschaft in den richtigen Wind.

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Elia Blülle
Journalist @Republik
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Ja, Guardian hat zum Teil krass fragwürdige Schlagzeilen produziert. Leider nicht zum ersten Mal in der Klimaberichterstattung. Danke.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Fragwürdiger als «Good COP, Bad COP»? :)

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Brot
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· editiert

Ich glaube, zur Überwindung der Klimakrise brauchen wir mehr Show, nicht weniger. Alain de Botton hat für mich sehr überzeugend vorgetragen, was uns in einer säkularen Welt fehlt: Wir koppeln keine physischen Erfahrungen an unsere abstrakten Ideen.

Religionen haben das verstanden. Doktrine werden nicht einfach in Büchern versenkt. Dem Gläubigen wird keine Holschuld aufgebürdet, ganz im Gegenteil: Die Botschaft wird aktiv unter die Leute gebracht. Und zwar mit Pomp: Rhetorisch top ausgebildete Redner versammeln die Massen. Aus trockenem Material wird ein Event, vielleicht ein Ritual, der die Materie an eine körperliche Erfahrung koppelt. Gesang, Weihrauch, Bäder, nicht nur abstraktes «Du sollst dies, du sollst das.». Und das lässt man sich etwas kosten. Und immer wieder: Das Jahr wird gegliedert in fixe Rituale, die es den Menschen ermöglichen, zusammenzukommen, um die Ideen gemeinsam zu verinnerlichen.

Im Säkularen ist die Grundannahme eher, dass wir keine Unterstützung benötigen. Wir sind ja selbstständige, freie Geister. Also reichen Daten, Papers, vielleicht mal ein Vortrag. Dabei brauchen wir Unterstützung. Wir brauchen stupide Wiederholung, wir brauchen jemand, der uns hilft das einzuordnen. Und selbst wenn wir die Grundsätze im Geist verstanden haben: Wie sehr sind wir dazu bereit, dafür einzustehen, wenn das Herz nicht dahinter steht?

De Botton sagt: «Wir sind nicht einfach Gehirne, wir sind auch Körper. Und wenn [Religionen] uns eine Lektion erteilen, dann tun sie es via dem Körper.» Es ist einfach, die Nase zu rümpfen über solche oberflächlichen Showelemente, aber diese sind mächtiger als mancher Aufgeklärte sich eingestehen will. Natürlich soll COP auch Resultate liefern, aber «Show» generell als unnütz abzukanzeln finde ich zu kurz gegriffen. «Show» sollte definitiv Teil eines globalen, kollaborativen Projekt wie der Überwindung der Klimakrise sein.

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Wissenschaftler
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Für die Etablierung von Werten, Normen und Praktiken braucht es, wie Sie schreiben, diese körperlichen Erlebnisse - persönliche Erfahrungen in Gemeinschaft geprägt von Ritualen, Erzählungen, gemeinsamem Handeln etc. In der Tat geben viele Glaubensgemeinschaften gute Beispiele.
Konferenzen wie COP erreichen in diesem Sinne die COP Teilnehmer und die Teilnehmer der Gegenveranstaltungen. Doch werden dort tatsächlich neue Rituale praktiziert, neue Erzählungen geteilt, gemeinsam gehandelt? Ich sehe dort eher die Anwendung etablierter Praktiken im politischen Prozess. Einen Event, der diese Art von persönlichen Erfahrungen ermöglicht, sehe ich nicht. Auch nicht bei den Gegenveranstaltungen.
Trotzdem sind Veranstaltungen wie COP26 dringend nötig. Ohne Möglichkeiten zum Austausch, zum Verhandeln und Aushandeln... gibt es kein Weiterkommen. Der Prozess ist zäh (zu zäh), aber die Ausgangslage ist denkbar schwierig und das (dringend notwendige) Ziel fern von aktuellen Werten, Normen und Praktiken. Die COPs machen Fortschritte - in dem Rahmen, den sie erfüllen können. Das ist ein demokratisch geprägter Ansatz, der viele nicht-demokratische Akteure eingliedern muss.
Ich mache mir eher Sorgen über unsere Fortschritte auf Ebene Bevölkerung. Mir scheinen unsere persönlichen Erfahrungen in Gemeinschaft noch immer zu sehr im Status-Quo zu liegen als im gemeinsamen Feiern von Veränderungen. Statt mit einander das zu zelebrieren, was durch Verhaltensänderungen zu neuer Lebensqualität geführt hat, fokussieren viele Diskussionen auf das "was man sich sicher nicht verbieten lassen wird" und vertieft damit die Gräben zwischen bestehenden und neuen Werten, Normen und Praktiken. Die Geschwindigkeit des Wandels liegt an uns - die Politik wird dem folgen.

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Elia Blülle
Journalist @Republik
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Sehr guter Beitrag, Herr Hofstetter. Sehe ich ähnlich. Wenn ich auch glaube, dass man eine COP demokratische, inklusiver und such origineller Gestalten könnte. Dann hätten ihre Beschlüsse auch mehr Legitimität.

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Absolut berechtigter Einwand und toll geschrieben! Sie haben recht, mit der gegenwärtigen Form der «Show» wird dem nicht genüge getan. Ich wollte mehr unterstreichen, dass man sich nicht grundsätzlich wieder in die Datensammlung und Vorlesungsäle flüchten soll, sondern genauso an gesellschaftlichen Praktiken zur Akzeptanz dieser Erkenntnisse arbeiten soll. Und zwar durchaus auch an solchen, die den emotionalen Aspekt der Sache bearbeiten.

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Beobachter
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Auch Jeff Bezos ist vorbeigekommen. Seine Reise ins All, Kostenpunkt 5,5 Milliarden Dollar, habe ihm gezeigt, wie fragil die Erde sei, sagt er in seiner Keynote.

Leider sagte Bezos nicht, wozu dieser Flug gut war. Seine banale Erkenntnis war für viele Menschen schon lange klar, der riesige, umweltzerstörerische Aufwand war für die Katz!

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Ja, bei diesem Abschnitt musste ich laut loslachen. Natürlich ist das Galgenhumor.

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Alok Sharma, der Präsident der Klimakonferenz, meint, dies sei unsere letzte Hoffnung. Ich dachte, das wäre schon Paris gewesen oder New York - oder ist die letzte Hoffnung erst die nächste oder die übernächste Konferenz?

Oder ist es wie mit dem Alkoholiker, für den es bis zum Tod nie zu spät ist, mit dem Trinken aufzuhören?

Zynismus, meint Barack Obama, sei ein schlechter Ratgeber; angesichts der erneut mageren Resultate scheint mir Optimismus genauso unpassend!

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Zwischen Zynismus und Optimismus gibt es einen grossen Raum.

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z.B. Raum für Heuchelei? Wenn Obama - als Vertreter der Lokomotive der westlichen Welt - den Zugwagen hinter ihm zuredet, sie sollten doch bitte mit einer Kursänderung anfangen, dann überlegt es sich die Lokomotive vielleicht auch noch… wie kann man dabei nicht zynisch werden?

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Vielleicht kann man sich an der COP111 darüber einigen, wem der Ablass (also eine CO2 Kompensation in einem fremden Land) 'gutgeschrieben' wird. Hat zwar nichts mit dem Klima zu tun, wäre aber ein evtl. mögliches Ergebnis.

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Tobias Oetiker
Full Stack Engineer
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Danke für den schockierenden/unterhaltsamen/aufklärenden/lustigen/tragischen/hoffnungsvollen Artikel Herr Blülle! Und vor allem auch für den Link auf die Rede von Mottley. Wow!

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Elia Blülle
Journalist @Republik
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🙏🏽

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Die COP-Konferenzen als Jahrmarkt der Eitelkeiten? Danke dafür, Elia! Für ein Sittenbild, das eher (ver)zweifeln lässt als die rosaroten und hellblauen Brillen vom letzten Mal. Und auch für Kalendersprüche wie «Zynismus ist die Zuflucht von Feiglingen» (Obama).

Was wäre das Antidot? Der «sture Optimismus» (Figueres) und die Hoffnung, denn – Vorsicht, ein weiterer Kalenderspruch – «Hoffnung ist die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht» (Havel)?

«Was ist das – Optimismus?», fragte Cacambo.
«Ach», erwiderte Candide, «das ist der Wahnsinn, zu behaupten, daß alles gut sei, auch wenn es einem schlecht geht.» (Voltaire)

Denn noch nie wussten wir so viel. Und noch nie taten wir so wenig. Am Ende: too little, too late. Hauptsache Prestige gewonnen, Gesicht gewahrt, Macht gesichert. «Es gibt keinen traurigeren Anblick als einen jungen Pessimisten – mit Ausnahme eines alten Optimisten» (Twain) – so ein weiterer Kalenderspruch.

Und auch die Hoffnung ist ein zwiespältig Ding, ja für Nietzsche gar das grösste Übel aller in der Büchse der Pandora befindlichen Flüche.

Zeus wollte nämlich, daß der Mensch, auch noch so sehr durch die anderen Übel gequält, doch das Leben nicht wegwerfe, sondern fortfahre, sich immer von Neuem quälen zu lassen. Dazu gibt er dem Menschen die Hoffnung: sie ist in Wahrheit das übelste der Übel, weil sie die Qual der Menschen verlängert.

Bleibt also nur die Wahl zwischen hoffnungsvoll, aber nicht optimistisch (Eagleton). Oder der Mut zur Hoffnungslosigkeit (Zizek)?

Angesichts der Absurdität, ja der Sinnlosigkeit der Welt und des Weltenlaufs ruft Camus ein «höhnisches Trotzdem» aus. Ein Aufruf zur «permanenten Revolte» – auch bei den alltäglichen «Mühen der Ebene» –, selbst wenn die Revolte letztlich nie zum Ziel führt und der Widerspruch des Absurden sich nie auflösen wird. Trotzdem müssen wir uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen – mit einem sardonischen Lächeln auf dem Gesicht.

Auch wenn es darum geht:

Man muss nüchterne, geduldige Menschen schaffen, die nicht verzweifeln angesichts der schlimmsten Schrecken und sich nicht an jeder Dummheit begeistern.

Denn «Mit dem Pessimismus des Verstandes und Optimismus des Willens» (Gramsci), wie mein liebster Kalenderspruch sagt.

Puh, das waren jetzt aber viele Kalendersprüche, aber wir gehen ja auf Neujahr zu – da mag man's mir verzeihen –, wenn wieder alles von vorne los geht, und immer weiter und weiter und weiter ….

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Wow, danke für diese vielen Kalendersprüche! Sie erweitern mein Horizont!

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Bei den zwei Abschnitten über Jeff Bezos musste ich dermassen lachen, dass ich den halben Morgenkaffee verschüttet habe. Auch beim Rest wurde mir ob der ganzen Absurdität doch das eine oder andere Schmunzeln entlockt. Die Thematik selbst ist natürlich überhaupt nicht zum lachen. Das Resultat der Konferenz ist jedoch irgendwie auch nicht überraschend, wenn man sich an die letzten Klimakonferenzen zurückerinnert. Glasgow 2021 erinnert einmal mehr an einen grossen Charity-Event für ein paar reiche Personen und Staaten, um ihr Image ein wenig grün zu waschen, während sich bei internationalen Verträgen und Regelwerken praktisch nichts bewegt.
Merci für den Artikel!

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Ja, die COP26 hat kabarettistische Züge und die Gags sind nicht mal schlecht, obwohl es einem davon werden könnte.

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Kürzlich habe ich einen Beitrag in Vrij Nederland (einer kritischen holländischen Wochenzeitung) über die Auswirkungen der Erwärmung der Weltmeere in Holland gelesen. Darin wird moniert, dass sich der Meeresspiegel nicht nur durch das Abschmelzen der Eismassen erhöhen wird, sondern, dass sich die Weltmeere durch die zunehmende Wassertemperatur stärker ausdehnen und damit logischerweise auch stärker ansteigen werden. Die Erhöhung der Dämme ist eine Sache. Das Problem: auch das ganze Binnenwasser und das der Zuflüsse müssen über den Meeresspiegel gehoben werden. Zudem können Sturmflut und Starkniederschläge im Innern und im übrigen Einzugsgebiet der Flüsse gleichzeitig auftreten (ist auch schon vorgekommen). Die Folgen sind Überschwemmungen aller tiefer gelegenen Regionen. Unsicherheit besteht auch inbezug auf die Geschwindigkeit der Erhöhung des Meeresspiegels. Wenn das Eisschild der Antarktis ins Meer rutschen würde, könnte es zu sehr schnellen Veränderungen kommen, auf die technisch nicht mehr reagiert werden könnte. Ohnehin kommt man hier schnell einmal an technische und finanzielle Grenzen. Realistischerweise müsse auf längere Frist etwa ein Viertel des Landes unter Wasser gesetzt werden, mit einzelnen Inseln darin für die historischen Stadtkerne von Amsterdam, DenHaag usw. Die übrigen Siedlungsgebiete müssten in höher gelegene Teile des Landes verschoben werden. Es ist zum radikal werden!

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Ich danke für den weitgefassten Blick auf die Klimakonferenz in Glasgow.

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Elia Blülle
Journalist @Republik
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🙏🏽

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Ralph Hermann
Brand Consultant
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Danke für diesen lebendigen Einblick in Absurditäten der Konferenz. In der Hoffnung, dass vielleicht doch noch substantielle Vereinbarungen erzielt werden, man muss leider konstatieren: Bisher ein "Glasnogow".

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Verlegerin
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Vielen Dank!

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Elia Blülle
Journalist @Republik
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🙏🏽

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Der COP ist sowas wie der Eurovision Song Contest für die 0.01%

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Ich hoffe sehr, dass wir es wenigstens auf der regionalen Ebene endlich richtig anpacken und bspw. am 28. November des kantonale Energiegesetz von Zürich annehmen (und dazu noch die städtischen Richtpläne)!

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Am Ende des Textes fasst Elia Blülle zusammen: “Klimakonferenzen sind eine Kombination aus Diplomatie, Messe und Zirkus. Viel Show, gespickt mit unzähligen Widersprüchen und Heuchelei. Aber keine anderen Anlässe haben klimapolitisch so viel bewirkt". Dies lässt Blülle dann so stehen, als wolle er die Leser*innen beschwichtigen: Trotz “Zirkus” und “Heuchelei”, sollen wir dankbar und zufrieden sein. Die Aussage ist an sich nicht falsch, entpuppt sich aber alsbald als unsinnige, ja sogar als das Wesentliche verschleiernde Formulierung.
Sie ist unsinnig, weil es keine in Grösse, Relevanz und Legitimität vergleichbaren Anlässe gibt. Die UNFCCC COPs ist die offizielle, globale Instanz der Nationalstaaten, um der Klimakrise mit gemeinsam festgelegten Massnahmen zu begegnen. Dies haben sie sich, im Namen der Weltgesellschaft, selbst zur Aufgabe gemacht. So logisch es daher ist, dass diese Anlässe am meisten bewirken, so unsinnig ist auch die oben zitierte Aussage. Dieser Satz drängt, anstatt den Text abzuschließen, unmittelbar eine Folgefrage auf: Weshalb ist das so? Weshalb haben beispielsweise Konferenzen von Indigenen oder MAPA, die am stärksten von der Klimakrise betroffen sind und auf deren Stimme man am dringendsten hören müsste, eine viel kleinere Wirkung? Sich solche Fragen stellend merkt man schnell, dass es hier um mehr als Absenkpfade und Fussabdrücke geht, es geht vor allem um Macht: Wirksamkeit korreliert direkt mit Macht, ganz speziell in der globalen Politik. So versammeln sich an den UNFCCC COP die Nationalstaaten, welche ein Machtmonopol - national und international - für sich beanspruchen (ob dies legitim ist, und wieso nicht, soll nicht hier besprochen werden, muss aber auch gemacht werden). An der COP ist die Macht zwischen den Nationalstaaten aber keineswegs gerecht verteilt - auch da diktieren die westlichen, kapitalistischen Staaten nach Belieben. Es wird nicht zwischen gleichberechtigten Partnerinnen verhandelt, sondern die meistbetroffenen Gesellschaften und Kulturen, vor allem des Globalen Südens, appellieren an die früh-industrialisierten, wohlhabenden Staaten des Globalen Nordens, ihre Verantwortung endlich zu übernehmen. Auch an der COP verteidigen diese ihre Macht und Privilegien seit Jahrzehnten - mit der gleichen Vehemenz, wie sie die Umwelt zerstören. Dass die COP "mehr erreicht" als andere Konferenzen oder Bemühungen liegt also definitiv nicht an den Kompetenzen und der guten Lösungen, die dort präsentiert werden. Vielmehr liegt der globale "Erfolg" der COP daran, dass sich dort die Mächtigen sammeln.
Die Formulierung, dass “keine anderen Anlässe klimapolitisch so viel bewirkt haben”, ist aber nicht nur unsinnig, sondern lenkt den Blick auch weg von Macht- und Herrschaftsverhältnissen. Entscheidend wäre stattdessen zu fragen, was die Länder - unter der Vorherrschaft des Globalen Nordens - bewirken, im Verhältnis dazu, was sie umsetzen müssten und könnten! Die Vernachlässigung dieser Verhältnisse zeigt sich im zweitletzten Abschnitt: Elia Blülle wirft Aktivist*innen mit Regierungen, Unternehmern und Diplomaten in einen Topf - als hätten all diese Leute die gleichen Ziele und insbesondere, als hätten sie den gleichen Einfluss! Damit negiert Blülle jegliche Machtverhältnisse und suggeriert zudem, dass all diese Menschen gleichsam verantwortlich dafür sind, dass die globale Klimapolitik massiv scheitert. Das Gegenteil ist der Fall: Die gesellschaftlichen Errungenschaften und klimapolitischen Erfolge sind meist den Aktivist*innen und dem Druck der Strasse zu verdanken, die Verwässerungen der Ziele hingegen ebenjenen profitorientierten Regierungen, Unternehmer und Diplomaten.

Wer einen solchen Artikel mit den Worten schliesst, dass die COP am meisten bewirkt haben, unterlässt es nicht nur, die herrschenden Macht- und Herrschaftsverhältnisse explizit zu thematisieren, und dadurch zu hinterfragen, sondern hilft, sie zu stützen. Es wäre sinnvoller, die Berichterstattung so zu schliessen, wie dies Saleemul Huq, Director of the International Centre for Climate Change and Development (ICCCAD) in Dhaka 2014 gemacht hat: “It is about power politics, and the rich and the powerful never, ever voluntarily give up their power and their wealth. And so it has to be extracted like teeth in a dentist chair”.

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Elia Blülle
Journalist @Republik
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Guten Tag Herr Stämpfli

Danke für Ihren Kommentar, der sehr intelligent ist. Trotzdem einige Bemerkungen dazu:

Dies lässt Blülle dann so stehen, als wolle er die Leser*innen beschwichtigen: Trotz “Zirkus” und “Heuchelei”, sollen wir dankbar und zufrieden sein.

Bitte seien Sie nicht dankbar und zufrieden! Das wäre ja schrecklich. Es ist eine faktische Feststellung, dass das Pariser Abkommen eine Trendwende eingeleitet hat. Schauen Sie sich internationale Klimapolitik der letzten 30 Jahre an. Darüber habe ich hier einen ganzen Artikel geschrieben.. Natürlich liegt der Erfolg in der COP, dass sich die Mächtigen – viele davon demokratisch legitimiert – zusammenkommen. Aber, dass sie zusammenkommen, ist ein Erfolg. Historisch nicht selbstverständlich. Bei allem Respekt für die Proteste: Den autoritären Regierungen von China, Saudi-Arabien und Indien sind die Aktivist*innen und der Druck der Strassen sehr fest egal. Diplomatie kann das ändern. Auch wenn viele demokratische Länder, die sich hier als grosse Klimaschützer profilieren, zu wenig tun. Hier liegt es an den demokratischen Teilhaber und Teilhaberinnen etwas zu verändern.

Elia Blülle wirft Aktivist*innen mit Regierungen, Unternehmern und Diplomaten in einen Topf - als hätten all diese Leute die gleichen Ziele und insbesondere, als hätten sie den gleichen Einfluss!

Wo genau mache ich das? Ich beschreibe, was hier an diesem Event passiert. Dazu gehören auch die Aktivistinnen und Aktivisten. Natürlich könnte ich noch hinschreiben, dass die Aktivistinnen hier viel weniger Macht haben. Aber diese Feststellung ist so dermassen banal, dass ich sie meinen Leserinnen und Leser gerne ersparen würde.

Wer einen solchen Artikel mit den Worten schliesst, dass die COP am meisten bewirkt haben, unterlässt es nicht nur, die herrschenden Macht- und Herrschaftsverhältnisse explizit zu thematisieren, und dadurch zu hinterfragen, sondern hilft, sie zu stützen.

Wenn ich bei jeder Reportage noch ergänzen müsste, wie die Machtverhältnisse aussehen, wäre all meine Texte das x-fache länger. Ich will Ihnen das ersparen und gehe davon aus, dass meine Leser und Leserinnen aufgeklärte Menschen sind, denen man nicht immer noch eine politische Systemanalyse auf die Nase binden muss.

Freundlicher Gruss aus Glasgow, Elia Blülle

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Theologin/Pfarreiseelsorgerin
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Danke!

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Elia Blülle
Journalist @Republik
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Das primäre Ziel gemäss Pariser Klimabakommen (also das 1,5-Grad-Ziel) wird wohl nur erreicht, wenn sich die Klimaprognosenrechnungen des IPCC nicht bestätigen. Hoffen wir also, dass wir mehr Glück als Verstand haben.
Oder es passiert etwas Unangenehmeres: Dass nämlich wachsende Zahlen von Klimaflüchtligen zu sozialen Unruhen weltweit führen und das Problem auf eine radikalere Art in Form von kriegerischen Auseinandersetzungen 'gelöst' wird. Dann hätten wir dann weder Glück noch Verstand, sondern ganz einfach Pech gehabt. Immerhin würde sich die Suche nach den Schuldigen einfach gestalten: Das wären wir dann selbst.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Der Climate Action Tracker schreibt (Stand 9.11.2021)

Glasgow has a massive credibility, action and commitment gap as the world is heading to at least 2.4 ̊C of warming, if not more, the Climate Action Tracker warned today, in its annual global update at the COP26 climate talks.

The CAT warned that the “good news” of the potential impact of announced net zero targets was bringing false hope to the reality of the warming resulting from government inaction. The topline results of this year’s update:

  • With all target pledges, including those made in Glasgow, global greenhouse gas emissions in 2030 will still be around twice as high as necessary for the 1.5°C limit.

  • Stalled momentum from leaders and governments on their short-term targets has narrowed the 2030 emissions gap by only 15-17% over the last year.

  • With 2030 pledges alone – without longer term targets – global temperature increase will be at 2.4°C in 2100.

  • The projected warming from current policies (not proposals) – what countries are actually doing – is even higher, at 2.7 ̊C with only a 0.2 ̊C improvement over the last year and nearly one degree above the net-zero announcements governments have made.

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Elia Blülle
Journalist @Republik
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Wir werden all diese Zahlen bald einmal anschauen und vergleichen. Sehr verwirrend, was hier alles reinkommt.

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ichfürchte...
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Danke vielmals für diesen leider eher deprimierenden, aber sehr interessanten Einblick. Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, wenigstens ein bisschen zu verstehen, wie solche Konferenzen ablaufen.
(ich hätte Lust, die zuständigen Minister aller Länder auf eine einsame Insel zu verbannen. Schiff kommt erst wieder, wenn Einigung erreicht ist).

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Ja, viel Blabla. Das ist immer so. Menschen sind mit den verschiedensten und widersprüchlichsten Bedürfnissen und Verhaltensweisen ausgestattet. Wenn sie zusammenkommen, geht es entsprechend zu . Am Ende müssen sie sich auf etwas einigen. Oder es aufs nächste Mal verschieben und die "Schande" ertragen. Aber was man im Alter von Greta noch nicht weiss, nicht nachvollziehen kann: Die Alternative zu "Blabla" ist immer "Pengpeng".

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