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Es gäbe soviel zu diesem Text anzumerken, aber ich weiss nicht recht, womit ich anfangen soll. Ein aussereuropäisches Künstler*innenkollektiv hat wohl - hoffentlich - andere Referenzpunkte und eine andere Herangehensweise als wir uns das vielleicht gewohnt sind. Sollte man nicht versuchen, ihren Gedankengängen zu folgen statt sie zu verurteilen, dass sie nicht zu allen Geschehnissen, die sich in Europa ereignen, eine druckfertige Stellungnahme bereit haben? *
Was uns doch der Krieg in der Ukraine aufzeigt, ist, dass eine mögliche Reaktion auf das Unrecht, das Russland als Angreifer begeht, das Ergreifen von Sanktionen und teilweise auch Boykott ist. Die Verweigerung vom Kauf von bestimmten Gütern, um nicht am wirtschaftlichen Austausch beteiligt zu sein, der dann wieder Mittel für den Krieg generiert.
In einem anderen Kontext mag es andere Machtkonstellationen geben. Die Idee, sich nicht an einem wirtschaftlichen Austausch zu beteiligen, um nicht indirekt Unrecht, Enteignung, Kolonisierung, Militarisierung, etc. mitzufinanzieren, ist doch eigentlich nicht so überraschend, vor allem, wenn Direktbetroffene eines Konflikts eine solche Haltung zeigen. Warum nicht den Künstler direkt dazu befragen?
Die ganze Vorgeschichte (ob das Interview überhaupt publiziert werden darf) ist natürlich unschön. Es entsteht dadurch der Eindruck, dass dieser eine Aspekt der einzige Grund für das Interview war.
(*Ich kannte Noam Chomskys Einschätzung zu den Kriegsverbrechen in Kambodscha nicht. Er hatte sich wohl noch während der Herrschaft der Roten Khmer zum Ausmass der Opfer geäussert und dieses relativiert. Wenn man dies fünfzig Jahre später liest, ist das natürlich schockierend; heute hat man logischerweise einen ganz anderen Zugang zu Quellen und aufgearbeiteter Geschichte. Muss man den Interviewten deshalb ins Lächerliche ziehen, wenn er sagt, er habe von Noam Chomsky gelernt? Hat Herr Chomsky nichts Lesenswertes publiziert, das trotz seiner Fehleinschätzung zu Kambodscha Bestand hat? Würde es uns nicht gut tun, von einer anderen Sicht der Dinge etwas lernen zu wollen statt diese zu diskreditieren?)
Bezüglich der anderen Kommentare: Der Anspruch, dass ein indonesisches Kunstkollektiv unbedingt eine absolute und präzise Haltung zu BDS haben muss, ist sehr eurozentristisch.
Und sehr deutsch.... Als Westsplaining kommt mir die Erklärung vor "Sobald man die Stadt verlässt, bestimmen Vulkane, Erdbeben, Tsunamis und natürlich das Meer das Leben auf den Inselgruppen Indonesiens." Man erwartet von einem Indonesischen Kollektiv dass Naturschauplätze, die grosse Aufmerksamkeit auf sich ziehen thematisiert werden. und ist enttäusch, wenn der Fluss Fulda keine prominente rolle spielt.
Danke für den spannenden Text! Ich bin etwas schockiert, wie sehr Rakun ausweicht - und das immerhin als Teil des Kurator*innenkollektivs! Seine Aussagen wirken erschreckend unbedarft. "Nichts ist unschuldig" - diese und andere Plattitüden sind nur schwer zu ertragen.
"Kunst zu praktizieren", wie er sagt, hiesse ja genau, sich diesen schwierigen Fragen zu stellen und nicht einfach zu sagen: "Darüber weiss ich zu wenig."
Ich hatte das Ganze nur am Rande verfolgt, und ehrlichgesagt den Eindruck, dass hier überreagiert wurde von Seiten der Kritiker. Nachdem ich dieses Interview gelesen habe, hat sich meine Meinung geändert, da es mir wie Ihnen ging: Erschreckend, wie naiv Rakun vorgeht, wie sehr er hier ausweicht und die Antworten fehlen.
Aber auch zu anderen Themen finde ich, dass seine Meinung sehr seicht und schlecht begründet ist.
Da bin ich nicht überrascht, dass versucht wurde, das Interview zu unterdrücken.
Update: Ruangrupa reagieren in einem "offenen Brief" auf die Antisemitismusvorwürfe: "Antisemitismus-Vorwurf gegen Documenta: Wie ein Gerücht zum Skandal wurde". Die verlinkten Artikel von Faz und Monopol werfen ein neues Licht auf dieses Interview, in dem mit vorwurfsvollem Ton auf Bekenntnis und eindeutige Parteinahme gedrängt wurde.
"Im Rahmen der documenta fifteen wurden zu keinem Zeitpunkt antisemitische Äußerungen gemacht. Wir treten diesen Anschuldigungen entschieden entgegen und kritisieren den Versuch, Künstler*innen zu delegitimieren und sie auf Basis ihrer Herkunft und ihren vermuteten politischen Einstellungen präventiv zu zensieren."
"Im Januar 2022 wurden die Kurator*innen und einige Künstler*innen der documenta fifteen auf dem Wordpress-Blog eines "Bündnisses gegen Antisemitismus Kassel" des Antisemitismus beschuldigt. Dieses "Bündnis" scheint trotz seines Namens im Wesentlichen aus einer Einzelperson zu bestehen, die den sogenannten „Antideutschen“ (einer ehemals linksradikalen Splittergruppe) zuzurechnen ist. Mit der Jüdischen Gemeinde Kassel hat das "Bündnis" nichts zu tun."
"Sich selbst nennt er einen "Gegner der islamischen Religion, aber nicht im rassistischen Sinn." Hauptkritikpunkte am Islam sind für ihn fehlende Freiheiten und Menschenrechte. Und Meron Mendel, den israelisch-deutschen Leiter der Bildungsstätte Anne Frank in Kassel und Frankfurt, nannte er einen "notorischen Antisemitismus-Leugner". Mendel, für viele eine Stimme der Vernunft, hatte die Antisemitismus-Vorwürfe gegen die documenta zurückgewiesen."
"Wie wenig diese Darstellung mit der Realität übereinstimmt, haben die Journalist*innen Joseph Croitoru in der FAZ und Elke Buhr im Monopol Magazin gezeigt; wie komplex die Figur Sakakini tatsächlich ist, hat der Historiker Jens Hanssen auf dem Online-Blog Geschichte der Gegenwart dargelegt. Ein Blick auf die Webseite des Instituts hätte darüber hinaus gezeigt, dass es in Ramallah ein weit über alle politischen Grenzen hinweg anerkanntes Kulturzentrum ist, in dem auch viele internationale Organisationen – darunter auch deutsche Stiftungen wie die Konrad-Adenauer-Stiftung – eigene Veranstaltungen abhalten."
"Später hat der BgA-Blog noch einmal expliziert, was ihn an der documenta fifteen und dem da schon angekündigten Forum stört: nämlich, dass die Perspektive des Globalen Südens als "gleichwertig" behandelt werden soll. Damit spricht er aus, was andere nur denken: Multiperspektivität wird als Bedrohung deutscher Diskurshoheit empfunden."
"Der Versuch, einzelne palästinensische Künstler*innen selbst oder qua Kontaktschuld des Antisemitismus zu bezichtigen, folgt dem in rechten Blogs – auch international – häufig zu beobachtenden Drehbuch von "character assassination" und Verleumdungskampagnen. Die Existenz der vom "Bündnis gegen Antisemitismus Kassel" vorgebrachten Vorwürfe, deren Quellenmaterial im Wesentlichen aus amateurhafter Internet-Recherche besteht, ist sicherlich beklagenswert. Dass die kolportierten Vorwürfe es aber in die deutschen Qualitätsmedien geschafft haben, ist ein Skandal. Offensichtlich reicht es beim Thema Antisemitismus, mit der Dynamik des zirkulierenden Gerüchts zu arbeiten. Das nehmen wir zur Kenntnis."
Es gibt auf der Welt zahlreiche Konflikte, die es kaum je in das westliche Sichtfeld schaffen. Von daher sind andere Perspektiven immer wertvoll. Warum dabei aber Verbrechen relativiert werden müssen, die den Wedtem beschäftig(t)en und ihn prägen, werde ich nie verstehen. Es muss ja wohl eine Gleichwertigkeit des Schreckens geben.
Whataboutism + Noam Chomsky = unerträgliche Stimme aus einer vergangenen Welt.
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