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Guten Tag und erst einmal vielen Dank für den Beitrag, Herr Strassberg.
Dass der Mensch Natur ist und die Natur genau so viel Mensch, war eine Aussage, auf welche ich schon lange wartete - ein vom Menschen gebautes Hochhaus ist genauso natürlich wie der Turm einer Termitenkolonie. Dass Sie deswegen das Anthropozän für nichtig erklären, kommt mir jedoch etwas seltsam vor. Der Mensch ist, wie sie selbst sagen, genau gleich natürlich wie alle anderen Effekte, die vergangenen geologischen Zeitperioden ihre Abgrenzung und Namen gaben. So wurde das Karbon dominiert von neuen, holzigen Pflanzen aller Art, die das Klima und die Umwelt auf eine Art veränderten, wie man sie zuvor und danach nicht mehr sah - weswegen das Zeitalter auch nach deren Überresten, der Kohle, benannt wurde. Das soll nicht heissen, dass Pflanzen die Welt lenkten, im Gegenteil - aber aus Sicht eines Geologen oder Paläontologen waren Pflanzen schlicht die Lebewesen, die diesen Abschnitt der Weltgeschichte "dominierten".
Genau so wenig wie die Pflanzen des Karbon lenken wir die Welt jetzt, aber unser Einfluss auf den Rest des Globus ist nicht zu unterschätzen. Schliesslich sterben durch uns im Moment 500 Mal mehr Spezies pro Zeiteinheit aus, als eigentlich erwartet. Durch uns schmelzen die Polkappen und durch uns wird der Ozean immer saurer. Wir überziehen den Planeten mit Tonnen von Plastik und vergiften die Luft mit allerlei Abgasen, die Teils sogar langfristig die Atmosphäre verändern, siehe FCKW und das Ozonloch. Genau wie die Pflanzen des Karbon verändern wir den Planeten auf eine Art und Weise, wie noch nichts vor uns - und dürften dereinst auch entsprechende Spuren für den Paläontologen der Zukunft (falls es diesen gibt) hinterlassen. Zu sagen, wir wären momentan nicht der grösste Antrieb für Veränderung auf dem Planeten ist, unseren Einfluss auf den Planeten herunterzuspielen. Ein gefährliches Spiel, insbesondere, da sich Klimaverschwörer doch so gerne mit dem Argument "der Mensch hat gar keinen so grossen Einfluss" schmücken.
Nein, wir sind nicht die Herrscher der Welt, und was wir tun, ist weder natürlich noch unnatürlich. Doch so zu tun, als sei unser Einfluss nicht wichtig und als ob wir uns nicht gerade den Weg zum Untergang selbst ebnen, ist genau so falsch, wie den Rothschilds allem die Schuld zu geben.
Vielen Dank.
Man muss sich einfach vor Augen halten, was mit dem Ausdruck "Anthropozän" metaphorisch-symbolisch, also ausserhalb des engen geologisch-metrologischen Kontextes, geschieht. Er wirkt wie der Gipfel des kollektiven Narzissmus und Anthropozentrismus. Der Mensch machte nicht nur Gott nach seinem Ebenbilde, sondern nun auch die Natur. Ein mittels Technik realisierter Anthropomorphismus.
Daniel Strassberg spricht nicht der strukturellen Verantwortungslosigkeit das Wort, sondern im Gegenteil weist er darauf hin, dass es ein horizontales Wechselverhältnis von ko-habituierenden Wesen ist. Was es bedürfte ist nicht einseitiges steuerndes top-down, sondern gegenseitig sorgendes bottom-up. In einem wie auch immer prekären, weil dynamischen System-Gleichgewichtes.
Vielen Dank für Ihre Antwort, Herr Rebosura.
Wenn ich Ihre Antwort korrekt interpretiere, so halten Sie und Herr Strassberg den Begriff des Anthropozän für problematisch, da dieser in Ihren Augen suggeriert, dass der Mensch Herrscher der Natur sei. Soweit ich aber Josef Crutzen verstehe, ist das nicht die Intention hinter der Einführung des Begriffs - eher soll damit gezeigt werden, dass wir Menschen nicht auf einem Spielplatz leben, wo wir tun und lassen können, was wir wollen - sondern dass wir mit unseren Aktionen mittlerweile den Planeten soweit beeinflussen, dass wir uns bewusst werden müssen, dass unsere Aktionen weitreichende Konsequenzen haben.
Der geologische Wert des Begriffs ist natürlich stark debattierbar, da wir noch nicht lange genug so einflussreich sind, dass man bereits Zeichen davon in ähnlichem Ausmass wie aus vorherigen Zeitaltern in der Stratigraphie finden kann. Ob wir schlussendlich einflussreich genug waren, wird sich erst noch zeigen.
Ob man den Begriff des Anthropozän als Gipfel des Narzissmus oder als ernste Warnung sieht, ist wohl Sache des Blickwinkels. Wo Sie denken, dass wir uns zu Königen erheben, wenn wir dieses neue Zeitalter nach uns benennen, finde ich eher, dass es uns unsere Verantwortung aufzeigt. Als Spezies mit der Fähigkeit, die Welt in ähnlichem Mass zu beeinflussen, wie es vorher beispielsweise andere "evolutionäre Pioniere" wie z.B. Photosynthese betreibende Bakterien (deren massive Sauerstoffproduktion die "grosse Sauerstoffkatastrophe" vor ca. 2,4 Milliarden Jahren auslöste) konnten, fällt uns eine grosse Verantwortlichkeit zu, denn an uns liegt es, die Erde für uns und Andere bewohnbar zu halten. Wo einst die Cyanobakterien das Zünglein an der Waage waren, die bestimmten, wie es mit der Zusammensetzung der Erdatmosphäre und somit einem Grossteil des Lebens auf der Erde weitergehen soll, sehen wir uns heute in einer ähnlichen (wenn auch nicht ganz so extremen) Position, mit dem grossen Unterschied, dass wir die Kapazitäten und das Verständnis haben, das Resultat unserer Aktionen zumindest einigermassen zu steuern. Der Begriff "Anthropozän" steht dabei nicht für die Grösse der Menschen, sondern für deren Verantwortung und Einfluss.
Der Begriff kann in meinen Augen auch dann noch bestehen, wenn die Menschheit sich als Teil der Natur in einem Nebeneinander statt Übereinander sieht, schlichtweg als Erinnerung, dass wir als Teil der Natur durch unsere Aktionen überdurchschnittlich grossen Einfluss auf die Umwelt ausüben und uns deshalb zurückhalten sollten, in dem was wir tun.
Wirklich problematisch wird die Unterscheidung zwischen Natur und Kultur, wenn "Natur" mit Weiblichkeit verbunden wird und "Kultur" mit Männlichkeit. Frauen sind in dieser Vorstellung für die Reproduktion (im Sinne von gebären, ernähren, betreuen und pflegen) zuständig und der Natur unterworfen, während Männer mit ihrem "ungetrübten Verstand" die Produktion von neuem Wissen oder kulturellen und technischen Gütern vorantreiben.
Dass die Produktion gegenüber der Reproduktion als überlegen angesehen wird, zeigt sich unter anderem, wenn wir für High-Tech Produkte wesentlich mehr bereit sind auszugeben als für Dinge, die "nur" unser tägliches Überleben sichern (Grundnahrungsmittel oder Gesundheitsversorgung). Unsere tiefe Bereitschaft, Geld für Medien und Kultur auszugeben, soll hier als die traurige Ausnahme herhalten, die die Regel bestätigt. Wenn sich eine Branche plötzlich als systemrelevant herausstellt, führt das aber leider auch nicht unbedingt zu einem Anstieg des Lohnniveaus in dieser Branche…
Ebenso problematisch ist die Verweigerung von Rechten (zum Beispiel was den Zugang von gleichgeschlechtlichen Paaren zur Reproduktionsmedizin angeht) mit der Begründung, etwas sei "nicht natürlich". Auf den produktiven Charakter von Rechten und den reproduktiven Charakter der Reproduktionsmedizin sei hier nur der Ironie halber verwiesen.
–Vielleicht ist es vor diesem Hintergrund ein ganz kluger Zug, der Unterscheidung zwischen Natur und Kultur von vornherein als nichtig zu erklären und sich auf solche Diskussionen gar nicht erst einzulassen :)
Absolut! Genau so argumentierte bereits Aristoteles - und danach über 2000 Jahre die Kirche. Aber auch hier und heute gibt es noch jene, die die "Göttliche Ordnung" konservieren und propagieren wollen.
Zum Verhältnis Natur-Kultur-Technik schrieb aus feministischer Sicht die Biologin und Theoretikerin Donna Haraway ganz Spannendes:
Ein Manifest für Cyborgs (1985/95).
Unruhig bleiben. Die Verwandtschaft der Arten im Chthuluzän (2016/18).
Gerade letzteres Werk argumentiert gegen den narzisstischen Begriff des "Anthropozän" und votiert pessimistisch-dystopisch für das "Capitalozän" und noch viel mehr optimistisch-utopisch für das "Chthuluzän", wo wir alle horizontal auf der koexistierende Erdenwesen (gr. chtonios, "der Erde zugehörig") sind.
Wow, Sie kündigen wegen einer Kolumne ihr Abo? Die muss ja hammermässig sein - gut oder schlecht. Mir hat gerade der kontroverse Teil gefallen, die spannenden Beiträge der LeserInnen zeigen auch eine entsprechende Themenbreite.
Sehr geehrter Herr Wiget, es wäre schade, wenn Sie nun gehen würden. Und zwar alleine weil Strassbergs Kolumne für Ihre Entscheidung den Ausschlag gab. Sie schrieben:
Das Zweite was mich an Ihrem Artikel stört ist, dass Sie jegliche Kritik am System, alles was nicht den Worten des BAG‘s entspricht ins lächerliche ziehen. Es muss nicht gleich ein implantierter Chip sein. Aber Sie nehmen so jedem Kritiker die Angriffsfläche und stellen ihn als Dummkopf hin.
Denn das, was Sie so dermassen stört, wird von Strassberg ja nirgendwo gemacht. Er kritisiert nämlich nicht "jegliche Kritik", sondern nur jene der Verschwörungsgläubigen und das auf einer allgemeineren Ebene dieser zugrundeliegenden kollektive Denkmuster.
Also: Wenn jeder Verschwörungsglaube Kritik ist, dann ist nicht "jegliche Kritik" ein Verschwörungsglaube.
Oder etwa nicht?
Teile Ihre Meinung voll und ganz, manche Berichte in der Republik sind ganz schön einschränkend, was gar nicht zum Gesamtkonzept passen will. Und liebe Republik, nicht alle die Kritisch sind, sind automatisch Verschwörungstheoretiker, oder seit Ihr jetzt auch schon auf diesen Zug aufgesprungen...? Ansonsten bin ich aber echt zufrieden mit der Republik und werde sicher nicht wegen einem oder zwei solchen Artikeln das Abo künden.
Vielleicht ist es in diesem Zusammenhang interessant, dass der späte Heiner Müller, geneigt war, den Menschen als Kneipe zu betrachten. 1989 schrieb er kurz vor seinem Tod: "Andrerseits ist durch nichts erwiesen, dass der Mensch auf der Erde das herrschende Lebewesen ist. Vielleicht sind es ja die Viren, und wir sind nur Material, eine Art Kneipe für die Viren. Der Mensch als Kneipe - auch das ist nur eine Frage der Optik."
Geschrieben in Zusammenarbeit mit Helmut Weissert, Geologe
«Die Pandemie, zeigt, dass es ein «Anthropozän» nie gegeben hat».
Strassberg verknüpft in seiner Kolumne zeitgeistig alles, was an Themen in diesen Monaten zur Verknüpfung bereitsteht. Covid-19, Klima, Natur, Kultur - alles ist ein Ganzes. Das reicht dem Kolumnisten nicht, er setzt seinem grossen Thema noch einen falsch verstandenen Begriff «Anthropozän» als Deckel obendrauf. Leider hat Strassberg nicht verstanden, wie Geowissenschaftler den von ihnen eingeführten Begriff «Anthropozän» definieren. Der Mensch greift heute in verschiedene globale Stoffkreisläufe ein, er verändert diese in einem Ausmass, welches in der Menschheitsgeschichte einmalig ist. Veränderungen des globalen Kohlenstoffkreislaufs, der globalen Erosionsraten, der Nährstoffkreisläufe oder Reduktion der Biodiversität sind nur mit ausserordentlichen Zeiten in der Erdgeschichte vergleichbar. Der Mensch wirkt heute als ein wichtiger «geologischer» Faktor. In seinem Text verwischt Strassberg die Unterschiede zwischen lokalen und regionalen Eingriffen in die Natur, und global wirkenden Veränderungen, die das «Anthropozän» erst definieren. Dass Mensch und Natur eine Einheit sind, ist eine hübsche philosophische Feststellung. Wenn wir diese mit unserem heutigen extrem ausbeuterischen Verhalten kombinieren, dann entschuldigen wir alles was wir tun, wir sind ja als Teil der «Natur» ein grosses Ganzes. Dass der Mensch nicht den Untergang des Planeten auslösen wird, scheint allen klar, dass wir aber mit unserem Handeln unseren Nachkommen immense Probleme vererben, sollte Grund genug zu sein, die Erkenntnisse der Anthropozän-Forschung ernst zu nehmen und entsprechend zu handeln. Strassberg könnte, auch in einer Kolumne, wichtige Text-Quellen erwähnen, wie etwa die Arbeiten von Latour oder das Buch zum Matsutake Pilz von Anna Lowenhaupt Tsing.
Danke, Frau S., für die Klärung des "Anthropozäns". In 10'000 Jahren werden Geolog*innen einen Peak von Plastik und Plutonium in den Sediment Bohrkernen finden. Ob das Signal den Anfang oder schon den Höhepunkt des Anthropozäns anzeigt, hängt davon ab, ob die Freunde der Realität den Wettbewerb mit den Fans von Verschwörungs-Theorien gewinnen.
Wie immer, zuerst merci an den Autor, der sich immerhin die Arbeit gemacht hat etwas sortiert niederzuschreiben, das ich früh am Morgen schon unfallfrei verarbeiten kann.
Mir fehlt allerdings ein bisschen dre Punkt - der Artikel hat einen sehr offenen Schluss. Man fragt sich irgendwie "ja okay, und jetzt?". Ich meine, was ergibt sich denn jetzt daraus wenn man akzeptiert dass Menschen und überhaupt alle Lebewesen verbunden sind (Timothy Morton hat das sehr ausführlich auseinander klamüsert)? Können wir sowieso nix machen? Sind wir einfach Mitschwimmer im Strom des Lebens? Ist alles Schicksal? Gibt es sowas wie Verantwortung? Und wenn ja, in welchen Dimensionen wäre die?
Vielleicht zu lang für die frühe Stunde. Zu viele Fragen.
Vielleicht kommt ja noch ein zweiter Teil - .
Gut geraten! Gibt tatsächlich noch einen zweiten Teil, aber eher mehr Fragen, als mehr Antworten.
Mir ist die Zusammenführung von Kultur und Natur auch zu einfach. Irgendeinen Unterschied muss es da geben. Ich stelle mir das an einem Beispiel vor:
In Deutschland gibt es Braunkohlebergbau in der Lausitz und im Rheinland (Garzweiler II). Über diese Projekte wurde leidenschaftlich gestritten. Nach Strassberg spielt es aber eigentlich keine Rolle, ob Landschaften erhalten oder weggebaggert werden, denn irgendeine Veränderung durch den Menschen geschieht sowieso. Alles, was der Mensch tut, ist irgendwie auch natürlich. Gibt also keinen Grund, sich wegen des Kohlebergbaus so aufzuregen, oder? Der Klimawandel ist logischerweise auch ganz natürlich. Damit hätten wir endlich sinnlose Debatten beendet.
Sie stellen spannende und wichtige Fragen, Herr Reisewitz:
Können wir sowieso nix machen? Sind wir einfach Mitschwimmer im Strom des Lebens? Ist alles Schicksal? Gibt es sowas wie Verantwortung? Und wenn ja, in welchen Dimensionen wäre die?
Die grundlegenderen Fragen wären aber: Können wir Freiheit und Verantwortung uns nur dann vorstellen, wenn wir uns als von der Natur Getrenntes sehen? Wenn ja, weshalb? Doch von was, wenn nicht von der Natur, sind wir Teil? Und wenn nein, wie sonst?
Die Welt ist unlenkbar oder schlingert auch ohne unsere Lenkung durchs Universum. Die Erde ist kein Raumschiff, sie bedarf keiner Lenkung. Die Geschicke der Menschheit, so glaubte man früher, seien regier- und damit lenkbar. "Sich einzugestehen, dass es keinen Weltenlenker mehr gibt" ist oder war früher synonym mit dem Gedanken "Gott ist tot". Es brauchte nun aber über hundert Jahre, bis diese Idee in den Köpfen einiger Regierender ankam. Man kann diese Einsicht auch vergessen, verdrängen, verteufeln wollen. Allen Menschen ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen, das wäre die (unmögliche?) Aufgabe der Regierenden. Wirtschafts- und Finanzpolitik widmen sich nicht dieser Aufgabe, sondern dem Erhalt der Privilegien der Reichen und Superreichen.
Also ich verstehe den Begriff Anthropozän anders.
What a tease! Wie denn, wenn man fragen darf?
Wikipedia umschreibt es gut: "Das Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist."
Der Autor setzt Anthropozän mit "Untertan machen" gleich, mit Kontrolle. So war es aber nie gemeint. Nachfolgende Generationen, so es welche gibt, werden noch in Jahrmillionen erkennen können, dass wir in den letzten Jahrzehnten die Welt stark verändert haben. Dass wir dabei immer die Kontrolle hatten, hat niemand behauptet; im Gegenteil: Wir haben die Kontrolle nicht. Auch über die Auswirkungen unseres eigenen Tuns. Und das macht es gefährlich.
Ich auch. Die im Artikel dargestellte Sichtweise dass wir ja schlussendlich auch nur Natur sind, kann gefährlich sein. Nämlich dann wenn sie dazu verwendet wird Umweltverschmutzung zu legitimieren.
Tatsächlich. Wenn man den Menschen fatalistisch als Teil der Natur sieht, und die durch ihn angerichtete Zerstörung der Natur als ebensolchen Teil, der dadurch einen unvermeidlichen, schicksalhaften Charakter erhält, dann verkennt man, dass der Mensch eine gestalterische Kraft hat. Oder haben könnte. Wenn er wollte.
Schön, dass Herr Strassberg mal den Hintergrund des in den Medien vorherrschenden moralinsauren Naturverständnisses beleuchtet. Den kannte ich noch nicht. Ich habe mich nur desöfteren gefragt, wie man auf diese Trennung kommen kann, zumal unsere Körper mit etlichen Milliarden Mikroorganismen besiedelt sind, deren Beziehung zu unserem Restkörper je nach Gattung irgendwo zwischen "lebensnotwendig" und "tödlich" rangiert. Auch kommunizieren diese Mikroorganismen ständig mit unserem "System", wovon unser Bewusstsein allerdings kaum etwas mitbekommt, unser Verhalten aber sehr wohl beeinflusst wird.
Wir sind untrennbar Teil des Ökosystems (mindestens) unseres Planeten, und dieser natürliche Zusammenhang geht außerhalb unseres Körpers in alle Richtungen weiter, schon weil Natur ohne Stoffaustausch zwischen verschiedenen Spezies nicht funktioniert. Auch hier rangieren die Beziehungen zu anderen Spezies allseitig zwischen "lebensnotwendig" und "tödlich". Jede Spezies ist Nahrung für mindestens eine andere Spezies.
Man kann Technik als Erweiterung des menschlichen Stoffwechsels betrachten. Demnach ist es übrigens meines Erachtens auch absurd, die Frage des "Naturschutzes" losgelöst von der zahlenmäßigen Population der Menschen zu betrachten, denn es gibt kein Menschenleben ohne Stoffwechsel.
Wir können also bestenfalls aushandeln, wie wir als Spezies in dem System Natur nach den Regeln des Systems Natur, die wir nicht beeinflussen können, leben wollen. Die menschlichen "Anführer" können sich also überhaupt nur in diesem Rahmen bewegen, sofern sie den Planeten nicht unter Zuhilfenahme von Atombomben pulverisieren.
Ein seltener Speisepilz muss herhalten, unser Verhältnis zur Natur zu überdenken? Zumal die Tatsache, dass dieser Edelpilz nach der Zerstörung Hiroshimas das erste Lebewesen gewesen war, ja nicht umgekehrt bedeutet, dass die Atombombe Bedingung für sein Wachstum war (sonst würde man ihn ja wohl kaum auch im Nordwesten der USA finden). Dass Artefakte, etwa die Atombombe, ebenfalls den Naturgesetzen gehorchen, ist aus philosophischer Perspektive wohl einer der dürftigsten Belege dafür, dass es keinen Unterschied zwischen Natur und Kultur geben soll. Etwa ähnlich dürftig, wie die Existenz der Seele mit Nahtoderfahrungen belegen zu wollen. Und dass Aristoteles Schuld an der Trennung von Kultur und Natur trägt, kann ja wohl auch nur von einem Philosophen stammen, der sich und seine Riege wohl etwas allzu wichtig nimmt. Wie man dann aber auch noch die Verschwörungsgläubigen als die letzten Überlebenden der Moderne bezeichnen kann, benötigt aber nochmals einen gewaltigen Spagat in der Argumentationslinie, die sich mir beim besten Willen nicht erschliessen will.
Mit der historisch spezifischen Trennung und vor allem Hierarchisierung von Kultur und Natur ging auch jene zwischen Mensch und Tier, Weisse und Nicht-Weisse, Mann und Frau, Besitzer und Arbeiter/Sklave einher. Wollen Sie nun im Gegenteil behaupten, dass diese kontingenten, also in dieser spezifischen Form nicht notwendigen Trennungen keine Wirkmacht ausübten? Die anthropologisch-historischen Gründe - die dann von Menschen wie Aristoteles systematisiert, legitimiert und kanonisiert sowie tradiert worden sind - siehe bspw. Yuval Hararis "Eine kurze Geschichte der Menschheit" (2011).
Der Konnex zu Verschwörungsgläubigen ist dann ein einfacher: Selbst bei natürlichen blinden Prozessen zwischen Erdwesen, wie Viren und Menschen via Zoonose, glauben Sie bewusst entscheidende Menschengruppen steckten dahinter (Analoges bei demographischen Prozessen im Verschwörungsmythos des "Grossen Austauschs").
Auf Ihre Replik habe ich mich bereits gefreut, Herr Rebosura. Allerdings hätte ich etwas substantiellere Kritik erwartet. Ich habe ja an keiner Stelle behauptet, dass die Trennungen und Hierarchisierungen keine Wirkmacht ausüben. Doch diese Konstrukte hören ja nicht einfach auf, Wirkmacht auszuüben (schön wäre es ja), indem man sagt, «hört her Leute, die Trennungen beruhen alle auf einem grossen Missverständnis. Wir sind alle eins». Und wenn Sie behaupten, die Verschwörungsgläubigen seien die letzten Vertreter der Natur-Kultur-Dichotonie, tun sie diesen Personen meines Erachtens etwas zu viel der Ehre an.
Etwas grosser Rundumschlag der Artikel... Wenn Technologie als Natur betrachtet wird, gilt es, bei ihrer Entwicklung Umweltkapazitäten zu berücksichtigen (Funfact: Ressourcen sind in der Natur endlich). Das fehlt. Die Natur hat zudem kein Ziel. Im Gegensatz zu den von Menschen getriebenen Intentionen hinter der produzierten Technologie. Diese Ziele sind heute primär profitgetrieben und sowohl Umweltkapazitäten wie auch das Gemeinwohl kommen zu kurz. Das können wir ändern. So oder so, als Teil der Natur beeinflussen wir die Natur und... die Natur wird es richten.
Vielen Dank für diese erfrischende philosophische Betrachtung am Morgen. Die Trennung von Mensch und Natur war mir schon immer suspekt. Ich erinnere hitzige Diskussionen in Öko- und Umweltgruppen zu diesem Thema. Mittlerweile bin ich überzeugt, dass es genau dieses Trennung (Mensch vs. Natur) ist, welche die Zerstörung unserer Mitwelt erst ermöglicht.
Sorry aber ich finde das eher etwas mager. Kann jetzt auch nicht mehr liefern, doch klar ist ja, dass Kultur innerhalb der Natur unterschieden werden kann. Es ist also nicht binär, sondern systemisch. Ohne Natur gibts uns nicht, also auch unsere Kultur nicht. Darauf bauen wir auf. Im Moment sind die Grundlagen unserer Kultur gefährdet, da wir die Natur doch im grossen Stil beeinflussen. Es gibt wohl ein Anthropozän wenn es diese (wissenschaftlich-kulturelle) Einteilung in Erdzeitalter überhaupt gibt.
Die Welt lenkt sich selbst und wir sind ein gewichtiger Teil davon, prägend, selbstzerstörerisch (- was natürlich ist?)
Sie sprechen da Wichtiges an, wenn Sie schreiben:
Im Moment sind die Grundlagen unserer Kultur gefährdet, da wir die Natur doch im grossen Stil beeinflussen.
Strassberg gibt nun Hinweise dafür, aufgrund von welchem seit Jahrtausenden tradierten Menschen- und Naturverständnis diese Naturgefährdung geschehen ist. Und stellt die Frage in den Raum, ob ein anderes Menschen- und Naturverständnis einen anderen Umgang mit sich bringen würde. Etwa ein auf wechselseitiger Abhängigkeit basierendes von ko-existierenden Lebewesen.
Ich denke hier schon, dass es einen wesentlichen Unterschied macht, ob wir von einem horizontalen wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis ausgehen oder von einem vertikalen hierarchischen Herrschaftsverhältnis. Meinen Sie nicht?
Ja klar meine ich das auch, ich dachte wir wären da schon weiter. Und wenn ich lese, dass Corona zeigt, dass das Antropozän nicht existiert, dann bin ich verwirrt, weil das Gegenteil der Fall ist. Corona haben wir fast schon selber provoziert mit unserer Viehwirtschaft und der Reduktion der Artenvielfalt. Die nächste Pandemie kommt bevor die aktuelle im Griff ist. Wetten?
Nun ja: Was haben nur all jene Generationen unserer Vorfahren getan, als sie noch keine Feuersteine, Faustkeile, Hebel und Jagdwaffen hatten!? Ausgestorben sind sie offenbar trotzdem nicht.
Und noch was: Sind jetzt eigentlich jene Menschen, welche sagen, dass die so genannte "COVID-19-Pandemie" nicht schlimmer sei als eine Grippewelle, Verschwörungstheoretiker?
PS: 1995/1996 erkrankten in Deutschland 10.5 Prozent der Bevölkerung an der Grippe (Influenza); 0.37 Promille starben daran. (Wikipedia: Liste von Epidemien und Pandemien)
An der "COVID-19-Pandemie" erkrankten 8.9 Prozent der Bevölkerung Deutschlands ("Fälle"); 0.11 Promille starben mit oder an dem Coronavirus (also ein Drittel der [0.37 promille] Grippeopfer von 1995/96).
Sind jetzt eigentlich jene Menschen, welche sagen, dass die so genannte "COVID-19-Pandemie" nicht schlimmer sei als eine Grippewelle, Verschwörungstheoretiker?
Wer sagt das? Aus Strassbergs Kolumne lässt sich dies meines Erachtens nicht ableiten. Dies liesse sich erst beurteilen, wenn Motiv, Interesse, Absicht und v. a. Überzeugungssystem bekannt wären. Zum Beispiel ist diese Aussage erst dann Teil eines Verschwörungsglaubens, wenn der Sender zugleich sagt, dass diese «Wahrheit» von den Regierungen, Medien und Mehrheiten durch Manipulation geheim gehalten und verschwiegen werden würde.
Das Problem ist nur, dass der Vergleich in dieser Aussage bereits auf der rein sachlichen Ebene hinkt. Erstens wird ein abgeschlossener Verlauf mit einem noch laufenden verglichen.
Zweitens und vor allem ist "Grippe" nicht gleich "Grippe". Denn hier gibt es unterschiedliche Typen. So sind die Grippe-Wellen mit Influenza-A-Viren weitaus gefährlicher und tödlicher als die mit Influenza-C-Viren. Nun waren nicht nur die Spanische, Russische und Hongkong-Grippe, sowie Schweine- und Vogelgrippe solche mit Influenza-A-Viren, sondern auch die epidemische Grippewelle von 1995/96 (vermutet wird eine Variante der Hongkong-Grippe). Die häufigeren und relativ harmloseren saisonalen Grippewellen sind meist solche mit Typ C.
Schliesslich, drittens, sind eben Influenza und Corona-Viren verschieden.
In mehrfacher Hinsicht also wird meist Äpfel mit Birnen verglichen. Erst recht, wenn der Vergleich mit der Absicht gestellt wird, die aktuelle Pandemie zu verharmlosen. Denn dann ist es ja offensichtlich, dass damit nicht die starken Grippewellen mit Influenza-A-Typen gemeint sind (etwa jene von 1995/96 in Deutschland und anderswo), sondern die harmloseren saisonalen Grippen. Weil ja dann das "nur" oder "just" in "nur eine Grippe" oder "just a flu" keinen Sinn mehr machen würde.
Aus Strassbergs Kolumne lässt sich ohne Weiteres ableiten, dass er (betreffend Covid-19) jedenfalls konkludent alle Überzeugungen, welche nicht der Mainstream-Panikmache entsprechen, ins Lächerliche zieht bzw. als Verschwörungstheorien abtut (vgl. z.B. "milderen Formen des Verschwörungsglaubens neigen viele zu").
Dass Covid-19 nicht schlimmer als eine Grippewelle sei, sagt - das wissen Sie ja - zum Beispiel der Facharzt für Lungenkrankheiten Dr. Wolfgang Wodarg. Ich persönlich habe weder von einer "harmlosen" Grippewelle noch von einer "Grippe-Welle mit Influenza-C-Viren" geschrieben (auch nicht von A- oder B-Viren). Jede der Grippewellen, welche in der Regel ein Mal pro Jahr auftreten, hat gravierende (Todes-)folgen. Dies war auch bei der Covid-19-Welle vom März/April 2019 der Fall.
Und klar doch: Die Covid-19-"WELLE" vom März/April 2020 IST genauso ABGESCHLOSSEN, wie es auch die GrippeWELLE von 1995/96 ist. Es gibt im Verlaufe eines Kalenderjahres nie eine Zeitperiode, in der es KEINE Grippe-Konsultationen gibt. Wovor in der Schweiz (und an vielen anderen Orten der Welt) viele Angst haben, ist vor einer weiteren Covid-19-Welle. Und auch diese wird (wie alle Grippewellen) erstens kommen und zweitens einige von uns umbringen (ca. zwei Menschen von 10 000 Menschen). Die 9998 anderen werden aber glücklich davonkommen und sich des Lebens erfreuen (und müssen dann hoffentlich auch keine Maske mehr tragen).
Darf ich fragen, woher diese Zahlen kommen? Die bei mir bisher (im Kopf) gespeicherten Zahlen lauteten anders.
@ Frau R.: Gerne.
In der Schweiz starben 2 von 10 000 Menschen "im Zusammenhang mit" Corona.
Und diese 2 Verstorbenen (von 10 000) erreichten ein Medianalter, welches höher ist als die durchschnittliche Lebenserwartung in der Schweiz (das Medianalter lag rund ein halbes Jahr ÜBER der durchschnittlichen Lebenserwartung)! Die Coronatoten haben mit anderen Worten trotz Virus die durchschnittliche Lebenserwartung GEGEN OBEN GEDRÜCKT!
Hier die QUELLEN ZU DEN ZAHLEN:
Grippe-Zahlen 1995/1996 für Deutschland:
8.5 Mio. erkrankte & 30 000 Grippetote bzw. 10.5 % Erkrankte; 0.37 Promille Tote:
https://www.lungenaerzte-im-netz.de…torisches/
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Lis…_Pandemien
Bevölkerung Deutschland 1995 (81.138 Mio. Einwohnerinnen):
https://www.populationpyramid.net/d…land/1995/
https://de.statista.com/statistik/d…tschlands/
Rechnung: 8 500 000 : 81 138 000 100 = 10.5 Prozent Grippe-Erkrankte (D)
Rechnung: 30 000 : 81 138 000 * 1000 = 0.37 Promille Grippetote (D)
Corona-Zahlen Deutschland 2020:
206 926 Corona-"Fälle" und 9128 Todesfälle:
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ…ahlen.html (Stand: 29.7.2020, 00:00 Uhr)
Bevölkerung Deutschland 31.12.2019 (83 166 711 Einwohnerinnen):
https://www.destatis.de/DE/Themen/G…-2019.html
Rechnung: 206 926 Corona-"Fälle" : 83 166 711 Einw. 100 = 0.2 Prozent Corona-"Fälle" (D)
-> Bei den "Fällen" machte ich in der oben stehenden Rechnung einen Fehler, indem ich dort von 8.9 Prozent "Fällen" schrieb; ich bitte Sie, mir das nachzusehen.
Rechnung: 9128 "Corona"-Tote : 83 166 711 Einw. * 1000 = 0.11 %° "Corona"-Tote (D)
Rechnung: 0.11 %° "Corona"-Tote D : 0.37 %° Grippetote = +/- 1 Drittel "Corona"-Tote
Corona-Zahlen Schweiz:
34 609 Corona-"Fälle" und 1703 Todesfälle, die "im Zusammenhang mit Corona stehen":
https://www.bag.admin.ch/dam/bag/de…chweiz.pdf
Bevölkerung der Schweiz 2018 - 8 544 527 Einwohnerinnen:
https://www.bfs.admin.ch/bfsstatic/…606/master
Rechnung: 34 609 : 8 544 527 100 = 0.4 Prozent "Fälle" (CH)
Rechnung: 1703 : 8 544 527 * 1000 = 0.2 Promille "Corona-Tote" (CH)
Rechnung "In der Schweiz starben 2 von 10 000 Menschen":
8 544 527 (Bevölkerung) : 10 000 = 854 (so viel Mal 10 000 Menschen leben in der Schweiz)
1703 ("Corona"-Todesfälle) : 854 ("pro 10 000") = 1.99 Corona-Tote pro 10 000 Einwohner
Lebenserwartung Schweiz 2019 bei der Geburt (Durchschnitt m/f) 81.9 + 85.6 : 2 = 83.75 Jahre:
https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/hom…rtung.html
Medianalter der "im Zusammenhang mit Covid-19" verstorbenen: 58% der Verstorbenen waren Männer; ihr Medianalter war 83 Jahre [83 (Jahre) 58 (%) : 100 = 48.14 (rechnerische Grösse); 42% der Verstorbenen waren Frauen; ihr Medianalter war 86 Jahre [86 (Jahre) 42 (%) : 100 = 36.12 (rechnerische Grösse); 48.14 + 36.12 = 84.26 Jahre (Medianalter aller verstorbenen Frauen und Männer):
https://www.bag.admin.ch/dam/bag/de…e_Lage.pdf
(S. 10)
Das "Durchschnittsalter" der Coronatoten wird durch das Bundesamt für Gesundheit leider nicht veröffentlicht. The European schreibt für Deutschland unter Berufung auf das Robert Koch Institut von einem Altersdurchschnitt der Coronatoten von 81 Jahren und von einem Median von 82 Jahren:
https://www.theeuropean.de/campo-da…flacht-ab/
Hoffentlich erkennen Sie, Frau R., in diesen Zahlen nun die bei Ihnen bisher (im Kopf) gespeicherten Zahlen wieder?
Guten morgen allerseits, den Beitrag, dem ja wie von Herrn Strassberg erwähnt ein Teil zwei folgen wird empfinde ich als einen Blickwinkel, ein bunt zusammengeschmischtes z'Morge und hinterlässt auch bei mir einen etwas schalen Nachgeschmack. Verschiedenes kommt mir dabei in den Sinn. Ob es für den Planeten einen Unterschied macht, ob eine Flut, ein Vulkanausbruch, ein Krieg, Plastik im Meer, Ozonlöcher etc über ihn oder in ihm wüten ( das ist auch ein menschlicher Blickwinkel) kann ich nicht sagen. Als Teil der Natur haben wir alle die Möglichkeit, in Verläufe einzugreifen und auf neue Gegebenheiten zu reagieren, oder auch nicht. Ich lese oft mit Interesse die von Autor/Innen gewählte Zitate, die aus Werken zitiert werden, um Boden unter deren Standpunkte zu setzten. Oft sagen sie viel über den/diejenige aus, welche sie herauspicken. Herr Strassberg, sie zitierten Aristoteles, die Bibel ( (1. Mose 1:28)). Zitate werden oft gebraucht, um eigene Meinungen zu untermauern, könnten aber auch genau zum Gegenteil herbeigezogen werden, um eigene Gedankengänge zu hinterfragen. Wie würden Sie z.B. die Erfindung des einen Wochentages einordnen, welche dem Menschen und seiner Umgebung eine 24 stündige Pause geben würde? Sei es nun der Freitag, Samstag oder Sonntag. Fragen, Fragen Fragen. Deborah Mittner Ihren Kommentar habe ich sehr genossen, ein frischer Morgenwind.
Sehr erfreulicher Artikel. Danke! Wer Lust hat, sich tiefer in neue Sichten auf das Verhältnis Natur/Mensch einzulassen, findet hier wunderbare Anregung:
Anna Tsing; The Mushroom at the End of the World: On the Possibility of Life in Capitalist Ruins
Timothy Morton; Being Ecological
Donna Haraway; Staying with the trouble
(Alle gibt es auch in Deutsch)
Bruno Latour; Das Terristrischen Manifest
... auch wenn sich einige mit Händen und Füssen gegen die Erkenntnis wehren, dass der Homo Sapiens die Welt nicht beliebig von der Spitze einer Pyramide aus „beherrschen“ kann. Die Einsicht, dass wir Ökosysteme nicht „verwalten“, sondern lernen müssen, als Teil der Erd-Atmosphäre nachhaltig lebenserhaltend zu agieren, beschränkt unsere Möglichkeiten aber nur im Denken von Gestern ...
.... und dazu mehr bei Maja Göpel; Unsere Welt neu denken
...
Logikfrei schreibt sich fideler.
"Dieses Naturverständnis konnte sich vielleicht so lange halten, weil es sich mit der christlichen Lehre von der unbefleckten Empfängnis gepaart hatte: Der Mensch greift in die unberührte Natur ein und zerstört mit seiner Technik Mutter Erde." Häh?
"Wir leben nicht mit der Natur, wir sind Natur, und damit ist auch das, was wir hervorbringen, Natur. Also auch die Technik. Vergessen wir nicht: Auch die Atombombe gehorcht den Naturgesetzen. (...) Unberührte Natur gibt es nicht, zumindest nicht, seit Menschen auf der Erde wohnen." Ja, sind wir jetzt Natur oder nicht? Nur weil sich etwas als philosophische Kolumne gibt, heisst das nicht, dass sie davon befreit ist, grundlegende Logik anzuwenden.
Der grundlegende Denkfehler ist, dass horizontale wechselseitige Bedingungsverhältnisse in vertikale hierarchische Herrschaftsverhältnisse missdeutet oder eben für instrumentelle Zwecke umgedeutet werden.
Aus dem Sowohl-als-auch wird ein Entweder-Oder. Aus einem systemischen Holismus ein dichotomischer Dualismus. Entzwei geschnitten (gr. dicho-tomia), was zusammen gehört. Klar und distinkt geschieden. Und durch Reinheitsgebote und Tabus sanktioniert.
Ein hierarchischer Stamm(baum). Wie anders funktionieren doch die Pilz-Rhizom-Netzwerke!
Hierzu lesenswert:
Max Horkheimer und Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung (1944)
Gilles Deleuze, Félix Guattari: Rhizom (1977)
Anna Lowenhaupt Tsing: Der Pilz am Ende der Welt. Über das Leben in den Ruinen des Kapitalismus (2018)
Hayao Miyazakis frühes Anime-Meisterwerk Nausicaä aus dem Tal der Winde (1984)
Als ich Daniel Strassbergs Ausführungen las, tauchte vor meinem inneren Auge das denkwürdige Bild aus Arthur Schopenhauers "Die Welt als Wille und Vorstellung" (1819) auf:
Im unendlichen Raum zahllose leuchtende Kugeln, um jede, von welchen etwan ein Dutzend kleinerer, beleuchteter sich wälzt, die inwendig heiß, mit erstarrter, kalter Rinde überzogen sind, auf der ein Schimmelüberzug lebende und erkennende Wesen erzeugt hat: – dies ist die empirische Wahrheit, das Reale, die Welt.
Jedoch ist es für ein denkendes Wesen eine mißliche Lage, auf einer jener zahllosen im gränzenlosen Raum frei schwebenden Kugeln zu stehn, ohne zu wissen woher noch wohin, und nur Eines zu seyn von unzählbaren ähnlichen Wesen, die sich drängen, treiben, quälen, rastlos und schnell entstehend und vergehend, in anfangs- und endloser Zeit: dabei nichts Beharrliches, als allein die Materie und die Wiederkehr der selben, verschiedenen, organischen Formen, mittelst gewisser Wege und Kanäle, die nun ein Mal da sind.
Zwei Kritikpunkte:
Ich gehe zwar d’accord, dass Natur vs. Kultur eine westliche Konstruktion ist, um der Vorherrschaft des weissen bliblablu Mannes über die Natur zu legitimieren. Allerdings ist das „Anthropozän“ nicht einfach ein im leeren Raum philosophischer Debatten stehender Begriff. Vielmehr ist es ein wichtiges Konzept, um Klimapolitik zu betreiben. Und zwar, um Menschen, die einen Dreck drauf geben, ob Natur/Kultur eine legitime Gegenüberstellung sei, davon abzuhalten im Flugzeug um die Welt zu furzen. Strassberg verhandelt den Begriff meiner Meinung nach ziemlich kurzsichtig und blind dafür, dass es nicht einfach ein philosophisches Konzept ist, sondern ein politisch extrem wichtiges Instrumentarium darstellt.
Etwas problematisch, dass Anna Tsings Buch zum Matsuke als offensichtlich zentrale Quelle völlig unerwähnt bleibt. Umso mehr, als sie und ihr Dunstkreis wie Donna Haraway et al. viel Spannenderes zum Thema beizutragen haben, als Strassbergs Kolumne. Diese sogenannten Neomaterialistischen Feminist*innen verstehen Kritik nicht als einfach bisschen rummeckern, sondern als „Denken mit dem Bestehenden“, als Konstruktion neuer Begriffe, wie zum Beispiel die Symbiose als grundlegendes Konzept allem Lebens. Unter anderem damit lenken sie den Fokus auf das verknotete Miteinander aller Dinge, und unterscheiden in ihrem Denken nicht zwischen biologischer, philosophischer und politischer Debatte.
Herr Strassberg wollte wohl gegen eine althergebrachte Dichotomie wettern, was ich grundsätzlich begrüsse. Allerdings hat er eine weitere althergebrachte „modernistische“, westliche Aufteilung gestärkt: Jene zwischen Geisteswissenschaften und Politik.
Lieber D. H., besonders Ihrem zweiten Punkt stimme ich zu. Aber müsste man nicht gerade mit Haraway (witzig sie als "Dunstkreis" von Tsing zu bezeichnen) und mit Rücksicht auf die Symbiose als "das verknotete Miteinander aller Dinge" den Ausdruck "Anthropozän" grundlegend hinterfragen und letztlich als masslose Hybris ablehnen?
Denn so richtig und wichtig es ist, in ethisch-politischer Hinsicht hervorzuheben, dass 'mit grosser Macht auch grosse Verantwortung folgt', so bleibt die Über-antwortung des Zeitalters und der Erde an den Menschen - welche mit dem Namen "Anthropozän", also "Erdzeitalter des Menschen", einhergeht - ein zweischneidiges (Damokles-)Schwert. Denn einerseits kann der Begriff dazu benutzt werden, dass man seinen Impact massvoll einschränkt, andererseits aber auch dazu, dass man ihn masslos ausweitet.
Anthropozän, Naturschutz und Geo-Engineering bilden dann eine spannungsgeladene, ja letztlich widersprüchliche Einheit.
Zudem ist es das eine, wenn ein Begriff aus ethisch-politischen Gründen aufrgund seiner nützlichen Wirkungen, eingeführt und propagiert werden soll. Etwas anderes ist es, wenn ein Begriff aber auch die Politik damit aufgrund der widersprüchlichen, schädlichen oder nicht-intendierten Konsequenzen kulturwissenschaftlich oder philosophisch begründet kritisiert wird. Nochmals etwas ganz anderes ist es hingegen, einen Begriff aus naturwissenschaftlichen Gründen einzuführen. Denn dort geht es nicht, ja soll und darf es nicht um Politik gehen. Doch womöglich ist auch diese normative Sicht eine letztlich idealistische. Wie die Wissenschaftsgeschichte immer wieder bewiesen hat (siehe Paul Feyerabend oder Bruno Latour).
Nichtsdestotrotz wurde der Ausdruck "Anthropozän" ursprünglich von Crutzen und Stoermer als Vorschlag zur Benennung einer neuen geochronologischen Epoche ins Spiel gebracht. Und ist seither in der Geowissenschaft kontrovers diskutiert worden. Zur soziokulturellen Wirkung und politischen Instrumentalisierung schreibt etwa die Deutsche Stratigraphische Kommission:
Zum einen geht es darum, ein Anthropozän wie alle anderen Stratigraphischen Einheiten formal mit einem GSSP und Golden Spike zu etablieren. Die DSK hält das für wenig sinnvoll, auch wenn mit dem Eingang in die Lehrbücher die Einheit wesentlich populärer werden könnte. Als informeller Begriff ist sie schon jetzt in aller Munde, so dass die Working Group [of the ‚Anthropocene‘ der Subcommission on Quaternary Stratigraphy der ISC] mit ihrem Vorhaben vermutlich auch von dieser öffentlichen Wirkung angetrieben wird. Man muss aber aufpassen, dass wissenschaftliche Konzepte nicht mit politischen Weltanschauungen vermischt werden. Vielleicht ist es also besser, das Anthropozän auf dem Feld der Geoethik zu platzieren, und nicht auf Stratigraphischen Tabellen.
Der Ausdruck ist - wie so viele vor diesem - für die Naturwissenschaft also verbrannt, in die Kulturwissenschaften disseminiert und schliesslich in der Gesellschaft und Politik angelangt (wo er von Natur- und Kulurwissenschaften kritisiert wird).
Ob letzten Endes im Guten oder im Schlechten? Nun, wir werden sehen.
endlich schreibt’s mal jemand. Die Menschen meinen sie seien die Höchsten, nur weil sie die eigentlichen Herrscher nicht sehen können. Zu unvorstellbar, dass nicht-Lebewesen wie Viren VON SELBST und nicht durch den gescheiten Menschen so ausgeklügelt sein können. Es denkt doch auch niemand dass unser Gehirn von Menschen erschaffen wurde, oder?
Aufregend ist nicht nur die Frage, wer herrscht, und wie die Herrschaftsbereiche eingeteilt werden, sondern ob und wo es Grenzen gibt, die mehr sind als provisorische Denkkrücken oder Herrschaftshilfen innerhalb der aktuell dominierenden Kultur. Grenzen zwischen Gemeinden, Staaten, Fachbereichen und Religionen stehen zunehmend in Frage. Das Ganze können wir nur ahnend erfassen, wenn wir die Grenzen bis zum Horizont setzen - oder noch weiter. Menschheit, oder besser Lebewesen überhaupt, oder ... Damit wir uns in diesen Grössen nicht verlieren, könnten wir uns darauf beschränken, unseren Beitrag zum grossen Spiel zu beherrschen d.h. virtuose, voll eintauchende Spielerinnen und Spieler zu werden: Alles, was wir in unserer Reichweite tun, ist Vorlage für andere, und aktiv mitspielen können wir nur dank den Vorlagen anderer. Um das Genesiszitat aufzunehmen: Spielende Kinder mit Gott als mitspielendem Schiri...
Oh, das Bild der virtuos, voll eintauchenden Spieler*innen gefällt mir! Auch stellen Sie spannende Fragen. Doch wie würden Sie diese beantworten?
Was sind das für Grenzen?
Gibt es solche Grenzen?
Wo sind diese Grenzen?
Wer oder Was setzt diese Grenzen?
Und warum gibt es diese Grenzen?
Gute Rückfragen. Auf gegenwärtigem Stand meiner Lektüren und Gespräche hängen die Grenzen irgendwie mit dem Sesshaft werden und Ackerbau treiben zusammen. Und damit kam es auch zu all den Hierarchien, die wir heute überwinden müssen, um auf eine nächste evolutionäre Stufe zu kommen. Grenzen zwischen Höfen, Siedlungen, Stadtstaaten oder dann Imperien oder hierarchisch verfasste Kirchen, die sich dann häufig als „die Zivilisation“ verstanden und sich gegen Barbaren, Heiden, Kräuterfrauen oder „die Natur“ abgrenzten. Weitere Grenzen wurden zwischen wissenschaftliche Disziplinen oder Nationalstaaten gesetzt, auch zwischen Firmen, die zu Konzernen anwuchsen.
Das sind (1.) alles Herrschaftsgrenzen, es gibt sie (2.), insofern wir uns beherrschen lassen und daran glauben, aber nur in unseren Köpfen (3.). Gesetzt werden sie (4.) von Menschen und Gruppen, die ein Feld beherrschen und nach ihrem Kopf gestalten wollen. Weil die Menschen (5.) keine Leit-geschichten oder tragende Narrative mehr pflegen, die sie die grosse Weite mit all ihren Überraschungen aushalten lassen.
Das ist provisorische Kurzform Stand heute.
Inspirierende Lektüre dazu auch: Al Imfelds Agrocity https://rotpunktverlag.ch/buecher/a…fur-afrika
Nach längerem Nachdenken empfinde ich die Argumentation von Strassberg zunehmend als zweifelhaft. Was ist eigentlich mit den Menschenrechten? Die basieren doch auf der Annahme der Einzigartigkeit des Menschen und schliessen die Gleichstufung von Tier und Mensch aus.
Wenn Hunde nun Hunderechte niederschrieben, täten sie dies wohl auch mit dem Anspruch auf Einzigartigkeit.
Darum gibt es Initiativen wie das "Great Ape Project", in einem ersten Schritt den Grossen Menschenaffen Grundrechte zuzugestehen. Und dass dem weitere Schritte folgen müssen, ist m. E. klar.
(Um allfällige Kritik vorabzunehmen: Es geht um Grund- und nicht um Menschenrechte. Was will ein Gorilla mit dem menschlichen Recht auf freie Meinungsäusserung - ein no brainer. Mehr unter "Great Ape Project".
Dass so schludrig hingeschletztes Denken wie in diesen Strassberg-Kolumnen - die ich mir an sich nicht mehr auch nur anzuschauen geschweige denn zu lesen vorgenommen hatte - kann mit diesen ewigen Gedankensprüngen, die dann zu einer Scheinlogik verknüpft werden, nix anfangen bzw halte das für Schrott - dass dies zu solch ellenlangen Diskussionen führen kann - das erstaunt mich wirklich. Diskussionen, die in einzelnen Teilen massiv fundierter und informativer und interessanter sind als die in der Kolumne präsentierte Philosophie der geistigen Kurzschlüsse (im Sinne elektrischer Kabel: zisch, und verbrannt is, und das Ganze müsste nochmals gründlich neu verkabelt werden statt sich von Kurzschluss zu Kurzschluss weiter zu verzischen).
Schon nur der Einstieg: Aristoteles ist Schuld an ... an was auch immer. Päng paff - hier müssten der Alarm schon schrillen, die Community schon Widerspruch einlegen. Völlig egal, an was dieser olle Aristoteles genau Schuld sein soll, wenn so einstirnig und eingleisig und eindimensional, mit Einmannschuldzuschreibung in historischer Dimension gearbeitet wird.
Pffff! - Aber dann trotzdem teilweise sehr spannende Diskussion. Strange. Aber was zum dran Rumdenken.
Anders als die Kolumne selber - das x.te Mal einfach nur Schall und Rauch. Nix drin. Pfft und zisch. Aber ja, Herr Rebosura wird nun sicher einen Halbsatz, Einzelaspekt rausgreifen und vehement zu verteidigen beginnen. - Nur dass die Einzelteile nie und nimmer ein Ganzes geben. Überall verkohlte Kurzschlüsse zwischengespickt.
Ach, übrigens, merke grad, dass damit auch die Antwort auf die Titelfrage rausgearbeitet ist: Aristoteles, natürlich, lenkt die Welt. Ganz einfach - isn’t it.
Ich liebe einen schönen rant, liebe Autorin mit dem komplizierten Namen! Gut für den Blutdruck am Morgen. Mache ich selbst auch oft um wachzuwerden. Ihnen also einen Supertag!
Tatsächlich eine interessante Frage, warum Sie sich das noch antun. Manchmal verdeckt der Schaum vor dem Mund den Sinn für (Selbst-) Ironie. Glaubten Sie tatsächlich, ich meinte Aristoteles sei an allem Schuld?
Genau, frage ich mich auch. Und muss Sie enttäuschen: keinerlei Schaum vor dem Mund. - Und was ich glaube oder nicht glaube steht hier eher weniger zur Debatte, auch nicht bezüglich Aristoteles. Es ist schlicht das, was Sie schreiben. Und wenn Sie das also selber nicht glauben sollten: weshalb schreiben Sie es dann? Und bauen darauf ein ganzes Kartenhaus auf? Mit Null Sinn noch Erkenntnis.
Ach ja, und über Ironie, noch spezifischer Selbstironie, lässt sich ja streiten. - Und ja: in Ihren Kolumnen kann ich davon nichts entdecken. - Oder wenn, dann müsste es durchwegs so gemeint sein; das wäre dann aber Zynismus. Und der Erkenntnisse noch weniger möglich.
Die Technische Wissenschaft des Menschen ist nicht grundsätzlich was Schlechtes. Die Technik ist definitionsgemäss eine Naturwissenschaft. So sind auch die technischen Produkte wie beispielsweise Kunststoffe und Pharmazeutika Naturprodukte und haben unser Leben bereichert.
Leider haben aber heute die technischen Konstrukte des Menschen ein solches Ausmass angenommen, dass wir die Vielfalt vor allem der biologischen Naturphänomene nicht nur gefährden, sondern bereits zerstört haben und dies gegenwärtig und zukünftig weiterhin tun. Mit all unserer Technik sind wir nicht fähig das primitivste Virus geschweige denn ein Insekt zu konstruieren. Das sind wundersame Produkte der Natur die wir mit unserer Technik unwiederbringlich zerstören.
Wobei Viren aus dem Reagenzglas inzwischen plausibel sind. Vielleicht noch nicht konstruiert sicher aber manipuliert. Covid19 wurde wohl nicht absichtlich erstellt (jetzt hätte ich fast natürlichen Ursprungs geschrieben), aber im Rahmen der Möglichkeiten wäre das durchaus.
DNA-Drucker (Synthese beliebiger Abfolgen von Basen) gibt es inzwischen fertig zu kaufen, zum Beispiel hier: https://codexdna.com/pages/bioxp-3200-system
Sie fantasieren sich lieber Bill Gates oder Georges Soros, Rockefeller oder Rothschild als Weltbeherrscher, als sich einzugestehen, dass es keinen Weltenlenker mehr gibt. Im Grunde sind die Aluhüte die letzten Überlebenden der Moderne, wenn wir die Moderne als jene Episode der Menschheitsgeschichte verstehen, da man noch an die Trennung von Natur und Kultur glaubte. Und daran, dass sich die Natur durch Technik beherrschen liesse.
Will Daniel Strassberg mit diesem 'dass es keinen Weltenlenker mehr gibt' sagen, dass es einmal einen gab?
Aus meiner Sicht gibt es neben den 'Aluhüten' - was ich persönlich für einen unnötig despektierlichen Ausdruck halte - noch andere und weit ernster genommene letzte Mohikaner einer Moderne, die unbeirrbar an der Beherrschbarkeit der Natur durch den Menschen festhält und an 'noch mehr desselben' glaubt: all jene, die um keinen Preis in Frage stellen lassen wollen, dass immer mehr und immer exaktere Zahlen schlussendlich doch noch zu Beherrschbarkeit führen werden (der Natur, einer Pandemie, eines Informationsflusses, des kippenden Klimas....).
In diesem Sinn finde ich die Kolumne scharfsinnig und hoch reflexiv, obwohl auch mir einzelne Gedankensprünge so aus dem Stand heraus zu gross sind. So kann in der Art eines Vexierbildes ein bisschen jede*r darin sehen, was er oder sie eben sehen will. Ich bin unentschieden, ob ich das für grosse Kunst halten soll oder eher fürs Gegenteil. Am realitätsgerechtesten vielleicht: für beides.
Durch das C. bin ich zwar beschädigt, Muskeln, Gehirn, etc, aber das C. haben meine verschiedenen Vorstellungen über die „Natur“ und die „Kultur“ nicht verändert. Ich lebe nicht im Mai 1756 in Lissabon nach dem Erdbeben vom 1. November 1755. Ich hoffe doch, dass die Menschheit einmal wenigstens das C. „beherrscht“. Im Moment trage ich halt die Maske im ÖV.
Wer lenkt die Welt?
Die Frage setzt absolute Selbstverständlichkeit einer notwendigen oder erwünschten Weltlenkung voraus, so unbedarft schon allein dieser Begriff auch sein mag. Dabei ist diese Gedankenrichtung schon gelenkt von einer bestehenden und fragwürdigen Denkweise.
Sollten wir uns nicht eher Gedanken darüber machen, wie man in einer ungelenkten, ja unlenkbaren Welt leben kann? In einer Welt ohne feststellbares Oben und Unten? Ist nicht jedes Oben auch als Unten begreifbar? Etwa der „Kapitalismus“?
Es sind unbelegte Glaubensformen die es eher versuchen, die Welt zu lenken. Auf Dauer? Kaum wahrscheinlich! Die ungelenkte Öffentlichkeit entledigt sich ja laufend aller so kurzatmigen Rezepte. Leider zeichnet sich in der Befolgung solcher Rezepte doch immer ein Oben und ein Unten ab. Ein Grund zur Sorge? Kaum, denn die Menschen wurden schon mit schlimmerem fertig. Opfer gibt es aber im Phänomen Leben immer. Auch Trauer.
Danke für die Denkanregung!
Mir kam vor ein paar Tagen im Zusammenhang mit diesem Artikel ein interessanter Gedanke, welchen ich nachfolgend ausführen möchte.
Ich säuberte ein paar Gemüsebeete von Unkraut und da fragte ich mich, warum ich das Unkraut ausreisse. Schliesslich trug es doch Blüten, an welchen sich Bienen und andere Insekten gütlich taten. Und dann musste ich an diesen Artikel und die Beleuchtung der "Natur" denken und deren Relativierung. Es gibt keine absoluten Wahrheiten. Genauso wenig, wie es absolute Gesetze und Rechte gibt. Wir Menschen machen Gesetze, definieren Rechte und die Grenze zwischen Gut und Böse.
Alles vom Menschen Geschaffene, Beeinflusste, Zerstörte ist genauso natürlich wie die "klassischen Dinge der Natur" (Blumen, Bäume, Berge, Tiere, etc.). Und es gibt Lebewesen, die von solchen von Menschen geschaffenen Systemen profitieren. Es gibt immer Gewinner und Verlierer. Ist es also als "natürlich" zu entschuldigen, wenn der Mensch ganze Ökosysteme zerstört, um andere Systeme zu erschaffen?
Ich sage nein und zwar aus folgendem Grund. Die Zerstörung von Ökosystemen, Lebensräumen, Naturräumen geht immer mit viel Leid einher.
Nehmen wir als Beispiel eine Brandrodung eines Waldstücks. Durch das Feuer sterben viele Lebewesen, von denen die meisten, wenn nicht sogar alle, Leid (Furcht, Schmerz, etc.) empfinden können. Nach dem Brand kommen dann neue Pflanzen und mit ihnen auch neue tierische Bewohner, Bakterien, Pilze.
Um ein neues Ökosystem zu schaffen, muss ein altes zerstört werden. Das birgt Leid. Es birgt aber kein Leid, wenn das alte System bestehen bleibt und das neue nicht entsteht. Die neuen Bewohner gibt es schlicht nicht und es ist ihnen somit auch herzlich egal, ob das neue System entsteht oder nicht.
Ich weiss nicht, ob ich das einigermassen verständlich erklären konnte. Der Gedanke ist leider auch nicht mehr ganz frisch.
Der Mensch hatte schon immer einen ziemlich starken, negativen Einfluss auf bestehende Ökosysteme. Das war auch schon vor ein paar tausend Jahren so (mehr dazu in Yuval Noah Harari's Eine kurze Geschichte der Menschheit). Mir ist auch klar, dass es naiv ist, zu glauben, dass die Menschheit in der heutigen Form existieren kann, ohne starke Eingriffe in der Umwelt vorzunehmen. Trotzdem bin ich der Meinung, dass wir bei allen Projekten stets versuchen sollten, Eingriffe in die Natur so gering wie möglich zu halten. Wir sind alle Teil des Ökosystems Erde und wenn wir es zu weit treiben, werden wir uns unserer eigenen Grundlage berauben. Aber noch viel wichtiger: Wir verursachen viel Leid und das sollten wir nicht leichtfertig tun.
Es ist schon sehr erstaunlich, wie unbekümmert suggestiv in diesem Artikel die aristotelische Unterscheidung der inneren Strukturprinzipien von Selbstführung versus Fremdführung ins Äusserliche umgedreht wird. Wer diese Unterscheidung begreift, wird nicht Teile der Natur isolieren um sie zu "schützen", sondern wird jedes Bisschen von lebendiger Natur in seinen Eigenschaften würdigen und das Natürliche dadurch schützen. Dass speziell geschützte Biotope abgetrennt werden, ist dennoch nicht ganz sinnlos, weil es selbstregelnde Interaktionsbereiche gibt, die nötig sind, gerade weil es weithin an der nötigen Würdigung fehlt. Ein philosophisch sich nennendes Denken sollte nicht Unterscheidung verwechseln mit Abtrennung (Kategorienfehler).
Erstaunlich ist auch die Behauptung, dass es keine menschengemachten Versuche der Weltenlenkung gebe. Was anderes ist denn z.B. der Aufruf zu einem "great reset" wie am WEF für 2021 vorgesehen? (z.B. https://www.weforum.org/great-reset/about). Die im Herbst 2020 zu erwartende massive Krise des Wirtschaftssektors wird dazu eine gute Vorbereitung bilden. Klar will sich eine Gruppe von Menschen als die Führer durch das Chaos profilieren – und die Frage ist, ob wir diese als Führer oder als Verführer erkennen können. Interessant ist, dass sie uns dieses Erkennen jetzt schon verunmöglichen wollen durch die Techniken des "nudging" (man google mal nach dem). Das ist keine Verschwörung, das ist der Fakt des gemeinsamen Glaubens der (Ver)Führer an ein bestimmtes Weltbild der grossen Manipulierbarbeit. Merkt man das bei der Republik noch nicht, oder will man uns bewusst die Sand in die Augen streuen?
Die unsinnigen Einflussnahmen der Menschen fangen da an, wo sie in der Welt herumhandeln anstatt kompromisslos danach zu trachten, erst mal sich selbst und das eigene Denken vollständig zu begreifen. Dann wären sie echt lebendig und nicht Roboter von irgendwelchen Religionen (z.B. Szientismus).
Das war wohl die letzte Kolumne, die ich von diesem Autor gelesen habe. Schade um die Zeit (um meine Zeit).
Darf man fragen warum?
Der Artikel ist mir deutlich zu wirr und verzettelt und befindet stellenweise auf Stammtisch-Niveau.
Ein anregender, gedanklich hüpfender Text, der die reflektierten Themen allerdings mehr assoziativ verknüpft als behandelt. In Bezug auf das Anthropozän und die damit einhergehenden Veränderungen in unserem Denken ist „Nach dem Untergang der Welt“ (von Hrn. Binswanger, 8.2.20, Republik) die beste Lektüre. Er geht der Sache auf den Grund.
Der Glaube ist es, der Herrscher ermächtigt und Grenzen zieht. Oder war es dieser Kolumne zufolge. Und wird es für etliche Zeitgenossen bleiben, was eine neue Dichotomie eröffnet, wie in dieser Diskussion schon gelesen. Nun gibt es in der christlichen Tradition neben der institutionell-machtorientierten auch die mystische Vielfalt mit Geistesverwandten rund um den Erdball. Mystik hebt alle Grenzen auf und lässt Herrschaftsdenken ins Leere laufen. Ich bin du. Alles ist eins. Menschen, Tiere und Bäume sind Geschwister. Rausch schafft Klarheit. Und so fort.
Leben ist im Sumpf der Gezeiten entstanden am Übergang Wasser Land und jede Lebensform wird ohne „Sumpf“ als Vermengung von allem mit allem mit ins Leere laufenden Ästen enden - und Platz schaffen für andere Formen.
Auf die Mischung kommt es an und auf die Fähigkeit, Gemeinschaften zu bilden. Herrschaftsdenken, Monokulturen und herbeifantasierte Trennungen werden sich zunehmend als tödlich erweisen.
Wir haben die Wahl, selbst achtsam unsere Worte zu wählen und damit Einfluss zu nehmen oder darauf zu verzichten und uns beherrschen zu lassen. Ob wir uns als Teil des Projekts Leben auf diesem wunderbaren Planeten denken oder nicht, wird unsere Zukunft wesentlich prägen.
Fehlt die Logik? Logik ohne ganzheitlichen d.h. emotionalen und körperlichen Bezug bleibt Schall und Rauch oder ein Glasperlenspiel. Worte und Gedanken mit Nachall (wie z.B. diese Kolumne samt Diskussionsbeiträgen und darin zitierten Büchern) werden zu Keimen für neue Wirklichkeiten. Hugh.
Doch, mein lieber A. R., so geht das sehr wohl. - Es gibt Menschen, die sehr viel Arbeit und sehr viel Ausdauer und ein Berufsleben lang darauf investieren, Zahlen zu recherchieren und für uns zu filter, zu analysieren und in einen vernünftigen Zusammenhang zu bringen. Journalismus nennt sich das. Journalistinnen und Journalisten nennen sich diese Menschen. - Und ja, es gibt schwarze Schafe - oder, pardon, meist eher weisse Schafe, die wie Foxnews, Murdoch Medien und andere, bei uns Weltwoche und Co. - alles dran setzen, diese Fakten zu biegen und zu shreddern und News zu bringen, die sie dann auch noch das Toupet haben, alternativ zu nennen, wo es de facto, tatsachengemäsd einfache Lügen sind - aber es gibt noch immer auch die anderen. Die ihren Job ernst nehmen und Stunden und Tage, ein Leben damit verbringen, die Wahrheit zu suchen. Und falls ich den Link noch finde, folgt hier nun. noch ein Link, der genau das zeigt. Fakten statt Verwirrspiele und zusammengestückte Einzelinfos, die falsch zusammengeschnitten nur Unsinn rausbringen.
Hier der Link:
https://derbund.ch/sterben-die-mens…9751799638
Nur werden Sie der Studie wohl schlicht nicht glauben. Doch auch in der Wissenschaft gibt es Menschen, die einfach nur so viel Fakten als möglich für uns alle sammeln und publizieren.
Guten 1. August noch! Bei uns wirds langsam stiller.
Sehr geehrter Herr Strassberg, danke für Ihren Artikel. Ich habe ihn gelesen und weiss trotzdem nicht auf was genau Sie hinaus wollten. Ich bin auch der Meinung, dass wir die Welt nicht "lenken" doch es ist immer eine Frage der Definition, welche Kräfte wo was bewirken. Wir Menschen sind ein kleines Rädchen im ganzen System, das sich zu wichtig nimmt, um zu erkennen, dass es sich vom Ganzen abgrenzt und entfernt.
Sie schreiben im Artikel auch über Verschwörungstheoretiker oder Aluhüte. Da weiss ich nicht was das mit dem Titel zu tun hat. Verschwörungen gibt es und es gibt auch Verschwörungspraktiken und die haben häufig einen Einfluss auf die Welt des Geldes. Ich bin der Meinung, dass Sie als Journalist nicht schubladisieren dürfen und Menschengruppen damit von der Gesellschaft oder wie es Daniela Ganser sagt von der "Menschheitsfamilie" ausgrenzen, indem Sie gewisse Menschen als Aluhüte bezeichnen. Menschen, die nicht ins System passen, wurden in der Vergangenheit oft mit Namen bezeichnet, die verächtlich und ausgrenzend wirken.
Ich habe nichts abgeschrieben und Wolfgang Wodarg gehört genauso wenig mir wie Ihnen. Und wenn man jemanden als "Vater der Verschwörungsgläubigen" bezeichnet, sollte man das zumindest ansatzweise begründen. Mit "bekanntermassen" argumentierens Sie - nun ja - nicht gerade wissenschaftlich...
Ich wünsche Ihnen, dass Sie hoffentlich bald weniger Angst haben!
Ziemlich einseitiger Beitrag. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich wie immer irgendwo in der Mitte, also zwischen Alu Hut Träger und die die ein Brett vor den Kopf haben.... Früher nannte man Sie Ketzer, heute sind es die Verschwörungstheoretiker.
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