Dialog

Beiträge zu «Freudlos»



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Ein hervorragender Beitrag! Vielen Dank, Daniel Strassberg, vielen Dank, REPUBLIK, dafür, dass Sie das Format des relevanten Feuilletons am Leben erhalten!

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Weiterbildend, anspruchsvoll und sehr unterhaltsam, da schwingt auch viel Humor mit, der uns errettet, nicht an der Menschheit zu verzweifeln... einfach sehr gut geschrieben!

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Daniel Strassberg hat gewiss recht: die «Freud» Serie auf Netflix ist, was man in Freuds Wien einen «Schmarr’n» genannt hätte. Das zu beurteilen genügt eigentlich schon der Trailer.
Es wäre interessant gewesen zu überlegen, warum das Interesse an der dämonischen Frau und die Faszination der Hypnose da wieder einmal auferstehen und wofür die Anfangszeit der Psychoanalyse und ihr Begründer hier als Dekor herhalten müssen. Dafür bietet Daniel Strassberg leider keine überzeugende Hypothese an.
Dagegen nutzt er die Gelegenheit zu einer Art Panorama der Geschichte der Psychoanalyse, wobei der Farbauftrag und die Konturen nicht nur mit einem dicken Pinsel, sondern mit dem Farbroller oder der Anstreicherbürste erfolgt zu sein scheint. In dieser zugegeben dramatischen, aber selbst auch etwas dämonisierenden Erzählung von den Emigranten, die in den USA die Seele der Psychoanalyse an die Psychiatrie und für den Silbergroschen des Expertentums an die Filmindustrie, ja sogar an den Kapitalismus, verkauften, geht einiges von dieser wechselvollen Geschichte einer Wissenschaft und ihrer Vertreterinnen und Vertreter unter. Einer Geschichte, die von Vertreibung, Exil und auch durch die damit verbundene Traumatisierung ihrer zumeist jüdischen ProtagonistInnen geprägt ist.
Die Seele der Psychoanalyse selbst ist bei genauerem Hinsehen auch etwas komplexer gebaut als Strassbergs reduktionistisches Bild es erscheinen lässt. Das macht sie aber seit ihren Anfängen vor gut 130 Jahren zur interessantesten Annäherung an die Psyche – eine Annäherung in sprachlicher Form, zu der verschiedenartige Ansätze beitragen: die Triebtheorie, die Theorie des psychischen Apparats und der psychischen Struktur, die Theorie der Konstituierung der Subjektivität in den Objektbeziehungen, die Kultur–und Gesellschaftstheorie. So sind das psychoanalytische Wissen und Denken mehrdimensional.
Freud selbst sah seine Wissenschaft des Unbewussten keineswegs so holzschnittartig auf das Skandalon des Sexuellen zentriert, wie es hier dargestellt wird. Während der Kriegsjahre 1914–1918 und vermehrt nach 1920 begann er seine ersten theoretischen Formulierungen auszudifferenzieren. Die menschliche Destruktivität hatte ihn zu beschäftigen begonnen, er sah sich Patienten gegenüber, die schwer zugänglich waren und bei denen der bisherige Ansatz versagte. Wie mit einem «Ich» sprechen, dessen früheste Anfänge unbewusst sind und in eine vorsprachliche Ebene zurückreichen, die das Verhalten des Gegenübers auf quälende und sich wiederholende Art prägt, so dass es an seinem Leiden festzuhalten scheint, ohne irgendwelchen Genuss daraus zu ziehen? Freud und viele seiner Nachfolger (und inzwischen auch Nachfolgerinnen wie z.B. Melanie Klein) begannen sich mit der Konstitutionsgeschichte dieses Ichs zu beschäftigen und mit Dynamiken, die mit den störenden Auswirkungen unbewusster sexueller Wünsche allein ebenso wenig zu erklären waren wie mit einem vereinfachten Begriff von äusseren Traumatisierungen.
Sich mit der Psychoanalyse zu beschäftigen, Freuds wunderbarer Prosa beim Lesen zuzuhören, das lohnt sich alleweil – wenn man dazu von Hitchcock’s Spellbound oder Psycho angeregt wird, auch gut! Ein recht differenziertes Panorama der Geschichte der Psychoanalyse, auch ihres amerikanischen Exils nach der Vertreibung durch den Faschismus, bietet übrigens nach wie vor Eli Zaretsky, "Freuds Jahrhundert", erschienen 2006 bei Paul Zsolnay.

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Gestalterin
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Herzlichen Dank für diese erheiternde und erhellende Samstagmorgenlektüre!

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Leserin
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Einige spannende Ansichten. Von dieser Serie ausgehend sehr schön eingebettet in die Filme und weitere Geschichte.

Womit ich nicht einverstanden bin ist diese Aussage:

Nach einem kurzen Intermezzo war die Sexualität wieder aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Damit meine ich nicht den Hochglanz­sex, dem wir überall begegnen, in der Werbung, in der Pornografie oder im Aufklärungs­unterricht, sondern jenes nutzlose und störende Getrieben­sein, das Sand im Getriebe jeder Gesellschaft ist.

Das ist doch nicht der Sand im Getriebe, das ist das Öl, der Eros, die Leidenschaft! Der Sand sind unsere moralischen Vorstellungen von Beziehungen, die oft auf Lüge, Unterdrückung, Verlustangst und Eifersucht basieren. Das sollte man hinterfragen, nicht dort ansetzen, wo man (glücklicherweise) nichts ändern kann. Es tut mir leid, dass Sie Ihre Natur als so lästig empfinden.

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Politologin | Universität Oxford
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Sehr spannend und lehrreich! Ein Artikel über die Erzkonservative Ayn Rand fänd ich lesenswert. Und ebenso würde mich interessieren, ob die gegenwärtige Diskussion um Sexarbeit,das Potenzial hat, Sexualität aufzubrechen?

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Hallo! Ein interessanter Artikel, vorallem das Aufzeigen der Verwebung von Film und Psychoanalyse.
Ich würde gerne anmerken, dass Freud vielleicht für seine Zeit fortschrittlich war, seine vermeintlich fortschrittlichen Bilder jedoch heute immernoch in unseren Köpfen spuken und in der Welt Schaden anrichten. Deshalb finde ich es übertrieben (bis falsch) ihn heute noch in der Konklusion eines Textes als lebenslangen "Kämpfer" gegen ein frauenfeindliches Bild der Sexualität darzustellen. Der Name Freud wird in der Netflix-Serie sicher missbraucht, doch ist er leider auch kein Held der der weiblichen Sexualität.
Er begründete bspw. den Mythos "Penisneid" und konnte, wie die meisten anderen seiner Zeit, das weibliche Genital nicht als eigenes Geschlecht sehen (Frauen seien neidisch, dass sie keinen Penis haben. Warum aber? Sie haben ja eine Klitoris, die völlig gleichwertig ist. Das hat man damals zwar schon gewusst und in einem Werk 1844 präzise dargestellt, doch wird es bis heute verdrängt und in den biologischen Standartwerken nicht korrekt abgebildet.). Dass er die sexuelle Selbstbestimmung einer jungen Frau im konkreten Fall dann auch untergrub, zeigt der Fall "Dora" sehr gut.
Ich empfehle dazu das Buch: "Vulva" von Mithu N. Sanyal, S.171-175 und die Doku von 3sat zur weiblichen Sexualiät (Vulva und Vagina - Neue Einblicke in die Weibliche Lust).
Vielleicht ist die Netflix-Serie also was freudsche Sexualitäts- und Angstvorstellungen anbelangt gar nicht so inkorrekt?
Schönes Wochenende!

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Danke Daniel Strassberg für die kurze tour d'horizon der mal Freudvolleren, mal Freudloseren Filme. Dass in dieser David Lynch fehlt, bei dem es einiges an und über Sexualität gibt, mag daran liegen, dass Freud darin nicht explizit vorkommt(?), oder aber, dass dieser von einem anderen illustren Philosophen, der die Rückkehr zu einem fordert, der seinerseits die «Rückkehr zu Freud» forderte, bereits zur Genüge zur Illustration genutzt wird.

Wie dem auch sei. Ich habe bisher nur wenig in die Serie «Freud» hineingeguckt. Soweit erscheint mir die Serie als Re-mix von Cronenbergs «A Dangerous Method» (2011) (mit Freud und Jung und Spielrein!), der Victorian-Horror-Serie «Penny Dreadful» (viel Sex, viele Dämonen!) (2014-16) und dem Mystery-Krimi «The Alienist» (2018-20) (da mit Daniel Brühl als «Profiler» avant la lettre ebenfalls mit häwi tschörmen äkzent).

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Vielen Dank für diesen Beitrag! Besonders spannend für Personen wie mich, die die Serie äusserst unterhaltsam fanden, sich jedoch dauernd gefragt haben wie die Theorie und das Leben von Freud nun wirklich aussehen. Herr Strassberg, können sie hierzu evt. eine (Einstiegs)-Lektüre empfehlen?

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Peter Schneider. Freud, der Wunsch, der Mord, die Wissenschaft und die Psychoanalyse, kann ich empfehlen, weil darin keine gereinigte Form der Psychoanalyse dargestellt wird

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Finde ich nicht, dieses Buch. Haben Sie mehr Infos dazu? Ich halte mich noch an Peter-Andreé Alt "Sigmund Freud" - was meinen Sie dazu?

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Vor wenigen Tagen habe ich mich endlich durch das Buch "The Age of Perversion. Desire and Technology in Psychoanalysis and Culture" von Danielle Knafo und Rocco Lo Bosco Routlege 2017) bis zum Ende durch gekämpft. Wäre Danielle Knafo nicht eine alte Freundin und Studienkollegin aus der Zeit als ich klinische Psychologie studierte, hätte ich mir das nicht angetan. Erst jetzt, mit Lesen ihres Artikels FREUDLOS (oder Psychoanalyse ohne den Sex) ist mir sehr klar geworden, warum ich genanntes Buch so absolut unnötig und falsch empfinde. Herzlichen Dank also für diesen erleuchteten und sehr gut geschriebenen Artikel!

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Der tödlichen Langeweile wie dem intensiven Fremdschämen mutig getrotzt, um mit spitzer Feder die Zähmung der Psychoanalyse durch die Filmindustrie aufzuspiessen, quer durchs Jahrhundert nach Entschärfung des anstössigen Kerns. Der Skandal um Harvey Weinstein wäre dann vielleicht so etwas wie die Rückkehr des Verdrängten in pervertierter Form?

Die Netflix-Serie kannte ich bisher nicht, und es sieht aus, als würde das auch so bleiben. Danke für die bei aller entrüsteten Ernsthaftigkeit humorvolle Beschreibung.

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Auf dem Foto 2 ist nicht Ella Rumpf sondern Anja Kling zu sehen.

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Daniel Meyer
Korrektor Republik
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Vielen Dank für den Hinweis, Herr Mathiessen, ist korrigiert. Herzliche Grüsse!

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Chefredaktion
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Danke für den Hinweis, wir korrigieren dies.

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Interessante Ansicht eines Psychoanalytikers. Ich bin "Laie" und habe (eine der ganze wenigen Netflix-Serien die ich gesehen habe) "Freud" anders empfunden. Das Thema Sexualität war aus meiner Sicht immer vorhanden, neben dem Thema Trauma - das jedoch wohl eng zusammenhängt mit Sexualität. Natürlich ist "Freud" fiktiv, doch wie mir scheint mit vielen Bildern verbunden, die ich auch mit meinem (minimalen) Wissen zu Freud verbinde. Vielleicht hätte die Serie "Jung" heissen müssen? Wäre es dann für Daniel Strassberg akzeptabler?

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Silvan Granig
Inhaber KommFort Kommunikation
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Ein Detail, aber die Serie im Lead als "Netflix-Erfolgsserie" und als "Serien-Hit" zu betiteln ist etwas zu viel der Ehr für "Freud". Die Serie schneidet in der Kritik fast durchgehend schlecht ab und kommt auch beim Publikum offenbar nicht besonders gut an. Wie nahezu jede Serienneuveröffentlichung auf Netflix hatte sie zwar einen gewissen Anfangsbuzz (und sie fiel direkt in den Lockdown-Start), fiel jedoch rasch aus den Schweizer Netflix-Top 10 und wird auch unter der Kategorie "Derzeit beliebt" nicht angezeigt. Es ist einfach eine neue Serie, die wohl so rasch wieder eingestellt werden wird, wie sie aufgetaucht ist.

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(durch User zurückgezogen)
Märchentante*onkel
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Bei Netflix eine ansprechende Serie zu finden gleicht ja etwas der Suche nach der Nadel im Heuhaufen und man ist da immer dankbar, vor Schrot gewarnt zu werden. Die Lebenszeit ist ein kostbares Gut. Strassbergs Beschreibung der Serie Freud ist wunderschön witzig, der Vergleich Alpamare zu Amazonas poetisch. Netflix zu Kino ist ja irgendwie ähnlich. Auch wenn Alpamare durchaus auch seine Vorzüge hat (die Gefahr, von Piranhas verspiesen zu werden ist kleiner), wiewohl zu Lockdownzeiten beide recht fern sind. Foucault hielt Freud letztlich wohl für einen Theoretiker der Überwachungstechnik, wenn ich das richtig verstanden habe, allerdings ist das bei Foucault ja ziemlich tricky. Samuel Johnson schrieb zu diesem Thema: "He that reads and grows no wiser seldom suspects his own deficiency, but complains of hard words and obscure sentences, and asks why books are written which cannot be understood." Ich selbst finde Freud schreibt wundervolle Prosa, auch wenn seine Theorien wohl etwas arg viel an Patina angelegt haben.
Interessant, dass in der österreichisch-tschechischen Produktion der Dämon Ungar sei und Táltos heisse.

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