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Gottlob gibt es den Wirkstoff Oxycodon!

Echt - meine Meinung und gar nicht zynisch.
Folgenden Abschnitt finde ich den wohl wichtigsten.

„ «Die Patienten müssen darüber aufgeklärt werden, wie das Medikament wirkt und dass es ein hohes Abhängigkeits­potenzial hat.» Zudem müssten Patienten begleitet werden, die das Medikament absetzen.

Vor 10 Jahren benutzte ich Oxycodon (Oxynorm, Oxycontin) um die Schmerzen einer Rückenerkrankung zu mildern - in eher hoher Dosierung.

Davor musste ich Medikamente wie Minalgin (schädigt die Nieren) und div. Schmerzmittel aus der Gruppe der „Rheumamittel“ (schädigt Magen, Darm etc.) in hohen Dosen und mit magerer Wirkung einnehmen. Tramadol (Tramal) wirkte etwas wie Zuckerwasser...

Die Nebenwirkung von Oxycodon während der Therapie - Verstopfung, Gelassenheit, mangelnde Kontzentrationsfähigkeit... kein Problem - arbeiten konnte ich ja eh nicht.

Dann, nach 3 Monaten plante ich den Abbau.
Das Vorgehen war mir aus beruflicher Sicht bekannt. Ich plante somit die Abbaustufen und Zeiträume. Nach 2 Monaten war das geschafft. Es war KEIN Horrortrip nur etwas unangenehm jeweils für 1-2 Tage.

Weil nicht jeder Mensch der diese Medikamente nehmen muss, weiss wie sie abgesetzt werden müssen, ist diese Feststellung so wichtig:
Zudem müssten Patienten begleitet werden, die das Medikament absetzen.

Das Begleiten ist wichtig, damit man nicht falsch vorgeht und weil unweigerlich wieder (hoffentlich) nur leichte Schmerzen zum Vorschein kommen. Patienten müssen dann nicht nur abbautechnisch sondern vor allem schmerztherapeutisch kompetent begleitet werden.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Lieber Herr S., bei Ihrem Fazit stimme ich gänzlich mit Ihnen überein. Doch bei ihrem zweimal zitierten Satz:

Zudem müssten Patienten begleitet werden, die das Medikament absetzen.

steht das "müsste" leider nur im Konjunktiv. Das Problem scheint mir, dass Ihre so hervorgehobene nachbehandelnde Begleitung systemisch oder aus Zeitgründen eine Externalität darstellt. Viele sind also de facto auf sich alleine gestellt. Und leider ist vielen das Vorgehen nicht "aus beruflicher Sicht bekannt".

Das Problem fängt jedoch schon viel früher an.

Die Frage ist doch: Wollen wir unsere Patienten wirklich in eine Abhängigkeit führen, wenn es Alternativen gibt?

Gewarnt worden, wie gefährlich dieses Schmerz­mittel werden kann, sei er von den Ärzten nie, sagt Gerber: «Ich brauchte ja irgendwas, und dann vertraut man halt dem Arzt. Der normale Bürger kennt sich nicht aus und nimmt, was der Arzt ihm gibt.»

Das Schmerzmittel sollte entweder nur zu Beginn und für kurze Zeit verabreicht, um dann obligatorisch begleitet wieder abgesetzt zu werden - oder gar nicht, in dem auf nicht-süchtigmachende Alternativen verwiesen und aufgrund einer informierten Entscheidung auf diese zurückgegriffen wird.

Wie dem auch sei, bin ich froh, dass die Behandlung bei Ihnen erfolgreich war und durch Ihre Kompetenz keine negativen Konsequenzen hatte.

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Sehr geehrter Herr Rebosura
Es steht mir nicht an ein Zitat zu verändern.
Schön, dass Sie darauf hinweisen...

“Die Frage ist doch: Wollen wir unsere Patienten wirklich in eine Abhängigkeit führen, wenn es Alternativen gibt?“
Wie heissen denn die Alternativen zur Behandlung von wirklich starken Schmerzen?
Zählen sie bitte auf...

Und was sind die Nebenwirkungen und Risiken dieser Substanzen?

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"Bei chronischen starken Schmerzen ist Oxycodon möglicher­weise sinnvoll, es kann die Lebens­qualität eines Patienten steigern."
Leider wird diese Aussage weder von Dr Sailer, der im nächsten Abschnitt die Heroin-Zwillingsmetapher bemüht, noch sonstwo weiter ausgeführt. Keine der Patientinnen, die mit Oxycodon ein einigermassen normales Leben führen können, kommt zu Wort. Missbrauch (US-Skandal), Sucht, und Abhängigkeit werden wild durcheinandergemischt, um der superbösen Pharma-Industrie, und der superreichen Familie, nochmals eins auszuwischen.

Es schreibt eine derjenigen, die wegen chronischen Rückenschmerzen auf starke Schmerzmittel angewiesen ist. Nehme Targin bezw Oxycodon seit Jahren in einer relativ niedrigen Dosis. Abhängig ja, süchtig? nein, zumindest nicht in der folgenden Definition: weder hat dieses Medikament bei mir je ein high ausgelöst, noch musste ich die Dosis erhöhen. Anders das als harmlos geltende, in niedriger Dosis rezeptfrei käufliche Ibuprofen, das, nach einem Jahr, bei deutlich wahrnehmbarem Aufsteller-Effekt, einen leichten Nierenschaden verursachte und abgesetzt werden musste, mit den bekannten Entzugs-Symptomen.
M. R., Sie, offenbar die Redaktion vertretend, wurden aufgefordert, Alternativ-Schmerzmittel aufzulisten, und sind der Frage ausgewichen. Klar, damit sind nicht nur Sie, sondern alle, überfragt. Nutzen ohne Kollateralschaden: ein Traum.
Dass eine ärztliche Begleitung stattfinden muss, ist vorgeschrieben - dass es Fälle gibt, wo zu sorglos verschrieben wurde, halte auch ich für durchaus möglich und bedauerlich. Immerhin ist die Abgabe in der Schweiz streng geregelt (wenn man verreist und das Medikament mitzunehmen vergisst, kommt man in die Bredouille - nur e i n Arzt darf es verschreiben bezw liefern).
Niemand wünscht sich diese Art von Abhängigkeit - und niemand, der noch relativ jung und gesund ist, kann sich chronische Schmerzen vorstellen, von denen hierzulande offenbar Hunderttausende betroffen sind. Gewiss ist Oxycodon "gefährlich", eben gerade weil es potent, und für Niere, Leber, Magen meist relativ gut verträglich ist.
Das Problemfeld Schmerzmittelgebrauch und -missbrauch hätte eine sorgfältigere Reportage verdient. Dieses Oxycodon-bashing nach dem Muster "wir Aufklärer gegen die Bösen": es nervt.

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Lieber Anonymous, Ihr Engagment für Oxycodon, resp. Targin in Ehren.
Auch wenn ich die Belastung, die dauerhafte starke Schmerzen bedeuten, und die Gratwanderung ihrer Behandlung in keiner Weise leugnen will und jedeR Betroffene mein volles Mitgefühl hat, nehme ich Ihnen die Beschreibung aus Patientinnen-Sicht nicht ganz ab.
Dass Ihre Abhängigkeit nicht alle ICD-Kriterien erfülle, wen genau möchten Sie damit beruhigen? Bei den Benzos kennt man schon lange eine sog. low-dose-dependency, bei der manchmal über Jahre keine Dosis-Steigerung stattfindet, die aber beim Absetzen, auch ausschleichend, heftige Entzugssymptome und Rebound-Effekte produziert, die nur stationär aufgefangen werden können. Wenn überhaupt. Auch hier hiess es lange: there is no alternative, bis die Verschreibungspraxis endlich zurückhaltender wurde. Muss sich das wiederholen? Mit einer noch potenteren Substanz?

dass es Fälle gibt, wo zu sorglos verschrieben wurde, halte auch ich für durchaus möglich und bedauerlich

Damit bestätigen Sie, was der Artikel beschreibt: Opiod-Verschreibung ohne Notwendigkeit, z.B. bei nur mässigen Schmerzen, und ohne die geschuldete Information über das Suchtpotenzial. Also das, was die Probleme heraufbeschwört, um die es in dem Beitrag geht. Wie lautet diesbezüglich das Gegenrezept?
Die vorgeschriebene ärztliche Begleitung vermag offensichtlich nicht immer zu verhindern, dass Oxycodon-haltige Medikamente auf der Gasse auftauchen. Alles, was einen 'Flash' auslöst, ist für den Drogenhandel attraktiv. Und der schnelle Wirkungseintritt ist bei den schnell anflutenden Präparationen ja gerade Sinn der Sache. In Anbetracht des hohen Suchtpotentials gesundheitspolitisch ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Auch wenn man Oxycodon in ausgewählten Fällen für ein gutes und sinnvolles Medikament hält, sind die Schnellfluter wirklich notwendig? Oder definiert sie nur die Pharma so?
Was lässt sich präventiv unternehmen, bevor das Kind im Brunnen liegt? Und wieso nicht daraus lernen, was 'über dem Teich' passiert? Auch wenn manches vielleicht überzeichnet ist, kommt hier ein Problem auf uns zu. Dass es schweizweit plötzlich 'Hundertausende' mit so starken chronischen Schmerzen geben sollte, dass ausser der potentesten, aber auch gefährlichsten Substanzklasse nichts mehr hilft, woraus genau belegt sich das? Allein aus den Verkaufszahlen? Und wenn es so wäre, wie wäre so etwas zu verstehen?
Bei neuen Präparaten zeigen sich die Probleme in ganzer Tragweite häufig erst nach Jahren bis Jahrzehnten. Wollen wir wie bei den Benzos einfach weitermachen und warten, bis es soweit ist?
Schmerztherapie bei starken Schmerzen müsste schnell einsetzen, interdisziplinär und gut durchdacht sein. Ein einzelnes Medikament aus einer Hand ist sicher billiger. Aber ist das richtig so? Zu welchem Preis und auf wessen Kosten wird damit letzendlich gespart?

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Oxycodon gibt es seit 100 Jahren (auch wenn das hier nirgends erwähnt wurde).

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Liebe Frau J., danke für Ihre Antwort. Mit Ihrem Fazit stimme ich überein, und im Prinzip sind wir uns über die Gefahren, und die Wünschbarkeit von unabhängigen Recherchen zum wachsenden Schmerzmittelkonsum, wohl einig. C'est le ton qui fait la musique. Ihr Ton ist ein anderer als der der Reportage, vor allem auch in ihrem weiteren Beitrag.
Keine Gegenrezepte - es sei denn das Akzeptieren der ernüchternden Tatsache, dass es in Pharma und Medizin (und nicht nur dort) nichts Nützliches gibt, das keine unerwünschten Nebeneffekte hätte, unter anderem den, dass es, eben gerade aufgrund seines Nutzens, abhängig macht. Aus subjektiver Erfahrung, die sich nicht verallgemeinern lässt, habe ich mich gegen die Verteufelung dieses einen Medikaments gewandt. Auch Sie reden von einem flash, einem Schnellfluter - gibt es dazu irgendwelche Studien? Meine Erfahrungs-Annahme, und die der behandlenden Aerztinnen, war bis anhin die folgende: das gibt es nur bei overdose, und/oder Spritzen der Substanz - und insofern wäre diese Substanz gewiss nicht die einzige, die sowas auslöst, und somit für den Drogenmarkt interessant wird, mit den bekannten katastrophalen Folgen.
Wie auch Sie wissen, gibt es bei den Ärzten pro- und contra-Bastionen zu praktisch allem, was auf den Markt kommt (interessant zu erfahren, dass es Oxycodon schon seit hundert Jahren gibt), daneben auch die, die nuancierter abwägen. Es ist eben eine Erfahrungswissenschaft, trial and error, und was beim einen funktioniert, mag einer andern schaden, sagte mir ein Spezialist (schlimmer noch, Sie erwähnen es: es mag auch dem einen zu einem späteren Zeitpunkt schaden.) Eine Binsenwahrheit, und doch, ich fand es erleichternd. Nicht alle weissen Halbgötter reden so. Eigentlich weiss man ja, dass es keine Supermänner und -frauen gibt, nirgends. Auch die hohen Erwartungen, die man und frau an Mediziner und Pharmazeuten richtet, können fatal sein - und sind vielleicht mit ein Grund der Verteuflungen, die mal weniger, mal mehr ins Schwarze oder daneben treffen.
Zur Zunahme des verordneten Schmerzmittelkonsums: dafür gibt es zweifellos mehrere, ineinander verflochtene Kausalketten, so das zunehmende Altwerden der Bevölkerung, die wachsende Anspruchshaltung, etcetera. Gewiss auch, doch bestimmt nicht nur, der mit so viel Hingabe angeklagte Profit: Die da sind schuld!
Ein hochkomplexes Gebiet, oder, wie Fontane einen seiner Figuren, den alten Rittmeister, sagen liess: ein weites Feld.
Was wiederum nicht bedeutet: es lässt sich eh nichts ändern.

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Schade, dass ein so wichtiger Artikel über Medikamente und Pharmafirmen auf plakatives Oxycodon-Bashing herausgelaufen ist. Ich finde, dass ist deutlich unter dem Niveau der Republik (ich bin ein Fan von euch 😉).

  • Es ist sicher wichtig, dass Opioide in engen Grenzen gehalten werden, dieses Wissen ist nicht neu. Die Aussage kommt zwar im Artikel vor, sie wird aber im nächsten Abschnitt mit den 40’500 Fr. ans Inselspital «überdeckt». Was schlagen denn die Autorinnen vor, sollten die Ärztinnen alternativ machen? Welche Schmerzmittel sollten stattdessen verwendet werden? Jedes Medikament ist eine Kosten/Nutzen-Abwägung: Das grosse Problem ist, dass diese aufgrund der überarbeiteten Ärzte zu wenig gemacht wird.

  • Wie qualifiziert sich denn Martin Sailer als Neurochirurg für diesen Artikel? Gerade die Neurochirurgie scheint sich nicht mehr um die Studienlage zu scheren, wenn z.B. Diskushernien operiert anstatt mit Physiotherapie behandelt zu werden (welche notabene gleich gute Langzeitergebnisse hat). Das muss natürlich für ihn nicht auch zutreffen, aber das wäre eher sein Fachgebiet. Vielleicht gibt es ja eine Legitimation für sein Auftreten, ich habe sie im Artikel aber nicht gesehen.

  • Die Grafiken sagen so isoliert nichts aus, sehe ich das richtig? Spannender wäre die Entwicklung im Vergleich zu anderen Schmerzmitteln, anderen Opioiden, die Abgabezahlen korrigiert mit dem Bevölkerungswachstum und der Überalterung. Ich vermute z.B., dass MST einen enormen Rückgang erlebt, oder? Die gezeigten Grafiken sähen bei jedem neueren Medikament (z.B. Xarelto) vermutlich genau gleich aus?

Trotzdem vielen Dank, dass ihr euch ins Gesundheitswesen einmischt! Ich freue mich auf spannende Artikel!

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Lieber Herr S., Sie stellen einige wichtige kritische Fragen, doch beim zweiten Punkt schlagen Sie etwas über die Strenge. Sie fragten:

Wie qualifiziert sich ein Martin Sailer als Neurochirurg für diesen Artikel?

Als Disqualifizierungsgrund bringen Sie einen (unbegründeten) Generalverdacht vor, den Sie aber sofort wieder zurücknehmen. So streut man Zweifel, ohne dafür Verantwortung übernehmen zu müssen.

Wer wäre denn Ihrer Meinung nach am kompetentesten?

  • Ärzte, "die viel Erfahrung mit unseren Produkten haben" und sich dadurch sogar als "Redner" qualifizierten?

  • Eigentlich nur "Dr. Richard" selbst?

Oder dann doch eher:

  • die drei US-Anästhesisten, die sich mit Schmerzpatienten und Schmerzmittelvergabe und -überwachung auskennen.

  • Sowie ein aufmerksamer und verantwortungsbewusster Arzt, der - wie im Artikel vermerkt - Rückenpatienten behandelt?

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So streut man Zweifel, ohne dafür Verantwortung übernehmen zu müssen.

Sie haben Recht, das war unnötig von mir – entschuldigen Sie bitte.

Mir ist wichtig zu sagen, ich sehe Martin Sailer nicht als unqualifiziert an – aber es ist im Artikel schlicht nicht ersichtlich, warum gerade er zitiert wird. Und es war ja bestimmt nicht wahllos irgend ein Mediziner, oder?

Wer wäre denn Ihrer Meinung nach am kompetentesten?

Da bin ich überfragt. Vermutlich wären die Apotheker da geeigneter zu befragen. Aber die ehrliche Antwort ist glaube ich eher, dass es nicht die kompetente Person für diese Frage gibt. Es bleibt halt eine Frage des Blickwinkels und da ist die Meinung von Martin Sailer nur eine von vielen Meinungen.

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Neue Ansätze: Neurologie: Chronischer Schmerz verfestigt sich im Gehirn, was immer gleich reagiert mit Schmerzsignalen. Es gibt Versuche, diese Neurologie zu beeinflussen, nicht immer gleich zu reagieren, wegen der teilweise notwendigen Erhöhung der Dosierung der Schmerzmedikamenten. Bei welchen Schmerzsignalen das realistisch möglich ist und wie die Synapsen umtrainiert werden können, müsste ich googeln. Aber grundsätzlich, Schmerztherapie ist im Fokus und kann sich verändern in den kommenden Jahren bzw. Jahzehnten.
In Altersheimen haben BewohnerInnen teilweise sehr viele Medikamente, sind so sediert, dass sie zu oft stürzen, Knochen brechen, hospitalisiert werden müssen, was teurer kommt, weniger Lebensqualität beinhaltet.

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Ich finds einen guten Artikel mit einer guten Mischung aus Eigenrecherche und übernommenen Grundlagen.
(Medikamentöse) Schmerzbekämpfung ist ein komplexes Thema und löst schnell heftige Reaktionen aus, wie man auch hier sieht.
Langdauernde starke Schmerzen sind schwer zu ertragen und greifen tief in die Persönlichkeit ein. Der Schmerz kann sich nach wenigen Wochen verselbstständigen. Es kommt zu neurologischen Veränderungen, dem sogenannten Schmerzgedächtnis, das weiter Schmerz ans Gehirn meldet, auch wenn die körperliche Ursache u.U. nicht mehr besteht.
Früher nannte man Schmerzen ohne körperliche Ursache 'eingebildet' oder etwas netter 'psychosomatisch'. Heute weiss die Medizin, dass Schmerz aufgrund des Schmerzgedächtnisses auch ohne körperliche Ursache weiterbestehen kann.
Seither ist man bemüht, Schmerzen so schnell wie möglich zu 'kappen', bevor der Körper ein Schmerzgedächtnis ausbildet. Ich vermute, das ist mit ein Grund für die starke Zunahme stark wirkender und schnell anflutender Schmerzmittel. Das Konzept macht Sinn, solange es funktioniert wie gewünscht. Und es funktioniert glücklicherweise häufig. Problematisch wird es dann, wenn es eben nicht funktioniert. Da der Mensch keine Maschine ist, hilft B nicht immer, was A geholfen hat.
Dann kommt Hilflosigkeit ins Spiel, auf ärztlicher wie auf Patientenseite, und da passieren Fehler. Die Ohnmacht auszuhalten ist schwer. Auf Seiten der Behandler stellt sie das Berufsethos in Frage, und beim Patienten die ärztliche Kompetenz. Die Versuchung ist gross, auf 'noch mehr desselben' (Watzlawik) zurückzugreifen: man will ja schliesslich helfen. Dosiserhöhung, Präparatewechsel, zusätzlich zum langsam wirkenden ein schnell anflutendes Schmerzmittel mit entsprechend höherem Suchtpotential, das man dann in Reserve gibt etc. etc.
Hier präsentiert sich die Pharma als good fellow und unterstützt nach Kräften: Schmerz darf auf keinen Fall sein! So förderte Mundipharma bspw. in Deutschland 2003 – 2007 das 'weltweit grösste Forschungsprojekt Schmerzfreies Krankenhaus', was eine absurd illusionäre Formulierung ist.
Gerade dass man helfen will, macht Kritik schwierig auszuhalten, aber die Kritik zurückzuweisen und von den Journalist*innen eine Lösung zu fordern, scheint mir ein bisschen viel verlangt. Ihr Job ist die Berichterstattung, auch das Aufzeigen von Fehlentwicklungen. Und wenn Ärzte, wie behauptet, aufgrund ihrer Überarbeitung vor dem Einsatz von Medikamenten keine sinnvolle Kosten/Nutzen-Abwägung mehr machen können, wäre es an ihnen, Alarm zu schlagen. Denn das wäre im höchsten Grad fahrlässig.
Ich halte das Argument allerdings für eine faule Ausrede. Viele Ärzte (nach meiner Erfahrung: nicht alle) haben immer ein Ohr für Pharma-Vertreter mit ihren Studien über die neuesten Produkteentwicklungen. Da ist dann die Zeit nicht zu knapp. Die Verkaufszahlen der Neuentwicklungen schnellen ja nicht zufällig hoch, wie Herr S. m.M.n. zutreffend vermutet.
Es ist auch nicht so, dass ärztlicherseits das Wissen um die Suchtproblematik nicht da wäre. Auch Zahlen gibt es mehr als genug. Die Verknüpfung von Abhängigkeitsdiagnosen mit den dazugehörigen Substanzen und den Medikamentenverordnungen in der Anamnese böte datenschutztechnisch wahrscheinlich gewisse Schwierigkeiten, aber erfasst werden diese Daten alle irgendwo seit langem.
Wissen macht die Dinge nicht unbedingt einfacher. Und wir haben alle eine Tendenz, uns das Leben nicht unnötig schwer machen zu wollen. Wenn diese Entlastung aber auf Kosten derjenigen geht, die von ihren Schmerzen sowieso schon fast um den Verstand gebracht werden, sollten wir nachdenken. Wie könnte man ihnen helfen, ohne dass sie nach einer dreimonatigen Schmerzbehandlung zwei Monate geplanten Entzug unter professioneller Begleitung brauchen, die niemand finanzieren will?
Es ist zu einfach, zu behaupten, eine Substanz sei nicht gefährlich, nur der Umgang damit. Denn dann ist es an jenen, die die Substanz in Umlauf bringen (und daran verdienen), den Umgang mit diesem Geist, den sie da aus der Flasche lassen, so zu gestalten, dass er den andern das Leben nicht noch schwerer macht.

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Danke für die wertvolle, fachliche Einordnung, Frau J.

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Guten Tag liebe Rebublik und andere Medien
Ich möchte hier nur darauf hinweisen, dass es seit vielen Jahren die SSAM (Swiss Society of Addiction Medicine) gibt, in der viele Ärztinnen und Ärzte der Schweiz die sich mit substanz - und nicht substanzgebundenen Abhängigkeiten sehr vertieft auseinandersetzen, organisiert sind. Wir haben auch eine webseite und Experten und Expertinnen für viele verschiedene Themenbereiche. Leider werden wir von den Medien kaum angefragt oder wahrgenommen.

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Danke für die Recherche.
Mangels Fachwissen kann ich mich zum Thema nicht einbringen, ausser, dass ich es sehr beunruhigend finde, dass es offenbar als "normal" gesehen wird, dass Ärzte 60 Std/Woche oder mehr arbeiten. Ich arbeite zur Zeit vorübergehend auch so viel, allerdings muss ich nur am Markt mein Geschirr verkaufen und nicht etwa Verantwortung für Patienten und deren Medikation übernehmen.
Ich finde, da müsste wirklich etwas passieren, dass Ärzte und Ärztinnen (und sämtliche Pflegekräfte etc.) vernünftige Arbeitspensen haben. Ich bin sicher, dass dann auch weniger schnell solche Schmerzmittel abgegeben werden.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Liebe Frau L., dieser Abschnitt hat mich auch erstaunt:

Das Problem ist, dass niemand Zeit dazu hat. Im Spital arbeiten Ärzte 60 Stunden pro Woche und haben schlicht keine Zeit, nach Mustern zu suchen bei Problemen mit Medikamenten, diese zu analysieren und einen Bericht nach allen Regeln zu verfassen und an Swissmedic zu schicken. Und die Hausärzte arbeiten noch mehr und haben diese Zeit noch weniger.

Doch weniger wegen des eklatanten Zeitmangels - das ist geradezu ein trauriges Cliché, das leider zu wahr ist - sondern wegen den Mustern, die zu suchen sind. Dies verweist auf die Rezension von Philipp Hübl über Armin Nassehis Buch "Muster".

Was wäre, wenn die (nunmehr) zentralisierten medizinischen Datenbanken via Algorithmen nach eben solchen Mustern durchsucht, bei möglichen Positiven geflaggt zur Analyse ausgezeichnet, und dann standardisiert an Swissmedic weitergeleitet würden?

Digitalisierung als Chance und nicht nur als mögliche Gefahr (und Bürokratieaufwand)?

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Ihre Idee finde ich sehr einleuchtend und es ist eigentlich nicht verständlich, dass das bisher nicht gemacht wird.

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Die Themenkreise

  • Kunst- und Kulturbetriebsförderung mit Geld aus schmutzigen Quellen (jeder Oligarch kann eine Galerie oder ein Museum eröffnen und wird gefeiert)

  • Engagement der Pharmaindustrie und der Medizinaltechnologie-Branche (Schwarzgeld, Installation von Infrastruktur, kein Wille zur Kontrolle dieser Mittelflüsse etc.)
    könnten gerne separat und vertieft beleuchtet werden.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Pointierter hätte man nicht zum Ausdruck bringen können, mit welcher Haltung "Geld regiert die Welt" ermöglicht wird.

«Es spielt keine Rolle, wie viel Geld man von wem nimmt. Wir sind froh, dass wir Geld bekommen»

Bis die weisse Weste des teuren Smokings durch das Blut an den Händen befleckt wird.

«Das Thema Ethik muss wichtiger werden.»

Doch Ethik ist kein "Thema" für Reputations-Management und Compliance-Abteilungen, sondern die Grundvoraussetzung für eine gut funktionierende Gesellschaft.

Aber vielleicht bin ich da zu sehr hoffnungsloser Idealist und zu wenig resignierter Zyniker.

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ichfürchte...
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Ein grosses Dankeschön am alle, die hier mitdiskutieren und mir so noch weitere Perspektiven aufgezeigt haben. Den Artikel habe ich gern gelesen, aber jetzt, nach dem Stöbern durch das Forum, fühle ich mich wesentlich besser informiert.

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Auf meine Erfahrung mit Oxycodon abstützend möchte ich folgendes anmerken: offensichtlich ein sehr effektives Schmerzmittel, das mir bei Schmerzen im Nachgang eines massiven operativen Eingriffs schnell und effizient geholfen hat. Dass es auch einfährt merkte ich sofort. Das empfand ich aber als durchaus angehmen Nebeneffekt. Ich nahm das Medikament während ca. 4 Wochen täglich. Als die Schmerzen weg waren, setzte ich es problemlos ab. Dabei hatte ich leichte Entzugserscheinugen, allerdings nur physische. Ich kann mir gut vorstellen, dass Oxycodon vielen Menschen, die unter starken Schmerzen leiden sehr helfen kann. Sein euphorisierender Effekt, den ich erlebt habe, nimmt mir zudem zumindest einen Teil der Angst vor einer terminalen Krebserkrankung. Dass heisst ich würde ein Verbot nie befürworten. Aber klar, so ein Medikament nach dem Ziehen von Weisheitszähnen, Verstauchungen, und sonstigen Banalitäten abzugeben ist grob fahrlässig und im Falle der Vorgänge in den USA schlicht kriminell.

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Als Angehöriger eines Langzeit-Schmerzpatienten (Rückenverletzung nach Paragleitabsturz vor 15 Jahren) wiederhole ich die dringende Frage von Herrn U. S.: Wie heissen die Alternativen und wie lauten deren Risiken und Nebenwirkungen? Eine konkrete Antwort wäre eine riesige Hilfe. Egal ob von Herrn Rebosura oder Dr Sailer. Selbst habe ich bei meinen Konsultationen keine organverträgliche Langzeit- Alternative für meinen Bruder gefunden. Also akzeptiere ich seit Jahren die ärztlich begleitete Einnahme von hohen Oxycodon Dosen trotz beschriebener Drogensymptome. Wiederholter stationärer Entzug inklusive. Die Alternative wäre noch schrecklicher.

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Agnès Laube
Grafikerin/Journalistin/Dozentin
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Danke für den lesenswerten Beitrag! Eine weitere Recherche wäre auch in Bezug auf Temesta spannend, insbesondere die Abgabe an ältere PatientInnen. Ich kenne einige Menschen, die Temesta als 'Schlafmittel' verschrieben bekamen ohne dass sie auf das Suchtpotential aufmerksam gemacht wurden. So stellt man ältere Menschen ruhig.

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Lieber Herr C. M.. Die Frage nach harmloseren Alternativen wurde von Herrn S. mehrfach aufgeworfen. Eine Antwort wäre im Sinne der Aufklärung. Ich befürchte es gibt keine.

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Sehr geehrter Herr Rebosura

Bezüglich Herr Sailer...
„Als Disqualifizierungsgrund bringen Sie einen (unbegründeten) Generalverdacht vor, den Sie aber sofort wieder zurücknehmen. So streut man Zweifel, ohne dafür Verantwortung übernehmen zu müssen.„

Folgendes ist reisserisch überspitzt, und dient nicht einer sachlichen Auseinandersetzung.

«Oxycodon ist der Zwillings­bruder von Heroin. Die Substanz löst ein High aus, eine Art Euphorie»: Dr. Martin Sailer ...“

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Lieber Herr S., ich bin nicht sicher, auf was Sie hinaus wollen. Denn ihr Zitat begründet in keiner Weise den von Herrn S. geäusserten Generalverdacht, der lautete:

Gerde [sic] die Neurochirurgie scheint sich nicht mehr um die Studienlage zu scheren, wenn z.B. Diskushernien operiert anstatt mit Physiotherapie behandelt zu werden (welche notabene gleich gute Langzeitergebnisse hat).

Der zitierte Satz selbst mag nun - für awareness raising und Warnen nicht unüblich - überspitzt sein, doch ist er sachlich nicht unbegründet. Eher im Gegenteil, wenn es heisst:

Oxycodon kann abhängig machen. [...] Zudem gibt es ein Missbrauchspotenzial ähnlich dem anderer starker Opioide.

Oxycodon hat ein signifikantes Euphorisierungspotenzial.

In den USA hingegen avancierte Oxycodon aufgrund seiner eher leichten Verfügbarkeit besonders unter der weißen Landbevölkerung zu einer verbreiteten Droge – ein Umstand, der ihm den Beinamen Hillbilly Heroin eintrug. Der US-Staat Florida kämpft seit 2010 gegen sog. pill mills, Schmerzkliniken, in denen Opioide wie Oxycontin verschrieben werden. Durch staatliche Regulierung wurde die Verfügbarkeit seither verringert. Allerdings ist dafür ein illegaler Handel mit der Substanz aufgeblüht, und viele Oxycontin-Abhängige sind überdies auf Heroin umgestiegen, da dieses inzwischen günstiger und teilweise auch besser verfügbar ist. Dies hat dazu beigetragen, dass die Zahl der Heroinsüchtigen in den USA in den letzten Jahren gerade außerhalb der Ballungsgebiete stark zugenommen hat. Man spricht von einer regelrechten "Epidemie".

Beides sind Opioide, wirken euphorisierend und machen schnell abhängig. Und Abhängige des einen steigen auf das andere um, um ihrer Suchtkrankheit nachzugehen. Von daher ist der Ausdruck "Zwillingsbruder", wenn auch bildhaft, dennoch nicht unsachgemäss.

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich möchte weder Oxycodon noch Heroin verteufeln. Im Gegenteil, ich möchte nur, dass man bei beidem mit der nötigen Sorgfalt herangeht, was oft nur mit medizinischen (Begleitung usw.) bzw. staatlichen Massnahmen (Abgabe usw.) geht.

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Herr Rebosura, ich verstehe nicht warum sie sich so emotional ins Zeug legen.

Meine konkrete Frage nach den Alternativen haben sie nicht beantwortet (Ihre Behauptung zur Erinnerung: « Die Frage ist doch: Wollen wir unsere Patienten wirklich in eine Abhängigkeit führen, wenn es Alternativen gibt? »)
Wie heissen die Alternativen und wie lauten deren Risiken und Nebenwirkungen?

Woher haben Sie ihre Überzeugung? Haben Sie Schmerzpatienten behandelt, begleitet, gepflegt oder haben Sie selber eine solche Schmerzbehandlung erlebt, oder gar Menschen professionell beim Abbau von Opiaten oder Opioiden beraten, begleitet und unterstützt?
Ich kenne alle drei Perspektiven.

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Chefredaktion
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Solche Fragen zu beantworten wäre unseriös, Herr E. Wenden Sie sich an Mediziner mit Fachwissen. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Mut.

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Andere Morphine. Meint Hr. Sailer wage. So bleibt er unangreifbar. Irgendwie passt er zum tragischen Fall, der die Klammer bildet: Mit kleiner Dosis (10mg/d, 5g im Text als 5mg interpretiert) und durchschlagender Wirkung in kürzester Zeit abhängig mit sehr aufwändigem Entzug.

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"Wenden sie Sich an Mediziner...." Ist man immer noch so leichtgläubig? Ich kam im Gründungsjahr der IV als Kleinkind in die Schulmedizin. Inzwischen bin ich AHV. Was alles wurde mir von MedizinerInnen verabreicht? Den groben Anfang, ich ging noch nicht zur Schule, damals gang und gäbe Barbiturate.
Chronische Schmerzen ab zwanzig, dann 26 Jahre später, legte ein Teil der Schulmedizin so richtig los.
Ich lese Beipackzettel sehr genau, im www gibt es ein Schweizerisches Arzneimittelkompendium, jenste Mengen Erfahrungsberichte zu ganz vielen Medikamenten und deren Generika.
Ich habe mehrere Medikamentenentzüge gemacht, hatte einmal happige Entzugserscheinungen auf ärztliche Verordnung, entliess den Arzt, verlangsamte das Absetzen des Medikamentes, hört auf meinen Körper.
Nicht der Mediziner bzw. nicht nur der Mediziner ist verantwortlich, auch der/die mündige BürgerIn. Chronischen Schmerz im Nacken, kann ich durch Armlehnen(!) ersetzen, die Arme nicht lose runterhängen lassen. Was ist die schlechte Nebenwirkung von Armlehnen?
Im Artikel steht, dass 18 Pillen genommen wurden. Dass da was aus dem Ruder gelaufen ist, sollte viel früher klar sein.
Xanax gilt als ganz gefährlich, weil auf dem Schwarzmarkt und mit ganz enger Therapiebreite, dann ist es tödlich. Es gibt ganz viele, legale und illegale Substanzen. Wers ihm Griff hat, Hut ab. Wer nicht, im schlimmsten Fall bis zum Tod.
MedizinerInnen haben sämtliche Medikamente, ApothekerInnen ebenso. Ich bin sehr vorsichtig, einer solchen Berufsgattung, mein Vertrauen erneut zu schenken, zuviel habe ich mitgemacht, 90 % war unnötig, ich hatte als Patientin den Schaden.

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(durch User zurückgezogen)
(durch User zurückgezogen)

Danke für den aufwendig recherchierten Artikel: Das ist wahrhaft ein Drogenkartell mit dem Segen für die Legalität von Swissmedic und gekauften Ärzten als Dealer. Das funktioniert simpel: Man verkauft eine Droge als Schmerzmittel an Leute die es eigentlich nicht brauchen.

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