Die Republik ist nur so stark wie ihre Community. Werden Sie ein Teil davon und lassen Sie uns miteinander reden. Kommen Sie jetzt an Bord!
Vielen Dank, Herr Graf, für diese Einordnung.
Seit dem Anschlag fühlte ich mich überfordert, irgendwelche Worte dazu auch nur zu denken, geschweige denn, mich mit jemandem darüber auszutauschen. Höchstens "Hast du gehört?" und fassungsloses Kopfschütteln. Nun kann ich, dank Ihrer Einordnung, auch selbst anfangen, darüber nachzudenken.
(Dass diese grauenhafte Fatwa bereits so viele andere Opfer gefordert hat, war mir auch nicht klar.)
Sehr herzlichen Dank, liebe Frau L.
Auffällig finde ich, wie Gründungsfiguren von Religionen wie Jesus und Muhammad die religiösen Establishments der damaligen Zeit vor den Kopf gestossen haben und einiges an Wirbel verursacht haben. Das Lebendige und Herausfordernde, was solche Figuren eingebracht haben, hat ironischerweise die Grundlage gelegt für globale Machtsysteme im Zeichen der Religion als alleinige Wahrheit. Und heute haben wir global wirksame Establishments, die immer wieder ausführende Einzelpersonen oder Gruppen finden, die ihre lebensverachtenden, starren Weltbilder handfest in die Tat umsetzen.
Zum Glück gibt es die Literatur. Viele Autor:innen atmen mehr vom Geist der religiösen Gründerfiguren als sämtliche versteinerten Gedankengebilde und erstarrten Regelwerke.
Religion war immer ein Machtkonstrukt und dementsprechend vor allem an Machterhalt interessiert. Religionsgründer dagegen waren Menschen mit spirituellen Erfahrungen, Erlebnisse, die ihnen die "wahre Natur der Realität" (was immer das auch sei) vor Augen geführt haben. Keines der "Heiligen Bücher" wurde von Religionsgründern geschrieben oder verwaltet(Inhalte hinzugefügt/entfernt).
Wer sich mit Sprache etwas auskennt, erkennt sofort, dass es unzählige Merhdeutigkeiten, Fehler und Missverständnisse in diesen Texten geben muss, die versuchen, zu beschreiben, was nicht zu beschreiben ist.
Wenn man das Wort der Erfahrung vorzieht, dann folgt man einer Religion.
Religionsgründern zu folgen, bedeutet ihren Erfahrungen zu folgen, nicht ihren Worten.
Ein Zitat...
Der Welt drohen drei Plagen, drei Seuchen.
Erstens - die Seuche des Nationalismus.
Zweitens - die Seuche des Rassismus.
Drittens - die Seuche des religiösen Fundamentalismus.
Diese drei Seuchen haben ein gemeinsames Merkmal, einen gemeinsamen Nenner:
die aggressive, alles beherrschende, totale Irrationalität.
Es ist unmöglich, in das Denken eines Menschen einzudringen,
der von einer dieser Seuchen befallen ist. In seinem Kopf brennt ein heiliger Scheiterhaufen, der ständig auf Opfer wartet.
Jeder Versuch eines ruhigen Gesprächs muss kläglich fehlschlagen.
Es geht ihm nicht um ein Gespräch, sondern um eine Deklaration.
Dass du ihm beipflichtest, zustimmst, deinen Beitritt erklärst.
Sonst hast du in seinen Augen keine Bedeutung, existierst du nicht, denn er betrachtet dich nur als Werkzeug, als Instrument, als Waffe.
Es gibt keine Menschen - nur die Sache.
Ryszard Kapuscinski, polnischer Reporter, Journalist, Autor (aus: Imperium, 1993)
Zuerst: wow! Starke Worte.
Dann hmm... gehören nicht Seuchenmetaphern zum rhetorischen Repertoire von Diktatoren und totalitären Systemen?
Salman Rushdie würde sich nie zu einer solchen verbalen Kraftmeierei hinreissen lassen. Seine feine Ironie stellt jeden Fanatismus bloss.
Die Worte Ryszard Kapuscincskis sind beileibe weder eine verbale Kraftmeierei, noch stammen sie aus dem Wortschatz von Diktatoren und totalitären Systemen. Sie beschreiben das Phänomen, das der polnische Autor zwischen 1989 und 1991 auf seinen Reisen durch die neu entstehenden Republiken der untergegangenen Sowjetunion mit grosser Sorge beobachtet hat, im Wissen um ihre zerstörerische Kraft. Schaut man auf die vergangenen 30 Jahre zurück, war seine Sorge mehr als berechtigt. Und Salman Rushdie ist eines der ungezählten Opfer dieser Seuchen, die sich ungebremst auf der ganzen Welt ausgebreitet haben und täglich neue, meistens anonyme Opfer fordern.
Republik AG
Sihlhallenstrasse 1
8004 Zürich
Schweiz