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Niemand kann dem britischen Parlamentariern verbieten, sich privat zu treffen und einen Gesetzesvorschlag auszuarbeiten. Wenn das gelingt, dann genügen zwei Tage, um ihn formal vorzubringen und durchzuwinken. (Die Rechnung mit den zwei Tagen verstehe ich auch nicht. Vom 15. bis am 31. Oktober stehen in meinem Kalender 16 Tage.) Was übrigens oft unterschlagen wird, ist, dass eine Pause von 3 Wochen ohnehin bereits vom Parlament eingeplant war (für die Conventions der Parteien, siehe https://www.nytimes.com/2019/08/28/…ended.html). Solche Datenpunkte wecken bei mir den Verdacht, dass unseren Medien mehr daran gelegen ist, Empörung zu bewirtschaften, als aufzuklären. Immerhin wurde hier bei der Republik zur Abwechslung auch ein Teil der Begründung des Ganzen durch Johnson wiedergegeben.

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Guten Morgen! Gute Punkte, die Sie aufbringen. Da wird es schnell sehr kompliziert.

  1. Über was im Parlament abgestimmt wird, diktiert zu weiten Teilen die Regierung. Die Opposition kann in erster Linie Amendments an Vorlagen anhängen.

  2. Die Queens Speech wird das Ende der Prorogation einläuten. Diese ist amendable, aber das Amendment wiederum müsste durchs Unterhaus und das House of Lords. Was Zeit kostet.

  3. Die zwei Tage kommen davon, dass zwischen dem Ende der Prorogation und dem EU-Gipfel nur zwei Parlamentstage liegen. Die EU-Staatschefs müssten dem Verlängerungsantrag ja zustimmen. Liegt bis zum Gipfel kein Antrag vor, wäre ein Sondergipfel nötig.

  4. Völlig richtig, die Pause war eingeplant, für die Parteitage. Aber das Parlament kann selber entscheiden, ob es die Pause machen will - im Gegensatz zur Prorogation. Labour und Liberal Democrats hatten bereits angekündigt, dass sie die Pause massiv verkürzen wollten. Das ist nun hinfällig.

  5. Ja, es ist wichtig, auch die Begründung von Johnson zu bringen. Ich persönlich sehe das Manöver nicht als "Coup" oder "verfassungswidrig". Aber zumindest die Länge der Prorogation ist auf jeden Fall taktisch motiviert - und hinterlässt bei mir einen fahlen Nachgeschmack.

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Sehr kompetente Antwort, Herr Fuchs (auf sehr kompetente Fragen). Was man meines Erachtens etwas unterschätzt (weil Johnson ein relativ ruchloser Populist ist), ist dass die Opposition im Parlament und innerhalb der Tories ja nicht wirklich eine Lösung sucht (oder in der Lage ist zu suchen). Würde das Parlament tagen, sähen wir einfach wieder die gleichen Reden (wenn die Diskussion vom Speaker, ohne dass von Johnson eine neue Legislaturperiode eingeleitet wird, überhaupt noch zugelassen würde) und ergebnislosen Abstimmungen. Das Parlament (oder besser die Führer von Labour) tut ja nichts anderes, als die Sackgasse (keine Mehrheit für irgendeinen Vorschlag) zu bewirtschaften, weil Corbyn hofft, so doch noch PM zu werden. Würde Corbyn zum Beispiel ein Misstrauensvotum mit anschliessender Einsetzung von Swinson oder Sturgeon als Interims-PM vorschlagen, brächte man die Brexit-Regierung weg. Das Gleiche hätte gegolten, wenn sich Corbyn und Cable mit May auf ein Austrittsabkommen mit der EU geeinigt hätten (das, wie die EU-Kommission zu Recht sagt, einfach schon heute eine durchaus mögliche definitive Grenzregelung mit Irland enthalten müsste, dann wäre der Backstop vom Tisch). Da nicht zu erwarten ist, dass Herr Corbyn in den nächsten 8 Wochen seinen Charakter ändert oder von der Partei gestürzt wird, spielt es eigentlich keine Rolle, ob das Parlament tagt oder nicht. Allenfalls würde es gelingen, Johnson zu verpflichten, noch einmal eine Verlängerung bei der EU verhandeln, das ist aber sehr unsicher und was das aber bringen soll, ist unersichtlich. So scheint es nun, wenn nicht ein Wunder geschieht (was auch nicht auszuschliessen ist) klar, dass es entweder Johnson gelingt, ein neues Abkommen mit der EU auszuhandeln (zum Beispiel mit einem definitiven Grenzregime) oder es zu einem No-Deal-Brexit kommt, den EU und UK (allerdings nicht ganz kostenlos) auch überleben werden.

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Dass private Treffen und Absprachen funktionieren, kennen wir aus der Schweiz. Der unliebsame Bundesrat war nachher weg.

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Die Aussage, dass Salvini verloren habe, scheint mir doch etwas sehr optimistisch. Ja, es kommt jetzt nicht sofort zu Neuwahlen. Wenn aber die neue Regierung zu einer Sparpolitik nach deutschem Gusto und nach den Regeln der EU gezwungen wird - oder sie aus freien Stücken zu dieser Politik zurückkehrt, wenn weiterhin die Ankunft jedes Rettungsschiffs zu einer europaweiten Flüchtlingskrise stilisiert wird und wenn sich gleichzeit die Konjunktur abschwächt, dann graut es mir vor den nächsten Wahlen, wann immer die auch stattfinden werden. Meine Hoffnungen halten sich in Grenzen, dass die EU mit Fau von der Leyen an der Spitze diese Hersausforderungen bewältigen kann und sich etwas von der Sparpolitik von Frau Merkel und der Herren Schäuble und Scholz befreien wird. Ich hoffe - mit wenig Überzeugung-, dass diesem grossartigen Land und uns allen der nächste Marsch auf Rom erspart bleibt! Die Verantwortung liegt mindestens so sehr in Brüssel und Berlin wie bei der neuen italienischen Regierung.

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Lieber H. K., ich teile Ihre Einschätzung und auch Ihre Befürchtungen. Salvini hat zwar im Moment nicht mehr die Propagandamittel eines Innenministers zur Verfügung, aber wenn weiter jeder seiner Rülpser in den Medien breiten Raum finden sollte, könnte der Personenkult um ihn weiter wuchern. Die italienischen Medien haben damit eine grosse Verantwortung, dass sie letztlich dazu beitragen könnten, einen neuen Duce zu installieren. Wenn ich an das Medienimperium Berlusconis denke, dann wird mir doch etwas schummrig.
Sie sprechen Europa an: Seit der Wahl der von der Leyen habe ich eigentlich das Projekt Europa abgeschrieben. Es gibt in Brüssel kein EU-Personal, das auch nur ansatzweise begriffen hat (oder begreifen will), was in der EU passiert. Die EU müsste sich schnellstens von ihrem neoliberalen Grundkurs verabschieden, sie müsste den Raum schaffen für eine Zivilgesellschaft, die wirklich diskutieren kann und die wirklichen Einfluss erhält (heute sind es die Lobbyisten, die in Brüssel das Sagen haben). Das Projekt EU geht von der richtigen Vorstellung aus, dass der Nationalismus (der uns immerhin zwei Weltkatstrophen beschert hat) zur Lösung von Problemen nichts taugt, dass er selbst das Problem ist. Leider wurden nicht die richtigen Schlüsse gezogen und der in der EU bestimmenden Elite geht es nicht um das Lösen von Problemen, sondern um Machterhalt und Bereicherung auf Teufel komm raus. Ob dabei das Gebilde EU letztlich zerbrechen und dem Frass der Faschisten vorgeworfen wird, ist dieser Elite egal. Die Verantwortung liegt tatsächlich beim in den Sonntagsreden immer wieder beschworenen Souverän, er müsste einfach dafür sorgen, wirkliche Souveränität über die Apparate in Brüssel, Berlin und anderswo zu gewinnen. Wie man das machen soll? Es ist wahrscheinlich ein weiter Weg und wir haben (nach den Wahlen vom Sonntag wird das vielleicht noch deutlicher) verdammt wenig Zeit.

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... wirklich eine gelungene Zusammenfassung der Top-Themen der Woche. Danke an die Redaktion!

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Vielen Dank! Das freut uns.

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Frau T. fragte meine Meinung zur Produktpiraterie. Das Thema ist sehr vielschichtig, hier einige Aspekte:

  1. Die Nachfrage: es gibt viel weniger als früher, aber einzelne Märkte in China verkaufen noch Fälschungen, insbesondere Brillen, Turnschuhe und Handtaschen. Nirgends sprechen Verkäufer besser Englisch, sehr viele Touristen kaufen dort ein. Umgekehrt kaufen Chinesen die es sich leisten können die Originale aus Europa.

  2. Die Gewinnverteilung: nicht wenige illegale Produkte sind gar nicht eigentliche Fälschungen, sondern unlizenzierte Überproduktion aus jenen chinesischen Fabriken, die das Original herstellen. Bei der lizenzierten Produktion geht aber teils über 80% an den Markeninhaber und nur sehr wenig an den Hersteller.

  3. Die internationale Solidarität: generell Wissenstransfer (Diebstahl, Patentekauf, Firmenkauf, Zwangs-JVs etc.) aus Europa hat China unglaublichen Aufschwung gebracht. Das hat z.T. westlichen Grossunternehmen oder sogar manchem KMU die Gewinne reduziert, dafür aber 800 Millionen Menschen aus der Armut befreit. Mir ist es das wert.

  4. Die Ironie der globalen Wirtschaft: selbst wenn Wissen von China z.T. gestohlen wurde, sollte Europa dankbar sein, denn der daraus entstandene Wohlstand hat nicht nur Flüchtlingsströme aus China verhindert, sondern auch hunderte Millionen zahlungskräftige Kunden hervorgebracht, die jetzt wie gesagt westliche Originale kaufen (Audis, Guccis, Rolexes etc.) Haben Fakes also Arbeitsplätze vernichtet, so haben sie in anderen Branchen auch welche geschaffen.

  5. Der Klassenkampf: IP Rechte gehören immer dem Kapitalisten, nie dem Arbeiter. Bei Fakes verdienen direkt Arbeiter und viel weniger Gewinn geht an Markeninhaber. Der Gewinn wird von den grössten und reichsten Konzernen und ihren Aktionären “gestohlen“.

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Interessant! Könnten Sie aber bitte jeweils Quellenangaben mitliefern? Das würde mit bei der Einordnung und Vertiefung sehr helfen.

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  1. Eigene Beobachtung: vor 10 Jahren wurden Fälschungen auf Gehsteigen und in Unterführungen von Strassenhändlern an jeder Ecke angeboten. Heute gibt es das nicht mehr. Wenn man noch Strassenhändler sieht, dann verkaufen sie chinesische No-Name Produkte. In meinem Umfeld treffe ich beruflich viele Ausländer, die wie selbstverständlich erklären dass ihre Markenbrille oder Handtasche fake ist. Bei Chinesen sehe ich das viel weniger, viele kommen aus einem Europaurlaub mit einer Markentasche zurück. Ein weiteres Indiz ist, dass die Textilbranche, wo am massivsten gefälscht wird, generell aus China abzieht in billigere Länder, u.a. Afrika. Dazu als Quelle “Dragon's Gift“ von Deborah Brautigam. Selbst wenn die Anzahl Fakes in den letzten 10 Jahren gleich geblieben wäre, wäre ihr Anteil an Chinas Gesamtwirtschaft massiv geschrumpft, da sich die Wirtschaftsleistung seither mehr als verdoppelt hat.

  2. https://weartesters.com/cost-make-running-shoe/
    Wie lookalike als Ersatz für Fälschungen kommt:
    https://en.m.wikipedia.org/wiki/Shanzhai

  3. Weltbank Statistiken, z.B. https://data.worldbank.org/topic/po…cations=CN

  4. www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/automarkt-deutsche-autobauer-steigern-marktanteile-in-china/23969848.html

  5. Siehe Punkt 2

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Nun Herr B., ich war mehr an Ihrer Meinung ganz konkret zu den im Artikel aufgeführten Fakten interessiert als an einem flammenden Plädoyer im allgemeinen für Produktfälschungen aus China.

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Seien Sie doch etwas konkreter. Im Artikel ist lediglich ein Link zu einem anderen Artikel. Der wiederum beginnt mit der Aussage, dass Fälschungen in Europa 80'000 Arbeitsplätze koste, wozu ich ja geschrieben habe, dass es falsch ist, weil der neue Reichtum in China viel mehr Arbeitsplätze schafft in Branchen mit höheren Einkommen. Wenn Sie das flammend finden, von mir aus. Wie gesagt, es ist oft nicht so banal einfach wie es manche gerne darstellen. Ich habe 5 Aspekte angesprochen. Es gibt sicher noch mehr. Welche sind Ihnen denn wichtig?

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Im verlinkten Artikel zur „Kampfzone Kultur“ werden Fälle dokumentiert wie die neue Rechte in Deutschland Einfluss auf das Kulturangebot zu nehmen versucht.

Wie sieht das in der Schweiz aus? Falls es dazu etwas zu berichten gibt, würde ich gerne darüber in der Republik lesen.

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