Die Republik ist nur so stark wie ihre Community. Werden Sie ein Teil davon und lassen Sie uns miteinander reden. Kommen Sie jetzt an Bord!
Vielen Dank für diese grossartige Analyse. Schade, dass Margret Thatcher den krachenden Zusammenbruch ihrer Politik heute nicht mehr erleben kann. Und gut, dass der Staat das Heft wieder in die Hand nimmt. Es liegt nun an uns Stimmbürger:innen, das richtige politische Personal zu wählen. Und es ist nun endlich Zeit, dass die Schweiz ihr (vor allem durch die rechtsnational-populistische SVP permanent vergiftete) Verhältnis zur EU zukunftsgerichtet klärt. Auch wir Schweizer:innen sind Europäer!
Wir Schweizer:innen sind nicht nur Europäer:innen sondern auch mitverantwortlich! Auch Mit- handlungsfähig! Ich wünsche mir eine Analyse worin die von erstaunlich vielen Zeitgenoss:innen behauptete Unabhängigkeit der Schweiz genauer angeschaut wird und dies dem ebenso behaupteten Autonomieverlust gegenübergestellt wird. Mir scheint, dass die meisten von uns keine fundierte Kenntnis von der Realität in Bezug auf die Möglichkeiten eines EU Beitritts der Schweiz haben. Es ist der SVP und der FDP gelungen, das Thema Europa zu einem Tabuthema zu machen. Dieses Tabu zu brechen um uns der Realität und der fundierten Diskussion zu stellen - dies erhoffe ich mir von der Republik .
Ich denke, diese Analyse müsste von Historiker:innen, Politologinnen und weiteren Fachleuten im Auftrag der Regierung geleistet werden.
Chapeau - bin beeindruckt ob dieser brillianten analytischen Rekapitulation der letzten 40 Jahre sozioökonomischer Irrfahrt im Meer der neoliberal politischen Strömungen.
Ein im Abgang absolut inspirierender kick-ass Essay - vielen Dank, fühle mich grad sehr mit Ihnen verbunden, Olivia Kühni.
Ich danke Ihnen. Und wünsche Ihnen einen schönen, frohen Tag.
Und was lernt unsere bürgerlich dominierte Politik daraus?
Heute debatiert der Nationalrat tatsächlich wieder einmal darüber, dass wegen der hohen Immobilienpreise das ganze angesparte Pensionskassenkapital aus der II-Säule für den Hauskauf eingesetzt werden darf. Also nichts anderes als einen durch Nullzinsen total überhitzten Immobilienmarkt zusätzlich zu subventionieren. Die zukünftigen Hausbesitzer sollen sich also noch höher verschulden können. Dabei hat uns die Geschichte von 2002 bis 2008 gezeigt, dass dieses neoliberale Muster nicht funktionniert.
Da hallen die Worte von Olivia Kühne nach:
Wann wählt das schweizer Stimmvolk endlich eine "KLÜGERE Politik, die sich wirklich in den Dienst der Bürger stellt"?
Liebe Olivia, bin sehr beeindruckt von deiner ausgezeichneten Analyse und Beschreibung des Geschehens der letzten Jahrzehnte in der Politik. Und dass es dir gelingt, trotz der harten realen Fakten, Mut zu schenken. Mut, den unbequemen Weg zu gehen und zusammen zu stehen. Danke für deine fantastische Arbeit!
Der Artikel berührt mich unglaublich, vielen Dank Olivia Kühni!
Lieber Herr Rohr, ich danke Ihnen. Hoffen wir, dass in nächster Zeit viele Menschen in entscheidenden Momenten das Richtige tun. Es ist immer wieder vorgekommen in der Geschichte.
Die Banken hatten in den Jahren ab 2002 rücksichtslos Kredite an Private und Unternehmen vergeben
Das ist inhaltlich nicht ganz richtig (bzw die Ursache dafür ist nicht korrekt benannt).
Es war die Regierung Georg W. Bushs, die Fannie Mae, Freddy Mac und Co. (halbstaatliche Orginasationen) anwies, sämtliche Privatkredite der Banken aufzukaufen und das Risiko zu übernehmen.
Es war also die Politik - und nicht der Privatsektor - der die Banken aus der Verantwortung entlassen hat. Dadurch entfiel die Notwendigkeit einer Risikoprüfung. Wie gesagt: dies war von der Politik genau so gewollt.
(Aus wiki:
In 2000, because of a re-assessment of the housing market by HUD (United States Department of Housing and Urban Development), anti-predatory lending rules were put into place that disallowed risky, high-cost loans from being credited toward affordable housing goals. In 2004, these rules were dropped and high-risk loans were again counted toward affordable housing goals.
The intent was that Fannie Mae's enforcement of the underwriting standards they maintained for standard conforming mortgages would also provide safe and stable means of lending to buyers who did not have prime credit.
https://en.wikipedia.org/wiki/Fanni…te_note-24 )
Die Schulden wurden als sogenannte ABS (Asset backed securities), MBS, CMBS usw. dann von den halbstaatlichen Instituten auf den Markt gebracht - der dann irgendwann kollabierte.
Die Instrumente selbst sind seit den 70-ger Jahren in Gebrauch, dh sie sind - Risikoprüfung vorausgesetzt - eigentlich sinnvolle Refinanzierugsgeschäfte der Finanzindustrie.
=> Wenn man schon über die Krise herzieht, dann bitte die Ursache korrekt benennen. Wenn Amateure plötzlich Finanzakteure spielen, dann geht das selten gut aus. (Wenn man bedenkt, dass selbst Profis häufig genug daneben liegen. Meisten liegt der Schaden dann "nur" im Milliardenbereich. Und nicht im Billionen, wie in dem Fall)
Lieber Anonym 1, Sie haben völlig recht. Es hätte hier zu weit geführt. Aber ein grosser Teil des Problems war/ist ja, dass die Politik entsprechende Exzesse mit falschen Anreizen noch mit unterstützt bis sogar subventioniert - dasselbe gilt auf vielen Feldern, heute zB auch in der Landwirtschaft.
Darum ist die Lösung auch nicht, wie manche leider ableiten, MEHR Staat, aber eben auch nicht WENIGER Staat - beides sind dümmliche Forderungen -, sondern KLÜGERE Politik, die sich wirklich in den Dienst der Bürger stellt.
Doch... Eine neugieriger Frage sei mir erlaubt:
Wie sollten Anreizsysteme für "klügere Politik" aussehen, wenn Polikter das Problem haben, dass sie eine eigentlich "langfristige Politik" machen müssten, aber "kurzfristig" ihre Arbeit bewertet wird?
(Das gleiche Problem gilt für Unternehmen - nicht umsonst sind Familienunternehmen häufig langfristig erfolgreicher (und typischerweise auch noch sozialer, nachhaltiger) als mehrheitlich börsenkotierte Unternehmen. Wir können schlecht die Wahlzyklen auf Zeiträume von 10 Jahren oder mehr ausdehnen...)
Dies entspricht doch genau dem, was Frau Kühni in ihrem Artikel umschreibt. Die Politik lässt der Privatwirtschaft freie Bahn und unterlässt es, diese zu regulieren, bzw. wirft (auf Wunsch der Banken) im von Ihnen ausgeführten Fall sogar bestehende Regulierungen über den Haufen oder sichert deren Risiken ab. Klar, dass dies mit Argumenten von bezahlbarem Wohneigentum begründet wird. Leider sind dies Scheinargumente der Wirtschaft wie der trickle down effect oder auf Schweizerisch KMU fördern die in der Politik und beim Stimmvolk immer wieder Gehör finden.
Schön wäre es, wenn sie es nur unterlässt.
In der Realität ist sie zu häufig Katalysator von negativen Entwicklungen.
Die Wirtschaft hat Bush damals nicht gezwungen, dieses Gesetz zu erlassen. Es war die Konsequenz der negativen Umfragewerte basierend auf dem Irak-Krieg (für das die Wirtschaft auch nicht zuständig war).
Nach der dot.com Blase, wurden viele sinnvolle Regeln eingeführt. Die sind durch die Politik mittlerweile fast komplett geschleift worden (dies geht nur mit Mehrheiten - und entsprechenden Spenden der treibenden Akteure, die zwar eine Minderheit sind, aber eine Meinungsstarke).
Politik handelt viel zu häufig rational kurzfristig (Stichwort: Wahlchancen) anstatt langfristig zu agieren.
So lange dieses Problem besteht, werden wir ohne weiteres keine Lösung finden.
Nachtrag:
Ich denke, wir sind uns in vielen Punkten einig. Der Kanckpunkt ist aber m.E. nicht die Wirtschaft, sondern Politiker, deren Zukunft von der nächsten Wahl abhängt. Und daher deren Wirken sich auf dieses eine Ziel fokussiert...
Sie argumentieren dass Bush den „Staat“ verkörpert. Man kann dies auch anders sehen. Gerade Bush war in meinen Augen ja ein Vertreter der neoliberalen Kaste. Dass er Fannie Mae und Co. anwies die Banken zu entlasten bzw. ihr Risiko zu übernehmen unterstreicht ja gerade das im Artikel beschriebene Prinzip dass Verluste an die Allgemeinheit überwälzt werden. Zu Macht gehört eben auch Verantwortung und das fehlte bei Bush.
Danke für die Präzisierung.
Welche allerdings an der ansonsten sehr zutreffenden Analyse von Frau Kühni nichts ändert ;-)
Es kommt drauf an:
Es war der Privatsektor, der sich am heiligen Markt masslos überschuldet hatte. Trotzdem löste man in Teilen Europas die Krise nach dem gewohnten Rezept: Die Politik reichte die Rechnung kühl weiter an die Bürgerinnen – und bescherte so den Steuerzahlern von Italien bis Irland eine riesige Staatsverschuldung, die Eurokrise und knallharte Sparprogramme.
Hier wird der übliche Reflex: Private verursachen Kosten, die Allgemeinheit muss dafür gerade stehen - bedient.
Was inhaltlich falsch ist. (Bush = "Vertreter der Allgemeinheit"-> dh hier hat die "Allgemeinheit" die Kosten verursacht, ergo trägt sie sie auch. Zu Recht. Stichwort: Verursacherprinzip)
Vor allem, weil er dann in folgender Aussage gipfelte:
Es war dasselbe Muster wie seit langem – nur diesmal so drastisch, dreist und teuer, dass man es als Ökonomin nicht länger ignorieren konnte. Die Finanzkrise entwickelte eine dramatische philosophische Wucht – sie war, so stellen Appelbaum und andere Autoren inzwischen fest, wohl der Anfang vom Ende der neoliberalen Ära.
=> Man kann über den Inhalt des Artikels diskutieren, so viel man will (als Anhänger des "grünen Sozialliberalismusses" kann ich mit der heutigen Weltordnung ebenfalls wenig anfangen). Aber dann sollte man die Ursachen auch sauber benennen. Wenn es wie hier falsch dargestellt wird, dann haben wir ein Glaubwürdigkeitsproblem. Und zwar ein ernsthaftes.
Politik hat wirklich Macht
Ist eine Überschrift. Und sie stimmt. Nur nicht immer im positiven, sondern sehr häufig auch destruktiv. Wie eben Herr Georg W. Bush als Verursacher der Finanzkrise von 2007/2008. Oder Herr Putin heute.
Doch, die Banken hatten rücksichtslos Kredite an Private und Unternehmen vergeben.
Im US-Hypothekengeschäft gab es keine realistische Risikoprüfung, sondern nur die in Risikoberechnungsmodellen versteckte Annahme, dass es nie zu einer Krise des gesamten Hypothekenmarktes kommen würde. Gerade darum wurden ja "Subprime"-Kunden gesucht, also Hausbesitzer in spe, die niemals durch ihr Vermögen und ihre Einnahmen eine Hypothek würden begleichen können, sondern nur durch den angeblich ewig steigenden Wert des zu erwerbenden Hauses. Diese Subprime-Risiken haben die Hypothekengeber dann in CDOs versteckt und weltweit an andere Banken verkauft.
Und sie haben durch massives Lobbying auf die aus Wikipedia zitierte Befreiung des Finanzsektors von unangenehmen Einschränkungen hingearbeitet.
Die Finanzkrise hatte auch nichts damit zu tun, dass "Amateure plötzlich Finanzakteure spielen".
Der Beginn der Krise 2007 war, dass die Banken einander kein Geld mehr liehen, weil sie nicht wussten, welche CDO-Risiken andere Banken trugen.
Doch, die Banken hatten rücksichtslos Kredite an Private und Unternehmen vergeben.
Die deutsche KfW vergibt nie 100% Garantien, um die Banken in der Verantwortung zu behalten.
Das ist in den USA grundsätzlich ebenso.
2004 wurde diese Regel auf Betreiben von der Regierung Bushs ausser Kraft gesetzt.
Die Banken waren in dem Fall reine Vermittler, da Freddie Mac und Fanny Mae keinen direkten Kundenkontakt hatten. Ihr Gewinn war quasi die Vermittlergebühr.
Man kann auf die Banken in den USA aus verschiendenen Gründen einprügeln. In dem speziellen Fall lag die Schuld jedoch bei anderen.
Bzgl der verbrieften Geschäfte:
Grundsätzlich sind diese black boxes. Ausser dem Emitenten (SPVs) kennt niemand den Inhalt. Theoretisch sind die Ratingagenturen für die Risikobeurteilung zuständig. Nur: die haben komplett versagt. Oder weggesehen.
In Deutschland ist das Prinzip als "Pfandbriefe" bekannt. Funktioniert 1a.
Zu Fall kam das ganze System, weil zu viele schlechte Risiken in den verbrieften Papieren gebündelten waren - und die Übersicherung (dh auf einen Nominalwert von 100% kamen Kredite in Höhe von ca 130% der Summe) trotzdem nicht ausreichte, um Kreditzinsen und Rückzahlungen sicher zu stellen.
Irgendwann kam dann der Punkt, dass die Banken hinsichtlich ihrer realen Risiken sich gegenseitig misstrauten. Und alles zum Stehen kam.
Die Pathos-Formel «Die Rückkehr der Politik» ist in ihrer rhetorischen Zuspitzung natürlich falsch, denn sie war nie wirklich weg. Dies ist denn auch die Haupterkenntnis von Mariana Mazzucatos The Entrepreneurial State: debunking public vs. private sector myths, welche im Guten wie auch im Schlechten gilt.
Erst recht ist sie für die Aussenpolitik gerade der führenden Staaten des Neoliberalismus falsch, wie ich in einem früheren Beitrag aufzuzeigen versuchte:
Dass die Politik sich im «neoliberalen Zeitalter» zurückzog und passiv blieb, gilt nur für die eine Seite des «Weltinnenraums des Kapitals»: für die Innenseite der Wohlstands-Blase und deren Innenpolitik.
Ausserhalb des «Zentrums des Weltsystems», den Global Cities, war die Aussenpolitik in der «Peripherie», der «Dritten Welt», durchaus aktiv und überhaupt nicht zurückhaltend, im Gegenteil, die unsichtbare Hand machte sich schmutzig und zeigte die harte Faust.
Aber es ist natürlich klar, dass Olivia Kühni in der notwendigen Kürze vieles ausblenden und Komplexität reduzieren musste. Ihr Mutmacher-Artikel greift meiner Meinung nach schon auch die Gefühlslage vieler Schweizer:innen auf, die nunmal in einer first world Wohlstands-Insel und -Blase leben.
Und in dieser Hinsicht ist er richtig und wichtig.
Daumen runter für ne Tatsache?
Bitte richtig stellen, wenn meine Aussage inhaltlich falsch ist.
Im Republik-Dialog sind "Daumen runter" manchmal als Kompliment zu verstehen, v.a. in Diskussionen, wo die "Guten" und die "Bösen" schon im Voraus klar definiert sind. Es zeigt, dass Sie sich ernsthaft eigene Gedanken machen, statt das gute alte virtue signaling zu betreiben. Gutes Beispiel, Ihr inhaltlich korrekter Kommentar
Was ist denn Der POTUS denn sonst? [...]
hat 2 "upvotes" vs. 7 "downvotes" LOL
Das erstaunt mich doch recht, dass eine Soziologie-Professorin der Uni Zürich im verlinkten Echo der Zeit sagt, dass Diversität, Klimaschutz und Pandemiebewältigung «Wohlfühldiskussion» seien. Erst jetzt kämen «die ganz grossen Fragen auf uns zu». Neben dem Abwerten der Relevanz dieser Themen finde ich es auch peinlich vereinfachend, politische Fragestellungen dieser Breite getrennt voneinander betrachten zu wollen. Als ob die Entscheidungen, wie wir einem Krieg begegnen, keine Auswirkungen auf Diversität, Klimaschutz und Pandemiebewältigung hätten.
Herzlichen Dank Frau Kühni, Sie schreiben mir aus dem Herzen und machen mir Mut. Dies trotz der neusten Hektik gewisser Politiker*innen bezüglich Aufstockung des Militärbudgets und Minimierung der Biodiversität-Flächen zu Gunsten überdüngter Agrarfeldern, beides zum Wohl der Bevölkerung natürlich….
betr. politiker*innen kann ich ihnen absolut zustimmen; der 10-vor-10-auftritt unseres bauernverbandspräsidenten am gestrigen dienstagabend war ja diesbezüglich an peinlichkeit kaum zu überbieten...
auch von meiner seite her ein grosses kompliment an olivia kühni für diesen grossartigen tour d'horizon über das hässliche gesicht des aus dem ruder gelaufenen neoliberalismus.
Vielen herzlichen Dank Frau Kühni für Ihre ermutigenden und treffenden Gedanken, die einem in diesen dunklen Tagen etwas Hoffnung geben.
Es ist die Stunde der Politik. Die grosse Frage ist aber, wie Sie treffend sagen, ob die Politik und mit ihr wir als Gesellschaft unsere Verantwortung wahrnehmen.
Es geht nicht darum, jetzt möglichst schnell ein paar Flieger zu kaufen und dann zum Courant normal überzugehen.
Wir müssen nun dringend die grossen Fragen angehen: wie wollen wir unser Verhältnis zu und unsere Stellung in Europa gestalten? Was bedeutet Neutralität in Zeiten eines gewaltigen Angriffs auf Freiheit, Demokratie und Menschenrechte? Wie wollen wir mit den zunehmenden sozialen Verwerfungen in unserer Gesellschaft und weltweit umgehen? Wie können wir den ökologischen Umbau vorantreiben und unsere Verantwortung angesichts der Klimakatastrophe wahrnehmen? Wie können wir die zerstörerische Gier der neoliberalen Wirtschaft und der Finanzindustrie eindämmen?
Ob wir die Zeichen der Zeit wirklich erkennen?
Herzlichen Dank, Olivia Kühni, für diesen wunderschön geschriebenen und hoffnungsvollen Beitrag!
Welch' wunderbarer Parforceritt von Olivia Kühni durch die Roaring Nineties des Neoliberalismus und die Geschichte nach dem «Ende der Geschichte». Ein Ende, das schon viele Enden und «Zeitenwenden» hatte.
Auch wenn es eine anthropologische Konstante ist, so ist es dennoch immer wieder erstaunlich, dass erst mit dem Erscheinen der Vier Reiter der Apokalypse – also Eroberung, Pest, Krieg und Hunger – den meisten Menschen und Mächtigen das Offensichtliche offenbar wird.
So bei der Weltfinanzkrise und Great Repression, als der «Maestro» der Mainstream-Ökonomie, Alan Greenspan, 2008 zähneknirschend konzedierte:
Yes, I’ve found a flaw. I don’t know how significant or permanent it is. But I’ve been very distressed by that fact. […] The whole intellectual edifice, however, collapsed in the summer of last year.
Was folgte war, dass Zentralbanken, Staat und letztlich die Gesellschaft die grösste Markt-Intervention beschlossen. Doch mit der Abfederung des realen Schocks ging auch jene des Realität-Schocks einher. Zu viele in den Wohlstandsinseln spürten zu wenig: Auch wenn die Plurale Heterodoxe Ökonomie Aufwind erhielt, so blieb die Modellplatonistische Orthodoxe Ökonomie mit ihren Neoklassizistischen Dogmen fest im Sattel.
Man hätte es auch schon länger besser wissen können. Auf die Kindheit im Neoliberalismus folgt die Jugend ohne Gott gegen die Globalisierung. Der Altermondialismus gegen den alternativlosen «Sound der Sachzwänge», gegen den Glauben an «die unsichtbare Hand des Marktes» und die Almosen der «Trickle-down-Theorie».
Dass die Politik sich im «neoliberalen Zeitalter» zurückzog und passiv blieb, gilt nur für die eine Seite des «Weltinnenraums des Kapitals»: für die Innenseite der Wohlstands-Blase und deren Innenpolitik.
Ausserhalb des «Zentrums des Weltsystems», den Global Cities, war die Aussenpolitik in der «Peripherie», der «Dritten Welt», durchaus aktiv und überhaupt nicht zurückhaltend, im Gegenteil, die unsichtbare Hand machte sich schmutzig und zeigte die harte Faust.
Die Strukturanpassungen (GATT) der emerging markets (ehemals «Entwicklungsländer») vollzogen sich nicht seamless durch die Soft Power der «Unheiligen Dreifaltigkeit» (WTO, IWF, Weltbank), sondern oft schockartig durch die Hard Power neo-imperialistischer und -kolonialistischer Staaten und Policies.
TINA Thatcher führte den Falklandkrieg, unterstützte die Diktatur Pinochets und seine neoliberalen Chicago Boys, lehnte Sanktionen gegen das Apartheidsregime Südafrikas ab und ermunterte Bush Sr. zum Zweiten Golfkrieg.
Trumps Vorbild Reagan führte nicht nur die Reaganomics, sondern auch die «Reagan-Doktrin» ein, aus Red Scare unterstützen die USA Diktaturen in der Dritten Welt, führte im Kalten Krieg Stellvertreterkriege und «schmutzige Kriege», so etwa gegen Sandinisten in Nicaragua, welche die Iran-Contra-Affäre nach sich zog, sowie die völkerrechtswidrige Invasion von Grenada, und mit SDI rüstete er zum Star Wars auf.
Balkankriege, Golfkriege, 9/11, Global War on Terror, Überwachungskapitalismus, Weltfinanzkrise, Flüchtlingskrise, Corona-Krise, Klima-Katastrophe… können auch als Folge und Weiterführung dieses «Weltsystems» betrachtet werden. Wie in den 20ern des letzten Jahrhunderts fällt der Bumerang nach seinem Flug durch die «Peripherie» nun auf uns zurück.
Am ehesten konnte man vielleicht noch in der «neutralen» Wohlstands-Insel Schweiz, deren Aussenpolitik durch Banken im Verstecken von Nazigold, undeklarierten Konten und Potentatengeldern bestand sowie in der Unterstützung des Apartheidsregime Südafrikas, dem Glauben anhängen, die Politik sei abhanden gekommen.
Hoffen wir, dass mit dem Ende der Marktgläubigkeit auch das Ende von There Is No Alternative und There's No Such Thing as Society gekommen ist und die Menschen aller Gesellschaften nun aufstehen und aufbegehren.
Danke, Olivia, für den heutigen Mutmacher!
Danke ebenfalls, für die wie immer klugen Ergänzungen.
Lieber Michel, ich schätze Deine Kommentare jedesmal sehr, da sie einen Mehrwert bieten. Auch bin ich im Normalfall wenig dünnhäutig, wenn der Begriff autistisch in anderen Kontexten jedoch korrekt von der Bedeutung her verwendet wird. Hier jedoch trifft es mich, denn im Gegensatz zur oben so benannten Ökonomie, die - so lese ich es zumindest - damit negativ konnotiert wird, können wir schlicht nicht anders, weil unsere Neurologie von Geburt an so ist. Ich bitte Dich um Verständnis für meine Anmerkung. LG Anne
Der Ausdruck hat sich tatsächlich als technischer Begriff in Teilen der Ökonomie eingebürgert – was den Ableismus nicht besser macht und weshalb ich den Ausdruck auch streiche bzw. ersetzen werde. Danke Frau B. für Ihren wichtigen Hinweis!
Frau Kühni gebührt ein grosser Dank für diesen doch sehr deutlichen und überaus notwendigen Text!
Dennoch: optimistisch bin ich nicht in einer Zeit, in der zu viele Industrievertreter - sie nennen sich aber "Volksvertreter" - in den Parlamenten sitzen. Sie werden nach dem Schock zur Tagesordnung übergehen und versuchen, ihren Brutalliberalismus fortzusetzen, mit der mittlerweile erwiesenen Lüge, es gehe allen besser, wenn die Reichen noch reicher würden. Dass gleichzeitig die Armen noch ärmer werden, wen kümmert es. Wir haben uns als unfähig oder unwillig erwiesen, aus der Geschichte zu lernen.
(Edit: Rolle; Korrekturprogramm korrigiert ;-))
Frau Kühnheit gebührt ein grosser Dank
Da hat das Korrekturprogramm aber mal toll gearbeitet.
😎
Genau!
Bis die irreführenden Behauptungen des angelsächsischen Neoliberalismus ("crowding out" privaten Konsums durch staatlichen Konsum, "rising flood" durch Ungleichheit) ihre Macht verloren, dauerte es Jahrzehnte - und zwei Krisen, in denen sich die Gefährlichkeit dieser Behauptungen erwiesen hat.
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) gegenüber dpa: "Ich würde schon sagen, dass die Corona-Krise so etwas wie der letzte Sargnagel für den Neoliberalismus ist."
Wie Sie habe ich kaum zu hoffen gewagt, dass die friedliebenden Staaten der Welt sich gegen den russischen Angriffskrieg einigen können würden. Umso erleichterter war ich darüber.
Politik muss die Probleme der Allgemeinheit lösen. Der angelsächsische Neoliberalismus tut das heute nicht.
Ein grossartiger Essay, vielen Dank Olivia Kühni! Ich wünschte, Ihr Text würde in viele Sprachen übersetzt und weit verbreitet werden.
Vielen Dank für Ihre Wertschätzung. Und danke, dass Sie solche Arbeit mit ermöglichen.
Es wäre schön, wenn Sie recht hätten. Die Frage ist nur, ob nun auch ein Ruck in Richtung Umbau der Energieversorgung in nachhaltige Produktionsformen geht oder wir die eine Abhängigkeit von russischem Gas durch eine neue Abhängigkeit von amerikanischem Flüssiggas ersetzen.
Lieber Herr E., ja, das ist tatsächlich eine der ganz wichtigen Fragen. Ich bin unverbesserlich optimistisch. Nicht zuletzt, weil dieser Umbau sehr in unserem Eigeninteresse ist, und das müsste doch ein ziemlicher Motivator sein.
Hören Sie das Gejammer wegen der steigenden Energiepreise und sehen Sie, welcher Druck auf die Politik schon aufgebaut wird, diese mit allen Mitteln zu senken? Eher als in alternative Energie wird wahrscheinlich in die militärische Aufrüstung investiert. Da wird sich zeigen, wer das Heft in der Hand hält. Auch hier gilt: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Ich dachte hier geht es um den Ukrainekrieg. Es gefällt mir nicht wie hier der Ukrainekrieg missbraucht wird um sich in seiner politischen Ansicht selbst recht zu geben. Europa hat mit den Sanktionen eine rationale und eigentlich auch (zurecht) egoistische Entscheidung gefällt. Wenn nämlich nicht auch die Freiheit und Sicherheit der Europäer bedroht wäre, hätte Europa unter keinen Umständen so reagiert. Was aber stimmt ist, dass der Ukrainekrieg bei der Bevölkerung die Akzeptanz für erneuerbare Energie erhöhen kann, um die Abhängigkeit von totalitären Staaten zu reduzieren. Das ist eigentlich auch wieder eine egoistische Entscheidung. Schliesslich wird jetzt die Gefahr von totalitären Staaten wie es zb. Russland ist, in der öffentlichen Wahrnehmung höher eingestuft. Es gibt also kein Ende irgendeiner neoliberalen Ära sondern nur das konsequente Abwägen von Eigeninteressen. Wenigstens geht es diesmal in die richtige Richtung.
Klar haben die Sanktionen eine egoistische Komponente – genauso wie wirksamer Klimaschutz oder soziale Gerechtigkeit! Der Punkt des Artikels ist ja ein anderer: dass die Passivität der Politik bezüglich den Problemen unserer Zeit ins Wanken geraten ist.
Ich habe den Punkt schon verstanden, der Artikel macht aber bei mir den Eindruck dass der Ukrainekonflikt benutzt wird um nochmal gegen alles zu schiessen, was nicht in die eigene politische Agenda passt. Niemand hat die Lösung für die Probleme unserer Zeit schon bereit und sie müssen nur noch umgesetzt werden. Klar, es gibt die Leugner, die uns bremsen. Auf der anderen Seite gibt es viel Widerstand gegen Staumauern, um unser Strom zu speichern. Das Batterieproblem ist noch lange nicht gelöst. Indem wir zu antikapitalistischer Rhetorik greifen und den Markt verteufeln, lösen wir das Energieproblem auch nicht. Denn um zb. das Batterieproblem zu lösen braucht es genau den Wettbewerb und eine Konsenspolitik die sich nicht gegenseitig blockiert, sondern Rahmenbedingungen schafft, damit bei der Lösungsfindung keine unnötigen Hürden geschaffen werden, welche das ganze verzögern. Und mein Punkt ist, dass der Mensch generell erst reagiert, wenn er selbst getroffen wird. Und das betrifft die Neoliberalen wie auch die Antikapitalisten.
Vielen Dank für diese interessante, auch biografisch klug eingebettete Analyse. Wie interpretieren Sie in diesem Zusammenhang die Einführung eines globalen Mindeststeuersatzes durch die OECD-Staaten? Und wie lange wird es dauern, bis auch die bürgerliche Schweiz steuerpolitisch im postneoliberalen Zeitalter ankommt?
Lieber Herr B., vielen Dank.
Ich sehe die Einführung des Mindeststeuersatzes genau in diesem Licht: dass der Zeitgeist, politisch und ökonomisch, gedreht hat.
Konkret sind die USA nicht mehr bereit hinzunehmen, dass Unternehmen, die sie indirekt über hervorragende Standortbedingungen gefördert haben und fördern, ihre Gewinne nicht oder woanders (zB Irland) versteuern. Es geht dabei nach meiner Einschätzubg nicht (nur) um Fairness, sondern eben auch ums (Staats)Geschäft. Was in Ordnung ist.
Für die Details verweise ich gerne auf Constantin Seibt, der das Thema im Sommer ausführlich beleuchtet hat:
https://www.republik.ch/2021/08/19/…-industrie
«Ja, wir wollen und wir werden unsere Freiheit, unsere Demokratie und unseren Wohlstand sichern.»
Genau darum gehts und ging es. Nur ist die Frage wie.
Ihr Text hat mich sehr berührt. Ihr Schlussplädoyer für einen mutigen Schritt zum Umbau von Energieversorgung, Sozialwerken, Steuersystem und Landwirtschaft haben kurz Hoffnung in mir aufkommen lassen, dass wir doch noch den Diskurs dahinzurückfinden.
Lieber Herr S., das freut mich sehr! Ich bin zuversichtlich - auch wenn der Weg steinig ist. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.
Wow, was für ein grossartiger Text! Danke vielmals, dass Sie uns an Ihren Gedanken teilhaben lassen, Olivia Kühni. Liebe Grüsse aus Luzern :)
Ich danke Ihnen, Herr S.
Danke... Die Wirtschaft soll für die Bedürnisse der Menschen da sein, die Politik für Gerechtigkeit und Freiheit der Menschheit.
Dass sich nun die ‚schweigende Mehrheit‘ derjenigen aus der Deckung traut, denen die neoliberalen Spielregeln und Mantras immer schon unheimlich und verdächtig waren, (ohne dass sie sich zum linken Flügel des politischen Spektrums zählen würden), hat wohl damit zu tun, dass Mut dann am besten funktioniert, wenn wir ermutigt werden, mutig zu sein. Und im Moment treffen uns viele, viele Beispiele von Mut direkt ins Herz. (Das ist der Sitz des Mutes: Courage kommt von coeur.)
Im Angesicht des stattfindenden Paradigmenwechsels sollten wir - ganz grundsätzlich - darüber nachdenken, unter welchen Bedingungen wir in Zukunft leben wollen.
Anlass dazu kann die Debatte um das bedingungsloses Grundeinkommen geben, für deren Volksinitiative im Moment Unterschriften gesammelt werden.
Ich glaube nicht, dass die Politikerinnen fähig sind die Probleme zu lösen. Die Probleme sind zu gross und die Politiker überfordert. In den letzten 30 Jahren haben sie verlernt, Sachlagen zu analysieren und Lösungen aufzugleisen, weil sie "Gier ist gut" gut fanden und von der Werbung lernten zu lügen, ohne dass es jemand merken will in der Hoffnung auf den maximalen Profit. Und die Wähler verfielen demselbigen.
Mit einem herzlichen Dankeschön, tragen wir gerne diese hoffnungsvolle Grüsse „von einem Rettungsboot im stürmischen, neoliberalen 🌍 🌎 🗺 Weltenmeer“ weiter.
Ich schliesse mich dem Applaus an - vielen Dank für den Text.
Nur, gibt es sie wirklich, diese progressive Ökonom:innen. In meiner Wahrnehmung sind die quasi inexistent. Zumindest in der Schweiz. Deshalb meine Frage in die Runde: Wer kann mir Lektüre von progressiven Ökonom:innen mit Schweiz Bezug empfehlen?
Vielleicht werden Sie beim Netzwerk Plurale Ökonomie fündig. «Ein in Deutschland, Österreich und Schweiz aktiver Dachverband über 30 Initiativen der Bewegung Plurale Ökonomik. Der Verein kritisiert den Zustand von Forschung und Lehre in der Wirtschaftswissenschaft und fördert nach eigenen Angaben Reflexion, Selbstkritik und Offenheit in der Volkswirtschaftslehre und anderen Disziplinen, die sich mit der Gesellschaft befassen.»
Vielen Dank, Herr Rebosura. Diesen Verein kenn ich. Vor ein paar Jahren existierte auch eine tolle Ringvorlesungsreihe an der Uni Zürich, welche, wenn ich mich richtig erinnere, eine dieser Initiativen war. Forschende aus der Schweiz waren da auch unter den Vortragenden, aber in der absoluten Minderheit.
Basil Oberholzer, 2021: Die globale Armut bekämpfen, Wirtschaftspolitische Strategien für Entwicklungsländer
Gemeinwohlökonomie im allgemeinen und www.gwoe.ch in der Schweiz
Danke für diesen Artikel
Einmal mehr das alte Lied von der Souveränität der Politik, die, wenn sie nur wollte, alles ändern könnte. Ihr entspricht ja die Subjektillusion der Bürger, die, wenigstens in einer Demokratie, angeblich frei über ihr Leben bestimmen können. Von einer historisch-kritischen Verortung des Neoliberalismus ist in dem Artikel auch nicht ansatzweise die Rede. Von einer kritischen Betrachtung des Kapitalismus zu schweigen: Nach 40 Jahren TINA-Politik (there-is-no-alternative) ist das allerdings auch nicht zu verwundern. Wer von der Ökonomie grundsätzlich neue Ansätze erwartet, dem ist ohnehin nicht mehr zu helfen: Die Ökonomen sind die Hohepriester der kapitalistischen Religion und werden insofern nie und nimmer grundsätzliche Systemfragen stellen.
Wohlgemerkt: Ich finde die Reaktion des Westens auf die Herausforderung durch Putin richtig und notwendig. Was in der Selbstbeweihräucherung über die wiedergefundene Handlungsfähigkeit der Politik vergessen geht, ist eine Verortung der eigenen wie der gegnerischen ökonomischen Grundlagen. Der Westen lebt seit nunmehr über 40 Jahren von Spekulation, die längst die Produktion überflügelt hat, sie stattdessen künstlich alimentiert. Russland ist ein Land, dessen Modernisierung (in Form der Sowjetunion) spektakulär gescheitert ist, und das im Wesentlichen auf die Stufe eines Rohstofflieferanten zurückgeworfen worden ist. Die Systemalternative der Sowjetunion (von China zu schweigen) war immer eine Illusion: Der Zusammenbruch Ost, dem in absehbarer Zeit der Zusammenbruch West folgen dürfte, hat sie klar als solche erwiesen.
Für mich und andere kritische Geister ist längst klar, dass der Kapitalismus ein Selbstmordprogramm der Menschheit ist, und dass er in ein Krisenstadium eingetreten ist, aus dem es keinen ökonomischen Ausweg mehr gibt. Infolgedessen ist auch die demokratische Politik in eine Dauerkrise geraten, indessen die Eliten die Krise von Ökonomie wie Politik vehement ableugnen oder ignorieren, sofern sie sie nicht noch anheizen.
Nun hat man die Handlungsfähigkeit angeblich wiedergefunden: Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Wo ist denn diese Handlungsfähigkeit in Bezug auf die grösste Herausforderung der Gegenwart, die menschengemachte, durch eindimensional ökonomisches Handeln verursachte Klimakrise? Sie wird in absehbarer Zeit ohnehin so dominant werden, dass sämtliche Energien in die Symptombekämpfung fliessen werden, fliessen müssen. Hegemonialbestrebungen der USA wie Chinas (von Russland zu schweigen) werden dann so substanzlos, wie sie eigentlich schon immer gewesen waren.
Bravo Olivia Kühni
gute Übersicht : der "rote Faden" der schweizer Politik gespiegelt, wie meinerseits seit gut 50 Jahren erlebt !
Der Artikel spricht mir aus dem Herzen. Ich bin Jahrgang 1983, die Wende habe ich damals noch nicht bewusst mitgekriegt - und seither habe ich 30 Jahre lang zugeschaut, wie die westlichen Politiker demonstrativ Leadership verweigerten, Probleme zerredeten, verwässerten, aussitzten und sich in jeder Krise selbst bemitleideten und stets an den Zungen der Wirtschaftsführer hingen um deren Mantra von der unsichtbaren Hand kräftig abzunicken. Dass sie eigentlich per demokratischer Wahl das Mandat hätten, den Diskurs zu dominieren und für uns alle die Zukunft zu verhandeln, kam ihnen dabei gar nicht mehr in den Sinn. Leider begreifen sich gerade die deutschsprachigen Politiker nach wie vor als Ausführungsgehilfen der Wirtschaft. Aber als neoliberal gebrandmarktes Kind dürstet es mich förmlich nach gelebten europäisch-humanistischen Werten und Taten. Es wäre schön, mal wieder in den abendländischen Spiegel schauen zu können und was anderes darin zu sehen als die hässliche Fratze der permanenten Profitmaximierung. Und in den letzten drei Wochen war ich erstmals seit sehr langer Zeit so etwas wie stolz auf Europa. Stolz, dass einmal nicht die billigste Lösung den Zuschlag erhielt.
Ich könnte es nicht besser sagen. Danke.
Danke für die klaren Worte, Olivia Kühni. Mich begeistert zur Zeit der Überblick und die Analyse in: Jason W.Moore, Kapitalismus im Lebensnetz. Ich habe aber grosse Zweifel, ob Politiker:innen fähig sind über Wahlperiode und Landesgrenze hinauszudenken und die weltumspannenden Zusammenhänge zu verstehen. 1980 kam "Ökolopoly", ein Brettspiel entwickelt vom Kybernetiker und Umweltaktivisten Frederic Vester auf den Markt. "Es simuliert die Zusammenhänge zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt in einem Ballungsraum; die Spieler agieren als Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft und versuchen das System in seinen Wechselwirkungen zu steuern." Das ist gar nicht so einfach und ziemlich eindrücklich!
Zwei Bücher eines Genfer Uniprofessors:
Bürgenmeier Beat (2019), "L'économie au pluriel, les théories économiques face aux défis environnemntaux et sociaux", Bruxelles: Mardaga
(2022), "L'économie parasitaire, rentes, privilèges et pouvoir: freins à la croissance", Bruxelles: Mardaga
Das ist sehr spannend, als genau zwanzig Jahre früher auf die Erde Geworfene, hier so klar dargestellt zu lesen, was zwanzig Jahre Erfahrungsunterschied, Lebenszeit, ausmacht.
Eine Ahnung davonhatte ich schon lange; als konkrete Erfahrungswelt vorstellbar war es für mich vor dieser Lektüre hier nicht.
In so wenigen Worten so viel Erkenntnismöglichkeit; chapeau!
Eine Ergänzung in der vorgezeichneten Liste der Gegenwarts- und Zukunftsfragen:
„ Wie sorgen wir vor für den Fall der nächsten Pandemie – ein Ereignis, das unter anderem wegen der weltweiten Massentierhaltung wahrscheinlich ist?“
—> Meine Ergänzung dazu:
„Wie schnell schaffen wir es, von jeglicher Massentierhaltung wegzukommen und Tiere — fast wie ehedem Frauen — endlich als ganz wichtige Mitlebewesenwesen, und selbstverständlich, mit Seele und im Übrigen ganz klar auch mit Geist, ernst zu nehmen und entsprechend sorgsam zu behandeln.“
obschon die meisten von uns Menschen nach der Kindheit leider geistig, und so dann auch seelisch, nicht mehr fähig sind, diesen — vermeintlich stummen — Geist, dessen Sprache aber nur eine andere ist, zu erkennen.
Als letztes eine Anmerkung zum hier geschilderten zeitlichen Rahmen, den Applebaum offenbar in ihren Ausführungen vorgibt: Wie vielen vielen anderen Orten in den letzten vielleicht zehn Jahren, seit solche Aussagen diskutiert werden, bin ich auch hier überzeugt, dass ihre Beschreibung und Einschätzung der Entwicklung eine Fehlinterpretation um ziemlich genau 20 Jahre enthält.
Das sind eigenartigerweise genau die zwanzig Jahre unterschiedlicher Lebenserinnerung: Nicht in den frühen 70-er Jahren setzte diese (hier im Begriff neoliberal zusammengefasste) Entwicklung ein, sondern ziemlich genau zwanzig Jahre später; Anfang der 90-er Jahre. Und zwar einerseits gerade als Backlash auf die 70er, die in den letzten Jahren extrem umgedeutet worden sind. Die Entwicklungen der 70-er Jahre (erste nicht mehr nur schockstarre Reaktionen und erste effektive Aufarbeitungen der grossen Kriege übrigens, vor allem des Zweiten), die ihre sichtbarste Auswirkung wohl genau in dem Fall der innereuropäischen Mauer 1989 gefunden hatten.
Und da waren wir eben genau Anfang der 90-er Jahre.
Und genau da, glaubte — in Verkennung jeglicher gesellschaftlicher Realität, was und wer diese Annäherung möglich gemacht hatte; sicher nicht „die Ökonomie“! —diese gleiche „Ökonomie“, „die Wirtschaft“ bzw. deren Vertreter (bewusst ohne Zusatz geschrieben), sich selber zur Siegerin, ja Triumphatorin erklären zu dürfen. Und, unmenschlich und hart, wie die „reine Ökonomie“, also Ausrichtung rein nur an Gewinn und an Geld, nun mal ist, sich auch — und absolut haltlos — genau so benehmen zu dürfen.
Und das war eben, und ohne jegliche Rück- oder Umsicht, nun die quasi vollkommen nackte, entfesselte, „neoliberale“ Ökonomie. Das war die ungehinderte Gier. Der hahnenkamm-geblähte Geiz (der sich auch noch als Geilheit umdefiniert hat).
Der entfesselte und haltlose, an sich auch vollkommen unhaltbare, und vollkommen ungerechtfertigte, Stolz.
Ein Stolz und Triumphgebaren der neoliberalen Ökonomen.
Die quasi sofortige Umdeutung der Ereignisse und Behauptung, dass jegliche soziale Verantwortung, jeglicher Humanismus, jegliche Philosophie und eben auch jegliche Politik „mit dem Ende des Kommunismus“ gleich mitgefallen sei.
Und diese Haltung jener Kreise triumphierte dann mit einem Triumphgehabe, das schon vom Wesen her nie verbindend, sondern nur trennend, kränkend und damit lebensfeindlich immer und jederzeit ist bzw. sein kann.
Und was das bedeutet, nach dieser Umkehrung der Definitionen der „Welt“ erst auf diese „Welt“ gekommen zu sein, das habe ich erst in der Lektüre dieses Essays hier begriffen.
Triumph und Usurpation durch „die Wirtschaft“ also, damals, und eine Welt, die das glaubte; statt dem sorgsamen Umgang im sich gegenseitig neu Finden und im bewussten wieder Verbinden dessen, was alles so gewaltsam auseinandergerissen worden war bis’45.
Die blödest mögliche Reaktion also;
— ausser in Deutschland übrigens, dessen Bürger•innen und auch Politiker•innen ihr ganz konkret und klar erklärtes Ziel nach dem Zweiten Weltkrieg, sich sehr ernsthaft mit Verantwortung und Haltung auseinanderzusetzen, durchaus und mit vielen, vielen Erfolgen und mit enorm viel Analyse, und, genau, auch Mut, wahrgenommen hatten — und auch mit dem Mauerfall ganz sofort sehr viel besser umgegangen waren als der Rest der Welt.
Die Verwerfungen danach können wir nicht Deutschland vorwerfen; der Rest der Welt bzw. Erde schwappte schlicht irgendwann zurück.
Und begrub offensichtlich mehr als ich jemals für möglich gehalten hätte.
So dass die Generation ’79, und der 80-er-Jahre, die vorangegangene Geschichte aufgrund der radikal „weggeputzten“ Idee einer weiterzuführenden Geschichte überhaupt, auch die Vorgeschichte des Mauerfalls und damit offenbar auch jegliche eigene Erfahrung auch nur von Resten der davor gelebten Realitäten, also offenbar überhaupt nicht mehr fühlen konkte.
Mit dem (ja dann auch so deklarierten) „Ende der Geschichte“, bzw. der Behauptung des (und erst noch end-gültigen) Triumphs der „reinen“, also nackten, allein gültigen, Ökonomie muss unglaublich viel an Gefühlswelt und Wahrnehmungswelt mit geändert haben damals.
Das hatte ich vorher bei allem geistigen — und auch seelischen — Suchen nie begriffen. Vor heute. Vor dieser Lektüre.
Danke dafür!
"Gestern hielt der ukrainische Präsident Selenski eine Rede an Deutschland (Bundestag in Berlin, per Vido) zum Ernst der Lage und zum Krieg: Eine Mauer trennt uns vom Rest der Welt. Keine Berliner Mauer, aber eine Mauer steht mitten in Europa zwischen Freiheit und Unfreiheit. Jede Bombe, die auf die Ukrain fällt, macht die Mauer grösser. Gerade die deutsche Politik hat die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland höher gewichtet als die Gefahr des sich abzeichnenden Krieges hätte den Krieg in der Ukraine verhindern können. Wir haben Euch gewarnt, dass die Nordstream-Pipline eine Art von Kriegsvorbereitung sind. Die Antwort war stehts, es sei eine rein wirtschaftliche Angelegenheit: WIRTSCHAFT - WIRTSCHAFT - WIRTSCHAFT. Und diese Wirtschaftlichen Verbindungen sind es, die jetzt den Krieg Putins gegen die Ukraine finanzieren. (direkt an den dt. Bundeskanzler gewandt): Handeln Sie, Erlauben Sie Deutschland, die Führungsrolle zu übernehmen, die es verdient, damit Ihre Nachfahren stolz auf Sie sein werden. Schützen Sie den Frieden, schützen Sie die Ukraine, helfen Sie, diesen Krieg zu stoppen,"
Aavaz ruft auf, mit Unterschrift an Nürnberg anzuknüpfen: Dieser Name steht für den Kongress der Nationalsozialisten 1935, welcher die suprematistischen Rassengesetze und eine Blut- und Bodenpolitik ins Programm schrieb, dann für Hitlers Krieg samt Ausschwitz, aber auch fürden Kriegsverbrecherprozess gegen Verantwortliche Militärs und Ärzte. Nürnberg steht damit auch für das Primat vom Menschenrecht über der Wirtschaft, medizinische für den Einsatz für Menschlichkeit; von Gesundheitsmarkt steht da nichts drin. Lebende Materie kommt vor toter Materie, Wirtschaft ist tote Materie.
Ihr Beitrag beginnt mit einem längeren Zitat: Von wem genau oder woher stammt es?
Die gestrige Tagessschau SFR1 19h00 zeigte die entsprechenden Abschnitte der Rede, welche eine Sprecherin als indirekte Rede in deutscher Übersetzung den Zuschauern vermittelte. Ich habe diese wortwörtlich übernommen, als direkte Rede formuliert, aber nicht in Anführungszeichen eines Zitates gesetzt. Als Nicht-Journalist war es mir nicht möglich, diese m.E. zentrale Stellungsnahme aus ukrainischer Sicht zum Ernst der Lage besser bekannt zu machen.
Mein Beitrag soll dazu verhelfen, kein europäisches Geld mehr in die russische Kriegskasse fliessen zu lassen: wir müssen aufhören, Putins Politik zu finanzieren, was uns die Nachwelt nicht verzeihen wird.
Frau Kühni, ein wirklich beachtenswerter Artikel, auch wenn ihre Philippika gegen die Ökonomen:innen ausblendet, dass in diesem ‘vulgärliberalen Zeitalter’ - wie sie es nennen - nicht allein – wie sie es beschreiben – von der Politik am Eigennutz liberaler Kasten ausgerichtete Rechtssicherheit, Infrastruktur, Bildung und Technologien zusammengezimmert wurde, sondern die Politik resp. Politiker:innen, bequem abgestützt am Arm der ‘vulgären Kapitalisten’, sozialstaatliche Institutionen aufbauen und finanzieren lassen konnten. Diese sozialstaatlichen Errungenschaften schaffen u.a. die Freiheit, uns heute gezwungenermassen den anderen Herausforderungen unseres Planeten zu stellen. Hier kann ich Ihnen nur zustimmen. Zitat: 'Es sind absolut existenzielle Fragen – und von höchster ökonomischer und sicherheitspolitischer Relevanz.' Im Resultat absolut. Aber der Weg dorthin wird ohne die Wegzehrung einer stringenten ökonomischen Logik im Desaster enden.
Milton Friedman – mein Lehrer während meines Ökonomie-Studiums - soll gesagt haben, dass die [damalige] Schwäche und Unfähigkeit der Politik [sic. Nachkriegs-Politiker:innen) der Ökonomie einen politischen Auftrag überträgt, für die Menschheit Wohlstand zu schaffen. Zumindest hat diese Blaupause – mit allen unbestreitbaren auch negativen Auswirkungen - nicht zu einem von Politikern:innen und politischen Militärstrategen:innen (NATO) angezettelten Krieg mit geopolitischem Hintergrund wie in der Ukraine geführt.
Lieber Herr S., ich stimme Ihnen sehr zu. Das Problem war meines Erachtens nicht (nur) eine bestimmte ökonomische Doktrin. Ökonomen machen einfach ihren Job, mal mehr, mal weniger gut wie alle Menschen.
Im Gegenteil: das Problem war/ist, wenn Politiker ihrerseits IHREN Job nicht machen.
Wenn sie also ohne grosse Ahnung von Ökonomie rumhantieren, Betriebswirtschaft mit Volkswirtschaft verwechseln, einen Krämerladen mit einem Staat, etc. Und dabei ihre Aufgabe nicht wahrnehmen - nämlich das wirtschaftliche Interesse ihrer Bürger zu verteidigen - und stattdessen über Bailouts andere Interessen quersubventionieren.
Mehr auch hier: https://www.republik.ch/2018/04/17/…h-vogel-ag
Leider nachweislich völlig falsch. Die Sozialwerke, die heute noch tragen, die AHV und der Sozialstaat, sind lange bevor die unsägliche neoliberale Politik ihre schamlose Umverteilung nach oben gestartet hat, eingeführt worden. Diese Institutionen werden von der arbeitenden Bevölkerung durch Lohnabgaben getragen. Die Reichen haben währenddessen genüsslich von immer grösseren Steuererleichterungen auf das Kapital profitiert. Die Infrastruktur, wie Strassen, Strom-, Gas- und Kommunikationsnetzwerke, die die Reichen übermässig beanspruchen, sind ebenfalls mehrheitlich von der Bevölkerung via Steuern bezahlt worden. Der Neoliberalismus hat Wohlstand nur für ein paar Wenige geschaffen, der Mittelstand, aufgebaut in der sozialen Marktwirtschaft der Nachkriegsjahre, ist in vielen Ländern erodiert, die untere Mittelschicht wurde zur Sklavenarbeit oder dem Dahinvegetieren verdammt. Diese Menschen verhelfen nun Lügnern, wie DT an die Macht zu kommen. Rechtsicherheit ist dadurch ebenfalls erodiert. Wahrlich ein Desaster, das der Neoliberalismus hinterlässt.
Die Ökonomie sollte sich nicht mehr Wissenschaft nennen, den eine Wissenschaft verwirft eine Theorie sofort, wenn sie Falsifiziert wurde. Der Neoliberalismus beherrscht aber noch heute das Denken vieler Wirtschaftsführer, die sogenannten "Retter der Zivilisation".
Geschätzter Herr Moser, we agree that wie disagree.
Einführen ist nicht finanzieren, es gibt auch Reiche, die arbeiten und Einkommenssteuer zahlen (siehe weiter unten), vielleicht verfügen Sie Sie über Statistiken, wie gross die Überbeanspruchung der Infrastruktur durch die Reichen ist etc.
Das ist leider das Problem bei einem kritischen, wertschöpfenden Diskurs mit linken Aktivisten: die lineare Verortung aller gesellschaftlicher Probleme bei der amorphen Masse der sogenannt Reichen, diesen Egos und Gralshütern des Neoliberalismus.
Sie sind auch so nett zu verorten: Goldküsten-Bewohner, Mercedes- und Porsche-Fahrer und statistisch am häufigsten beim Einkaufen an der Bahnhofstrasse anzutreffen ... bedient von einer unterbezahlten, versklavten Detailhandelsangestellten.
Es ist so trivial und unintelligent, eine - notabene in meinem Beitrag auch von mir kritisch beleuchtete - ökonomische Strömung und insbesondere die vermeintlich Dazugehörigen zur Zielscheibe allen zivilisatorischen Übels zu machen.
Es wäre interessant zu wissen, ab wann gemäss Ihnen man als reich/Reicher gilt:
Ist Peter Spuhler, Mehrheitsaktionär von Stadler Rail gemäss ihrer good/no-good-Anthropologie einer dieser verabscheuungswürdigen Reichen, der rund 12'000 Menschen Brot und Arbeit gibt, davon ca. 3'000 Mitarbeitenden in der Schweiz, welche die Infrastruktur unterdurchschnittlich beanspruchen und als an der Grenze dahinvegetierender Sklaven leben müssen - allenfalls mit Prämienverbilligung und EL-Leistungen, u.a. mitfinanziert vom meistverdienende Prozent (1%!) der Steuerpflichtigen in der Schweiz, die knapp ein Viertel (25%!) aller Einkommenssteuern stemmen, obwohl sie nur 11% der Einkommenssumme verdienen während die unteren 50 Prozent, die 20,7 Prozent aller Einkommen erzielen, 9,8% aller Einkommenssteuern zahlen (Quelle: Prof. A. Schaltegger, Universität Luzerrn/2021).
Herr Moser, bei aller Wertschätzung Ihrer Meinungsäusserung: die Welt ist bunter, als sie sich durch Ihre 'Systemveränderungsbrille' präsentiert.
Wie meinen Sie das genau: von der NATO angezettelten Krieg in der Ukraine? So jedenfalls lese ich Ihren letzten Satz.
Sehr geehrter Herr Schneeberger - korrekt, das könnte missverstanden werden. Natürlich hat die NATO den Ukraine-Krieg nicht angezettelt. Die NATO und die mit ihr einhergehende Osterweiterung ist aber ein nicht zu unterschätzender Begleitfaktor dieses allein von Putin angezettelten Krieges. Weil es Europa und USA verpasst haben, nach dem Reformer Gorbatschow und dem 'Ausverkäufer und Oligarchen-Vater' Jelzin mit Russland eine politische 'cohabitation normale' zu schaffen - notabene weil der politische und von Wirtschaftsinteressen getrieben Westen aus nicht ganz uneigennützigen Überlegungen an einer ökonomischen und politischen Disparität West-Ost ein Interesse hatte - handelte der Westen und v.a. USA nach den geopolitischen Verschiebungen im Osten, primär getrieben von ökonomischen Interessen, so wie immer: sicherheitspolitische Platzhalterschaft durch Abschreckung (siehe NATO-Osterweiterung/Militäreinsätze in Afghanistan). Die politischen opinion-leader des Westens waren und sind überzeugt, dass der 'unberechenbare Partner' Russland, mit dem man sich abgesehen von den Rohstofflieferungen (Nord Stream!) nie wirklich ernsthaft auseinandergesetzt hat, v.a. die Sprache begleitet von Waffen versteht. Diese Sprachebene hat Russland verinnerlicht um - aus welchen Gründen auch immer sich in die Ecke gedrängt gefühlt - mit Waffen um sich zu schlagen. Absolut keine Entschuldigung für das (selbst-)mörderische Unterfangen in der Ukraine. Aber vielleicht ist es hoffnungsvoll doch ein Learning für den Westen: wie muss der Beitrag des Westens und Chinas sein, um die zerbombte Infrastruktur in der Ukraine, die geschundenen Seelen und der dramatische wirtschaftliche Niedergang Russlands wieder aufzufangen - es ist im Interesse aller, dass es Russland gut geht!
Danke, gute Analyse. Neoliberalismus hatte indes, seit Anfang, eine Ausnahme. Rüstungsindustrie. Die muss wachsen, jedes Jahr um 5% - statistich nachweisbar seit 1945. Deshalb gab es 1991 keinen "peace dividend" sondern die NATO Erweiterung etc etc. Der military-industrial complex ist stärker als jede Theorie. Und die Deutschen rüsten ja auf...QED
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