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Ich bin seit 34 Jahren Exit-Mitglied – und verstehe das nicht als «nachhaltigen Sterbewunsch», sondern nach wie vor als Akt der Solidarität mit dem Anliegen, selbstbestimmt zu leben und zu sterben. Für mich selber ist völlig offen, ob ich je die Dienste von Exit beanspruchen werde. Auf jeden Fall nicht von einem «Begleiter» von der Art, die der Artikel schildert – so einen würd ich sogleich nachhause schicken.
Nach allem, was ich von Exit weiss, entspricht ein einziges Gespräch mit dem Begleiter überhaupt nicht den Gepflogenheiten dieser Organisation. Aber vielleicht haben sich die Dinge in jüngster Zeit ja verändert unter dem Druck des Wachstums und, nebenbei, unter einer neuen Chefin der Freitodbegleiter.
Die (Nicht-) Antworten von Exit sind aus meiner Sicht ein Alarmsignal und vielleicht sogar ein Grund, nach vielen jahren wieder einmal an einer Generalversammlung teilzunehmen.
Danke für Ihre Perspektive, Herr Studer. Sie sprechen aus meiner Sicht einige zentrale Punkte an.
Manche von uns üben schon in weniger schwierigen Situationen überstürzte Abschiede. Abschiede sind nie mein Hobby gewesen. Flucht ist eine natürliche Reaktion, wenn wir eine Situation nicht meistern. Gegen Ende unseres Lebens werden wir nicht stärker; schwierige Situationen können uns überfordern. Viele von uns erwarten aber, dass immer die anderen perfekt sind.
Empathie können wir üben, aber nicht immer wirklich lernen.
Das Leben der meisten Menschen ist voller Ambivalenzen, und so ist es dann auch der Tod. Dieser Report spiegelt wie in einem Wassertropfen das ganze komplexe Thema der legalen Sterbehilfe, und ich geb ihn gerne gelegentlich meiner Tochter zu lesen. Werde sie bitten, mir dereinst keine Steine in den Weg zu legen, und sich darauf zu verlassen, dass ich für mich richtig entscheiden werde, wenn die Stunde gekommen ist, und sich mit ihren Bedürfnissen allein an mich zu wenden, nicht mit den Sterbehelfern zu hadern. Ich werde ihr sicher Zeit geben, wie eine Mutter das macht. Zwar bin ich eine fühlende Frau, und nicht ein „rationaler Mensch“ wie Herr Berger.
Rational kommen wir diesem Thema nicht bei. Bereitschaft und Fähigkeit zur Trauer der ganzen Familie muss beinahe vorausgesetzt werden, ist aber etwas enorm Schwieriges. Ja, die Anforderungen an die Sterbehelferin sind sehr hoch. Dem rationalen Herrn Berger hat der Mann genügt. Bei den neunzehn Fällen, die der vorher betreut hatte, gab es wohl keine Klagen. Und bald nach dem Fall Berger wurde seine Tätigkeit beendet. Wie steht der nun da... — überfordert.
Herr Berger hatte rechtzeitig erwartet, dass er ohne die Mutter seiner Töchter wenig Lebensmut haben würde. Seine späte neue Beziehung konnte ihn zwar zum Aufblühen bringen, könnte ihn aber vielleicht auch in seinem Entschluss bestärkt haben, nach dieser Zeit der Hoffnung und schöner Erlebnisse nun den Schlusspunkt zu setzen. Wir wissen es nicht, und auch nicht seine Töchter. Sie hätten ihn vielleicht lieber länger bei sich gehabt, Aber um wie viel Zeit hätte er sein Ende noch hinauszögern sollen, um ihnen gerecht zu werden? — Er war ja wirklich nicht mehr jung. Panikattacken, die periodisch wiederkehren und sich verstärken, bringen nun wirklich keine zusätzliche Erkenntnis oder Lebensqualität, können hingegen zum Zerfall beitragen. In mir wäre (ist) die Überzeugung, dass ich lieber mit noch einigermassen klarem Kopf sterben möchte, als schwer verwirrt. Es kommt auf Nuancen an. Exit ist ja gerade dazu da, das Ende zu ritualisieren und den Abschied gestalten zu helfen. Denkt man die Attitüde der Töchter zu Ende, wäre Herr Berger wahrscheinlich sehr verwirrt gestorben, und eines „natürlicheren“ Todes.
Ich meine, dass der Bericht nötig und richtig ist. Exit — das sind „nur Menschen“. Den Finger auf die Risiken legen ist für Organisationen immer nötig und richtig. Danke für den guten Denk-und-fühl-Anstoss. Ich bin sicher, das gibt jetzt aufgeklärten Verlegerinnen Anlass zur nachdenklichen Diskussion.
Eine wichtige Ergänzung zum Artikel, danke Frau H. "Denkt man die Attitüde der Töchter zu Ende, wäre Herr Berger wahrscheinlich sehr verwirrt gestorben, und eines „natürlicheren“ Todes." Mir kommt der Fall eines Mannes aus der Westschweiz vor ein paar Jahren in den Sinn, dessen Bruder das Sterben mit Exit gerichtlich verhindert hat. Er hat sich dann selber umgebracht.
Als Gegengewicht zum Artikel fehlen mir jetzt Dutzende Artikel mit gutem, sensiblen, ja befreiendem Ausgang, wie man sie jeweils im Exit-Heft lesen kann. So habe ich persönliche eine Begleitung vor einem Jahr erlebt.
Ich glaube nicht, dass er tatsächlich völlig verwirrt gestorben wäre, ganz sicher hätten ihn seine engagierten Töchter nicht alleine in einer Wohnung herumtappen gelassen.
In einem geeignetem Heim wird man betreut, man ist nicht isoliert, selbständig kann man trotzdem neue Begegnungen knüpfen, einfach anders.... wenn auch nicht so, wie man es ursprünglich gewünscht hätte.
Halten Sie es als «fühlende» Frau für angemessen, über den Tod einer fremden Person zu spekulieren und den Töchtern eine Attitüde zu unterstellen?
als erblindeter Mensch kann man hilfreich betreut werden, lernt mit dieser neuen Lebenssituation umzugehen. Ob man deshalb sein Leben beenden will, ist natürlich ein persönlicher Entscheid, für mich jedoch nicht unbedingt gerechtfertigt.
Dieser Mann war zehn Jahre lang Mitglied bei EXIT, um genau dies zu tun, was er letztendlich getan hat: Den Zeitpunkt seines Todes und die Art des Sterbens selbst festzulegen. Dass er trotz der neuen Partnerschaft und wieder aufgeflackerter Lebensenergie im September EXIT kontaktiert, ohne vorher mit seinen Töchtern darüber zu reden, und diese lediglich über seinen Entschluss informiert, zeugt m. E. davon, wie ernst es ihm mit seinem Sterbewunsch ist. In dieser Familienkonstellation hätte er keine Chance, jemals seinen würdigen Tod selbständig zu planen, denn für seine Töchter wäre ein Sterbewunsch immer Ausdruck seiner wiedergekehrten Depression und seiner Panikattacken. Seine Tochter Rahel will Zeit gewinnen, sie will, dass er alle Optionen in Erwägung zieht, und sie anerkennt nicht, dass er wahrscheinlich seit Jahren genau dies tut: alle Optionen in Erwägung ziehen, sich mit seiner Krankheit auseinandersetzen und die Sehbeeinträchtigung und sich selbst genau zu beobachten, und abzuwägen, wie gross seine subjektive Lebensqualität noch ist, wenn er nicht mehr im Wald spazieren kann, beim Kochen nicht mehr sieht, ob das Wasser sprudelt und von der Angst begleitet wird, immer mehr zu verlieren.
Wie oft Herr Berger mit seinem Hausarzt den Sterbewunsch bereits besprochen hat, wissen wir nicht. Jedenfalls oft genug, dass dieser von seiner Urteilsfähigkeit voll überzeugt war.
Dass weder der Hausarzt noch EXIT mit der Republik (oder anderen Medien) öffentlich über diesen Einzelfall sprechen wollen, erachte ich als professionell. Sollte vielleicht EXIT in einem solchen Fall kundtun, was Herr Berger am Telefon über seine Töchter gesagt hat, oder sollte der Hausarzt genauere Auskünfte über den psychischen Zustand seines Patienten geben – hier überschätzen Investigativmedien regelmässig ihre Macht und das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit. Was geht es mich im Einzelfall an, wer genau was gesagt, gedacht, gemacht hat? Käme dies nicht einem öffentlichen Gerichtsprozess gleich, zu bewerten, ob nun EXIT in diesem Fall irgendeine Sorgfaltspflicht verletzt hat oder nicht?
Tatsächlich scheint der zuständige Sterbehelfer eine schräge Figur zu sein, für viele Menschen in dieser Ausnahmesituation wahrscheinlich ein unerträglicher Selbstinszenierer und Witzereisser. Aber ich erfahre aus dem Artikel in keiner Weise, wie gut oder wie schlecht sich Herr Berger mit Martin Hauser verstand. Dieser Aspekt wäre mir als Leserin wichtiger, als die Tatsache, dass die Tochter ihn nicht ausstehen konnte. Und ganz nebenbei: Wohin ist eigentlich die neue Partnerin verschwunden? Hatte sie auch eine Haltung, war sie auch involviert? Konnte sie evtl. die Gedanken und Gefühle von Herrn Berger besser nachvollziehen? Wird sie deshalb mit keinem Wort mehr erwähnt? Richtig ist in jedem Fall die Aussage von Martin Hauser, dass er sich in erster Linie dem Sterbewilligen verpflichtet sieht, auch wenn er sicher besser hätte vermitteln können, als er es im vorliegenden Fall tat.
Die Auskünfte der EXIT-Präsidentin sind für mich nachvollziehbar, selbst wenn sie vor den Ferien gestresst war, ist dies kein Grund, ihre Arbeit zu diskreditieren. Dass die Tochter sich nicht verstanden fühlte, ist ebenfalls verständlich, wollte sie doch den Prozess stoppen oder zumindest verlangsamen. Jedoch war für dieses Tempo – gemäss Text – nicht EXIT verantwortlich, sondern der betroffene Vater selbst. Ob er den Zeitpunkt nicht gerade deshalb mehrfach vorverschob, weil der Druck seiner Töchter für ihn unerträglich wurde, erfahren wir ebenfalls nicht mehr.
Und schliesslich noch: Wieder einmal wird die KESB als Schreckgespenst aufgefahren, eine Behörde, die willkürlich alte Menschen entmündigt und alles noch viel schlimmer macht. Dass es seit der Revision des Erwachsenenschutzrechts keine Entmündigungen mehr gibt, sondern (wenigstens in der Theorie) massgeschneiderte Beistandschaften, scheint Barbara Lukesch entgangen zu sein, und dass die KESB (eine gute personelle Besetzung vorausgesetzt, kein weiterer Martin Hauser, die es leider in jeder Berufssparte gibt) das Familiengeschehen vielleicht professionell hätte begleiten können, ist ihr keine Überlegung wert.
Aus all diesen Gründen für mich ein sehr wichtiges und spannendes Thema, aber leider kein fairer Beitrag dazu. Es fehlt die journalistische Distanz, wie sich schon im Titel zeigt, denn 'überstürzt' ist der Abschied nur aus Perspektive der Töchter, ich habe keinen Grund anzunehmen, dass er es auch in der Wahrnehmung des Vaters war, immerhin hatte dieser bei seinen jährlich wiederkehrenden Depressionen und Panikattacken trotz langjähriger Mitgliedschaft bisher noch nie konkret sein Sterben eingeleitet. Dass er es diesmal tat, müsste m.E. ernster genommen werden, als die Töchter bzw. Frau Lukesch dies zu tun vermögen.
Wertvolle & fundierte Replik - danke, Frau C.
Vielen herzlichen Dank für diesen überaus wichtigen Beitrag. Ich bin selbst betroffen mit diesem Thema und erlebe eine Gefühlsachterbahn dazu. Mein Vater, schwer erkrankt und seit Jahren Mitglied bei EXIT (Ich übrigens auch seit mehreren Jahren) sagt seit Bekanntgabe der nicht mehr heilbaren Krebsdiagnose immer wieder, dass er dem allem nun bald ein Ende setzen wird. Ich unterstütze ihn vollumfänglich, da ich mit über 20 Jahren Berufserfahrung als Pflegefachfrau schon etliche Menschen palliativ gepflegt, in den Tod begleitet und viel Freuden und Leiden gesehen habe. Ich kann nachvollziehen, dass er anders sterben möchte. Ebenso habe ich für mich diese Option aus ähnlichen Gründen ausgewählt. Nun bin ich aber noch Tochter, konfrontiert damit, dass mein Vater vielleicht nächstens zu seinem "Todestag" einlädt und man den Tod sozusagen terminieren kann wie eine Geburtstagsparty. Das erschüttert mich. Ebenso erschüttern mich teilweise die Kommentare der Mitverleger:innen, die so selbstverständlich meinen zu wissen, wie dieser Fall verlaufen sei. Wie wenig die Töchter loslassen könnten und wie verständlich es doch sei, dass der Vater schnell sterben wollte angesichts dieser Tatsachen. Was wissen wir schon? Ich werde meinen Vater in all seinen Entscheidungen begleiten, trotzdem weiss ich nicht, ob es mich nicht auch aufwühlen würde, wenn wir an solch einen merkwürdigen Begleiter treffen würden. Der Witze reisst, von seinem Ansehen bei der Polizei beeindruckt zu sein schien, vom Zahnarztbesuch erzählt. Vor allem seine Beurteilung nach zwei Minuten finde ich erstaunlich. Gelang es mir doch noch nie, nach so kurzer Zeit zu wissen, wie andere Menschen denken, fühlen, reagieren und sich sozial zeigen. Er muss ein Ausnahmetalent sein!
In unserem Gesundheitssystem liegt vieles schon länger im Argen. Es geht um (Selbst-) Optimierung, um Aufrechterhaltung des Gesunden um jeden Preis. Wobei oft nicht verstanden wird, dass Gesundheit nicht nur das Fernbleiben von Krankheit bedeutet (man kann zum Beispiel mit einer chronischen Krankheit leben müssen und das Leben trotzdem geniessen können). Es fehlt eine angemessene Diskussion in unserer Gesellschaft darüber, wie wir mit dem Tod umgehen wollen. Wie wir mit alten Menschen umgehen wollen, die in Heimen stecken und sich oft den Tod als einzigen Ausweg wünschen. Ich stelle mir eine Gesellschaft vor, die Kranke, Alte, chronisch Kranke und Menschen mit Beeinträchtigungen integriert statt ausblendet. So würden wir auch wieder viel mehr realisieren, dass dies zur Normalität dazugehört und das Menschsein viele Facetten aufweist. Vielleicht wäre es für Menschen auch öfters möglich, zuhause sterben zu können. In Anwesenheit der Familie. Vielleicht hätten wir grundsätzlich weniger Angst davor, weil der Tod in der Gesellschaft dazu gehört wie die Geburt eines Kindes und man viel offener darüber spricht? Ich hoffe sehr, dass diese Diskussionen immer öfters geschehen und sich dadurch was verändern kann.
Ich kann Ihre differenzierten und sehr bedenkenswerten Überlegungen nur unterstützen. Wir leben in einer ökonomisierten Gesellschaft, in der Selbst-Optimierung, Selbst-Verwirklichung und Selbstbestimmung – so wichtig diese im richtigen Mass für ein gelingendes Leben sein mögen – ein krankhaftes Ausmass angenommen haben, das einen grossen individuellen und gesellschaftlichen Druck ausübt. Wehe, wenn wir keine Projekte mehr vorweisen können und wehe, wenn nicht auch das Sterben mein letztes Projekt wird….Dieser gesellschaftliche Druck wirkt sich, bewusst oder unbewusst, auf viele alte Menschen aus, so dass sie sich nicht mehr als wertvoll erleben können, sondern nur noch als eine menschliche und ökonomische Belastung für die Umgebung.
Mit diesem Beitrag einer einzelnen Freitodbegleitug die Art und Weise des Funktionierens von Exit direkt in Frage zu stellen, stört mich sehr. In meiner langjährigen Tätigkeit als Konsiliararzt kam es ganz selten zu solchen Konflikten mit Angehörigen. Ich habe mich immer auch für weitere Gespräche mit Angehörigen zur Verfügung gestellt. Wir versuchen in jedem Fall eine einvernehmliche Freitodbegleitung zu erreichen. Manchmal geht das nicht. Wir müssen einer Person ermöglichen im schlimmsten Fall gegen den Willen der Angehörigen einen Freitod machen zu dürfen. Aber das sollten wirklich nur Einzelfälle sein. Hier giengen die Angehörigen davon aus, dass der Vater nur vorübergehend "spinnt" und sich wieder erholen würde. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man in "Panik"gerät, wenn man den Verlust der Selbsständigkeit realisiert. Diese kann sich auch immer wieder ändern. Aber der Verlust schreitet unerbittlich fort. So kann es eben zu Moment kommen, wo man entscheidet, so jetzt ist es genug. Ich hätte dieser Familie gewünscht, dass sie den Freitod nicht als Scherbenhaufen erlebt hätte. Meine Erfahrungen mit den Sterbehelfern waren durchs Band positiv. Es sind engagierte empathische Personen. Ich selbst erlebe sehr viel Dankbarkeit von den Sterbewilligen, da sie froh sind endlich einmal mit jemandem ein tabuloses Gespräch über die letzten Dinge führen zu können.
Lieber Herr Hirzel, herzlichen Dank für Ihre Rückmeldung und Ihre Perspektive, die auf eigener Erfahrung mit dem Thema beruht. Es scheint mir hier aber wichtig, zu differenzieren: Es geht uns in keiner Art und Weise darum, aufgrund eines Falles die ganze Arbeit von Exit infrage zu stellen. Doch der Fall zeigt aus meiner Sicht auf, wieso es eben so wichtig wäre, bei diesem enorm heiklen Thema gesetzliche Leitplanken und unabhängige Kontrollen zu haben, so wie es praktisch alle anderen Länder haben, die Sterbehilfe in irgendeiner Form erlauben. Nicht deshalb, weil Sterbehilfe prinzipiell in der Schweiz nicht funktioniert. Sie funktioniert in den allermeisten Fällen sehr gut und ist ein wertvolles Angebot, für das sehr viele Menschen dankbar sind. Sondern deshalb, weil ein gesetzlicher Rahmen und eine externe Kontrolle wie ein Ombudsstelle in den wenigen Fällen, in denen es Konflikte oder Bedenken zur Sorgfalt gibt, hilfreich wäre. Mit freundlichen Grüssen, Bettina Hamilton-Irvine
Ein gesetzlicher Rahmen mit externer Kontrolle würde Einspruchmöglichkeiten vorsehen müssen - und damit wird ein neues Feld geöffnet, über das sich Angehörige gegen den Entscheid des Sterbewilligen wenden können - das wäre ebenfalls problematisch. Das Problem ist vertrackt.
Eine grundlegende Schwäche der LeserInnendiskussion zu diesem (wichtigen und guten) Artikel scheint mir die stillschweigende Annahme der meisten Schreibenden, dass wir vor dem Tod ein selbstbestimmtes Leben führen. Anders gesagt, der Begriff «selbstbestimmtes Sterben» macht nur im begrifflichen Rahmen eines selbstbestimmten LEBENS Sinn. Es ist jedoch fast grotesk einfach, einen Menschen dazu zu bringen, «selbstbestimmt» sterben zu wollen, wenn man seine Lebensumstände kontrollieren und einschränken kann. Chronisch kranke und/oder behinderte Menschen die auf die tägliche, konkrete Hilfe von anderen angewiesen sind können Litaneien davon singen, wie ihr Leben durch Vorurteile, paternalistische und entwürdigende Strukturen und Gesetze sowie überforderte oder böswillige Menschen zur Hölle gemacht werden kann. Und genau davor, denke ich, fürchten sich die meisten Menschen die Sterbehilfeorganisationen beitreten und den «selbstbestimmten Tod» einer aus ihrer Sicht unselbständigen Lebensweise vorziehen. Und hier öffnet sich eine politische Sicht: je weniger Ressourcen wir investieren um alten und behinderten Menschen ein Leben in Würde und möglichst viel selbstbestimmtes LEBEN zu ermöglichen (siehe den kürzlich erschienenen Artikel der Republik über die Industrialisierung der Altenpflege), desto abschreckender muss einem alternden oder erkrankenden Menschen die Möglichkeit erscheinen, mit zunehmender Abhängigkeit leben zu müssen. Das Propagieren von «selbstbestimmtem Sterben» ist dann natürlich auch ein neoliberaler Weg um sich vor der Verantwortung für die menschenwürdige Finanzierung der Altenpflege zu drücken.
Sehr guter Beitrag Herr Wehrli
Ich denke, ihr Hinweis geht in die richtige Richtung. Nachdem ich nun zweimal in der Situation gewesen bin, das Sterben von Angehörigen unmittelbar zu erleben und zu begleiten, ist diese Sichtweise der Problematik für mich sehr zentral geworden.
Obwohl ich feststellen darf, dass sich kaum jemand im professionellen Umfeld falsch verhalten hat, stelle ich fest, dass der zunehmende wirtschaftliche Druck solches geradezu herausfordert. Ich konstatiere den allermeisten Menschen, welche direkt in diesen Bereichen arbeiten, dass sie sich wirklich Mühe geben, sich korrekt und anständig gegenüber den zu Pflegenden und ihren Angehörigen zu verhalten. Aber ich stelle auch fest, dass Verwaltungen und Management diese Bemühungen immer öfter ganz direkt torpedieren, um Kosten zu sparen und Gewinne zu optimieren.
Der politische Entscheid, Gesundheitswesen und Altenpflege gleichzubehandeln wie die Produktion von Autos, führt meiner Meinung nach unweigerlich zur Zuname von traumatisierenden Ereignissen für die direkt Betroffenen, welche sich danach ernsthaft überlegen, welche Konsequenzen es dann haben kann, wenn man diesem System auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist. Soll man alleine auf das Glück vertrauen, auf verantwortungsbewusstes Personal zu treffen, wenn man weiss, dass der Druck auf dieses Personal in die andere Richtung geht?
Aber natürlich führt auch der Trend, dass wir alle immer älter werden, ganz natürlich dazu, dass immer mehr Menschen mit diesem Thema konfrontiert werden.
Deshalb würde auch ich es begrüssen, wenn es eine gesetzlich verankerte, unabhängige Aufsicht über den Prozess der Sterbebegleitung geben würde.
Aber noch lieber würde ich sehen, dass unsere Politiker nach bald 50 Jahren negativer Erfahrung mit dem marktwirtschaftlich orientierten Gesundheitswesen endlich zur Vernunft kommen und zugeben würden sich geirrt zu haben. Die Kosten sind während dieser Zeit unaufhaltsam gestiegen, während die Qualität abnahm.
Dem Artikel von Barbara Lukesch kann ich nicht zustimmen. Ich habe in meinem Umfeld Sterbebegleitungen von EXIT erlebt, die absolut korrekt und einfühlsam abliefen. Genau so möchte ich auch sterben, wenn es denn einmal so weit ist. Ich bin auch pens. Naturwissenschafter, rational denkend, um die 80 und seit mehr als fünfzehn Jahren EXIT-Mitglied. Dass diese Institution die Interessen des Sterbewilligen höher gewichtet als die Interessen der Angehörigen finde ich absolut richtig. Wiederkehrende Depressionen im hohen Alter wären für mich auch ein Grund für einen Sterbewunsch. Ich verbitte mir dabei die Einmischung von Drittpersonen, und seien es meine engsten Angehörigen. Nicht dass ich ihn mit meinen Angehörigen nicht besprechen möchte, aber mein Entschluss soll bitte respektiert werden. Dass sich die Töchter des Verstorbenen nach seinem Tod derart zerstritten haben, gibt auch zu denken.
Leider kann man den Verstorbenen nicht mehr fragen. Seine Sicht der Dinge wäre möglicherweise eine ganz andere.
Lieber Herr W., vielen Dank für Ihre Rückmeldung und Ihre Perspektive. Jedoch muss ich hier präzisieren: Die Aussage des Artikels war keinesfalls, dass die meisten Sterbebegleitungen mit Exit so ablaufen wie im beschriebenen Fall. Sondern dass es einerseits bei einem derart heiklen und sensiblen Thema wie assistiertem Suizid enorm wichtig ist, dass alle Sterbebegleiter genügend ausgebildet sind, sehr sorgfältig vorgehen und sich an die Vorgaben halten, die von der Organisation selber definiert wurden - wie beispielsweise, dass der Sterbewunsch dauerhaft sein muss. In der Schweiz gibt es ja im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern, in denen Sterbehilfe legal ist, keine Vorschriften dazu, dass jemand eine tödliche Krankheit haben muss, um mit assistiertem Suizid aus dem Leben zu scheiden. Es ist daher nicht an uns, darüber zu urteilen, ob eine Depression oder eine drohende Blindheit ein genügender Grund für einen Sterbewunsch ist - und das wird im Artikel auch nicht gemacht. Der heikle Punkt ist jedoch, dass der Entscheid, zu sterben, nicht kurzfristig in einer Panikphase gefällt werden sollte - so zumindest sieht es Exit selber vor. Andererseits, und das ist noch wichtiger, ist die Aussage des Artikels, dass es bei diesem Thema gesetzliche Leitplanken und unabhängige Kontrollen bräuchte. Nicht wegen der vielen Fälle, die problemlos verlaufen. Sondern wegen der wenigen, die das nicht tun. Mit freundlichen Grüssen, Bettina Hamilton-Irvine
Selbstmorde in Panikphase ereignen sich nicht mit Exit, weil durch die wiederholten Besuche beim Arzt und den Psychologinnen die Kurzfristigkeit nicht gegeben ist. Selbstmorde in Panikphase werden mit einer Schusswaffe, vor der Eisenbahn, am Seil im Estrich oder mit dem Auto in der Taubenlochschlucht begangen. Manchmal auch im Fluss oder mit Pillen. Das Argument der Panikphase bei der Sterbebegleitung hat sich längst überholt und sollte weder von Ärzten noch von religiösen Führern noch von Ethikerinnen oder Laien jedes mal wieder von Neuem bemüht werden. Auch nicht von Journalist*innen. Es geht bei der seriösen Sterbebegleitung einzig um Selbstbestimmung und humanes Sterben.
Dazu nochmals der Hinweis auf den Dokumentarfilm von Hanspeter Bäni aus dem Jahr 2010, der sämtliche in diesem Forum aufgeworfenen Fragen einfühlsam behandelt. https://www.srf.ch/shop/tod-nach-pl…ebensmuede
Sehr geehrte Frau Hamilton-Irvine
Wie würden Sie denn die "Dauerhaftigkeit" eines Sterbewunsches selbst beurteilen wollen? Die Menschen sind unterschiedlich. Sie tragen auch gerade ihre eigene Auseinandersetzung mit ihrem Ableben für sich persönlich aus und nicht jeder kommuniziert dauernd darüber mit seinen Nächsten - gerade mit ihnen nicht, da er weiss, dass er damit Widerstände auslöst. Im geschilderten Einzelfall wird der Wunsch nicht unvermittelt geäussert - er wird über 10 Jahre hinweg immer wieder bekannt und der Sterbewillige hat bereits viele Gespräche mit Angehörigen und Partnern hinter sich gebracht. Ich habe den grössten Respekt vor diesem Menschen und glaube nicht, dass ich die Kraft dazu hätte, das Thema immer wieder mit meinen Angehörigen zu erörtern. Schlussendlich ist es meine Entscheidung - und es ist eine Entscheidung, das bleibt immer wahr, mit welcher ich mich von meinen Liebsten trenne.
Seit über 30 Jahren bin ich EXIT-Mitglied. Mein Mami ist etwa gleichzeitig als lebenslanges Mitglied beigetreten. Vor einigen Jahren durften wir sie 93-jährig mit Alzheimer etc. begleiten. Ich habe nur diesen einen Fall persönlich miterlebt, für mich hat alles gestimmt. Die vorbereitenden Gespräche mit dem menschlich feinfühligen Begleiter, mit dem Sterbevorgang und der anschliessenden staatlichen Aufnahme. Ich bin froh haben wir einige Minuten vor Einnahme des Sterbemittels ein Foto gemacht, die glücklichen Augen meines Mamis, es ist geschafft, es käme nichts Erlebenswertes mehr, waren uns Trost. Selbstverständlich ist das Beschriebene traurig, aber bei so vielen Begleitungen ist es nicht auszuschliessen, dass einmal die Chemie nicht stimmt und dann in diesem sensiblen Bereich Probleme auftreten. Ich hoffe, dass EXIT solche Rückmeldungen aufarbeitet, ev. mit persönlichen Konsequenzen. Ich bin dankbar, dass wir in der Schweiz diese Möglichkeit haben!
Danke für diesen Kommentar und das Teilen Ihrer persönlichen Erfahrung, Herr F. Es ist schön zu lesen, wie stimming der Abschied von Ihrer Mutter war und dass bei der Begleitung alles gestimmt hat.
Ich bin 78, und seit Jahrzehnten bei Exit. Um im Notfall eine „Versicherung“ zu haben. Beim Lesen des Artikels beschleicht mich ein ungutes Gefühl. Vielleicht gab es diese Arroganz und Ignoranz, wäre sehr traurig. Vielleicht sind auch Sterbebegleiterinnen nicht vor Selbstwichtigkeit gefeit, Angehörige ebensowenig. Mein Unbehagen hat eine andere Quelle. Noch immer herrscht dieses (religiöse) Gefühl, ein Freitod sei eigentlich ein sündiger Selbstmord. Eigentlich ethisch nicht sauber. Darum der Versuch, den festen Entschluss dieses Mannes mit Gewalt zu rationalisieren. Ist er nicht Wissenschaftler? Sollte er nicht rational handeln? Die Autorin hinterfragt das nicht. Kann und muss der Entschluss, sein Leben zu beenden, rational sein? Ist der Tod nicht ein Mysterium? Ich jedenfalls möchte, dass man meinen Entschluss akzeptiert, weil er zu meinem Leben gehört, nicht weil er einen rationalen Umhang hat. Und dass da Behörden mit dreinreden - ein Schreckgespenst. Freiheit soll man nicht absichern.
Ich bin nicht einverstanden mit der epischen Ausbreitung dieses Artikels. Ausgewogener Journalismus zum Thema Exit müsste mindestens zwei Fälle beleuchten. Die einseitige Kritik an Exit ist so für mich tendenziös. Vor einem halben Jahr ist meine Frau mit 51 wegen eines Krebsleidens mit Exit aus dem Leben geschieden. Es haben insgesamt vier Vorgespräche stattgefunden, zwei mit der Sterbehilfebegleiterin, zwei mit einer Psychiaterin. Der Abschied war also höchst professionell und umsichtig vorbereitet und meine über alles geliebte Frau verliess diese Welt fast leichten Herzens. Wir hatten uns über ein halbes Jahr mit der Vorbereitung beschäftigen können. Der Wille der Lebensmüden ist auf jeden Fall zu respektieren. Mit 84 hat einer die durchschnittliche Lebenszeit eines Mannes bereits übertroffen. Als Wissenschafter wusste der Betroffene, was er tat. Die Trauer seiner Kinder ist verständlich, die Zweifel an der Sterbehilfe-Organisation aber unberechtigt. Fehler können überall vorkommen, in diesem Fall ist die Informationsbeschaffung nicht genügend.
Lieber Herr Weiler, vielen herzlichen Dank für diese Rückmeldung und für das Teilen Ihrer eigenen Geschichte mit Ihrer Frau. Es ist schön zu hören, dass dieser Abschied für Sie so harmonisch verlief und Sie die Begleitung durch Exit als professionell und umsichtig empfanden. Ein paar Worte zu Ihrer Kritik, der Artikel sei nich ausgewogen. Bei unserer Art von Journalismus, der sich als Watchdog versteht, geht es nicht in jedem Fall einfach darum, ein möglichst ausgewogenes, harmonisches Bild zu zeigen. Sondern es geht oft darum, den Finger auf den wunden Punkt zu legen, Macht zu hinterfragen und Probleme aufzuzeigen. In diesem Fall war die Anlage nicht, ein Porträt der Organisation Exit zu schreiben. Sondern wir wurden auf den Fall aufmerksam gemacht, der für uns Anlass war, einen wichtigen Punkt in diesem Zusammenhang zu thematisieren: Dass zwar Sterbebegleitung ein sehr wichtiges, wertvolles Angebot ist, welches in den meisten Fällen eine wichtige Funktion erfüllt und ohne Probleme verläuft. Aber dass es eben angesichts derjenigen Fällen, bei denen das nicht der Fall ist, enorm wichtig wäre, dass dieser so heikle und sensible Bereich gesetzlich geregelt ist und es eine unabhängige Kontrolle gibt. Mit freundlichen Grüssen, Bettina Hamilton-Irvine
Es wurden meines Wissens schon mehrere Anläufe genommen, die Sterbehilfe zu regeln. In einer Gesellschaft, in der so irrationale Bestandtteile wie die katholische Kirche und die SVP so viel zu sagen
haben meinen sollten wir keine Illusionen haben, dass hier so etwas bald entstehen könnte., was
einer Ethik der Selbstbestimmung nahe kommen würde.
Liebe Bettina Hamilton-Irvine, ein einziges, grundsätzliches Gespräch mit den Verantwortlichen von Exit hätte wohl klar gemacht, "dass dieser so heikle und sensible Bereich [schon längst] gesetzlich geregelt ist und es eine unabhängige Kontrolle gibt".
Mein Vater 'verräbelte' 1984 relativ anonym und an Drähten nachts im Spital und ich bin seither Exit-Mitglied auf Lebenszeit. Vorher hatte ich im 'Häfelipraktikum' Sterbende in ihrem Bett ins Bad (ab-) geschoben, damit sie im 4er-Zimmer die anderen Patienten weder störten noch beunruhigten. Dahin möchte niemand zurück.
Zuerst mein herzliches Mitgefühl zum Tod Ihrer Frau, Herr Weiler.
Das ist gut, dass Sie beide diese Begleitung so gut erlebt haben und sich auch so intensiv Zeit für diesen viel zu frühen Abschied nehmen konnten.
Mein Bruder starb mit Mitte 50 an Krebs ohne Exit und ich kann sehr gut nachvollziehen, wenn der Wunsch besteht, diese sehr schwierige letzte Zeit etwas zu verkürzen.
Ich kann aber auch - ebenfalls aus persönlichem Erleben - sehr gut verstehen, dass Suizid in sehr vielen Fällen für die Angehörigen eine Zumutung ist, die über den "gewöhnlichen" Trauerprozess kaum zu bewältigen ist. Auch wenn der Mensch, der gehen möchte alt ist und die Angehörigen seine Autonomie respektieren möchten.
Ich finde, eine Freitodorganisation sollte ebenso wie die verschreibenden Ärzte immer die Hinterbliebenen genauso sorgfältig begleiten, wie die sterbewillige Person.
Ich finde, es wird übersehen, dass auch bei einem begleiteten und angekündigten Freitod ganz ähnliche Probleme bei den Hinterbliebenen auftauchen können, wie bei einem unbegleiteten Suizid.
Nur wird es eben für die Angehörigen noch etwas schwieriger darüber zu sprechen, da ihnen dann eben rasch unterstellt wird, nicht loslassen oder die Autonomie des Angehörigen nicht respektieren zu wollen.
Deshalb finde ich persönlich diese Recherche auch wichtig.
Die Republik erzählt eine Geschichte über einen alten Mann, der wegen drohender Erblindung eine offensichtlich depressive Reaktion erlebte und deswegen mit Exit aus dem Leben schied, wobei seine Töchter mit dem Freitod überhaupt nicht einverstanden waren.
Die Redaktion scheint diese Mitteilung für wichtig zu halten, weil das Leid der Angehörigen (hier: Töchter) thematisiert werden soll.
Das Ergebnis dieser Erzählung mündet in einem Chaos der Meinungen, wie die Beiträge zahlreicher Leserinnen und Leser zeigen. Es fehlt also offensichtlich ein Koordinatensystem, um zu entscheiden, ob dieser "Freitod" (eigentlich: Selbstmord) richtig war oder nicht.
Der Artikel kommt mit ein bisschen redaktioneller Aufarbeitung daher, was in Anbetracht der Brisanz des Problems nicht genügt.
Problematisch an dieser Geschichte ist u.a. die Rolle des Arztes: Einerseits geht es dabei um die Frage, ob eine zum Tod führende medizinische Unterlassung (Verweigerung der Behandlung der offensichtlichen Depression) nur bei 100% aussichtslosen Situationen für das Überleben Anwendung findet (schon bei geringer Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Depressionstherapie würde es sich sonst um eine vorsätzliche Tötung handeln), weshalb mich der Besuch des Staatsanwaltes bei diesem Arzt nicht überraschen würde.
Die Beurteilung der Aussichtslosigkeit einer erfolgreichen Behandlung der offensichtlich vorliegenden depressiven Entwicklung kann unmöglich einer gewissen Willkür ausgesetzt sein. Es ist von zentraler Bedeutung, dass eine Kontrolle über Aussichten und Prognosen, welche gegenüber Suizidenten geäussert werden, einem unabhängigen und kontrollierbaren Prozess unterworfen sind. Dies muss auch generell Bestandteil bei der Information von Suizidenten sein, um eine falsche Einschätzung der Situation zu vermeiden. Im Falle von Suizidenten sind demnach Informationen zu Prognose und Aussichten einem unabhängigen und kontrollierbaren Prozess zu unterwerfen. Eine falsche Prognose würde sonst den Tatbestand der Verleitung zum Selbstmord erfüllen.
Im Jahr 2011 fand eine Arbeitsgruppe des Bundes: «Die gesamte Arbeitsgruppe ist der Meinung, dass die passive und indirekte aktive Sterbehilfe weiterhin zulässig bleiben soll. Sie hält es jedoch für einen Mangel, dass der Gesetzgeber sich bislang nicht mit dem Thema befasst hat. Sie empfiehlt deshalb, die Rechtmässigkeit der passiven und der indirekten aktiven Sterbehilfe im Gesetz – vorzugsweise im Strafgesetzbuch – explizit festzuhalten.» Das ist bisher vernachlässigt worden.
Im Konkreten ginge es um folgendes: Die Begründung für die Veranlassung einer passiven Sterbehilfe (durch Unterlassung, welche unmittelbar tödlich ist) kann in Zeiten des ökonomischen Drucks auf Institution und Leistungserbringer einer gewissen Willkühr ausgesetzt sein. Vom Gesetzgeber fordert deswegen der VEMS eine Beurkundung, welche sämtliche Umstände und deren Bewertung durch den Gutachter enthält, welche dann eine Tatsachenbehauptung begründen.
Bestehen Hinweise auf Falschbeurkundung gemäss StGB 251? Die Umstände, welche zur Tatsachenbehauptung führen, müssen stichprobenartig durch unabhängige Audits überprüft werden. Ist der Gutachter unsicher oder zweifeln Drittpersonen an der Tatsachenbehauptung, soll eine Zweitmeinung eingeholt werden. Sämtliche Beurkundungen sind durch den Gesetzgeber zu überprüfen.
Die Methoden, welche zur Tatsachenbehauptung führen, müssen wissenschaftlich evaluiert, verifiziert und angepasst werden. Die Methoden sollen Standards beinhalten oder es sollen Standards entwickelt werden, wo Wissenslücken bestehen.
Ein weiteres Problem sind die immensen Geldbeträge, die Exit anhäuft und damit Werbung für den assistieren Suizid schaltet (https://www.nzz.ch/schweiz/sterbehi…ld.1478725).
Die Rolle des Suizids in unserer Gesellschaft verdient eine präzise Aufarbeitung des dahinter stehenden und häufig behandelbaren Leidens. Es ist zu hoffen, dass es der Republik gelingt, das Koordinatensystem im Sinne einer qualitativ hochstehenden Aufarbeitung des Selbstmordproblems (mit oder ohne Pentobarbital) aufzuarbeiten. Das Thema ist zu brisant für eine einfache Story, die mehr Fragen aufwirft, als sie beantwortet.
Dies ist umso wichtiger, als gewisse gesellschaftliche Kräfte den Alterssuizid durchaus in Ordnung finden. Beispiel hierfür ist die Vernehmlassung der SAMW zum Suizid, welches in einem Papier mündete, welches die FMH abgelehnt hat.
Wie befürchtet, will die SAMW über diese Sterberichtlinien das Potential für die Rationierung im Umgang mit den Sterbekosten besser ausschöpfen. Dies wird erreicht durch zahlreiche Grauzonen-Vorschläge, welche es dann dem Einzelnen überlassen, ohne weitere Kontrolle «subjektive» Entscheide zu fällen. Hinweise für diese Annahme ergeben sich daraus, dass
keine Begleitforschung gefordert wird,
dass die Diskussion um die Prognose der subjektiven Einschätzung überlassen wird,
dass medizinische Entscheide durch die Lebensqualität massgeblich beeinflusst werden sollen (QALY)
dass die Subjektivität des Helfers nicht ausreichend thematisiert wird,
dass die Instrumente zur Überprüfung problematischer Sterbewünsche nicht ausreichend dargelegt werden und
dass die Beurteilung der Überlebenschancen oder medizinischer Therapien der Subjektivität der Mediziner überlassen werden soll.
dass die Angst vor totaler Abhängigkeit nicht thematisiert wird und wie ihr zu begegnen sei.
Weitere Hinweise sind
das Behandlungsziel «Beendigung des Lebens»,
zur Disposition Stellung der Ethik als normative Kraft mit dem Begriff der «Grauzonen Ethik» sowie
der grobe Lapsus zum Auftrag der Medizin betreffend «nullo casu nocere».
Ungenügende Antworten finden sich auch betreffend unserem Fragekatalog:
der Begriff der Urteilsfähigkeit wird weder juristisch noch medizinisch definiert und bleibt so gefährlich ungefähr
auf die Thematik der Abgrenzung Palliativ-Medizin und Exit Institutionen wird nicht eingegangen
die Aufsichtspflicht wird nicht thematisiert
die Begleitforschung wird nicht thematisiert
die Frage der Kommunikation in der Öffentlichkeit und die Frage, ob Werbung statthaft ist, wird nicht thematisiert
Die Finanzierung des begleiteten Suizids wird nicht thematisiert
Die Abklärung betreffend die Motive bei Wunsch nach assistiertem Suizid ohne Krankheit wird nicht ausreichend definiert.
Konkrete Problemzonen:
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Angepasste Information ist nicht definiert.
Seite 5:
Vollständige Aufklärung über die medizinische Situation ist nicht definiert. Bei einem Fehler in der Einschätzung der Prognose kann der Patient in Todesangst versetzt werden. Hier muss unbedingt die Philosophie des Arztes einbezogen werden, insbesondere betreffend Grundhaltung zu Hoffnung, Optimismus und Pessimismus.
Seite 6:
Die Beeinflussung durch Angehörige in Richtung Suizid setzt vom Beurteilenden voraus, dass er z.B. über die finanzielle Situation Informationen erhalten müsste. Daraus ergibt sich generell die Frage, welche Informationen vorab vor eine Gespräch mit dem Suizidwilligen und den Angehörigen überhaupt vorliegen sollten.
Seite 6:
Es ist äusserst fraglich, ob die Beurteilung der Lebensqualität als Kriterium für medizinische Behandlung gelten soll. Dieser Anspruch geht in Richtung QALY. Eine medizinische Behandlung wird wegen der Lebensqualität nicht unzweckmässig. Hier zielt die SAMW auf eine Rationierung von Krebsbehandlungen, die z.B. Übelkeit verursachen. Hier wird ein Paradigmenwechsel eingeführt, der äusserst problematisch ist. Eine Verminderung der Lebensqualität kann durchaus akzeptiert werden, wenn die Situation betreffend eine Verbesserung der Prognose diesen Optimismus erlaubt. Ganz besonders ist es gefährlich, wenn die Lebensqualität aufgrund «objektiver Beobachtung» beurteilt wird.
Seite 8:
Es geht nicht nur darum, ob die Absicht des Behandelnden klar ist, sondern welche Grundhaltung er betreffend wertem und unwertem Leben, Lebensqualität, Optimismus und Pessimismus vertritt. Hier braucht es eine klare Definition, denn es besteht die Gefahr, dass Mitleid tötet.
Seite 9:
Hier kann auch durch ein "zu früh" eine sinnvolle Behandlung und die damit verbundene Hoffnung verhindert werden. Die Frage ist, was hohe Wahrscheinlichkeit definiert und was Prognose definiert.
Seite 11:
Bestmögliche Evidenz ist nicht definiert. Es muss definiert werden, welche Elemente eine solche Evidenz ermöglichen.
Seite 13:
Es ist nicht klar, wie eine aussichtslose Behandlung definiert ist. Hier kann sehr viel Subjektivität eine Situation aggravieren.
Seite 17:
Auch hier fehlt die Information darüber, was eine sorgfältige Information beinhaltet.
Seite 18:
Es wird nicht definiert, welche Informationen vorliegen müssen, um ein problematisches Abhängigkeits-Verhältnis zu erkennen.
Seite 23:
Beendigung des Lebens als Behandlungsziel ist ein äusserst gefährlicher Vorschlag und zielt wohl auf eine Rationierung ab (Abkürzung des unvermeidlichen Sterbeprozesses).
Seite 24:
Der Anspruch, «keinesfalls zu schaden» steht so nirgends und entspricht auch hier dem Wunsch nach Rationierung von Leistungen, die schaden könnten, fast die ganze Medizin wäre dann obsolet. Es muss heissen «primum nil nocere» und nicht «nullo casu nocere».
Seite 25:
Mit dem Begriff der «ethischen Grauzone» weicht die SAMW ethisch-normative Leitplanken auf und erklärt die Ethik selbst zur Grauzone. Der Begriff ist an und für sich falsch.
Ihr ausufernder Beitrag ist aus verschiedenen Gründen sehr schwer verständlich und enthält inhaltliche Fehler, zum Beispiel ist unter den Kindern auch ein Sohn. Es ist auch völlig unklar, worauf sich Ihre detaillierten Kommentare mit Seitenangaben beziehen. Bedenken Sie bitte, dass Sie sich hier an Republiklesende wenden, nicht an ein medizinisches Fachpublikum. Es sollte in diesem Zusammenhang auch nicht um die Profilierung eines Vereins gehen.
Und noch etwas: der vorurteilsbehaftete Begriff 'Selbstmord' scheint mir unpassend.
Ich kann die Empörung über das Verhalten von Exit nicht teilen, denn es geht ja um die Respektierung des Sterbewillens des Vaters. Die notwendigen strukturellen Voraussetzungen sind erfüllt. Ein kritischer Artikel in der Republik wäre aus meiner Sicht dann angebracht, wenn Exit aufgrund der Interventionen der Angehörigen den Freitod verweigert hätte.
Für mich brachte der Artikel trotzdem einen wertvollen Hinweis, weil er zeigt wie wichtig der Einbezug der Angehörigen ist. Aber nicht durch die Sterbehilfeorganisation sondern massgeblich durch die sterbewillige Person selbst.
Für mich, seit über dreissig Jahren bei Exit, bedeutet dieser Artikel, dass ich mir, sollte ich je in so eine Situation kommen, sehr gut überlegen würde, meine Kinder da mit einzubeziehen.
Es sind klar die Angehörigen, die leiden. Warum leiden sie? Weil sie etwas verlieren, sich von Jemandem trennen müssen. Ich habe in meiner "weit aussen Bekanntschaft" einen jüngeren Mann, dem Blindheit droht. Erwähnt hat er in einem verzweifelten Moment, dass er sich dann erschiessen will. Das wird für die Angehörigen sicher nicht einfacher sein.
Sollte ich mich je für einen Freitod entscheiden, möchte ich meinen Kinder möglichst we ig Kummer bereiten, mir jedoch in diese Entscheidung auch nicht dreinreden lassen.
(Ich war schon bei EXIT, als es noch nicht um Sterbehilfe ging.... wegen der Patientenverfügung)
Ich arbeite im IT-Bereich, und sehe in dem Artikel eine interessante Parallele. Der beschriebene Fall ist eine Art "Security-Breach". Der Ablauf der Sterbebegleitung widerspricht (mindestens in den Augen der beiden Töchter) dem von Exit selbst angestrebten Vorgehen.
Die Reaktion der Organisation, respektive der verantwortlichen Personen, sehe ich als den wichtigen Teil in dieser Geschichte. Wird der Fall zum Anlass genommen die eigenen Prozesse zu analysieren und nach Verbesserungen zu suchen, oder wird der Fall als solches bestritten.
Gerade wenn es wenig Probleme gibt, sind solche Fälle umso wertvoller für die Weiterentwicklung der Organisation und ihrer Prozesse.
Ich vermute, dass der Anspruch einer Organisation wie Exit ist, möglichst keine Fehler zu machen. Diesem Anspruch kann man aber nur dann gerecht werden, wenn man bereit ist aus den Fehlern die trotzdem passieren, zu lernen.
In einer solch schwierigen Domäne sollte man nicht aufgrund eines Einzelfalles argumentieren.
Noch weniger sind Verallgemeinerungen erlaubt - ich finde die Unterstellung, die Beihilfe sein zum "Nebenerwerb" geworden, unprofessionell.
Grundsätzlich: Suizid ist "irrational" - das hat schon Jean Amery gesagt. Es ist für die Verwandten nicht nachvollziehbar.
Entscheidend ist der nachhaltige Wille der betroffenen Person. Es ist Hybris, zu erwarten, dass man den "richtigen Augenblick" treffen könne. Weil die Anforderungen hier so hoch sind, muss man früh gehen. Weil man früh gehen muss, soll es nicht gerechtfertigt sein - zirkuläres Denken.
Zu bedenken: so wie sich Exit sich heute gebärdet, ist es höchst elitär. Höhere Mittelklasse. Nur wenn man intellektuell und emotial fit, ist man dazu in der Lage.
Selbstverantwortung schliesst das Recht ein, Fehler machen zu dürfen. Auch irreversible Fehler. Was Sterbehilfe bezweckt, ist menschenwürdiges Sterben. Es soll besser enden können als mit einem Sprung aus dem Fenster oder dem Vergasen in der Garage. Oder sich willentlich zwei Monate lang verhungern zu lassen (ein echter Fall so vor einem Paar Monaten).
Wo man die Prozedur verbessern kann, ist bei der längerfristigen Vorbereitung der Beihilfe. Zwischen dem Zeitpunkt des formularischen Beitrittes und der Tat vergehen Jahre. Eine bessere Absicherung durch gestaffelte Einzel- oder Gruppentreffen wäre vielleicht sinnvoll. Sterbehilfe ist nicht eine kurzfristig eingeschaltete "Dienstleistung," gewissermassen eine Notbremse.
(Zuletzt eine persönliche Bemerkung: Auch das blosse Warten auf den Tod kann unerträglich sein oder werden. Mit den Talenten hat Gott mir auch das Recht gegeben, Bilanz ziehen zu können.)
Nur wenn man intellektuell und emotial fit, ist man dazu in der Lage.
Finde ich eine überspitze Formulierung. Die Forderung, dass die Urteilsfähigkeit erhalten sein muss, halte ich für sinnvoll. Nicht zuletzt zum Schutz von selber nicht (mehr) urteilsfähigen Menschen. Wie das im konkreten jeweils umgesetzt wird, ist eine andere Frage.
Nachtrag: nach Löschung am richtigen Ort wieder angehängt
Die Forderung, dass die Urteilsfähigkeit erhalten sein muss, halte ich für sinnvoll. Haben Sie den Fall Englaro mitverfolgt?
Hinterfragen wir den vorliegenden Fall. Woher wissen die Verwandten und externen Experten, ob es bei der Person wieder aufwärts geht? Was machen diese, wenn's eben nicht wieder besser wird? Wie lange wird diese, nun unfähige Person, leiden müssen? Und wieso? Man kann nicht nur physich sondern auch psychisch übertherapieren.
Die Aufgabe der Sterbeorganisation ist zu begleiten. Sie soll nicht Richter des Entscheids sein. Insbesondere soll sie nicht entscheiden müssen, ob der Zeitpunkt der Richtige ist - diese Kongruenz ist in der Realität kaum möglich.
Verfehlt die Person den richtigen Zeitpunkt, ist sie zum Leiden verdammt, bis die biologische Maschinerie von selbst aufhört. Das kann lange, sehr lange dauern. In einem von mir erlebten Fall waren es über 10 Jahre.
Eine Plausibilitätsprüfung ist sicher am Platz, denn Verwandte möchten sich manchmal noch so gern einer Last entledigen. Heute noch - fragen Sie nun den Hausarzt. Aber zentral bleibt die Selbstverantwortung.
Ich erinnere mich an einen DOK-Film über eine Sterbebegleitung eines manisch-depressiven Mannes (muss vor ca. zehn Jahren gewesen sein). Dieser Film liess mich in einem sehr beklemmenden Gefühl zurück, weil der Sterbewunsch für die ZuschauerInnen so gar nicht nachvollziehbar blieb. Für die Angehörigen muss dies noch viel unerträglicher und schlimmer gewesen sein.
Die Geschichte der Familie Berger ist sehr bedrückend, insbesondere weil Exit nicht nur während der Sterbebegleitung, die man als solche gar nicht bezeichnen kann, sondern auch nach dem Freitod des Vaters höchst unprofessionell handelte. Die Angehörigen fragen sich zurecht, wie eine Person wie Herr Hauser zwanzig Jahre lang Personen in den Tod begleiten konnte. Wäre er nicht pensioniert, hätte man ihn unverzüglich freistellen müssen.
Was die Angehörigen in dieser Freitodbegleitung erlebt haben, das tut mir leid. Das entspräche nicht meinen Vorstellungen von der Arbeit von Exit.
Mit meinen Berufserfahrungen aus der Psychiatrie (Sozialdienst) und spezifisch im Bereich Umgang mit Angehörigen, kann ich das hier von den Angehörigen beschriebene Verhalten des Sterbebegleiters, bei aller Fokussierung auf den Sterbewilligen, in mehrfacher Hinsicht nicht nachvollziehen.
Vor kurzem habe ich mein jahrelanges Vorhaben umgesetzt und bin überzeugtes Exitmitglied geworden. Der Artikel zeigt mir auf, dass Exit beim Thema Angehörige, und vielleicht auch bei der Frage ob jeder Hausarzt genügenden psychiatrischen Durchblick hat, noch Entwicklungspotential zu haben scheint.
Nun aber sofort nach weiteren gesetzlichen Regelungen zu rufen scheint mir im Falle der Sterbehilfe nicht zwingend zu sein. Zum Exitmitglied wird letztlich niemand gezwungen, und es gilt die Verhältnismässigkeit zu den vielen "gelungenen" Freitodbegleitungen zu wahren.
Der gute Umgang mit den Angehörigen ist enorm wichtig. Da ist etliches schief gelaufen. Das tut mir sehr leid für die Familie.
Doch- Sterbewillige mit mehreren lebensbedrohenden Vorkomnissen, sollten alleine entscheiden dürfen, wann es für sie Zeit ist zu gehen. Vorschläge, noch für weitere Versuche zur Verbesserung und den Umgang mit der Krankheit, und das Hinausschieben der Sterbetermine ( unter Druck),
ist definitiv auch keine gute Art des Umganges. Der Sterbewillige hat sich nämlich schon längst unter des Leidensdruckes entschieden.
Sterbehilfe, auch mit Exit, ist ein lebenslanges Thema, das immer wieder Gespräch sein sollte, auch innerhalb der Familie.
Abschied nehmen in Ruhe, in Form eines kleinen Festes, dass der Vater geht und ihm noch viel Leid erspart bleibt, sollte an erster Stelle stehen.
Und nicht das was Angehörige und andere wollen.
Im Uebrigen gibt es auch gute Exitbegleitung ( selber erfahren) und von Gesetzes wegen ist nichts vor zu werfen.
A. S.
ohje - auch mit 84 Jahren soll man(n) erst noch das Einverständnis seiner Kinder einholen müssen, zudem wird ein juristischer Instanzenweg gefordert um das Verfahren und die einzelnen Entschidungsschritte zu prüfen... mit Rekursinstanzen etc... aber alle haben natürlich nichts Grundsätzliches gegen Freitodbegleitungen.
Und von der Republik hätte ich mir gewünscht, dass Autorin Barbara Lukesch nicht nur "aufwendig rekonstruiert" sondern auch etwas sachlicher und ausgewogener recherchiert und berichtet hätte.
Warum muss jeder Takeaway mit der Lebensmittelkontrolle rechnen und ausgerechnet in diesem äusserst heiklen Geschäftsbereich mit dem Tod fehlt es an jedwelchen externen Qualitätskontrollen?
Beim Takeaway werden Konsument_innen vor solchen Situationen wie soeben in Watson berichtet (Restaurant, zwar) verschont.
Bei Exit übernimmt die als vertrauensärztliche Person Handelnde die Aufgabe der Sicherstellung der Handlungsfähigkeit.
Scheint mir elegant gelöst. Bitte keine weiteren Hindernisse. Es geht um Assistenz beim Suizid, der sonst anders erfolgt.
Sehr geehrter Herr M.
Ich sehe das Problem sehr wohl, das Sie ansprechen und doch bin ich froh, dass da nicht viel geregelt ist.
Begleiteter Freitod ist eine Alternative zu trostlosem Suizid(versuch).
Meiner Meinung nach sollte da die Schwelle nicht höher werden.
Der Schwerpunkt im Artikel war jedoch nicht der Mangel an Qualitätskontrolle...
Wie müsste Ihrer Meinung nach diese Qualitätskontrolle funktionieren? Mit Juristinnen, Psychologen, Ärztinnen, Pfarrer im Gremium? Könnte dieses Gremium vor oder nach einer Begleitung angerufen werden? Wie wäre dem Versuch hinauszuzögern, zu entmündigen zu begegnen?
sie sprechen mir aus dem Herzen, C. M..
Palliativmedizin, Palliativpflege, Sterbebegleitung oder Hospiz sind Teil der «Palliative Care». Darunter versteht man jegliche Massnahmen, die das Leiden eines kranken oder unheilbar kranken Menschen lindern um eine bestmögliche Lebensqualität bis zum Tod zu verschaffen.
Sterben kann man mit einer Sterbeorganisation wie Exit.
Ganz persönlich vertraue ich immer noch der Palliativ Medizin anno 2021...
O Herr, gib jedem seinen eignen Tod….(Rilke)
Ich denke, es ist gut, dass sich die „Republik“ dieses Themas angenommen hat, und ich finde es auch richtig, dass am Beispiel eines problematischen Falles die wichtigen und hoffentlich auch richtigen Fragen gestellt werden können.
Es ist ein hoch emotionales Thema, mit dem wir alle, als Angehörige und Betroffene, früher oder später unweigerlich konfrontiert werden. Das erklärt auch die vielen und gegensätzlichen Reaktionen auf diesen Bericht.
In einer ärztlichen Weiterbildung vor vielen Jahren wurde uns von einem Vertreter von Exit diese Organisation vorgestellt. Dieser Vertreter wirkte auf mich wie eine Mischung aus Mephisto und rächendem Todesengel, und ich spürte sogleich, dass ich mit einer solchen Begleitung nicht aus dem Leben scheiden möchte. Ich bin mir bewusst, dass das eine völlig subjektive Reaktion war, die mich aber doch geprägt hat.
Es braucht eine Organisation wie Exit; aber ich finde, dass in erster Linie die Palliativmedizin unterstützt und erweitert werden sollte.
Es gibt viele und auch widersprüchliche Aspekte zum Thema Freitod und der Exit-Organisation. Ich möchte nur einige davon erwähnen:
In unserer Gesellschaft ist die Selbstbestimmung ein sehr hohes (vielleicht zu hohes) Gut, das wir so verinnerlicht haben, dass wir auch über unser Lebensende selbstbestimmt verfügen möchten. Ich frage mich, ob wir da nicht etwas mehr Demut – wenn ich mir diesen etwas antiquierten Begriff erlauben darf – vor der Unwägbarkeit des Lebens zeigen sollten.
Das Sterben ist eine ganz persönliche Angelegenheit, und letztlich müssen wir da alle allein durch. Aber das Sterben ist immer auch ein einschneidendes soziales Ereignis, das starke Auswirkungen auf das familiäre (ich verstehe darunter auch andere enge Bezugspersonen) Umfeld hat, das nach dem Tod eines Angehörigen eine neue Balance finden muss, was oft mit grossen Krisen verbunden ist. Das beschriebene Beispiel macht das ja deutlich. Auch wenn Exit sich dafür nicht zuständig fühlt, kann sich diese Organisation nicht einfach aus der Verantwortung stehlen, sondern muss Familienangehörigen zumindest Hilfemöglichkeiten aufzeigen.
Die Sterbebegleitung im Allgemeinen und die Freitodbegleitung im Speziellen ist ein anspruchsvolle Aufgabe, die stark von der Persönlichkeit der SterbebegleiterInnen abhängt. Da frage ich mich schon, ab die erwähnten Crash-Kurse genügen. An einen Freitodbegleiter stelle ich etwas höhere Anforderungen als an einen Handwerker, der im Haus eine Reparatur ausführen muss.
Das Verhalten der Exit-Organisation den Angehörigen gegenüber im beschriebenen Fall gegenüber ist inakzeptabel. Freitodbegleitung findet nicht im luftleeren Raum statt.
Und schliesslich: die hehren Versprechungen der Exit-Organisation in ihrem Internet-Auftritt dürfen nicht darüber hinweg täuschen, dass Exit auch ein rasch expandierendes Geschäftsmodell ist, von dem anzunehmen, dass keine finanziellen Interessen dahinter stehen, wohl eher naiv ist.
Gesetzliche Regelungen und eine unabhängige Kontrollstelle scheinen mir unabdingbar zu sein.
Lieber Herr Kienholz, vielen Dank für diese differenzierte und persönliche Rückmeldung. Darüber, ob man sich selber vorstellen könnte, mit einer Sterbehilfeorganisation aus dem Leben zu gehen, lässt sich nicht streiten, das Thema ist zu persönlich. Aber darüber, wie eine solche Organisation aufgestellt sein und kontrolliert werden muss, darüber sollten wir diskutieren. Sie schneiden diesbezüglich die wichtigsten Punkte an: Die Familienangehörigen können nicht ausgeklammert werden, die zuständigen Begleiterinnen müssen gut ausgebildet sein, es darf kein finanzielles Interesse dahinter stehen und vor allem, es muss gesetzliche Leitplanken und eine unabhängige Kontrolle geben. Herzlich, Bettina Hamilton-Irvine
Liebe Frau Hamilton-Irvine, danke für Ihre Rückmeldung. Ich möchte noch etwas klarstellen, da ich mich vielleicht zu ungenau ausgedrückt habe. Freitodbegleitung muss in unserer Gesellschaft ihren Platz haben. Auch ich schliesse für mich persönlich eine Freitodbegleitung nicht grundsätzlich aus. Aber ich möchte nicht von einer solchen Person, wie ich sie erlebt habe, begleitet werden.
Der Handwerker, der in Ihrem Haus etwas repariert, hat in der Regel immerhin eine mindestens dreijährige Lehre gemacht…es sollte insbesondere auch nachbereitet werden, was die Rolle des „Todesengels“ mit den SterbehelferInnen macht.
Dieser Gedanke ist mir nachträglich auch durch den Kopf gegangen. Es gibt sicher Menschen, die von Natur aus die Fähigkeiten und das „Gschpüri“ haben, eine gute Freitodbegleitung zu machen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass eine solche schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe ohne professionelle Supervision auf die Dauer gut durchgeführt werden kann. Und Ihre Frage, was diese Rolle mit den FreitodbegleiterInnen macht, ist sehr berechtigt. In diesem Grenzbereich zwischen Leben und Tod, in dieser Grauzone zwischen Helfen und Macht über Leben und Tod können sich (unbewusste) Tendenzen entwickeln, die nicht nur gut sind. Und schliesslich kommt noch dazu, dass die Pauschalentschädigung pro Fall nicht unbedingt zu Sorgfalt animieren. Es gibt sicher eine ganze Anzahl guter und verantwortungsvoller FreitodbegleiterInnen. Aber mit diesem Beitrag sind wesentliche Probleme angesprochen und wichtige Fragen aufgeworfen worden, die dringend einer Antwort bedürfen.
Es ist sicher nicht leicht für die Angehörigen wenn sich ein Elternteil für den Freitod entscheidet. Dass sich die beiden Töchter so stark gegen den Willen des Vaters gewehrt haben, scheint mir doch etwas egoistisch zu sein.
Was mich an dem Artikel stört, er erzählt nur die Geschichte aus Sicht der Töchter und greift aus dieser Sicht eine gestandene Organisation an, die sehr wohl ihre Berechtigung hat. Nicht ohne Grund gibt es unterdessen 150000 Mitglieder.
Vom Bedürfnis nach einem würdigen Freitod steht im Artikel gar nichts. Das Thema zu vertiefen hätte sicher auch noch dazu gehört.
Eigentlich schade, dass die Republik so einseitige Artikel publiziert.
Hätte auch im Tagi stehen können.
Wenn sich Organisationen weigern, inhaltlich auf Kritik und Vorwürfe einzugehen, ist das keinesfalls ein Grund, eine Recherche nicht zu publizieren – sonst wäre das ein beliebtes Mittel, um die Publikation einer Recherche zu verhindern. Wie immer hatte die betroffene Organisation alle Möglichkeiten, Ihre Sicht der Dinge darzulegen. Das ist journalistisches Handwerk. Was eine Organisation daraus macht, können wir nicht beeinflussen. Überdies basiert die Recherche nicht nur auf der Sicht der Töchter, sondern auch auf Dokumenten, Schriftwechseln, einer Zeugin und der Anhörung des Hausarztes.
Angesichts einiger sagen wir nicht gerade mitfühlender Beiträge frage ich mich, ob man aus Rücksicht auf die Gefühle der Angehörigen die Dialogseite zu Artikeln dieser Art überhaupt öffnen soll. Ich finde es auf jeden Fall ziemlich bedenklich, wie sich hier einige KommentarschreiberInnen die Freiheit herausnehmen, über die Geschichte der Familie Berger zu urteilen und ihre ganz persönlichen Schlüsse zu ziehen. Der Autorin Barbara Lukesch möchte ich an dieser Stelle zu ihrem feinfühligen Artikel gratulieren. Anders als andere halte ich ihn für sehr ausgewogen. Es handelt sich ja explizit nicht um einen allgemeinen Artikel zu Exit, sondern um den ganz konkreten Einzelfall von Ernst Berger.
Ich fände es schon auch wichtig, dass auch die Angehörigen die nicht so gute Erfahrungen mit Sterbehilforganisationen machen, ernst genommen werden. Selbst wenn das nur 1% der Betroffenen wäre bzw. dann umso mehr. Die angesprochene Ombudsstelle z.B. ist sicher keine unlösbare Sache.
Ich erachte das als ein unglaublich schwieriges Thema, dem auch mit entsprechenden Regulierungen nicht abschliessend Genüge getan werden kann. Der Artikel trifft sich für mich persönlich mit meiner ersten „Erfahrung“ mit Exit. Eine Arbeitskollegin hatte im letzten Sommer einen tragischen Unfall (Trampolin Bettmeralp) der nebst multiplen Frakturen und eine Hirntrauma zu einer voraussichtlichen Querschnittlähmung geführt hat. Durch unglaubliche physische und vor allem psychische Disziplin und Anstrengungen hat sie es geschafft, einen Zustand zu erreichen, den die Ärzte ursprünglich für unmöglich gehalten haben. Sie konnte sich bewegen! Und mehr noch, sie konnte sogar einige Schritte gehen. Dann wurde sie aus der Rehaklinik entlassen und sah sich der Realität ausgesetzt. Die Suva verweigerte die Zahlungen für weitere Therapien und somit war eine weitere Besserung nicht zu erwarten. Meine Kollegin war ein Mensch, der sich stark über ihre Aktivitäten identifizieren konnte. Reisen, Arbeit, outdoor etc. Keine Familie aber viele Menschen überall auf der Welt. Sie hat ihrem Leben mit Exit ein Ende bereitet. Das was sie für sich von ihrem Leben erwarten konnte war nicht mehr möglich und daher die letzte Konsequenz, klar und bei vollem Bewusstsein gewählt. Ist das verwerflich? Ist das selbstbestimmt? Es gab einen Abschiedsbrief, der die Entscheidung „erklärt“ hat. Wäre das mit einer gesetzlichen Regulierung möglich gewesen? Sie war lebesfähig, hatte keine tödlichen Krankheiten, keine unerträglichen Schmerzen! Wahrscheinlich nicht. Interessante Auseinandersetzungen im Film „Gott“ von Bernd von Schirach https://www.br.de/wissen/sterbehilf…h-100.html
Hat also die SUVA ihre Kollegin in den Selbstmord getrieben? Oder können Sie das zu wenig beurteilen?
Sehr geehrter Herr Romanens, wenn ich hier kurz dazwischen darf: ich halte weder Ihre Frage ohne Justiziabilität für beantwortbar noch den Begriff "Selbstmord" für adäquat. Bitte etwas Sorgfalt und Respekt gegenüber persönlichen Schilderungen von Mitverlegern, vielen Dank Ihnen.
Vielen Dank für die eindrückliche Schilderung Ihrer Erfahrungen, Herr B. Und für den Link zu diesem tatsächlich hochinteressanten und sehr empfehlenswerten Film. Zur Frage der gesetzlichen Regulierung: ich glaube nicht, dass damit eine Regulierung individueller Entscheidungen von (zum Beispiel Exit-)Mitgliedern gemeint ist, sondern Regularien zur Qualitätskontrolle der Sterbehilfeorganisationen an sich und deren Mitarbeitern sowie für eine mögliche Ombudsstelle, damit gewährleistet werden kann, dass Angehörige mit Fragen und Sorgen nicht einfach keine Antwort erhalten.
Ich finde es interessant, dass wir hier das existentielle Thema Autonomie so kurz hintereinander erst im Zusammenhang mit der Covid-Impfung und nun mit dem selbstbestimmten Lebensende diskutieren.
Der wesentliche, unterschiedliche Parameter ist m. E., dass es bei assistiertem Suizid prinzipiell um die Person geht, bei Covid prinzipiell um die Bekämpfung einer globalen Bedrohung. Insofern komplett anderes Paar Schuhe.
Ja, absolut richtig. Allerdings betrifft der assistierte Suizid eben in aller Regel auch nicht nur ausschliesslich die eigene Person, wie man ja am Beispiel der Familie Berger im Artikel sieht. Ich möchte aber auf keinen Fall die Problemstellungen gleichsetzen. Mir ist vorhin einfach die thematische Parallele aufgefallen.
Gratulation! Wunderbar journalistische Arbeit für ein Thema, das nicht genügend oft aufgebracht werden kann. Option Exit ist eine Wahlmöglichkeit, ok. Die simple reduktionistische Methode dahinter gehört gut verstanden zu werden. Cui bono.
Mit Exit zum point of no return!
Exit brachte vor rund 50 Jahren den damals vorherrschenden fremd bestimmten, inhumanen und verdrängten Tod in unserer Gesellschaft und in den Spitälern* zurück ins Bewusstsein und konnte seither viel verändern: Von der ersten Schweizer Patientenverfügung bis zur Verhinderung von "öffentlichen" Selbstmorden (Personenvorfall an der Hardbrücke). Von der aktiven Sterbehilfe distanzierte sich Exit 1984, während Sterbebegleitung natürlich systemimmanent dazugehört.
Viele sehen Exit heute leider als blossen Dienstleister, bei dem man im Schadenfall die rasche Behebung der Umstände telefonisch bestellt, und das spiegelt sich für mich in Ihrer Äusserung von Exit als "Wahlmöglichkeit mit dahinterliegender reduktionistischer Methode".
Sachliteratur von damals ist zB. Jean Zieglers 'Die Lebenden und der Tod'.
Ihr "cui bono" ist eine an Frechheit nicht zu übertreffende Unterstellung gegenüber Exit.
Wäre eigentlich justiziabel, aber wir sind ja hier "unter uns", da wird man doch wohl noch sagen dürfen...
Soweit ich weiss, müssen Sterbehilfeorganisationen im Handelsregister eingetragen sein und ihre Geschätsbücher offen legen. Man darf vermuten, auch aus Gründen der finanziellen Kontrollierbarkeit. Da müsste die Frage cui bono? mittels Recherche und buchhalterischen Kenntnissen doch eigentlich zu beantworten sein?
Ja: Die Jahresrechnung ist - für Mitglieder? - einsehbar. Ein Recht, das ich seit Jahren nutze.
Cui bono? Da gäbe es rentablere Geschäftsmodelle.
Auf 20Min. wurde dieser Artikel abgekupfert und hiesst noch etwas polemischer so: "Angehörige äussern schwere Vorwürfe gegen Exit – «ein einziges Desaster»". Es würde mich nicht wundern, wenn sich nicht auch der "Blick" dieses Themas noch annehmen würde. Sind die Hinterbliebenen vielleicht nicht etwas gar übereifrig daran, einen regelrechten medialen Kleinkrieg gegen EXIT zu inszenieren?
Nein. Unterlassen Sie Unterstellungen. Dass Onlineportale Recherchen anderer Medien paraphrasieren, ist – manchmal gut, manchmal schlecht – gängige Medienpraxis. Hier ein interessanter Hintergrund zu diesem Thema.
merci für den interessanten Hintergrundlink.
Aber auch mir hat es grad im Magen quer gekegen, als ich auf 20 minuten ging, nachdem ich den Artikel hier gelesen habe… und meine bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass es Menschen gibt, welche diese Headlines aufsaugen und das Gefühl haben, nun informiert zu sein … u.a. „Drängen auf Freitod?“
… wenn ich erst 20 minuten gelesen hätte und grad am Anfang, dass sie sich auf „Republik“ berufen, sässe schon der erste Schock seitens Exit… daher finde „ich“ es so heikel … und ich gehöre zu den dankbaren Menschen, dass es Exit gibt und ich mag gar nicht daran denken, wenn eine Empörungswelle dann solche Masse annehmen würde, dass uns diese Hilfe in ein paar Jahren nicht mehr angeboten würde
Wenn man die Quellenverlinkungen hier in der Republik regelmässig anklickt, führen nicht wenige davon zum Blick. Oder auch zu Gratisportalen wie bspw. Medinside, das gartis und franko Grundlagen bspw. für die Maisano-Serie lieferte. Mich macht das irgendwo traurig, und ich wünsche mir sehr eine vertiefte Diskussion zu dieser Entwicklung 'meiner' Republik, die ich seit ihrer Entstehung mit Herzblut und kritischem Geist begleite. (Auch wenn diese Begleitung nicht immer gleich willkommen ist)
Unklar, was Sie genau meinen. Verlinkungen gehören 1. entweder zum journalistischen Anstand, wenn eine Redaktion Recherchen anderer Medien aufnimmt und weiterführt oder 2. eine Dienstleistung für Leserinnen zur weiteren Vertiefung eines Themas oder 3. dokumentarisch (z.B. bei den Briefings). Bei der Zürcher Herzkrise war die Verlinkung dokumentarisch. Das ist auch keine Entwicklung, das war schon immer so. Aber das Thema in diesem Dialog ist ja ein anderes. Freundliche Grüsse und geruhsame Nacht!
Der freie Wille ist ein wesentliches Indiz des Menschen. Trotzdem sind wir nicht letzte Instanz. Immanuel Kants kategorisch er Imperativ bleibt relevant.
In der Tat! Im Sinne von Kant möchte ich dafür plädieren, dass jeder Mensch selbstbestimmt über einen assistierten Suizid entscheiden kann. Das soll Gesetz sein!
Nota bene. Es gibt keine andere, letzte Instanz. Wer an Gottheiten (verbrieft sind deren 300'000) glauben mag - wohl bekomms's!
Sehe ich genauso. Bin überzeugtes Exit-Mitglied, und wenn's dem Ende zugeht, dann definiert sich für mich würdevolles Sterben vor allem über Selbstbestimmung. Ich wurde in die Welt gesetzt, ohne vorher gefragt worden zu sein, dann möchte ich wenigstens beim Ende ein Wörtchen mitreden dürfen.
Ich habe mich nach meiner Krebserkrankung vor 8 Jahren auch entschieden bei EXIT beizutreten. Seit dieser Zeit bin ich Mitglied der Organisation und wie sehr treffend im Beitrag geschrieben, eine Möglichkeit sich selbstständig mit seinem Lebensende auseinandersetzen! Zusätzlich habe ich eine Patientenverfügung im Exitdossier abgelegt!
Das Allerwichtigste ist jedoch, sein unmittelbares Umfeld über dies zu informieren und seine Wünsche frühzeitig mitzuteilen! Dazu gehört auch ein regelmässiges überprüfen besser gesagt zu überlegen ob das Geschriebene immer noch dem Persönlichen Wunsch entspricht! Ich habe mir auch immer überlegt was der Entscheid des Freitodes für das Umfeld bedeutet! Ich finde es schade dass diese nach meiner Meinung nicht professionelle Begleitung zu so vielen, ungelösten und sogar familiären Problemen geführt hat! Warum so frage ich mich, könnte man nicht auch bei EXIT eine unabhängige Stelle schaffen die diese aus meiner Meinung seltenen Ereignisse überprüfen und sich mit den Beteiligten in einer Mediation zusammensetzen. In der Meinung dass dies ein gangbarer Weg wäre. Ich werde jedoch weiterhin in der Organisation bleiben und
meinen Entscheid zur Begleitung überprüfen und mein dazu Umfeld beiziehen.
Vielen herzlichen Dank für die den Beitrag!
Man muss etwas zwischen den Zeilen lesen, dann wird klar, warum der Vater 'etwas überstürzt' seine Freitodbegleitung in Anspruch nahm: Es stand in Aussicht, dass er von einzelnen seiner erwachsenen Kindern entmündigt werden könnte mittels Beizug der KESB. Bereits mit den Intro über Sterbetourismus belegt Barbara Lukesch, dass sie wenig weiss über EXIT. Seit vielen Jahren baut EXIT ihre Organisation auf. Immer wird der Ethik einen grossen Werteraum gegeben. Und die Forderungen nach forscherem Vorgehen, welche regelmässig an der GV gestellt werden, wird mit Bedacht begegnet. Begleitungen von nicht in der Schweiz Wohnenden übrigens, sind in dieser Organisation die höchsten Hürden gesetzt. Und zuletzt zu den Gesetzen. Die Politik ist gut beraten, nicht auf die bisherigen Vorstösse von Ethikkommissionen zu setzen aus fundamental-kirchlichen Kreisen. Auch hier finden sich sehr gute Grundlagen bei EXIT.
Lieber Herr Dietschi, danke für Ihre Rückmeldung. Zwei Bemerkungen dazu: Das Edito im Newsletter stammt nicht von Barbara Lukesch, die Editos werden immer von uns Republik-Redaktorinnen geschrieben. Und wenn Sie es nochmals aufmerksam lesen, werden Sie merken, dass es im Zusammenhang mit Sterbetourismus mit keinem Wort Bezug auf Exit nimmt, sondern dass es dort um Sterbehilfeorganisationen generell geht. Uns ist bewusst, dass vor allem Dignitas auch Menschen aus dem Ausland begleitet und Exit generell Schweizerinnen oder Personen mit Wohnsitz in der Schweiz vorbehalten ist. Die prinzipiellen Fragen, die der Artikel aufwirft - vor allem, wieso ein gesetzlicher Rahmen und eine Kontrolle fehlen - betreffen denn aber auch alle Sterbehilfeorganisationen. Mit freundlichen Grüssen, Bettina Hamilton-Irvine
Es gebe für die Freitodbegleiter zwar keine schriftliche Handlungsanleitung zu diesem Thema, so Wiler, aber man habe vor zwei Jahren ein eintägiges Seminar zum Umgang mit den Angehörigen angeboten und schule neue Kräfte diesbezüglich jeweils an einem halben Tag. Ebenfalls werde das Thema an den Weiterbildungstagen regelmässig besprochen.
Das scheint mir eindeutig zu wenig Hintergrund für eine so schwierige Aufgabe.
Den Anspruch an eine Berichterstattung, die ein einigermassen objektives Urteil von aussen zulässt, erfüllt ein einzelner Bericht über einen offensichtlich ungut verlaufenen 'Fall' sicher nicht. Die Frage nach einer Aufsichts- und Beschwerdeinstanz über einen so heiklen Geschäftsbereich finde ich aber legitim.
Ich selber habe von den wenigen Sterbebegleitungen, von denen ich genaueres vernommen habe, einen positiveren Eindruck erhalten.
Moment, hier ist der Artikel irreführend. Ich zitiere aus der Info von Exit:
Sie absolvieren eine fundierte, interne, einjährige Ausbildung und ein externes Assessment an der Uni Basel. Danach nehmen sie während ihrer gesamten Tätigkeitsdauer an regelmässigen, internen Weiterbildungen teil (Seminare, Fallbesprechungen, etc.).
Das ergänzende Seminar bezieht sich wohl auf den "Umgang mit Angehörigen" .
Aus der Website https://exitschweiz.ch
Die Presse übernimmt mehr und mehr die Vorgaben der EXIT Organisation, welche von Freitod spricht. Ziel des Suizidenten ist die Herbeiführung des Todes auf unnatürliche Weise. Im Wort Freitod ist der Akt der Tötung nicht enthalten, weil das Resultat – der Tod – darin enthalten ist, nicht aber der Weg, der zum Tode führte. Dass der Tod darüber hinaus auch frei sei, ist offensichtlich falsch, da der Tod nicht ein Zustand der Freiheit bedeutet – im Gegenteil. Im Tod ist der Mensch nicht frei sondern tot.
Der Erfinder des Begriffs Freitod war Friedrich Nietzsche, er sprach vom Freitod als eine freien Entscheidung sich zu töten. Freiheit wird hier in einem absoluten Sinn verstanden, also komplett losgelöst von der Gesellschaft. Entsprechend erfolgt der Suizid frei von der Gesellschaft, in welcher der oder die Suizidentin mit ihrem Leiden eingebunden ist. Somit bezieht sich das Wort “Frei” nicht auf den Suizidwunsch, sondern auf den Suizid “frei” von der Gesellschaft.
Unter dieser Voraussetzung erscheint der Suizid befreit von der Gesellschaft. Es wird so getan, wie wenn der Suizid frei von der Gesellschaft erfolgt. Damit werden auch die Bedingungen, welche einen Menschen in den Freitod treiben können, eliminiert. Gleichzeitig ist die Gesellschaft von ihrer Verantwortung befreit, herauszufinden, warum jemand den Freitod gewählt hat.
Somit erfolgt der Freitod frei von der Gesellschaft, was er natürlich nie ist. Andererseits haftet dem Begriff “Mord” verwerfliches an. Irrtümlicherweise wird dabei das Verwerfliche beim Suizidenten verortet und nicht bei der Gesellschaft, die den Suizid nicht verhindern wollte oder konnte.
Es erscheint somit gerechtfertigt, den Begriff “Selbstmord” in dem Sinne zu verstehen, dass die Selbst-Tötung von aussen in irgendeiner Form beeinflusst ist. Handelt es sich bei dieser Beeinflussung um verwerfliche Gründe (z.B. Geldmangel), so wird jemand in den Selbstmord getrieben. Handelt es sich bei dieser Beeinflussung nicht um verwerfliche Motive (z.B. Krebs im Endstadium), dann soll von einer Selbsttötung gesprochen werden.
Im Wort Suizid wird nicht zwischen Selbstmord oder Selbsttötung unterschieden, verwerfliche oder nachvollziehbare Gründe sind im Begriff Suizid beide enthalten.
Die Aufgabe der Gesellschaft ist es, Selbstmord zu verhindern. Auch wenn ein Suizident primär plausible Gründe für den Suizid nennt, ist es gesellschaftliche Pflicht, die Beweggründe soweit zu erkunden, dass ein verwerflicher Grund erkannt und dann selbstverständlich auch der Suizid vereitelt wird.
Das Wort Freitod ist der Versuch, die verwerflichen (gesellschaftlichen) Gründe für den Suizid zu verschleiern. Es ist der Versuch, den Suizid als rein persönlichen Akt zu deklarieren und die Verantwortung der Gesellschaft aus diesem Akt zu eliminieren.
Von Lewis Carroll gibt es diesen wundervollen Text: “When I use a word,’ Humpty Dumpty said in rather a scornful tone, ‘it means just what I choose it to mean — neither more nor less.’
’The question is,’ said Alice, ‘whether you can make words mean so many different things.’
’The question is,’ said Humpty Dumpty, ‘which is to be master — that’s all.”
Die Bedeutung von Wörtern erschliesst sich nicht unbedingt aus ihrer Etymologie. Wörter bedeuten genau das, was die Menschen für ihre Bedeutung halten. Es ist deshalb falsch, Begriffen eigene Bedeutungen zu geben, die nicht im Einklang zu dem stehen, was die Teilnehmenden einer Sprache als ihre Bedeutung verstehen. Wenn wir hier den Begriff "Selbstmord" im Zusammenhang mit dem freiwillig gewählten Suizid ablehnen, so sollten Sie dies zur Kenntnis nehmen und akzeptieren lernen, statt den Begriff auf Ihre eigene Weise neu zu definieren. Wir lehnen ihn ab, weil in ihm der Begriff des moralisch verwerflichen Mordes mitschwingt, was im Kontext dieses Artikels unpassend ist.
Mit einem (beruflich als Psychotherapeut mit dem Thema Suizid bzw. dessen Verhinderung nahezu täglich konfrontiert und daher) grundsätzlich sehr grossem Interesse an diesem Thema habe ich den Artikel und auch den bis dato erfolgten Dialog dazu gelesen.
Obwohl der Artikel selbst schon im Titel "Überstürzter Abschied" den eigentlichen Fokus, nämlich den der Schilderung eines Einzelfalles, erkennen lässt, gehen im Dialog sehr viele höchst relevante Diskussionen zum Oberthema "aktive Sterbehilfe" - und all Ihren sehr breit gefächerten Unterthemen - doch arg durcheinander.
Für mich ergeben sich - alleine direkt aus dem Artikel - schon drei Themenkomplexe, die man getrennt voneinander diskutieren kann:
Die für die betroffenen Angehörigen als unzureichend bis inakzeptabel erlebte Kommunikation mit diversen Mitarbeiter:innen der Organisation "Exit" (insbesondere das Gespräch mit Herrn H. ...)
Der Widerspruch, dass ein behandelnder Arzt die Hinweise der Tochter, ihr Vater stecke möglicherweise in einer Depression "vom Tisch gewischt" hat, dann aber Beruhigungsmittel und Antidepressiva verschreibt
Die emotionale Not der Angehörigen, in die sie durch so einen Entschluss des Vaters geraten
Der Artikel, die Thematik und eingebrachte Nebengeleise scheinen sehr viele Menschen zu bewegen.
Ich habe den Artikel ein zweites Mal gelesen, bin auch danach mit demselben Eindruck etwas ratlos geblieben. Viel subjektive Geschichte (die Emotionen anheizen kann), einige Fremdmeinungen (Urbaniok, Tapernoux, Brunner) aufgrund subjektiver Berichte. Die beiden Familienmitglieder berichten zwangsläufig emotional und eben subjektiv, was ihnen nicht zu verdenken ist. Vielleicht etwas hilflose Reaktion der Organisation, die in ihrer "Branche" um sauberes Handeln bemüht ist und in diesem Sinne wohl auch viel Pionierarbeit geleistet hat, aber keine Übung zu haben scheint im Umgang mit Konfrontationen.
Die Familie, vier Kinder, von denen zwei Akteure sind in der Reportage. Die Anschuldigung, das Verhalten von Exit habe einen familiären Scherbenhaufen verursacht.
Ich meine aber, es gäbe auch eine Familiendynamik (aus der Reportage weiss ich über die Beteiligung der zwei anderen Geschwister nichts) und vermute, dass die vier Geschwister gemeinsam die Scherben in der Familie verursacht haben, weil da wohl unterschiedliche Haltungen herrschten. Daraus scheint mir, der Todeswunsch des Vaters und das Erleben des Verhaltens von Exit seien die Auslöser für die familiäre Scherbenproduktion. Aber nicht Exit hat Scherben verursacht.
Auf diesem Hintergrund in einer Reportage einem Einzelfall so viel Gewicht zu geben, finde ich hinterfragenswürdig. Das grosse Echo der Leserschaft aber spricht für eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Thema – durchaus auch in der Republik.
Keine gesetzliche Regelung für Sterbehilfeorganisationen. Habe ich etwas überlesen? Oder hat wirkliche jede ihre selber formulierten Richtlinien? Da kann ich Andreas Brunner nur beipflichten: das finde ich äusserst fragwürdig.
Der Verein Exit agiert nicht im luftleeren Raum, sonst wäre er schon lange mit Klagen eingedeckt und stillgelegt worden. Exit handelt innerhalb geltender Gesetze.
Gesetze werden grundsätzlich bei Missständen erlassen: Ein Geldwäschegesetz wenn Geld gewaschen wird, ein Tierschutzgesetz wenn Tiere misshandelt werden, wobei beides dem Zeitgeist unterliegt und die Gesetze dann jeweils revidiert werden müssen. Dann gibt es Gesetze, die etwas (Neues) regeln wie das BVG und auch das Strassenverkehrsgesetz. Sonst gilt das OR (Experten werden mich korrigieren).
Ich meine zu wissen, dass Exit es begrüsst, den Bereich der Sterbehilfe in ein Gesetz zu fassen, genau um diese zu regeln und Missbräuche zu verhindern. Das gleiche also, was das Bankengesetz mit den Banken machen soll. Die Anstrengung dafür wurden aber meines Wissens politisch aufs Eis gelegt, weil man sich nicht über Grundsatz und Zweck des Gesetzes einigen konnte: Soll man Sterbehilfe nun über den Status Quo hinaus liberalisieren oder will man sie einschränken.
Fragwürdig ist hingegen, dass Andreas Brunner (und die Autorin) in diesem Zusammenhang die Marronihäuschen bemüht. Denn da verlangte eine Behörde, der Stadthalter, dass man die 'wilden' Marronistände dem geltenden Baugesetz unterstellt und dass für jeden Stand eine Baubewilligung (!) eingereicht werden muss. Dies nach der Reklamation eines Ladenbetreibers am Limmatquai über den Rauch eines Marronibraters. Die Antwort von Frau Koch auf die Bürokratie waren vor-bewilligte Marronihäuschen.... (Quelle: Lokalinfo AG Züriberg 24.6.21/Ursula Koch).
Exit auf diese Art in Frage zu stellen, finde auch ich, ist nicht korrekt.
Wenn schon Kritik, dann am Sterbegleiter «Hauser» (wie er im Artikel genannt wird) und an der Aufsicht über die Eignung(en) und Kompetenzen der Sterbebegleiter (laufend).
Und: Witze machen in solchen Situationen geht gar nicht ...
ich bin für diesen bewegende artikel dankbar. ich habe den eindruck, er ist gut recherchiert.
ich bin selber im gesundheitswesen mit leidenden menschen tätig. aus meiner sicht muss in dieser situation die sorgfaltspflicht von exit ernsthaft überprüft werden. die urteilsfähigkeit von herrn berger steht für mich ernsthaft in frage. und warum kann es mit dem sterben plötzlich nicht genug schnell gehen?
gesetzliche regelungen sind dringend nötig und eine ombudsstelle erachte ich als sehr gute idee.
das kommunikationsverhalten den angehörigen gegenüber ist ausgrenzend und aus meiner sicht unmenschlich. die angehörigen und jetzt hinterbliebene tun mir leid.
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