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Bei einem Embargo muss man für Ersatz sorgen: Man muss aus den strategischen Reserven im gleichen Umfang Öl freigeben, wie man es durch ein Embargo von Russland eben nicht mehr bezieht.
Oder wir könnten unseren extrem schädlichen Konsum von fossilen Energien reduzieren, wie wir es schon vor Jahrzehnten hätten tun sollen.
Jetzt wäre der perfekte Anlass dazu.
Gestern hat das Parlament die Gletscherinitiative abgelehnt, offenbar im wesentlichen, weil das Verbot von fossilen Treibstoffen zu radikal sei. Im indirekter Gegenentwurf heisst es neu " ... fossiler Brenn- und Treibstoffe ist so weit zu vermindern, als dies technisch möglich, wirtschaftlich tragbar und mit der Sicherheit des Landes und dem Schutz der Bevölkerung vereinbar ist." Wenn ich die wirtschaftliche Tragbarkeit rechne, kommen ich zu einer Reduzierung auf praktisch Null deutlich vor 2050. Ich habe aber bis jetzt keine detaillierte Berechnung dazu gefunden. Danke für Links und Ideen im Voraus.
Ja, die Ablehnung der Gletscherinitiative habe ich gestern (und vorgestern) auch mit Kopfschütteln zur Kenntnis genommen. Überall in Europa wird die Neuzulassung von Verbrennungsmotoren in absehbarer Zeit nicht mehr möglich sein, aber die Schweiz, die selber solche Fahrzeuge gar nicht herstellt, sieht das als zu radikal an. Und das bei einem Zielhorizont vom Jahr 2050. Das ist einfach so unfassbar kurzsichtig.
Vor ein paar Jahrzehnten war vernetztes Denken noch Mode: In einer Situation, wo die Energiepreise steigen, sinkt das frei verfügbare Einkommen von vielen Menschen, die nur durch Verzicht darauf reagieren können. So wurden beispielsweise während der Finanzkrise nicht sparsamere Autos gekauft, keine Investitionen in andere Technologien getätigt etc. - und COVID gibt es ja auch noch. Aber ja: wer jetzt noch investieren kann oder seinen Konsum freiwillig einschränken kann hat ein Privileg und sollte es nutzen.
Danke für dieses, einmal mehr, enorm interessante Interview!
Ich erachte die Menge und Art der Sanktionen als eine recht explosive Gratwanderung. Wenn es stimmt, dass der Entscheid zum Krieg gegen die Ukraine von lnur ganz wenigen Personen aus Putin's Umfeld gefällt wurde und orchestriert wird, dann steigt mMn das Risiko, dass diese kleine Gruppe die Nerven verliert und zu drastischeren Waffen greift.
Und sei es nur, um nicht das Gesicht zu verlieren.
Damit will ich rein gar nichts gegen Sanktionen gesagt haben! Die geschlossene Reaktion des 'Westens' welche auch vor eigenen Kosten nicht halt macht (Beweggründe, welche Putin und seine Oligarchen vermutlich nicht nachvollziehen können) machen einen fast Hoffnung, dass es nicht immer - nur - ums Geld geht.
Auch zeigt die aktuelle Haltung Chinas, dass wir nebst der Verbrennung fossiler Energieträger aus Russland und Saudi Arabien (auch eine Art Diktatur) auch Produktion, Herkunft und Konsum der meisten Güter dringend überdenken müssen (Dörrbohnen aus China?... muss das sein?). Unsere globalisierten Wirtschaften sind mittlerweile komplett von China abhängig. China's Diktatur ist um keinen Deut besser, als die Russische.
Ich erachte die Menge und Art der Sanktionen als eine recht explosive Gratwanderung.
So langsam verstehe ich die Haltung der deutschen Regierung.
Sanktionen können sich auf 2 Arten auswirken:
eindämmend
als Eskalator.
Putin will scheinbar unter allen Umständen seine Ziele erreichen. Nimmt man ihm die Ressourcen weg, dann erhöht das auf ihn den Druck, seine Ziele kurzfristig erreichen zu müssen.
Und das ist nur durch eine Eskalation möglich, da die Mädels und Jungs in der Ukraine seine Truppen eher nicht mit Blumen willkommen heissen.
Angst
Das Bild mit Mädchen, eigentlich jungen Frauen, die Panzer mit Blumen "empfangen" stammt aus einer Fotolangage, die wir froh und frei im Unterricht und in der Erwachsenenbildung benutzt haben. Dort schon teilweise ausgeklammert, dass auch das jedenfalls 1968 nichts gebracht hat, dass die Besetzung (auch damals "Befreiung" genannt) von Prag geschah trotzdem. Aus unserem Land heraus, aus einer Generation heraus, die jetzt wirklich einfach bis anhin "verschont" worden ist, schaue ich auch mit Angst und Bangen nach Ost-Europa und hoffe, dass es auch (für Frauen, Kindern UND Männer) Möglichkeiten gibt, ohne nachträgliche Scham, lebendig da herauszukommen.
komplett von China abhängig
Und nicht nur von China, sondern in vielen Produkten steckt auch Erdöl drin. In manchen weniger und in manchen mehr. Um dennoch in sinnvoller Zeit möglichst gute Kaufentscheidungen treffen zu können, möchte ich Apps wie openfoodfacst.org laufend erweitern.
Garry Kasparow führt im TA von heute die drei Bedingungen für einen Zusammenbruch des Putin-Regimes auf: 1. Eine militärische Niederlage, 2. der wirtschaftliche und finanzielle Zusammenbruch und 3. die Isolation des Regimes. Zudem erodiert die Propaganda-Maschine, die sich selber gerade ad absurdum führt. Wenn das stimmt, dann könnte die jetzige Entwicklung der Anfang vom Ende für Putin sein.
Zu 1. Der Krieg ist bereits, auch mit noch so viel Gewalt und Terror, nicht mehr zu gewinnen: Eine russische Marionettenregierung in der Ukraine hätte weder ein Land noch ein Volk. Eine militärische Dauerbesetzung wäre nicht nur eine Tragödie für die Ukraine, sondern auch für Russland äusserst kostspielig und blutig. Afghanistan lässt grüssen!
Zu 2. Der wirtschaftliche Zusammenbruch ist offenbar im Gange und laut Gasparow "eine Frage von Wochen". Dabei haben wir noch längst nicht das Ende der Sanktionen gesehen, die inzwischen eine destabilisierende Eigendynamik in Gang gesetzt haben.
Zu 3. Das Regime isoliert sich immer stärker. Kein noch so autoritäres Regime kann sich jedoch alleine mit Terror an der Macht halten. Geht es bis zum Äussersten und ruft das Kriegsrecht aus, dann bricht jegliche Glaubwürdigkeit der Propaganda zusammen und jegliches Leben kommt zum Stillstand. Wer will für Putin sterben? Der Mann ist doch bloss der oberste Mafia-Pate Russlands, und jetzt hat er nichts mehr zu verteilen: Da wird die Loyalität der Gefolgsleute schnell brüchig und unsicher, und irgendwann macht auch der Repressionsapparat nicht mehr mit. Bis zum Ende bleibt Putin allerdings, mit dem Finger auf dem roten Knopf, eine existentielle Bedrohung für uns alle! Damit hat Kasparow leider nur allzu recht!
Ich bin von Natur aus Pessimist, darum muss ich - obwohl im mir im Innersten wünsche, dass Sie und Garri Kasparow Recht bekommen - hier dagegenhalten. Ich glaube nicht, dass der Krieg einen Umbruch in Russland auszulösen vermag. Putin sitzt zu fest im Sattel. Alle ökonomischen Schäden im Land wird er "dem Westen" anlasten und das wird die putinfreundlichen Geister zusammenschweissen. Im Gegenteil, scheint es mir plötzlich denkbar, dass der Konflikt eskaliert, es schlimmstenfalls sogar zum Einsatz von Atomwaffen kommen könnte. Da allerdings meldet sich mein bisschen Optimismus zurück. Russische Befehlshaber haben schon zweimal einen Nuklearkrieg verhindert, einmal während der Kubakrise (Wassili Alexandrowitsch Archipow) und dann im Kalten Krieg (Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow). Ich hoffe, dass es wieder kühle Köpfe im Militär geben wird, die sich Protokollen oder Befehlen widersetzen, die einen Nuklearkrieg auslösen würden.
Die Zeit läuft auch - vielleicht vor allem - gegen uns. Putler hat alles in RU gleichgeschaltet und unterdrückt was er kann, sofort.
Er bleibt der Mann mit dem Finger am Abzug. Und, sollten wir es soweit treiben, dass er sein "Gesicht" verliert, wäre er fähig, diesen Knopf zu drücken. Wir müssen aufhören, ihn nicht nach seinen Worten zu beurteilen. Keine Fehler mehr diesbezüglich.
Die Sanktionen greifen langsam, sind jedoch bei weitem nicht genügend, solange wir TÄGLICH 600-800 Milliarden an ihn bezahlen für Energielieferung.
Wir bezahlen den Ukrainekrieg.
Und die Zeit, die uns davonläuft, wird uns vor einer enorm schwierigen Wahl stellen: Was machen wir, schliesst sich der Kreis um Kiew und putler anfängt alle Bewohner zu ermorden? Schauen wir zu?
Nein, es ist noch fast nix gewonnen, im Gegenteil. Sein Aufbäumen kann unser Ende bedeuten.
Sind wir bereit für unsere "Freiheit" zu sterben?
Ist jetzt zwar nicht das Hauptthema, aber haben Sie eine Quelle für Ihre Zahlenangabe? Das statistische Bundesamt weist für den Handel von Russland nach Deutschland ein Volumen von 33 Milliarden Euro aus. Zum überwiegenden Teil handelt es sich dabei um Gas und andere Rohstoffe. Da Deutschland vom Gasexport Russlands in die EU etwa einen Anteil von einem Drittel hat (Statista), kann man in etwa hochrechnen, wie viel Geld da fliesst. Aber auch wenn ich noch so grosszügig aufrunde, komme ich nicht auf die von Ihnen genannten Zahlen.
Guten Tag Herr Leemann,
Die Republik trägt letztlich die Verantwortung für die Inhalte hier im Magazin – auch für diejenigen im Dialog. Wenn Sie solche schwerliegenden Vorwürfe machen, bitte verlinken Sie Quellen, prüfen Sie und ordnen Sie diese ein.
Ansonsten halten wir uns vor, solche Kommentare zu löschen.
Auch ist es ein emotionalisierendes Thema und die Stimmung kann schnell kippen: Wenn es zu viel wird, ziehen Sie lieber einen Strich, atmen einmal tief durch und kommen später auf die Debatte zurück. Dies hilft meistens, den Kopf etwas zu klären.
Freundlich,
AB
U. B.: habe den Artikel noch nicht gelesen, da meine Info-Reihenfolge derzeit ganz anders ist. Aber: das alles scheint mir einleuchtend, gefällt mir, ist aber immer wieder, v.a. zwischen den Zeilen, zu optimistisch. Trotzdem oder erst recht: die Hoffnung stirbt zuletzt!
Danke für die gute Übersicht.
Davon stammen ungefähr 700 Millionen aus dem Öl- und etwa 150 Millionen aus dem Gashandel
Das wäre sowohl kurz als auch langfristig der beste Ansatzpunkt und auch deshalb lohnt es sich dies umzusetzen.
Besten Dank für dieses Interview mit sehr wertvollen Einschätzungen. Was mir (wie in allen Medien) etwas fehlt, sind Fragen dazu, wie Russland zu seiner aggressiven Strategie kommt. Der Wille, die Entscheidungsfindung zu verstehen, womit ich nicht meine, diese auch zu akzeptieren. Der russische Angriffskrieg wird nun gerne als Werk eines irren Zirkels dargestellt. Gleichzeitig geht vergessen, dass die westlichen Mächte in den letzten 20 Jahren gleich drei Angriffskriege auf souveräne Staaten geführt haben (Afghanistan, Irak, Libyen). Welchen Einfluss hatte diese Missachtung des Völkerrechts durch die Nato auf die jetzige russische Politik? Fühlt sich die russische Öffentlichkeit ausserhalb des Machtzirkels bedroht durch die Nato? Solche Fragen an Experten würde ich ebenfalls sehr schätzen.
Ich glaube - weiss es aber nicht mit Sicherheit - dass das NATO-Argument ein untergeordnetes ist. Was Putin im Wesentlichen antreiben dürfte, erschliesst sich, wenn man mal eine Karte des Sowjetreichs inkl. der "Einflusszonen" betrachtet und sie mit dem heutigen Russland und seinen Einflusszonen vergleicht. Da haben erhebliche Gebietsverluste stattgefunden. Obwohl Russland noch immer mit deutlichem Abstand das grösste Land der Welt ist, schmerzt es Putin, diesen schwindenden Einfluss zu sehen.
Auch die ehemaligen Einflusszonen haben sich mehrheitlich von Russland, dem Nachfolger der UdSSR ab- und Europa zugewandt. Man hat die Massenmorde gegen die eigene Bevölkerung (Polen), die Entsendung von "Friedenstruppen" (Ungarn, Tschechoslowakei) und die gezielten Ansiedlungen von Russen um die lokale Bevölkerung zu marginalisieren (Baltikum) nicht vergessen. Vor allem haben diese Länder gesehen, wie schnell sich ihr Lebensstandard verbessert hatte, nachdem sie frei waren und noch besser wurde er durch den EU-Beitritt. Während in Russland immer noch grosse Teile der Bevölkerung kaum besser leben (manche sogar schlechter) als vor dem Umbruch. Nur einer kleinen Elite ist es gelungen in Saus und Braus zu leben.
Wo also liegt die Stärke Russlands, wenn nicht in der Fähigkeit sich Nachbarn zu Freunden zu machen (Carl Bildt, ehemaliger schwedischer Ministerpräsident), seine Ökonomie zu entwickeln, wie China es in aufsehenerregendem Tempo tat, seine Rohstoffeinnahmen so zu verteilen, dass Infrastruktur und Wohlstand allen zugutekommen, einen Rechtsstaat mit Gewaltentrennung zu erstellen, der überhaupt die Basis für alle anderen Entwicklungen darstellt? Die einzige Stärke Russlands, einem Land mit dem ökonomischen Gewicht Italiens, ist es, sich weiterhin die grösste Nuklearstreitkraft der Welt zu leisten. Das und in dessen Schatten eine überdehnte Armee sind das einzige, das Putin als Hebel besitzt, um seiner Trauer über verlorene Gebiete Nachachtung zu verschaffen. Er hat ihn gnadenlos eingesetzt in Tschetschenien (das ebenfalls unabhängig werden oder zumindest mehr Autonomie erhalten wollte), in Georgien, einem von Russland provozierten Krieg, auch wenn der erste Schuss von georgischer Seite erfolgte, bei der Annexion der Krim, im Donbass (Ostukraine), in Syrien und nun auch im ganzen Gebiet der Ukraine.
Dass die NATO sich "nach Osten" ausdehnt (die Türkei war schon immer noch östlicher und hatte eine gemeinsame Grenze mit der UdSSR und auch heute noch mit Russland im schwarzen Meer) ist schon mal eine übertriebene Behauptung. Dass die NATO Russland umzingelt geradezu lachhaft, man sehe sich mal eine Karte an. Ulrich Schmid von der Uni St. Gallen hat ausgerechnet, dass ganze 2% der Landesgrenze an NATO-Gebiet grenzt.
Es mag sein, dass Putin in Gesprächen mit westlichen Ländern sich nicht gerecht behandelt gefühlt hat. So was kommt vor. In einer Demokratie lösen sich solche "feinstofflichen" Probleme dadurch, dass es auch mal zu Abwahlen und Rücktritten kommt und neue Menschen mit frischem Kopf an eine Sache herangehen können. Putin aber hat sich dauerhaft installiert und kann seine nachtragenden Emotionen auf westliche Länder zeit seines Lebens immer wieder kultivieren. Deshalb - so meine ich - ist das wichtigste, das Russland braucht ein Rechtsstaat, der einen Wettbewerb der Ideen erlaubt und fördert und damit Alternativen zu Putin eine Chance gibt.
Da das auf politischem Weg nicht zu erreichen ist - die Opposition ist weitgehend ausgemerzt - und eine Revolution viele Unwägbarkeiten bringt, kann man nur auf Putins Nachfolger hoffen und darauf, dass die Natur den Abgang Putins nicht unnötig verzögert.
Auch ich finde Ihre Fragestellung, Herr Salvi, relevant (leider 'erntet' man momentan ziemlich viele 'Daumen nach unten', wenn man sie stellt ;-).
Dabei kann ich beiden Sichtweisen:
Die Nato ist zumindest mit-schuldig an der jetzigen Eskalation
Die gehabte Ost-Erweiterung der Nato spielt bei der jetzigen Situation eine allenfalls untergeordnete Rolle
So Einiges abgewinnen. Wir wissen es einfach nicht. Auch mich würden sachliche Expertenmeinungen, ungetrübt von den momentanen Emotionen, so sehr verständlich diese auch sind, sehr interessieren!
Es gibt ein recht interessantes, offizielles Dokument von 2002, das man bis vor kurzem auch auf der offiziellen Kreml-Website herunterladen konnte. Aktuell ist die Website unter starkem Beschuss und es ist schwierig geworden dort etwas zu finden. Aber es gibt ja zum Glück das Webarchiv und so ist das Dokument, auch in englischer, aber offizieller Übersetzung doch noch zugreifbar. Ich zitiere daraus:
Question: Is Russia going to join NATO? What major changes do you foresee in the relations between Ukraine and NATO? And how do you see the pattern of Ukraine-Russia-NATO relations in the future?
Vladimir Putin: Russia does not intend to join NATO. Russia, as you know, is engaged in a very constructive dialogue with NATO to create a new Russia-NATO structure “at twenty”, in which all twenty countries will be represented as nations, each having one vote, and all the issues will be solved without prior consultations, without any prior decisions on a number of issues being taken first within the bloc. [...]
I am absolutely convinced that Ukraine will not shy away from the processes of expanding interaction with NATO and the Western allies as a whole. Ukraine has its own relations with NATO; there is the Ukraine-NATO Council.
(Hervorhebung durch mich)
At the end of the day the decision is to be taken by NATO and Ukraine. It is a matter for those two partners.
Original-Dokument: http://en.kremlin.ru/events/preside…ipts/21598
Web-Archiv: https://web.archive.org/web/2019021…ipts/21598
(kurze Zusammenfassung auf Deutsch)
Russland (Putin) hat mit einem allfälligen NATO-Beitritt der Ukraine kein Problem und weist darauf hin, dass dies allein eine Angelegenheit zwischen der Ukraine und der NATO ist.
Es gab noch andere Gelegenheiten, bei denen das offizielle Russland sich zu NATO-Beitritten von z.B. den Baltischen Staaten geäussert hat. Auch diese waren wohlwollend im Sinne von "wenn die Länder der NATO beitreten wollen, ist das allein deren Sache". Daraus schliesse ich, dass das seit einigen Jahren wiederkehrende Gejammer um die NATO-Expansion reine Propaganda ist. Ich würde sogar behaupten nichts hat Putin in den vergangenen 20 Jahren mehr getroffen, als von Obama als Regionalmacht bezeichnet zu werden und es genau dieses Gefühl ist, das ihn schmerzt. Nicht mehr allein und auf Augenhöhe mit den USA zu verhandeln, sondern in der G8 mit Ländern, die einst vor der UdSSR "gezittert haben". Im NATO-Russland-Rat sich ehemaligen Ländern des Warschauer Pakts gegenüber zu sehen, Länder, die man einst nach Belieben manipulierte.
Die Kränkung Russlands mag Putin tatsächlich empfunden haben, aber die NATO als Institution ist nicht der Hauptakteur in dieser Geschichte.
Nach der Auflösung des Warschauer Pakts hatte ich die Vorstellung, dass auch die NATO langsam heruntergefahren und schliesslich abgewickelt würde. Es brauchte sie aus meiner Sicht nicht mehr. Auch war ich erstaunt, dass so viele ehemalige Ostblockländer in die NATO aufgenommen werden wollten. Warum nur, ihr seid doch jetzt friedlich in die Unabhängigkeit entlassen worden? Tja, offenbar konnten eben diese Länder ihren ehemaligen Okkupator besser einschätzen als ich, der ich - trotz Tschetschenien-Krieg - beeindruckt war von Putins Auftritt im Bundestag. Ich glaubte an eine positive Entwicklung, daran, dass der Ex-KGB-ler in seinem Amt wächst und den USA jeden Grund für deren weiterhin aufgeblähten Militärapparat nehmen würde. Wie konnte ich nur so falsch liegen...?
Antworte mir da gleich selbst, weil ich eine dritte Möglichkeit (Geschichtsvergessenheit?) völlig ausser Acht liess:
Die ehemals unter Sowjetkontrolle gestandenen Osteuropäischen Staaten selbst baten um eine NATO- (und auch EU-) Mitgliedschaft!
Wenn man zurück schaut auf die Geschichte seit Ende der Achtziger Jahre, dann ist dem schon auch so.
Ich selber vertrat bis jetzt die erste Sichtweise oben, nämlich dass die NATO-Osterweiterung und die USA als treibende Kraft hinter der Nato, die Hauptursache für Putins Krieg gegen die Ukraine sei. Aber die Geschichte stützt diese Annahme nicht wirklich.
Wenn man bedenkt, dass alle diese Staaten jahrzehntelang unter direkter Sowjetischer Kontrolle standen, ist deren Streben nach selbstbestimmter Freiheit ja nur all zu verständlich.
Im Blog 'The Soapbox' auf der Website 'The New Republic' ( https://newrepublic.com/article/165…alism-nato ) bezeichnen die beiden Autoren Jan Smoleński und Jan Dutkiewicz genau diese Sicht von einer Osteuropäischer Warte her.
Und wenn dem so ist, dann greift die Version, dass einzig das westliche Expansionsstreben Schuld an diesem Krieg sei ziemlich zu kurz - und entlarvt damit auch Putins eigene Rechtfertigung als Feigenblatt zum Verdecken seiner eigenen machtblock-zentrierten Sicht der Dinge und seine Behauptung, dass der Westen immer mehr Richtung Osten strebe, als Lüge. Es wären, wenn schon, die ehemals von der Sowjetunion kontrollierten Staaten, welche nach Westen streben. Spannend, oder?
Zur rationalen Erklärung für Putins Politik, die Sie suchen, gibt es eine parallele, irrationale Erklärung und eine Analogie aus der Strassensozialarbeit kann dies illustrieren: Über das Zuschlagen in einer grenzwertigen Situation entscheidet einzig und allein die betrunkene, die unter Drogen stehende oder die psychisch instabile Person, wobei alles (!) bei ihr die Ampel dafür auf Grün stellen kann (Trigger):
Ein Blick, eine Bemerkung, blosses Ignorieren, meine Kleidung, ihre Kleidung, der Druck der Situation ...
Ich vermute, dass bei Putin da ganz viel Äusseres und Inneres zusammenkommt, dass aber der Westen schlussendlich aussen vor blieb bei Putins einsamem Entscheid zum lange vorbereiteten Krieg.
Oder war es das DDR-Volk, das nach der Erstürmung der Dresdener Stasi-Zentrale auch das dortige KGB-Hauptquartier mit dem verantwortlichen Putin bedrohte? Schliesslich fiel kurz danach und als Putins "grösste Katastrophe des Jahrhundets" die Sowjetunion in sich zusammen. https://eprimefeed.com/latest-news/…den/20754/
PS. Wer gibt mir eine Erklärung für die Down-Votes, nachdem viele Experten und Kommentatoren (natürlich nur im Westen ;) die Allergie Putins auf Volksaufstände wie Maidan, Tahrir, Belarus und sogar die Capitol-Riot herausstreichen?
Es sind interessante Überlegungen, deren relativen Optimismus ich aber nicht ganz teilen kann. Die Auswirkungen der Sanktionen werden auch bei uns sehr spürbar werden. Viele Dinge, an die wir uns gewöhnt haben, könnten auch bei uns verschwinden. Sind wir bereit, Einschränkungen hinzunehmen? Wird es zu einem Umdenken bezüglich Geschäften mit Oligarchen und Autokraten kommen? Kann die Katastrophe dieses Krieges zum Anlass genommen werden, unsere Gewinn orientierte Ausbeutung von Natur und Menschen zu hinterfragen und andere Formen des Zusammenlebens zu suchen?
Ich fürchte, die Solidarität wird bald einmal Brüche bekommen, und die Wirtschaft und Finanzindustrie wrden ihre Forderungen zur Aufhebung der Sanktionen schnell laut werden lassen. Diese Kräfte sind, unterstützt von reaktionären Putin-Bewunderern, nicht zu unterschätzen.
Viele Dinge, an die wir uns gewöhnt haben, könnten auch bei uns verschwinden.
Haben Sie eine Vermutung, was das konkret sein könnte? Je besser wir jetzt bereits wissen, was wegfallen wird, desto besser können wir uns vorbereiten. Ich sehe in erster Linie fossile Brennstoffe und Geld. Gibt es noch einen weiteren wesentlichen Bereich?
Ich bin nicht Fachmann auf diesem Gebiet, aber ich vermute, dass der Grundbedarf an Energie, Nahrungsmitteln, Kleidung etc. deutlich teurer werden wird und dass unser bis anhin fast unbeschränkter Freizeitkonsum Einschränkungen unterworfen sein wird, die aus ökologischer Sicht zu begrüssen sind, die aber die soziale Ungleichheit verstärken können. Die sozialen Spannungen, die daraus entstehen werden, dürfen nicht unterschätzt werden. Es braucht einen starken gesellschaftlichen und politischen Willen, hier Gegensteuer zu geben.
Ich lese den Text, aber seit gestern Abend, seit Frau Bobrowski es bei Lanz äusserte, denke ich nur an eins:
Was machen wir, wenn der Ring um Kiew geschlossen ist und putler anfängt, alle zu ermorden, die noch in der Stadt sind?
Schauen wir zu?
Es ist ja kein Nato-Land...
Einfach zuschauen, bis zum Ende?
Wir werden nicht viel mehr machen als in Tschetschenien, in Aleppo und Somalia. Hauptsächlich Kopf in den Sand, auf Zeit spielen, hoffen dass es vorüber geht und der Glückskette spenden. Viele werden politisiert werden und sich persönlich engagieren, anderen wird im Sommer das Ferienziel wieder wichtiger sein.
Trotzdem, die 'Zeitenwende' wird uns einholen.
Luisa Neubauer (26, Mitglied B 90/die Grünen) war gestern auch da (Lanz!) und sprach wie gewohnt klar und deutlich über ungeschminkte Wahrheiten. Ich wiederhole mich hier: Frauen, knapp 40 und jünger, grün, werden unsere Zukunft massgeblich mitprägen.
Na ja, mit einem entscheidenden Unterschied. Nämlich Sanktionen, wie es sie in diesem Ausmass nur für Nordkorea, Iran oder Kuba gibt. Und die Länder hatten es alles andere als leicht dadurch. Im Iran und auf Kuba regt sich durchaus Unmut. Und Unmut passt Putin gar nicht. Anderseits kann er auch nicht halb Russland ins Gefängnis stecken. Wir müssen uns selbst die Frage stellen: sind wir bereit, etwas von unserem Wohlstand herzugeben um Frieden zu fördern? Tanken wir also weiterhin Benzin aus Kasachstan oder Libyen, oder fahren wir mit Sonnenstrom vom Hausdach?
Ich bin kein Freund davon "die da oben" als allein Verantwortliche zu sehen. Die Politiker machen das, was ihr Volk bei Laune hält. Dafür wurden sie gewählt. Und das war in der Vergangenheit unter anderem Konsum ohne Ende. Der hat halt seine Kehrseiten. Wenn wir bereit sind auch mit weniger auszukommen und Politiker wählen, die Frieden und Demokratie fördern statt Autokraten zu alimentieren, dann dürfen wir auch hoffen, dass unser Geld nicht mehr an Potentatenstaaten geht, sondern möglichst viel im eigenen Land zirkuliert und das Geld, das unser Land verlässt in Demokratien fliesst.
Ich habe Lanz nicht gesehen, aber in der eroberten Stadt im Süden wurde offenbar der Bevölkerung verkündet: "Verhaltet Euch ruhig, dann passiert niemandem etwas". Ziel von Putin ist ja nicht ein verbranntes, entvölkertes Land (auch wenn es vielleicht darauf hinausläuft), sondern ein demilitarisiertes, neutrales Land mit einer anderen Regierung.
Putler und seine Armee schiessen nicht auf zivile Gebäude, auf Zivilisten, sie werfen keine Fassbomben und andere, verbotene.
Er ist auch nicht im Krieg, sondern in einer Operation.
Die, die umkommen, sind allesamt Nazis.
Es ist bisher noch nichts passiert.
Meinen Sie das?
Natürlich, das gilt ja schon und immer mehr in der Russischen Föderation: "Verhaltet Euch ruhig, dann passiert niemandem etwas". Ausser jenen auf den Listen.
Pikantes Detail: Putin lobte gestern seine Soldaten und sprach dabei von 'Genossen'. Auf jeden Fall wurde es simultan so übersetzt. Meine Assosiation führt vom Genossen zum Gulag und den Sowjets.
Danke für diesen Beitrag. Hat mein Verständnis verbessert.
Putinversteher - einmal intelligent gedacht und aus unverdächtiger Quelle (geht auch ohne Abonnement): https://www.nzz.ch/international/pu…duced=true
Jetzt verstehe ich, worum es überhaupt geht. Allerdings wird im ersten Teil auch hier wieder die (amerikanische) Geschichtsschreibung von Ukraine und Russland als einem Volk vorgetragen, welche völlig auslässt, dass der westliche Teil der während sehr langer Zeit österreichisch und österreich-ungarisch war. Ich glaube, da sind die Amerikaner dem Putin auf den Leim gekrochen, denn dieses Völkerdingsbums ist seine Theorie. Dabei kommt es auf diese alte Völkergeschichte überhaupt nicht an. Es geht doch nur darum die Souveränität eines Landes in seinen Grenzen zu respektieren.
Aber der zweite Teil des Clips ist eine Offenbarung.
Vorhin habe ich bei einer FAZ-Umfrage für die Sanktionen gegen Russland gevotet. Aber, ob es etwas bringt? Einem Diktator ist es egal, wenn das Volk (noch mehr) leidet, denn es ist ja für seinen höheren Zweck. Anders in einer Demokratie: die Schweiz und andere würden bald einknicken, Russland aber so wenig wie der Iran und seinerzeit der Irak: https://www.youtube.com/watch?v=xYXK7uh93Uo
Inhalt: "In einem Fernsehinterview 1996 antwortete Albright auf die Frage, ob das US-amerikanische Embargo gegen den Irak, das eine halbe Million irakischer Kinder das Leben gekostet hat, diesen Preis wert gewesen sei, mit: „Es ist diesen Preis wert.“ In ihrer Autobiografie bezeichnete sie diese Antwort später als „politischen Fehler“"
Das ist keine amerikanische Geschichtsschreibung, sondern tatsächlich so, dass die Gründung Russlands auf die Kiewer Rus zurückgeht, dass also Skandinavier(!) zusammen mit ansässigen Stämmen die Keimzelle des Russischen Reichs bildeten. Aber so, wie die Keimzelle Österreichs (oder genauer der Habsburger) in der Schweiz liegt, so liegt nun mal der Ursprung Russlands heute im Ausland. Dass danach vieles passiert ist und die Ukraine allerlei erlebt hat, sich schliesslich ein Bewusstsein für ihre Eigenstaatlichkeit entwickelt hatte, ist aber auch wahr. Das ist es aber, was Putin bestreitet, dass die Ukraine jemals ein eigenständiger Staat war. Und das ist historisch falsch. Das sage nicht ich, sondern z.B. der Russland-Ukraine-Kenner Ulrich Schmid von der Uni St. Gallen. Das sagen aber auch alle Historiker, die ausserhalb des Kremls ihre Meinung äussern können. Bis vor ein paar Jahren, war das international alles völlig unbestritten. Putins Propaganda versucht mit seiner Geschichtsklitterung einfach Gründe für den Einmarsch zu produzieren. Darauf sollte man nicht hereinfallen. Leider tun es viele Russen dennoch.
Mark Brzeszinsi, US-Botschafters in Polen, sagte heute gegenüber John Heilemann, dass es Putin um die Städte Kiew und Odessa geht, Perlen im Zarenreich zur Blütezeit. Das führt die Begründung des Krieges mit der Rus-Geschichte ad absurdum.
Edit: Neufassung letzter Satz.
Herzlichen Dank für dieses Interview und die hervorragende Wahl des Interviewpartners, leistet wirklich viel Einordnung. Für einmal wünschte ich mir tatsächlich, dass ein Republik-Artikel länger ausfiele!
(Ihr hättet echt noch mehr in die Details gehen können, bspw. auf die mögliche Rolle Indiens. Janis Kluge scheint ja sehr kompetent auf dem Gebiet...)
Ich halte diesen Artikel für etwas zweckoptimistisch. Die Sanktionen sind für Russland zweifellos dramatisch. Aber ich sehe nicht, dass Russland dadurch von der Weltwirtschaft komplett abgehängt wäre. Mit China und Indien stehen zwei potente Industrienationen bereit, das durch den Wegfall des Handels mit westlichen Industrienationen entstandene Vakuum zu füllen. Die Ukraine wehrt sich tapfer und mutig. Aber Russland fehlt es nicht an Entschlossenheit, seine Kriegsziele in der Ukraine zu erreichen. Wer sich nicht scheut, mit dem Einsatz von Atomwaffen zu drohen und beängstigende Drohszenarien mit zivilen Atomanlagen zu inszenieren, wer zivile Opfer durch exzessive Bombardierungen nicht in Kauf nimmt, sondern als Mittel des Terrors aktiv betreibt, ist kaum zu stoppen. Der ukrainischen Bevölkerung bleibt ausser der Flucht mittelfristig nur passiver Widerstand. Ich bezweifle, dass sich unter der harten Hand des Kremls ein Partisanenkrieg entwickeln kann. Zwar gab es in der Ukraine im zweiten Weltkrieg und bis in die Fünfzigerjahre eine starke Partisanenbewegung, welche jedoch durch ihre teilweise Kollaboration mit den Nazis bis heute außerhalb nationalistischer Milieus kompromittiert ist. Putin wird nicht zögern, einer allfälligen Partisanenbewegung mit skrupellosen terroristischen Massnahmen gegen die Zivilbevölkerung zu begegnen - umsomehr, wenn er diese als real existierenden Beleg für seine Propagandalüge, dass die ukrainische Regierung in der Hand von "Faschisten und Banderisten" sei instrumentalisieren kann.
Wie die russische Bevölkerung auf das Ganze reagieren wird, ist noch nicht absehbar. Angesichts der aktuellen Situation, in welcher die grosse Mehrheit durch eine Mischung aus Desinformation und Repression in Schach gehalten wird, scheinen mir Szenarien der Auflehnung aktuell wenig wahrscheinlich.
Weitgehend einverstanden, aber stellen Sie sich mal vor, die Schweiz müsste alles was von Europa und den USA stammt und wohin wir unsere Waren liefern, durch China und Indien ersetzen. Das ist nicht das gleiche. Russland ist bei der Erdöl- und Gasförderung auf Know-how von westlichen Ölmultis angewiesen gewesen. Wie rasch kann China, das weniger Erfahrung hat mit der Förderung dieser Ressourcen einspringen? Zudem ist der Gas-Deal, den Russland mit China geschlossen hat, finanziell weit weniger lukrativ als der mit der EU. China hatte nach der Annexion der Krim die Gunst der Stunde erkannt und gut verhandelt.
Und Indien? Ein bevölkerungsmässig grosses Land (wohl bald einmal dass grösste), aber mit noch viel grösseren eigenen Problemen und Grenzstreitigkeiten mit China und Pakistan.
Niemand wird behaupten, dass Russland durch die Sanktionen untergeht. Aber wenn man die langen Schlangen vor den Geldautomaten in Russischen Städten sieht, die nach so kurzer Zeit entstanden sind, dann wird einem klar, dass zumindest mal eine Nachricht an das Russische Volk gesandt wurde.
Russen die reisen, oder im Ausland studieren und auch die Russen, die im Baltikum leben, sehen mit eigenen Augen, wie viel besser es in anderen Ländern steht, die keine grossen Rohstoff-Reserven haben wie Russland. Die machen sich ihre Gedanken.
Der bereits existierende Braindrain wird sich beschleunigen. Tausende Russen sitzen praktisch auf gepackten Koffern. Und es sind nicht die Schlechtesten, die das Land verlassen wollen...
Sie bringen ein paar weitere Beobachtungen ins Spiel, welche ich nicht in Frage stelle. Es gibt sicher eine gebildete eher städtische Elite, welche Putin sehr wohl durchschaut und von seiner Politik angewidert ist. Aber es gibt eben auch eine grosse Zahl von Leuten, deren Sicht durch Dauerpropaganda und Repression vernebelt ist. Es liegt mir fern, das heutige Russland mit dem Dritten Reich auf eine Stufe stellen zu wollen (deshalb finde ich auch die Umbenennung Putins in "Putler" eine Verharmlosung der Nazidiktatur). Aber es gibt ein paar nicht zu übersehende Parallelen: auch Putin verklärt seinen Feldzug mit einer "Mission" - der "Befreiung" vom "faschistischen Joch" der gewählten Regierung. Und grosse Teile der Bevölkerung halten still, sei es aus Angst oder Opportunismus. Aber natürlich gibt es auch Unterschiede. Von Kriegsbegeisterung ist in Russland nichts zu sehen. Dies ist ein grosser Unterschied zum Jubel über die Annektierung der Krim 2014 - und für mich ein Zeichen der Hoffnung.
Leider haben Sie wohl recht.
Sehr hörenswert zum Thema Sanktionen für all die, die nicht genug von harten Sanktionen bekommen können:
Sanktionen sind Krieg mit anderen Mitteln. Ja, das ist eigentlich gut auf den Punkt gebracht. Aber seien wir ehrlich, die Länder die sanktioniert werden haben ja meistens auch eine Vorgeschichte, damit das geschieht. Und Sanktionen sind immer noch ein milderes Mittel als mit einem echten Krieg zu antworten. Es gibt aber sicher Sanktionen, die längstens hätten beendet werden müssen. Kuba fällt mir da spontan ein, das sicher keine Gefahr ist für die USA. Aber anderseits, haben die - trotz aller Sanktionen - ihrer Bevölkerung immer ein gutes Gesundheitssystem bieten können, ganz im Gegensatz zum Iran, das als Beispiel in dem Link angeführt wird. Vielleicht hätte man im Iran statt Uran anzureichern besser Medikamente subventioniert um die Sanktionen abzufedern?
Solange die Zivilbevölkerungen so einem großen Schaden davontragen, im irak sogar noch höher als der eigentliche Krieg, solange sollte die Länder die diese Sanktionen verhängen sich mindestens schämen. Die Russland Sanktionen werden abgefeiert, ich finde das befremdlich. Trotz Vorgeschichte und Diktatur an der Macht - die einfache Bevölkerung ist überall gleich gut und gleich schlecht. Die Frage ist - wie weit will man sie ausbluten lassen. Nur weil es stiller Krieg ist, wo sich niemand die Hände schmutzig macht, ist es noch lange kein besserer Krieg.
Zu diesem Thema passt m.E. Diese Information am besten.
Kristinn Hrafnsson aus gegebenem Anlass.
Möchten sie das vielleicht noch etwas genauer einordnen?
Zu welchem Thema passt welche Information weshalb am besten? Wer ist Kristinn Hrafnsson und warum ist sein Votum hier relevant?
Ich verstehe seine Worte so, dass er Journalistinnen und Journalisten an ihre Pflichten erinnert, in dieser Situation nicht zu spekulieren wie, auf welche Art und durch welche noch raffinierteren Boykotte sich die Völker Russlands aushungern lassen, sondern die Mechanismen aufzudecken, die zur heutigen Situation geführt haben. Es tut mir Leid, dass Sie Hrafnsson nicht kennen, und das als Republik-Leser. Wikipedia gibt Auskunft. Von mir nur so viel: Er macht jetzt Assanges Arbeit wahrscheinlich mit, oder so ähnlich. An Letzteren zu erinnern, fällt zurzeit nur wenigen ein. Das könnte sich aber bald ändern. Hoffentlich.
https://de.wikipedia.org/wiki/Krist…prov=sfti1
Einen guten Abend!
Man kann Krieg nicht mit Mitteln des Krieges beenden, nie, auch diesen nicht! Man kann Frieden nur «schaffen».
Etwas vom Besten was ich in den letzten Tagen dazu gelesen habe ist das Interview mit dem deutsche Filmemacher Alexander Kluge. Ich hoffe, ich darf den Link dazu hier teilen:
« Sieger ist nicht, wer die Schlachten gewinnt»
https://www.zeit.de/kultur/literatu…F#comments
Dem möchte ich hinzufügen:
Man stelle sich vor, die Initiative "Schweiz ohne Armee" wär damals angenommen worden. Man hätte die Milliarden die seither in’s Militär flossen in den Aufbau eines internationalen Friedensinstituts investiert, in welchem sich Expertengremien aus aller Welt hätten weiterbilden und austauschen können, Erkenntnisse und Programme entwickeln, und eine Reputation hätten aufbauen können, auf die wir heute würden zurückgreifen können. Mit all den Milliarden wäre das möglich gewesen!
Frieden schaffen, würde bedeuten, anstatt aufzurüsten, dafür einzustehen, dass dies auch jetzt noch möglich ist. Es würde natürlich auch beinhalten, sich mit den eigenen Anteilen auseinanderzusetzen, und nicht wie jetzt, sie sich bloss halbherzig einzugestehen ohne Wiedergutmachung, mit der Rechtfertigung, dass der Andere sowieso noch viel schlimmer sei als man selbst. Es würde - wie Kluge sagt- beinhalten, einen für beide Seiten annehmbaren Umkehr- oder Ausgangspunkt auszumachen, egal wie schlimm und -das ist wohl das allerschwerste – ungerecht das ist was der Andere tut, denn für den anderen sind wir genauso im Unrecht, sonst gäbe es keinen Konflikt.
Ich habe oft das Gefühl, im Namen der Gerechtigkeit unter Druck zu geraten, diese Eskalationsspirale als Preis des Widerstandes befürworten zu müssen, als gäbe es keine anderen Formen des Widerstandes!
Doch im Grunde gehe ich mit Kluge einig: "Die Urteilsbasis müsste lauten: Wo wäre selbst für einen Verrückten oder einen Bösen der Punkt, an dem er sich aus Realitätsgründen einigen kann.«
Die Stossrichtung "Frieden", und zwar ewiger, stösst natürlich bei allen (fast allen) Menschen auf offene Ohren und Herzen. Ein ur-altes Thema.
Nur wenige mögen Krieg.
Die, die es aber mögen verführen immer wieder auch die, die keinen mögen dazu, ihr Leben zu opfern für xyz (Heimat, Ehre, Rache, Geschichte, Zukunft, Vergangenheit, etc etc etc).
Es gab die Hoffnung, vor dem 1. WK, dass die Arbeiterschaft am Krieg der Firmenbesitzer nicht teilnehmen würden.
Das Gegenteil traf ein und die sozialistische Bewegung wurde davon schwer getroffen.
Solidarität der Klassen funktionierte nicht.
Theoretisch könnten die russischen Truppen "einfach" kehrt machen und nach Hause fahren.
Keinen Schuss feuern.
Kriege existieren seit tausenden von Jahren.
Da muss es einen Grund dafür geben, nicht?
Denn der Kapitalismus existiert ja erst seit ca. 200 Jahren. Nur am Gesellschaftssystem kann es nicht liegen.
Ganz offensichtlich schafft es der Mensch nicht, seit er existiert, dauerhaft, über Gespräche, Abmachungen, Verträge, eine friedfertige Situation herzustellen.
Versuchen tut er es. Das muss niemand behaupten, dass er es nicht versucht.
Oft schafftt er nur Frieden als "Frieden", NACH brutalen Kriegen und bereits mit dem Samen des neuen im inneren des "Friedens".
Wenn jemand, oder ein Land, angegriffen wird - soll die Person/das Land sich verteidigen oder nicht?
Soll er die "andere Wange" hinhalten?
Sollen die Menschen untätig zusehen, wie andere vergewaltigt und ermordert werden?
Wir können nicht von einer Welt ausgehen, bevölkert von lauter liebenswerten, besonennen, dem Dialog zugewandten und sich an Abmachungen haltenden Menschen, sondern von einer gewalttätigen.
Also, wie verhaltet man sich, wenn andere gewalttätig werden? (Z.B. Zivilcourage, aber auch Kriege)
Wie soll man/die Gesellschaft sich verhalten (vorbereiten?) auf mögliche Wechsel der Situationen, vom Zustand vom Frieden zu demjenigen von Krieg (Mobbing, z.B.)?
Was also im Privaten, im Alltag geschieht, speist sich aus denselben Aggressionsquellen wie interkontinentale Kriege.
Was also im Privaten üblich ist, wie keine Zivilcourage, keine Verantwortung für seine Handlungen tragen - oder gar aggressives Verhalten im Kleinen (andere Meinunge tolerieren) - ist das gleiche, wie das Verhalten auf der grossen "Bühne".
In nichts ist es im Wesen anders.
Wie also kriegt man dies in den Griff, falls überhaupt möglich?
Ausgehend von einer unperfekten Gesellschaft/Welt.
Zuallererst, indem man mit gerechten Steuern verhindert, dass sich exorbitante Einkommensunterschiede, die mit keiner Leistung gerechtfertigt werden können, entstehen, und damit soviel Macht, dass einzelne Menschen über das Schicksal ganzer Länder bestimmen können, das ist zumindest in Demokratien möglich.
indem man die Kinder nicht zu Egoisten und "Götter" erzieht, sondern der Realität entsprechend aufzeigt, wie in einer hochgradig arbeitsteiligen Welt ALLE am Fortschritt beteiligt sind, und demnach ALLE eine existenzsichernde Entlöhnung erwarten dürfen.
indem man in der Schule Konfliktbewältigung und Spieltheorie lehrt.
indem man auf lokaler Ebene wieder Allmenden einführt, die gemeinsam bewirtschaftet werden müssen.
indem man Zivilcourage in der Schule lehrt, sowie die Methoden der grossen Vorbilder Gandhi und Mandela. Sie haben aufgezeigt, dass man mit gewaltlosem Widerstand ganze Imperien in die Knie zwingen kann (England war dazumal mächtiger als Russland heute), und das mit viel weniger Opfer als im Krieg, oder wie man ein zutiefst gespaltenes und von gegenseitigem Hass verseuchtes Land mit neuen Narrativen und gemeinsamen Zukunftsaufgaben vereinen kann.
indem man die Hürde für Kriegstreiber und Autokraten durch geeignete Massnahmen so hoch setzt, dass sich ein Krieg für diese Leute nicht mehr lohnt. Ein Krieg braucht neben Macht auch sehr viel Geld. Ohne Geld keinen Krieg.
indem man Pazifisten nicht weiter belächelt, sondern sie ernst nimmt und ihnen zuhört, sie in die Lösungsfindung in einem Konflikt einbezieht.
indem man nicht Konkurrenzdenken fördert, sondern Kooperation.
...
Ich sehe ihre Punkte durchaus. Aber man muss dieser Dynamik des Krieges, die Kluge treffend mit einem Virus vergleicht, der die Köpfe weit über das Kriegsgeschehen hinaus infisziert, etwas entgegensetzen. In Bezug auf ihre letzten Frage z.B. indem man Instanzen dafür schafft, die nichts anderes tun als Programme zur Lösung solcher Probleme zu erarbeiten, auch in Friedenszeiten, und breit in diese zu investieren.
Wir haben in der Pandemie gesehen, was alles plötzlich möglich ist, wenn man nicht einfach mehr sagen kann: "aber das geht nicht, das nützt nichts und dies funktioniert sowieso nicht...etc". Man kann für verschiedene Bereiche Taskforces schaffen, Für ausgefahrene Situationen in Kriegssituationen, für die menschenwürdige Aufnahme der Geflüchteten die bald hier eintreffen werden etc. genauso wie man das in der Pandemie gemacht hat. Aber man muss unbedingt weg von diesem Deken, dass Gewalt nur mit Gegengewalt zu lösen ist und wir diesem Fakt einfach ausgeliefert wären. Man muss Beispiele dafür schaffen, die das Gegenteil beweisen, in viel weiterem Ausmasse als wir das bisher getan haben.
Natürlich, jetzt existieren all ihre Punkte immernoch, dennoch muss man all das tun. Wenn so ein Vorgehen Früchte trägt, wird es sich gezwungenermassen weiter auswirken.
Danke Frau Hauenschild Horlacher, ja das dachte ich auch, leider!
Ich hätte gern präzisere Informationen zu diesen Sanktionen. Offenbar sind sie sehr löcherig, weisen unzählige Ausnahmen auf, um die Erlasser zu schützen ind um „Freunde“ zu schonen. Es ist absolut unklar, ob zB der Ausschluss aus Swift effektiv wirkt oder sehr einfach umgangen werden kann. Können ausgeschlossene Banken ihre Zahlungen nicht über nichtausgeschlossene Banken wie Sber abwickeln ? Sind die Rohstoffkonzerne betroffen etc. Absolut unklar und schwammig.
Die Sanktionen sind nicht wasserdicht, aber es ist anderseits auch wichtig, dass es nach oben immer noch Luft hat. Putin muss wissen, dass es noch schlimmer kommen kann, keinesfalls darf er denken, dass das Sanktionsarsenal irgendwann ausgeschöpft wäre.
Will heissen: in der EU laufen gerade die Zahnräder heiss um Alternativen zu einer Gaslieferung aus Russland sicherzustellen. Experten sagen, das sei machbar, wenn auch teurer. Ist man dereinst völlig unabhängig von russischem Gas, kann man auch die restlichen Banken aus dem Swift-System schmeissen. Putin wird das wissen und genau dieses Damoklesschwert ist es, das ihn VIELLEICHT wenigstens etwas zurückhalten wird in seiner furchtbaren Rage.
Vielen Dank für diesen Beitrag. Danke überhaupt für das Dranbleiben auch gerade hier mit den von Republik entdeckten, recherchierten und gepflegten Möglichkeiten.
habe eben in eine Diskussion mit ehemaligen Kolleg:innen 82plus in Deutschland hineinlauschen dürfen. Zwei Sätze daraus: "ich hätte eventuell lieber einen feigen als einen toten Vater gehabt" "ich hätte lieber einen toten (heroisch gefallenen!) Vater gehabt, als einen der nach sechs Jahren russischer Gefangenschaft zwar lebendig aber als kaputter Mensch wieder zu uns "heim?"kehrte".
Für mich ist im ganzen Text etwas zu viel Optimismus drin. Stimmt gerade noch so eben, wir müssen aber auch mMn weiterdenken; dorthin, wo Erschöpfung, Müdigkeit angesichts der zielbewussten Uebermacht übernimmt.
Vielen Dank für dieses Interview. Und heute auch vielen Dank für die ausführlichen datenbasierten Debatten hier im Forum! Es hat mir sehr geholfen, die konkreten Auswirkungen, Konsequenzen der Sanktionen besser zu verstehen. Die Herausforderungen, die unsere Gesellschaft zu meistern hat, wurden konkret und auch wie diese Herausforderungen „gerecht“ gemeistert werden könnten. Dabei wurden unterschiedliche Sichtweisen formuliert und sachlich begründet. Damit wurden für mich die komplexen Zusammenhänge sichtbar und verstehbar. Solche Debatten sind enorm hilfreich und geben (mir jedenfalls). Orientierung in Zeiten von Propagandachaos und Irreführung. Vielen herzlichen Dank allen Beteiligten!
Und noch etwas: passt wohl nicht dahin, aber trotzdem: Als "altes Teili" von "Frauen für den Frieden" möchte ich doch heute, am ersten Freitag im März, auf den Weltgebetstag aufmerksam machen. Existiert seit 1897 ökumenisch, interkonfessionell, bzw. unterwegs zwischen all diesen "Häusern". Thema und Vorbereitung stammen in diesem Jahr aus England, Wales, Nordirland - mehrfach aktuelle Lebensbereiche. Gemeinsam, zusammen Sein in diesem Jetzt und in "Zukunft und Hoffnung" zu schauen, scheint mir auch eine Möglichkeit, der Hilflosigkeit zu begegnen.
Republik AG
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