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Die gemeinsame Schweizer Waschküche ist ein Unding der zu Profit orientierten Immobilienunternehmen und Bauherrschaften. Dass nicht jede Wohnung eine Waschmaschine hat ist unhaltbar eigentlich, denn als Wohnungsmieter fände ich es angebracht waschen zu können, wenn meine Kleider schmutzig sind und nicht, wenn es der Routine entspricht. Und von den Tomaten wähle ich die schmackhaftesten. Vor dem Gemüseregal wie vor der Schmutzwäsche erlebe ich kaum Neuronenstaus, denn die Entscheidung ist Wurst. Genauso bei der Wurst.
Als Mieter möchte ich hierzu entschieden sagen: Ich will keine eigene Waschmaschine, genausowenig wie ich ein eigenes Auto will. Super Sache, dass ich mir das mit anderen teilen darf, erstens gibt es mir Gelegenheit, wieder mal Rücksicht auf andere zu nehmen, zweitens rede ich so wenigstens ab und zu mit meinen Nachbar*innen.
Ich habe seit ein paar Jahren eine Routine für Spenden eingeführt. Früher spendete ich mal hier, mal da, je nach Eingang von Bettelbriefen und Kontostand. Damit einher ging aber immer ein Gefühl von schlechtem Gewissen, da man ja einfach nicht allen gemeinnützigen Organisationen, die Einzahlungsscheine senden, spenden kann. Ich habe mir dann einmal die Zeit genommen, mir vier seriöse Hilfsorganisationen auszuwählen, welche die wichtigsten Gebiete abdecken (Menschenrechte, med. Versorgung, Armutsbekämpfung, Umwelt) und für diese Organisationen regelmässige LSV-Spenden eingerichtet. Diese Routine entlastet mich sehr und schliesst auch mal Spenden ausserhalb der Routine nicht aus, aber der Grundstress, wem wieviel spenden, entfällt.
Sehr gute Idee :)
"Wenn es zum Beispiel darum geht, Massnahmen zu etablieren für, sagen wir, eine Reduktion des CO2-Ausstosses, gibt es eine Reibung zwischen der Einsicht, dass wir etwas tun müssen, und der Angst vor Einschränkungen. Dieser Angst könnte man begegnen, indem man diese andere Perspektive auf Regeln aufzeigt. Sofern sie demokratisch ausgehandelt wurden, können uns solche Regeln entlasten von vielen Mikroentscheidungen im Alltag. Damit verschaffen sie uns ein Stück weit mehr Freiheit."
Hierin zeigt sich gerade der Unterschied zwischen gewohnheitsmässigen Routinen und auszuhandelnde Regeln: Die retrospektive bzw. prospektive Perspektive.
Die bewusste Regel wird gesetzt, in der Erwartung, dass sie mit der Zeit zur sozialen Norm und schliesslich zur unbewussten Routine wird.
Doch damit die entlastende Wirkung von Routinen wahrnehmbar wird, muss die Regel in diesem Sinne bereits vollständig "etabliert" worden, zur Routine geworden sein. Bis dahin findet zwischen einer bisherigen Routine und einer neuen Routine ein turbulenter Prozess voller Ungewissheit, Unsicherheit, Dissonanzen und Konflikten statt, bis eine neue Stabilität gewonnen worden ist - kurz: "Lernen" (man denke ans Gehen oder Fahrradfahren).
Deshalb sehen wir oft nur, was wir mit Blick auf die Vergangenheit an Besitz und Komfort verlieren (ein Status-quo-Bias durch Verlustaversion und Besitztum-Effekt), und nicht, was wir mit Blick auf die Zukunft an neuer Freiheit und Fähigkeit gewinnen könnten.
Was zu fehlen scheint, ist eine gehörige Portion an Neugierde, Mut, Experimentier- und Lebensfreude. Und ein prospektiver Blick im Futur II, also auf das, was wir gewesen sein werden.
Danke für diese interesanten Gedanken, diese Übergänge sind nicht einfach. Ich denke, wenn uns allen etwas bewusster wäre, dass Routine Freiräume schaffen kann, dann würde das dem "turbulenten Prozess" helfen. Herzliche Grüsse.
Ich habe mir auf einer anderen Flughöhe ein System kreiert: Den Jahres-Flow. Als Unternehmer*in läuft man Gefahr, zwischen Arbeit und Freizeit kaum mehr zu unterscheiden, was zum Burnout oder zur Vernachlässigung von wichtigen anderen Lebensbereichen führen kann.
Darum haben mein Projektpartner Laurent und ich den „Jahres-Flow“ eingeführt.
Jeden November teilen wir die 52 Wochen des nächsten Jahres in drei Kategorien auf:
Blaue Wochen: Das sind Wochen, in denen wir beide gemeinsam für unsere Kund*innen arbeiten.
Grüne Wochen: Das sind Wochen, in denen wir nicht für unsere Kund*innen zur Verfügung stehen und auch nicht gemeinsam arbeiten. Beide haben in diesen Wochen Zeit für eigene Projekte, Ferien, Freizeit, etc.
Jede Blaue Woche hat zudem einen grünen Tag eingebaut. Das heisst, wir arbeiten 4 Tage in den blauen Wochen.
Und dann gibt es noch Pinke Wochen: Vier Wochen pro Jahr, in denen wir uns Zeit nehmen für gemeinsame Reflexion, Weiterentwicklung und Planung.
Das Schaffen dieser Container gibt uns grossen Spielraum, grosse Sicherheit und klare Verfügbarkeit für uns und unsere Projektkund*innen und genügend Zeit, Flexibilität und Musse für alles, was uns im Leben wichtig ist.
Routine im Kleinen macht mir Angst, aber diese Gefässe schaffen Klarheit und geben Gestaltungsmöglichkeiten.
Super Sache und erinnert mich ein bisschen an die Routine bzw. die grösseren Bögen des Kirchenjahres :)
das hat was, vielleicht liess ich mich ja als Kantoren-Tochter unbewusst davon inspirieren! ;-)
Liebe Frau Schnetzler, vielen Dank, dass Sie ihr System teilen. Mich würde noch interessieren, was Sie mit Unwägbarkeiten machen. Eine Deadline verschiebt sich, ein Kind wird krank, ein wichtiger Auftrag kommt rein...etc. Und dann ragen die Aufgaben aus den blauen Wochen plötzlich in die grünen oder pinken Wochen hinein. Passiert das? Und wie gehen Sie damit um?
Hallo Cornelia, ist es ok wenn wir und duzen?
Das ist eine gute Frage. Die Container alleine sorgen auf einer hohen Flughöhe für Fokus und zwingen und (selbstgewählter „Constraint“) über jede Abweichung vom Plan gut nachzudenken.
Zum Beispiel gibt es Anfragen von Kund*innen, die trotz aller Bemühung nicht in blauen Wochen statt finden können und wir dann einen grünen Tag opfern (meistens ersetzen wir dann dafür aber weiter hinten im Kalender wieder einen noch nicht verplanten blauen Tag und färben ihn wieder grün 😉.)
Oder eben, jemand vom Team oder der Familie war krank und wir entscheiden uns dafür, dann ein paar grüne Tage wieder blau einzufärben.
Das Gute ist: Das passiert alles sehr bewusst, weil wir unsere eigenen Regeln dann ganz bewusst überschreiten und uns das nicht einfach „passiert“.
Dafür dass im Alltag nicht die Aufgaben überborden benutzen wir ein ähnliches System - Kanban. Erkläre ich bei Interesse sehr gerne genauer!
edits: tippfehler
Mich fasziniert der Beitrag, denn ich komme (aufgrund einer ASS-Diagnose) aus der ganz entgegengesetzten Richtung: Bitte möglichst keine Abweichungen von Routinen. Routinen/immer gleiche Abläufe sind auf unterschiedlichen Ebenen energiesparend und lassen eine immense Freiheit im Kopf.
Genau andersrum als bei Frau Eisenach ist mein Irrtum, den ich immer wieder korrigiere, dass das Abweichen von Routinen ein Problem ist.
:-) - wunderbar, wie verschieden wir Menschen "gestrickt" sind.
Edit: Sprachlogik.
Kommt mir bekannt vor. Seit ich bewusst angefangen habe, mir Routinen zu bauen geht es mir im Kopf erheblich besser und ich kann die verfügbare Energie darauf verwenden, kreativ zu sein oder bewusst an gewissen Stellen aus der Routine auszubrechen, die Komfortzone zu verlassen.
Danke, Cornelia Eisenach! Vollkommen einverstanden.
Das schönste Lob für Routine, das ich kenne, hat Richard Sennett verfasst, der großartige Soziologe, der einst Berufscellist werden wollte. Er vergleicht (in: Handwerk) die Routine mit Spiel und Musik: «… dass sich der Rhythmus der Routine in handwerklichen Tätigkeiten auf die kindliche Erfahrung des Spiels stützt, und fast alle Kinder können gut spielen» … «Die Substanz der Routine mag sich verändern, wandeln oder verbessern, der emotionale Lohn aber ist die Erfahrung, es immer wieder zu tun. Diese Erfahrung ist keineswegs sonderbar. Wir alle kennen sie, und sie hat einen Namen: Rhythmus.» Routine ist für Sennett Voraussetzung für Handwerk; Handwerk ein Kitt, der eine Gesellschaft zusammenhält.
Ich behaupte, dass Routine auch zentral ist für das, was man «Innovation» nennt: Neue Techniken müssen eingeübt werden. Aber Routine / Üben ist extrem unsexy und wird deshalb geringgeschätzt.
Ich habe mal gehört, dass Steve Jobs aus genau dem Grund jeden Tag einen schwarzen Rollkragenpullover getragen hat. Um den Kopf frei zu haben für die wichtigen Entscheidungen. Und sich nicht auf zeitraubenden Nebenschauplätze wie Hemdfarben und Krawattenmuster abkämpfen zu zu müssen.
Ich nahm mir das damals zu Herzen (weniger den schwarzen Rollpulli) und versuche täglich, möglichst viel an die Routine auszulagern, mit - für mich und glaub auch für mein Umfeld - sehr positiven Ergebnissen.
Danke für diesen Text, der meine schwarze-Pulli-Philosophie mit neurologischen Messungen untermauert!
Vielen Dank, ich musste auch an die Chose mit dem Rollpulli denken ;)
Sehr cool! Habe dieses Jahr exakt die gleiche Erfahrung gemacht. Sie haben es für mich auf den Punkt gebracht.
Zuvor war ich noch extremer und habe Routine als Stillstand ja sogar als Tod empfunden. Aber eben Rituale und Traditionen schaffen Freiräume und machen Platz für tiefgründige Gedanken.
Es sind die stillsten Momente wo wir unsere wichtigsten Gedanken machen und Entscheidung fällen.
Rituale sind dabei etwas anderes als Routinen und diese wieder was anderes als Regeln. Auch wenn die Begriffe verwandt sind, gibt es Unterschiede der Komplexität und Bewusstheit.
Da simme ich zu. Routinen findet man im Alltag, Traditionen über Jahre hinweg.
Ich habe beim Lesen des Artikels innerlich sofort den Begriff Routine durch Prozesse (Kaizen, Agile, Kanban,…), Digitalisierung und Automation ersetzt. Die Buzz Words, welche heute jedes Unternehmen, das überleben will durchdringen. Des Weiteren ersetzte ich Freiheit durch Innovation. Im Gegensatz zum landläufigen Denken, dass Innovation im Chaos entsteht ist die Realität die, dass „future ready“-Unternehmen Prozesse (unterstützt durch Digitalisierung) auch bzw gerade in der Forschung verankern. Denn am Ende geht es um Geschwindigkeit guter Entscheidungen (die Freiheit).
Finde es gewagt das Thema so auf die Unternehmensentwicklung umzumünzen.
Freiheit schafft Raum zur Innovation. Sie öffnet den Spielraum und erlaubt neue Optionen zu prüfen.
Warum hat Geschwindigkeit so eine grosse Bedeutung für sie? Geht es hier nur um Time to Market und solches Zeug?
Ich setze Freiheit mit der Möglichkeit, Entscheidungen treffen zu können gleich, ja. Und da spielt Geschwindigkeit eine grosse Rolle. Ansonsten einen die wirklichen Zwänge (nicht die selbst auferlegten Routinen) einholen (andere haben für uns entschieden).
Ob man Routine befreiend oder einengend empfindet, hängt möglicherweise davon ab, welchem Job man im Alltag nachgeht. Entscheidungen treffen, kostet Energie und die erträgliche Tagesdosis ist individuell. Für Menschen, welche viele Entscheidungen im Alltag treffen müssen, mag Routine befreiend sein. So ist es heute für mich. Ich habe in meiner Vergangenheit aber auch die Erfahrung gemacht, dass eine zu hohe Beschäftigung mit Routinearbeiten zur Unterforderung und damit zu Rumination führt. Wenn die immer gleichen Gedanken im Kopf kreisen, fühlt sich das im Kopf gar nicht frei an. Die Anforderungen müssen schon stimmen, damit die Routine zum Genuss wird.
Frau Eisenach beschreibt die Wohltat von Routine bei Ueberfülle von Wahlmöglichkeiten. Da sie mit der berühmten Schweizer Waschküche beginnt, scheint mir die Verbindung zum Zusammenleben, zur Leben in Gesellschaft, wichtiger. Franco Dorizzi hat vor fünf Tagen in einem Dialogbeitrag zur Serie das neuste Buch von Ulrike Herrmann erwähnt. Die Woz hat ausführlich über das Buch von Herrmann berichtet, das darum geht, dass die deutsche, unsere Wirtschaft schrumpfen müssen, damit wir die Zukunft der Menschheit nicht gefährden. Dabei schildert sie die Erfahrung in Grossbritannien mit der Kriegswirtschaft. Ein sehr lesenswerter Artikel und ich erlaube mir, ein längeres Zitat einzufügen.
Die Mengen- und Preiskontrollen waren in Großbritannien ungemein populär. Wie die britische Regierung bereits 1941 feststellen konnte, war das Rationierungsprogramm „einer der größten Erfolge an der Heimatfront“. Die staatlich verordnete Gleichmacherei erwies sich als Segen: Ausgerechnet im Krieg waren die unteren Schichten besser versorgt als je zuvor. In Friedenszeiten hatte ein Drittel der Briten nicht genug Kalorien erhalten, weitere 20 Prozent waren zumindest teilweise unterernährt. Nun, mitten im Krieg, war die Bevölkerung so gesund wie nie, wobei „die Fitness der Babys und Schulkinder besonders hervorstach“.
Die Rationierungsprogramme waren so beliebt, weil alle Briten genau das Gleiche bekamen. Allerdings war es nur die halbe Wahrheit, dass Wohlstand gar nicht mehr zählte. Denn die Eliten hatten das nötige Geld, um nicht rationierte Waren wie Fisch oder Wild zu kaufen, und konnten auch teure Restaurants aufsuchen. Aber diese Ungerechtigkeiten waren später vergessen.
Der Konsum fiel damals um ein Drittel – und zwar in kürzester Zeit. Dieser enorme Rück- und Umbau macht die britische Kriegswirtschaft zu einem faszinierenden Modell für heute: Der deutsche Verbrauch muss ähnlich drastisch sinken, wenn das Klima gerettet werden soll.
Ich bin mir nicht sicher, ob diese Parallele wohlgezogen ist.
Erstens ist aus der Fülle auszuwählen wohl kaum das Gleiche, wie froh zu sein, dass man vom Kuchen überhaupt ein Stück bekommt.
Und zweitens halte ich das bewusste Schrumpfen des Kuchens zum Wohl des Klimas für eine sehr riskante Idee. Das kostet Menschenleben (was manche, die an Überbevölkerung glauben, wohl befürworteten).
Der Sprung in Ihrem Kommentar scheint mir deshalb gewaltig gross.
Sie haben sich nicht wirklich geirrt, Frau Eisenach. Denn Ihre Schlussfolgerung heisst ja sicher nicht Routine statt Spontaneität. Wir brauchen beides, um glücklich und kreativ zu sein, ist doch ganz einfach. Wir erweitern uns in konzentrischen Kreisen. Mit Maßen und Gewichten.
Nein, sicher würde ich nicht STATT Spontanität sagen. Dass man auch mal die Routine saussen lässt oder lassen kann ist wichtig, aber ein bischen Disziplin muss schon sein, sonst machts ja keinen Sinn. Schönen Abend!
Danke, ich mag diese Perspektive. Ich denke zum Gefängnis werden Routinen, sobald man sich daran halten muss.
Also wenn für das Individuum ein Zwang entsteht?
Wie sieht es mit Müssen in Angesicht der Frage des freien Willens aus?
Wenn Sie damit sagen wollen, dass es im Grunde keinen freien Willen gibt, ja dann ist alles Müssen und die Rede von Freiräumen und Entscheidungen macht keinen Sinn mehr.
Aber Herrn A. geht es wohl schlicht um den Unterschied zwischen selbstbestimmten vs fremdbestimmten mitunter sozial sanktionierten Routinen.
Guten Abend M. A., da bin ich voll einverstanden. Schon allein der Gedanke, dass man nicht muss ist sehr wichtig.
Mit der Pandemie gingen in meinen Augen viele Routinen verloren resp wurden gezwungenermassen unterbrochen. Meine verlorengegangene Pendlerroutine wegen Homeoffice nur als Beispiel.
Geht es auch deshalb vielen Menschen aktuell nicht gut?
Ich denke es erklärt zumindest einen Teil der Erschöpfung die sich bei Vielen bemerkbar gemacht hat. Man musste alles neu denken, konnte sich nicht mehr auf Routinen verlassen und das braucht Energie. Eine Miniversion davon erlebe ich manchmal bei einem Umzug in eine neue Stadt.
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