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Danke für diese klare und sehr differenzierte Übersicht über die widersprüchliche gesellschaftspolitische Situation in Frankreich, die - auch bei Anerkennung wesentlicher nationaler Unterschiede - exemplarisch für den Zustand unserer Demokratien zu sein scheint. Dass der ungehemmte neoliberale Kapitalismus in seiner ökonomischen und ökologischen Endphase wesentlich zu diesem Zustand beiträgt, ist wohl kaum von der Hand zu weisen. Diese Mischung von ideologischer Verhärtung, diffusen Emotionen, Ratlosigkeit und Leere ist hoch explosiv und beängstigend, kann aber auch - und das ist die Hoffnung - Kräfte für ein neues Bewusstsein und neue gesellschaftspolitische Visionen wecken.

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Ein sowohl spannender als auch schockierender Text. Lustig wie hier niemand nach Menschenrechten ruft. Man stelle sich vor an russischen Demonstrationen würden Dutzenden Menschen die Augen ausgeschossen! Da wäre die nächste Runde Sanktionen nicht weit. Allgemein fällt mir auf wir stark man im Westen das Konzept der Demokratie auf Wahlen reduziert. Ich lebe in einem sozialistischen System, wo Demokratie auch zu den 12 Grundwerten zählt, damit aber etwas ganz anderes gemeint ist: die Entwicklung muss der Bevölkerung zugute kommen, die Regierung erhält ihre Legitimität davon dass sie das Leben der Menschen verbessert. Was kommt in Europa nach der Demokratie? Müssen wir uns allenfalls beginnen diese Frage zu stellen?

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In Frankreich rufen solche Polizeieinsätze deshalb keine Menschenrechts-Forderungen hervor, weil die Compagnies Républicaines de Sécurité (CRS), die Polizeitruppe, die sie verschuldet, seit Jahrzehnten genau dafür bekannt ist. Während der 68er-Unruhen (an denen der im Text erwähnte Daniel Cohn-Bendit beteiligt war), galt der Schlachtruf "CRS=SS". Die CRS, die bei grossen Demos etc. gerufen wird, ist für ihr brutales Vorgehen bekannt. Das hat die Franzosen in all den zurückliegenden Jahrzehnten nie so weit berührt, dass es eine politische Bewegung für eine Änderung gegeben hätte. (Und was Verletzungen durch Hartgummigeschosse betrifft, haben Zürcher Demonstranten ja auch ihre Erfahrungen gemacht.)

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Eine zentrale Forderung der Gilets Jaunes ist das Référendum d’initiative citoyenne (RIC), eine noch undefinierte Form von Volksinitiative. Denn in der Endphase des ungehemmten Kapitalismus wächst die Einsicht in einem repräsentativen System ungehört zu bleiben. Augen werden ausgeschossen und Hände abgerissen und stur der repressive Druck erhöht, als ginge es um schreiende Kinder die man mit Schlägen zur Ruhe prügeln könnte. Und das sind noch die « Progressiven. »
Wie wäre es denn wir Schweizer und Schweizerinnen würden anstelle der mutilierenden « less-lethal» Waffen aus Thun eine Demonstration unserer direkten Demokratie an die Nachbarn liefern, indem wir deren Ausfuhr per Volksinitiative an die französische Polizei verbieten würden?
Denn, so wie heute mit den Gilets Jaunes umgegangen wird, so wird in Zukunft mit uns allen hier in Europa umgegangen werden, wer auch immer nächstes Mal die Wahlen gewinnt.

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Ich denke, Sie bringen es treffend auf den Punkt: es wächst die Einsicht, nicht gehört zu werde.
Meiner Meinung nach kann jede populistische Bewegung derzeit in Europa, wobei ich hier explizit populistisch nicht negativ konnotiere, auf die simple Erkenntnis zurückgeführt werden, dass das Volk zunehmend an Einfluss verliert. In einem Punkt aber stimme ich Ihnen nicht zu: In der EU ist dies vielleicht krasser der Fall, aber das selbe ist auch in der Schweiz zu spüren: immer mächtigere Konzerne bringen immer mächtigere Kartelle hervor mit immer mehr politischem Einfluss. Über kurz oder lang (wobei sichee eher lang) wird die Situation in der Schweiz also ähnlich sein.

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Absolut einverstanden, die Schweiz ist von der Entwicklung nicht ausgenommen. Mit « hier in Europa » meinte ich natürlich Schweiz inklusive! Die gehört ja, bis auf weiter Meldung, immer noch zu diesem Kontinent.
Und hier noch ganz prominent als Lieferantin dieser Waffen für das Innere.

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Die Suche nach neuen sozialpolitischen Gesellschaftsformen führt leider meistens nicht ohne vorhergehende Unruhen zu neuen stabilen Werten, wobei Gummigeschosse, Schlagstöcke und Schockgranaten überflüssig sind. Vielleicht hat man diese Waffen noch von der vorhergehenden Zeit der Terroranschläge in Paris im Lager.
Dass Frankreich ein vorbildlich geführter Sozialstaat in Europa ist, dachte ich mir ein Leben lang, denn 1962, als Algerien unabhängig wurde, verbrachte ich mein vorletztes Schuljahr damals in Köln. Ich staunte stets, wie es möglich war, so viele Einwanderer unter zu bringen. So ergab es sich für mich fast selbstverständlich „Europäerin" zu werden, mit dem Vorbild Frankreich.
Offenbar geht es bei den derzeitigen Unruhen um Fragen gesellschaftlicher Ungleichheit oder einfach Unzufriedenheit, weniger um Partei Politische Zugehörigkeit. Rechte und Linke vermischen sich bei den Demos der gilets jaunes. Man demonstriert die allgemeine Ratlosigkeit.
Also könnte man vielleicht fragen, wie all die Nationalstaaten Europas, die auf ihre Weise ähnliche Probleme haben, damit umgehen können, in einer Wirtschaftsgemeinschaft zu leben, die eigentlich nicht richtig „vergesellschaftet“ zu sein scheint.
Es gibt in jedem einzelnen Land ganz viele ungelöste Details, z.B. - in Rumänien werden Studienplätze für Ärzte finanziert, die dann in anderen Ländern arbeiten gehen, weil der Lohn höher ist. - Wird es in Nord Irland ein Café Europa geben, solange das Grenzproblem nicht ordentlich gelöst sein wird?
Europa ist inzwischen weniger Friedensidee als Handels- Wirtschaftsraum, auch ist es keine Republik. Doch Wirtschaft heisst nicht per se „Gemeinschaft und Gesellschaft“. So etwas wuchs aus der Geschichte und bedeutet dann eines Tages wieder Geschichte.
Also ist Frankreich weiterhin ein Vorbild für mich, wo eine Gesellschaft auf der Strasse protestiert zu Themen, die alle etwas angehen.

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