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Was ist Meinung?
Es ist ein ausgesprochener Gedanke.
Worauf basiert Meinung?
Auf Meinung.
Damit beginnt das Problem.
Wenn Meinung auf Information und Fakten beruht, ist gegen eine Diskussion nichts einzuwenden. Aber einfach zu behaupten Soros plant die Weltverschwörung, Bill Gates hat Corona erschaffen, um die Welt zu regieren, zu sagen die Wahl sei gestohlen oder immer noch darauf zu bestehen, dass Elvis lebt, hat nichts mehr mit Meinung zu tun.
Doch soweit müssen wir Schweizer nicht einmal gehen. Wir haben in unserer Politik Meinung längst über besseres Wissen gestellt, im Namen des Wahlkampfes - geführt aus ideologischen Schützengräben. Verdun liegt näher als man denkt. Oder wie sonst ist die Behauptung zu erklären, dass Bundesrat Alain Berset ein Diktator sein soll und das Parlament von einer links-grünen-Mehrheit dominiert wird?
Soll ich darüber ernsthaft mit irgendjemand diskutieren? Es wäre Zeitverschwendung und der Nervenverschleiss wäre zu hoch. Das alles hat bestenfalls Unterhaltungswert. Wenn allerdings als Folge daraus Jugendliche ihre Situation mit Sophie Scholl vergleichen oder Kindern eingetrichtert wird, dass sie gerade das gleiche Schicksal wie Anne Frank erleben, wird es gefährlich.
Begriffe wie "Fake-News" oder "alternative Wahrheiten" haben die Welt erobert. Medien haben es unterlassen konsequent dagegen zu halten. Stattdessen haben sie das Wording übernommen und zur Verbreitung beigetragen, im Interesse von Online-Clicks und letztlich - Inseraten. Von Aufklärung keine Spur. Vielleicht fehlt es doch an Qualität in unserer "Medienlandschaft"?
Wie formulierte es einst Joseph Goebbels? "Wer die Probleme auf die einfachste Formel bringen kann und den Mut hat, sie gegen Einsprüche der Intellektuellen in dieser Form ständig zu wiederholen, wird auf Dauer zu Erfolgen in der Beeinflussung der öffentlichen Meinung kommen." Von Wahrheit hat er dazu nichts in sein Tagebuch geschrieben. Meinung funktioniert auch ohne Wahrheit. Hauptsache Meinung.
Leider wird dieses Konzept in der Schweiz gewählt. Basierend auf dem Prinzip von Goebbels finden Symbolvorlagen wie das Burkaverbot eine Mehrheit. Das widerspricht nicht nur dem liberalen Schweizer Grundgedanken, es zeigt deutlich, dass Meinung ein politisches Instrument ist. Aber eine Debatte darüber lohnt sich nicht. Der freitägliche Beweis ist die Arena im Schweizer Fernsehen. Ein peinliches Schaulaufen von politischen Meinungsmachern.
Also ich lege ein deutliches JA für eine Diskussionspause ein...
Bin kein Mitglied des intellektuellen Olymps, aber ich stimme Ihren klaren Worten voll zu. Persönlich habe ich nur noch Tränen beizufügen.
Dieser Text beschreibt, was ich in den vergangenen Monaten immer wieder formulieren wollte, aber nicht in passende Worte packen konnte: mehr Gespräche, weniger Debatten und der Weg dorthin. Danke für den ausgezeichnete Gedankengang.
Das sind genau die Beiträge, die ich in der Republik so sehr gerne lese, auch wenn einem dabei der Kopf zu rauchen beginnt. Nicht belehrend sondern anregend, sich wieder mal dieser Unzulänglichkeit bei sich selbst zu stellen und daran zu arbeiten.
Diesen Artikel habe ich jetzt einfach gebraucht, vielen Dank! Müde durch diese ständigen und nie enden wollenden Corona-Diskussionen, leiste ich mir jetzt nicht nur eine Meinungs-Auszeit, sondern versuche ganz allgemein weniger an meinen Meinungen und Überzeugungen zu polieren und ganz einfach mehr zu beobachten und beschreiben. Welche Entlastung. Passt.
Herzlichen Dank, Daniel Strassberg, für diese schöne Geschichte und dem sehr löblichen Ratschlag, sich Meinungen zu enthalten. Nur, Pyrrhons zurückgezogenes Leben ist kein anekdotisches Detail, sondern praktische Konsequenz der Meinungslosigkeit.
Wer die Seelenruhe, die «Meeresstille der Seele» (ataraxia) sucht, meidet den Markt und die Arena. Und tritt damit den Rückzug aus der Öffentlichkeit und der Politik an. Das Problem ist nur: Man überlässt damit das Feld den anderen. Nicht nur den üblichen Interessensvertretern mit ihrer Propaganda, sondern auch den sog. «Skeptikern» mit ihrem Unsinn oder den Neonazis mit ihrer Hetze.
Dieser spirituelle Retreat entspricht vielleicht der pessimistischen Resignation und dem zynischem Realismus, dass es nämlich in der Politik, auch in der demokratischen, nur um Macht und Geld geht und man selbst kein Anteil daran hat und nichts auszurichten vermag.
Doch wozu dann noch Bildung, Diskurs und Medien? Wenn nicht in der Politik, so ginge es doch in der Öffentlichkeit – nicht nur, aber auch – um die «Konfrontation von Meinungen, im Ringen um das bessere Argument»? Wo bilden wir sonst unsere Meinung? Und damit unsere Urteilskraft? Ohne die wir laut Arendt der «Gedankenlosigkeit» und Verantwortungslosigkeit, ja schliesslich der «Banalität des Bösen» anheim fallen?
Aber es ging in dieser Geschichte ja nur um ein temporäres Retreat, quasi ein Skeptizismus light, wie es ja auch den Buddhismus light gibt (es gibt die Lehrmeinung, die «Gymnosophen» seien womöglich frühe Buddhisten gewesen).
Aber warum nicht je nach Situation, also je nach «Arena» den Modus wechseln? Oder je nachdem in welcher seelischen Unruhe man gerade ist?
Sehr geehrter Herr Rebosura , Tatsächlich bleibt die Frage, wie diese Form der Skepsis zur politischen Haltung werden könnte, das grosse offene Problem. Deshalb ist mir die Idee mit dem switchen des Modus sehr sympathisch. Ich vermute, dass die jüdische Religion mit dem Shabbat genau das wollte, ein Tag Buddhismus pro Woche. herzlich DS
Die „Gymnosophen“ dürften Acharyas sein.
In Hindu bedeutet Acharya auch heute noch Lehrer.
Dies ist ebenfalls eine plausible Hypothese. Sie können sich nicht vorstellen, wie beglückt ich war, als ich während meines Studium der Philosophie und Religionswissenschaft (mit Spezialisierung auf Hinduismus, Buddhismus und Daoismus) auf diese transkulturelle Philosophiegeschichte gestossen bin. Zur Hypothese, dass Pyrrhons «Gymnosophen» «Frühe Buddhisten» waren, siehe:
«Greek Buddha. Pyrrho's Encounter with Early Buddhism in Central Asia» (2017)
von Christopher I. Beckwith
«Pyrrhonism. How the Ancient Greeks Reinvented Buddhism» (2008) von Adrian Kuzminski
Der Artikel «Greco-Buddhism»
Sowie [«similarities between pyrrhonism and buddhism»]https://en.wikipedia.org/wiki/Simil…d_Buddhism)
Natürlich alles mit einer gesunden Portion Skepsis zu geniessen! ;-)
Die selbsternannten Skeptiker sind in Wirklichkeit blosse Besserwisser. Sie mäkeln an anderen Leuten herum ohne die eigenen Möglichkeiten in Frage zu stellen. Ein echter Skeptiker bezweifelt in erster Linie die eigenen Meinungen. Er ist selbstkritisch.
Aber sich einer Meinung zu enthalten, ist nicht möglich. Man hat immer eine Meinung. Und man sollte sich auch bewusst machen, worin sie besteht, auf welche Gründe sie sich stützt und worin ihre Schwächen bestehen. Zu glauben, man könne sich einer Meinung enthalten, ist eine Selbsttäuschung. Sie führt dazu, dass man den kritischen Blick auf die eigene Meinung verliert. Und sie führt zu Beliebigkeit und Relativismus.
Man hat immer eine Meinung. Und man sollte sich auch bewusst machen, worin sie besteht ... und worin ihre Schwächen bestehen.
Bei mir besteht die Schwäche ganz klar darin, dass ich viel zu wenig Wissen habe. Und eine grobe Schätzung ergibt, dass ich es auch gar nicht schaffen werde, mir das eigentlich erforderliche Wissen anzueignen. Um nicht wie Hamlet in Ambivalenzen zu versinken habe ich mir vorgenommen, das Wissen so zu sammeln, dass ich die Verfügbarheitsheuristik bei Entscheidungen überwinden kann. Präzises Wissen kann ein Ausweg aus der Beliebigkeit sein.
... und führt auch dazu, viel viel viel viel zu lange all den fake news genannten lügen rein gar nichts entgegen zu stellen - auch keine eigenen geschichten - und auch dem da schon gekaperten begriff der „alternativen“ wahrheit, die nie alternative und schon gar nicht wahrheit, sondern nur ebenfalls lüge war bis heute viel zu oft nicht zu widersprechen.
da bin ich ganz bei ihnen und C. F. weiter oben. danke.
Lieber F. M., Sie wiederholen manch Gegenargumente antiker Kritiker der Pyrrhonischen Skepsis, die sicher nicht von der Hand zu weisen sind. Doch sollte man bei Strassberg «Meinungslosigkeit» im Auge behalten, was genau er mit «Meinung», nun, meint:
«Verallgemeinerung der eigenen Interessen»
«Prognose für die Zukunft»
«Bewertungen», «keine wertfreien Differenzierungen und keine Ambivalenzen»
«quasi objektiven Standpunkt»
«verschleiern seine eigenen Interessen am Gegenstand»
Also partikuläre Interessen und Werturteile, die zu objektiven Tatsachen und verabsolutierte Dogmen gemacht werden. Sowie Gewissheiten, wo in Wahrheit nur Wahrscheinlichkeiten sind.
Solche verstecken sich oft auch hinter Floskeln, wie «Das ist doch ...!»: «klar», «eindeutig», «logisch», «gewiss», «selbstverständlich», «Common Sense», «gesunder Menschenverstand», «vernünftig», «normal», «natürlich» usw.
Wir könnten diese auch «Grosse Meinungen» nennen, während dem es «kleine Meinungen» gibt:
als individuelle ausgezeichnete Interessen
als ungewiss ausgezeichnete Vermutungen
wertfrei differenzierte und ambivalente «dichte Beschreibungen»
Erzählungen aus einem subjektivem Standpunkt
als transparent ausgezeichnete Interessensbindungen
Gegen solche Meinungen spricht meiner Meinung nach per se nichts. Und Strasser scheint diese implizit zu befürworten, wenn er «Nur Beschreibungen und Erzählungen» fordert. Und
Klar, niemand kommt ohne Meinungen aus. Sie reduzieren Komplexität und ermöglichen dadurch, überhaupt zu handeln und nicht wie Hamlet in Ambivalenzen zu versinken.
Und zum Glück geht es nicht immer um die Frage: «Sein oder Nichtsein?»
Herzlichen Dank für die anregenden Gedanken!
"Nur Beschreibungen und Erzählungen" setzt voraus, dass wir vor allem eines tun: Betrachten. Wie zeigen sich mir die Dinge, wenn ich sie nicht sofort sortiere, bewerte, deute?
Wie begegne ich der Welt, wenn ich mir nichts wünsche und erhoffe, sondern mich mit dem verbinde, was ist?
Denn geht's nicht auch darum, dass wir ständig im Konflikt sind zwischen dem, was ist und dem, was wir anstreben?
Das heisst nicht, die Hände in den Schoss zu legen und gar nichts zu tun, sondern unser Handeln mit der Wirklichkeit zu verbinden und nicht mit dem, was wir zu wissen meinen. Oder zu meinen meinen. 😉
Wow. Das ist mal was - tatsächlich die Beschreibung eines flau-vagen Gefühls in mir, das mich beim Versuch, es in Gedanken und Worte zu fassen, immer wieder an meine Grenze brachte, wo ich doch eigentlich mich als so eloquent und klardenkerisch empfinde. Aber ich konnte zuletzt in dieser unserer Welt beim Einordnen der Wirklichkeit und beim Fassen meiner Meinung immer wieder nur zusammenzufassen: Ich weiss es nicht. Oder vielleicht: Ich weiss, dass ich nichts weiss. Und mein Gefühl ging immerhin soweit, dass mir klar wurde, dass es genau darum geht in dieser Meinungslosigkeit: Das Nichtwissen auszuhalten, im Treibsand nicht um sich zu schlagen und nach Grasbüscheln zu greifen, sondern dieses Nichtwissen anzunehmen, bis der ganze Treibsand sich auflöst und eine neue Klarheit entsteht, eben so unfassbar und unbeschreiblich wie das Nichtwissen selbst.
... Und nun kommt da einer daher und fasst mein Gefühl in Worte. Und in logische Schlüsse. Danke. Sehr.
Ich lasse mir die Meinung nicht nehmen, dass das ein inspirierender Meinungsbeitrag sei.
Danke für diese wunderbare Kolumne, Herr Strassberg! Ich nehme Ihren Ratschlag zu Herzen, tue also nicht meine Meinung kund, sondern erzähle eine meines Erachtens passende Anekdote aus meiner Kindheit: In der Primarschule (5. Klasse) wünschte der Lehrer mit grossem Nachdruck von einem Schulkameraden von mir, ein eher schweigsamer, aber intelligenter und sensibler Junge, er solle doch bitte seine Meinung zum gerade behandelten Thema äussern. Nach einer langen Kunstpause sagte dieser endlich: «Hehe, ich habe keine Meinung und es ist mir egal.»
Später trug er eine schwarze Lederjacke, auf deren Rücken er gross mit weisser Farbe schrieb I don't care. Noch etwas später, so hörten wir, war er Teil der Berliner Punkszene. Danach habe ich nie wieder etwas von ihm gehört.
Genau in diese Richtung wäre die Kolumne weitergegangen, ein Lob des Erzählens. Danke fürs Mit- und Weiterdenken!
Guten Morgen
Danke für die guten Bilder wie ‚ohne Rüstung‘ etc. ... - vielleicht auch der Moment wieder einmal David Bohm und sein Buch ‚Dialog‘ zu erwähnen. Es beschreibt dort die dem Dialog förderliche Haltung mit dem Bild, eigene Gedanken, Positionen, Meinungen etc. ‚in der Schwebe zu halten‘ .
Das immer wieder mal auszuprobieren lohnt sich - nicht nur im Juni.
Beste Grüsse K.A.
Vielen Dank für den Lesetipp, ich habe auch einen für Sie: Richard Rorty, Kontingenz, Ironie, Solidarität, wo er eine ironische Haltung zur eigenen Meinung empfiehlt, das heisst, für etwas kämpfen (deshalb Solidarität) und doch zur eigenen Meinung eine gewisse Distanz zu bewahren.
Ohne zu wissen, wie alt ihr Schulkollege ist, so erinnert mich das ein wenig an Douglas Couplands «Generation X» (1991):
Andy, Dag und Claire teilen die Sehnsüchte ihrer Eltern, der Babyboomer, nicht. Sicherheit ist ihnen egal. Denn das heraufdämmernde neue Jahrtausend verspricht nichts als Katastrophen. Überschuldung, Überbevölkerung, Klimaerwärmung, Komsumterror - vor diesem Hintergrund zählt nur noch eins: Frei zu sein und zu genießen. Die drei beschließen, sich loszusagen, auf Karriere und Kaufkraft zu verzichten, um sich ins Rentneridyll Palm Springs zurückzuziehen, Gin Tonic zu trinken, Geschichten zu erzählen und auf den Sonnenaufgang zu warten.
Und zudem:
In den 1990ern wurden der Generation X oftmals Zynismus und Nihilismus vorgeworfen; richtig ist, dass die damalige Populärkultur stark von Ironie geprägt war.
Der Schulkollege war damals (Mitte der 70er Jahre) gerade mal 11 Jahre alt. Seine Antwort war umso erstaunlicher und mutiger, weil es sich beim Lehrer um einen äusserst unberechenbaren und – wie sich später auf schockierende Art zeigte – auch sehr jähzornigen, gewalttätigen und sadistischen Menschen handelte. Im selben Jahr prügelte er vor der gesamten Klasse 4 Schüler blutig – einer davon war auch der erwähnte Kollege, der später Punk wurde. Ein traumatisches Erlebnis, das ich bis heute nicht vergesse. Wir, die zuschauen mussten, blieben wie gelähmt auf unseren Stühlen sitzen, während der Lehrer, den hochroten Kopf in beide Hände gestützt, hinter seinem Pult sass und uns zwischendurch schreiend aufforderte, endlich nach Hause zu gehen. Doch wir blieben, bis die Stunde endlich vorbei war.
Der Lehrer wurde übrigens nicht unmittelbar freigestellt, sondern blieb noch 4 Wochen lang unser Lehrer (weil damals akuter Lehrermangel herrschte). Und er bekam von den Eltern (wenn auch kaum von allen) sogar noch ein Abschiedsgeschenk. Heute völlig unvorstellbar.
Eine wohltuende Kolumne, danke!
Ich habe mal eine Arbeit zur Frage geschrieben, wie Äusserungen von Zweifel in öffentlichen, politischen Debatten ihren Platz finden könnten. Ich sehne mich danach, Menschen laut zweifeln zu hören. Weil: Erst die gegenseitige Bereitschaft zu Zweifelsäusserungen (resp. das Zulassen von zwischenzeitlicher Meinungslosigkeit bis zum Meinungsumschwung) führt zu einer guten, erkenntnisbringenden Debatte. In realen öffentlichen Debatten sind Zweifelsäusserungen aus psychologischen, gesprächsstrategischen und medienökonomischen Gründen fast nie zu finden.
Aber!, so sagte ich mir, es muss doch möglich sein, öffentliche Debatten so zu gestalten, dass Zweifelsäusserungen nicht als Zeichen von Schwäche bewertet werden.
Es braucht ein Format, das diejenigen, die öffentlich zweifeln, gut dastehen lässt. Ein Format, dass die Zweiflerin stärkt statt sie unterliegen zu lassen. (Zum Beispiel eine Talkshow, in der der Zweifler dank Spielregeln als Gewinner hervorgehen kann - "pro Zweifel ein Punkt".) Es braucht ein Format, das Zweifel unterhaltsam werden lässt und Aufmerksamkeit erregt. (Zum Beispiel, weil Politiker sich dort so selbstkritisch äussern wie sonst nirgends; alle wollten das sehen.) Es braucht ein Format, das Lust macht, sich dem eigenen Unbehagen auszuliefern. (Zum Beispiel, weil eine gescheite Moderation die Zweifel zu echtem Erkenntnisgewinn verdichtet und handfeste Lösungsvorschläge erarbeitet statt Schlachtfelder zurücklässt.)
Kennt jemand solche Formate? Oder kann es sie gar nicht geben, weil Politik anders funktioniert/funktionieren muss?
Ich danke Daniel Strassberg für seine differenzierten Gedanken zur Meinungs-Freiheit. Meinungen als illusorisches Aufblähen des Egos. Wohl wahr! Ein Blick auf den Politikbetrieb und die medialen Aufregungen genügt, um diese These bestätigt zu sehen.
Bescheidenheit, Offenheit, Neugierde und der Mut, Ungewissheit und Unschärfe (letzteres in Anlehnung an das wunderbar poetische Buch von Iris Wolff „Die Unschärfe der Welt“) zu ertragen, machen das Leben schöner, farbiger und weiter.
Das Problem, dass endlos und lautstark wiederholte Meinungen und Behauptungen von massiv überhöhten Egos den Lauf der Welt nicht unbedingt zum Guten beeinflussen, bleibt leider aber bestehen.
Das ist der grösste möchtegernphilosophische Quasch den ich je gelesen habe.
Ein Artikel über "keine Meinung haben", Diskutieren nicht Debattieren, verhärtete Meinungsfronten. Aber dann alle, welche die Coronamassnahmen kritisch hinterfragen in den gleichen Topf wie Nazis werfen...
Dass ist populistische Meinungsmache wie im Bilderbuch.
So, seid Ihr selbst (die Republik) die Ursache für verhärtete Meinungsfronten. Ausgeglichenere Reportagen, wo mehrere Ansichten gleichwertig präsentiert werden, würden eine Diskussion ermöglichen, welche ohne verhärtete Meinungsfronten stattfindet. Mit euren mehr und mehr einseitigen und populisitisch angehauchten Artikel erzeugt ihr unverrückbare Meinungen mit all ihren gesellschaftlichen Auswirkungen.
Es scheint als würdet ihr bewusst eigene Interessen so vertreten, dass sie zu verhärteten Meinungen werden. Da stellt sich die Frage, ob die Republik eine neutrale/ausgeglichene und breite Berichterstattung verfolgt oder versucht die Gesellschaft nach ihren eigenen Interessen zu formen? Auf diese Frage habe ich aktuell keine Antwort. Dies wird sich in den nächsten Jahren zeigen.
Danke Republik für anfangs gute Artikel. Leider gings seit einiger Zeit inhaltlich stetig bachab. Nicht weil die Artikel nicht spannend wären, sonder weil der Inhalt immer einseitiger wird.
ps: Nein, ich bin kein Corona-Skeptiker
Hallo Anonym, Sie kennen die wissenschaftliche Forschung zu Rechtsextremismus und Skeptikerbewegungen? Die sollten Sie studieren. Vielen Dank für das Lob für "anfangs gute Geschichten". Könnten Sie "einseitiger" näher umreissen, damit wir Ihre Kritik besser einordnen können? An Daniel Strassberg wird das "stetig bergab" nämlich kaum liegen, er ist fast seit dem Start geschätzter Kolumnist der Republik. Guten Abend Ihnen!
Herr Strassberg, nicht alle Meinungen aller Menschen sind unverrückbar. Ein Beispiel: "When facts change i change my mind", sagte John Maynard Keynes.
Sie halten aber alle Meinungen für ein Uebel, Herr Strassberg? Ich kann der Meinungslosigkeit der breiten Massen wenig abgewinnen. Aber das ist vielleicht, weil ich kein Autokrat oder Lobbyist bin.
Sie halten aber alle Meinungen für ein Uebel, Herr Strassberg?
Nein, nur solche:
«Verallgemeinerung der eigenen Interessen»
«Prognose für die Zukunft»
«Bewertungen», «keine wertfreien Differenzierungen und keine Ambivalenzen»
«quasi objektiven Standpunkt»
«verschleiern seine eigenen Interessen am Gegenstand»
Also partikuläre Interessen und subjektive Werturteile, die zu objektiven Tatsachen und universale Dogmen gemacht werden. Sowie Gewissheiten, wo in Wahrheit nur Wahrscheinlichkeiten sind. Somit eher politisch-ideologische oder pseudo-wissenschaftliche Meinungen.
Solche Meinungen stehen sich dann geradezu notwendig unversöhnlich gegenüber (weil es dann weniger um «facts» geht als vielmehr um Interessen und Identitäten).
Die Anregung eine Weile meinungstabstinent zu werden und es mit Beschreiben und Erzählen zu versuchen, finde ich sehr wertvoll. Was mir bis heute nicht klar ist: aus welcher Ecke kommt das Wort Coronaskeptiker ursprünglich? Von denjenigen, die damit gemeint sind und sich selber als kritisch betrachten? Oder von denjenigen, die es pauschal über die, die damit gemeint sein könnten, stülpen? Sicher ist, dass es mittlerweile als Schimpfwort verwendet wird. Aber wer genau sind diese Coronaskeptiker? Da Sie, Herr Strassberger, das Wort Coronaskeptiker auch koppeln mit "menschenverachtender Rücksichtslosigkeit" reduziert sich der Kreis auf eine sehr sehr kleine Anzahl von Menschen. Zumindest ist das das Ergebnis dessen, was ich entdecke, wenn ich einfach mal beim Beschreiben bleibe, was ich in meinem Umfeld wahrnehme- auch, wenn ich die sehr vielen Menschen, die kritisch gegenüber gewissen Massnahmen sind und/oder viele Fragen zu den (möglichen) Hintergründen und der Dynamik des Geschehens haben -, mit einbeziehe.
Gerade wollte ich antworten, dann las ich, was F. M. geschrieben hat:
(…) sich einer Meinung zu enthalten, ist nicht möglich. Man hat immer eine Meinung. Und man sollte sich auch bewusst machen, worin sie besteht, auf welche Gründe sie sich stützt und worin ihre Schwächen bestehen. Zu glauben, man könne sich einer Meinung enthalten, ist eine Selbsttäuschung. Sie führt dazu, dass man den kritischen Blick auf die eigene Meinung verliert. Und sie führt zu Beliebigkeit und Relativismus.
Genau das dachte ich bei Lesen dieses Textes. F. M. hat es auf den Punkt gebracht.
" Oder haben Sie schon einmal eine Debatte im Parlament oder in der «Arena» mitverfolgt, in der eine der Debattantinnen nachdenklich zugab, einen Sachverhalt nun völlig anders zu sehen als vorher?"
Vielleicht müsste man Debatten öfters mal durch ein Palaver ersetzen. Leider ist der Begriff heute negativ besetzt, aber das Palavern war mal ein vorurteilsfreies Gespräch um eine für alle annehmbare Lösung zu finden.
Ich mag mich nur daran erinnern, dass in der «Arena» jemand mal die Meinung wechselte, aber nicht mehr in welcher dieses «Wunder» geschah und wer das war. Nur, dass es ein geladener «Normalbürger» – also kein Politiker im engeren Sinne – war, der in der zweiten Reihe sass. Am Ende sagte er auf Nachfrage sinngemäss, dass er vorher eher zur einen Seite tendierte, aber jetzt, nachdem er beide Seiten gehört habe, nun von der anderen überzeugt sei.
Enttäuschte Zyniker könnten nun diese Aussage als «gstellt» bezeichnen, doch prima vista müssen wir sie beim Wort nehmen – was doch für einmal auch schön ist.
P.S. Ich glaube, das war an einer dieser Arenen «bi de Lüt», also draussen vor Ort. But who knows?
Ganz herrlicher Beitrag, Herr Strassberg! Sollte Pflichtlektüre in unsren Schulen werden als Gegenpol zum reinen Nützlichkeitsdenken, das dort vermittelt wird. Die Evaluationskrake, die sich bereits in alle Lebensbereiche eingefressen hat, hat schon genug Schaden angerichtet. Die Meinung, immer eine Meinung haben zu müssen, entspringt unserer dualen Denkweise. Die meisten Fragen, um die es. dabei geht, sind jedoch grundsätzlich nicht bestimmbar. Unsere eigene Antwort darauf kann deshalb nur eine Präferenz sein. Bei vielen Fragen handelt es sich sogar um künstlich geschaffene Diskrepanzen, die in Wirklichkeit gar nicht existieren. Ich muss nicht zu jedem Streit um Kaiser‘s Bart eine Meinung haben. Aber dies ist natürlich auch wieder eine Meinung.
Sehr geehrter Herr Strassberg, vielen Dank für diese spannende Sicht auf die Dinge. Die Seitenhiebe auf Coronamassnahmenkritiker hätten Sie sich allerdings sparen können, denn dadurch wirkt Ihre Forderung von mehr Gespräch etwas unglaubwürdig, wenn sie im selben Artikel doch wieder eine Debatte anzetteln.
Nun darf natürlich jeder eine Meinung haben. Ob sich die Meinung stringent begründen lässt, ist eine andere Frage. Und genau hier muss man auch ansetzen, wenn man mit Coronamassnahmenkritiker spricht. Leider kommt von den Massnahmenbefürwortern oft nicht viel mehr als die pflichtethische Moralwalze, gewürzt mit einigen Schlagwörtern, um die andere Seite möglichst schlecht aussehen zu lassen. Dabei ist es völlig klar, dass es auf Kritikerseite dieselben Methoden auch angewendet werden. Beides halte ich einer wirklichen Debatte für abträglich.
Ob Debatten Veränderungen bewirken im Einzelnen ist tatsächlich fraglich, denn wer, wenn wir ehrlich sind, hat sich das letzte Mal von Argumenten überzeugen lassen, wenn sie seiner Haltung zuwiderliefen. Aus meiner Sicht wäre mehr Offenheit in diesem Punkt wünschenswert.
Was im Artikel leider gar nicht zur Sprache kommt ist, weshalb die Skeptiker sich denn zurückgezogen haben aus der Diskussion. Es war ja nicht so, dass sie sich nicht für die "Wahrheit" interessiert hätten, sondern, dass sie Argumente gefunden haben, weswegen diese "Wahrheit", die damals angestrebt wurde, nicht erreichbar sei. Nach etwas zu streben, was nicht erreicht werden kann bringt natürlich wenig. Deshalb sahen die antiken Skeptikern das höchste Glück eben in der kompletten erkenntnistheoretischen Enthaltsamkeit. Eine wirklich schöne Idee finde ich Ihr Plädoyer für einen enthaltsamen Monat im obigen Sinne. Das könnten sich auch einige Journalisten der Republik zu Herzen nehmen. ;-)
Ein sehr interessanter Artikel, danke. Eine Philosophie-Stunde, welche zugänglich geschrieben ist. Für Anfänger, wie mich;-)
Jedenfalls: Ab und zu einen Tag oder Abend einzulegen, an dem alle Kontroversen/Ambivalenzen/Debatten egal sind, halte ich für gesund. Damit meine ich nicht, alleine auf einen Berg wandern. Sondern auch unter Leuten einfach mal einen aufkeimenden Meinungsaustausch mit "Wer nimmt noch n Bier? Welche Mucke willst hören?" quittieren.
Ein trefflicher Beitrag aus triftigem Grund.
Kaum etwas führt uns die Pandemie so deutlich vor Augen wie das in Debatten, Diskussionen und Gesprächen oft wilde Durcheinander von Meinungen, Hypothesen, Fakten, Informationen und Haltungen ...
So sollte es eigentlich ganz simpel sein, in einem Gespräch oder einer "Debatte" seine Meinung vor dem Hintergrund einer ethisch-moralischen Haltung auf Basis aktueller Fakten, Informationen und Hypothesen zu äussern und diese gegebenenfalls zu ändern, wenn neue Fakten, zusätzliche Informationen oder angepasste Hypothesen auf den Tisch kommen.
Diese Offenheit würde ich mir wünschen - dann bräuchte es auch keine Meinungspause!
Das erklärt mir sehr gut, weshalb mich Debatten bisher eher abschreckten. Gleichzeitig erinnert es mich an die Zeit, als ich neu in der Schweiz war und ich sämtliche Initiativen und politischen Vorstöße mit riesigen Ohren verfolgte. Ich hatte keine Ahnung, um was es ging und folglich noch keine Meinung. Erst im Gespräch mit anderen Menschen - im Dialog - konnte ich mir eine Meinung bilden. Argumente alleine waren dafür nicht ausreichend. Auch eine interessante Erkenntnis. Und es stört mich tatsächlich auch, dass einige Begriffe einfach gekapert wurden. Der Querdenker hatte eine wirklich innovative Chance.
Wenn ich hier etwas schreibe, wird es notwendigerweise meine Meinung zu diesem Artikel sein.
Daniel Strassberg hat gerade den Begriff der «Meinung» gekapert: «eine Überzeugung, die im Grunde lediglich die Überhöhung der eigenen Befindlichkeit zu einer allgemeinen Behauptung ist. Das scheint mir ein allgemeiner Wesenszug von Meinungen zu sein.» Dagegen meint Wikipedia: «eine von direkter Betroffenheit, von individuellen Wertvorstellungen, Geschmack und/oder Gefühlen geprägte Einstellung eines Menschen gegenüber einem bestimmten Gegenstand.»
Demokratie lebt davon, dass die Stimmenden zur Bildung einer Meinung ermutigt werden. Im Idealfall bemühen sie sich, dabei die objektiven Fakten und die Interessen anderer einfliessen zu lassen, da dies ihrer Einstellung und ihren Wertvorstellungen entspricht. Wer keine Meinung hat, soll nicht abstimmen – es würde ja nur das Würfeln bleiben.
Wie gehen denn Gespräche, wenn sich alle einer Meinung enthalten? Wie soll ich mein Leben gestalten, ohne dass ich mir eine Meinung zu dem bilde, was mir begegnet? Meine Meinung ist veränderbar, sonst wäre Gespräch unsinnig. Wenn Meinung vorgeschobene wohlklingende Aussage zum Verdecken meiner egoistischen Eigeninteressen bedeuten sollte, dann hätte Herr Strassberg recht. Ich habe nicht den Eindruck, dass diese Art von Meinung dominiert, aber vielleicht ist die Tendenz steigend. Wir sollten über unsere Meinungen zur Art, wie wir Meinungen bilden, austauschen und würden im Gespräch zu neuen Erkenntnissen kommen.
Der Königsweg, um die eigene, vermeintliche Grandiosität hervorzuheben ist, das Schubladisieren und Etikettieren von anderen. Wer pauschal von „Corona Skeptikern“ spricht und sie mit Nazis und anderen Unsympathen in die selbe Tonne rührt, hat den Weg vom Dialog zum Streit ohne Umweg anvisiert.
Der Rest ist dann allerdings überaus gut gelungen. Vielleicht soll ich ja mein Republik-Abo für den Juni sistieren 😉
Skepsis, die
[durch] kritische Zweifel, Bedenken, Misstrauen [bestimmtes verhalten]; Zurückhaltung
Mir gefällt auch die wissenschaftliche Skepsis als Ablehnung aller Dogmen. Da haben meiner Meinung (!) nach auch die «Corona-Skeptiker» (was für ein doofer Begriff) recht: die aktuellen Massnahmen sind weder göttlich gegeben noch in Stein gemeisselt. Man muss sie in Frage stellen dürfen. Die Ironie liegt darin, dass oft alte Dogmen (wir müssen das Virus eindämmen, koste es was es wolle) schlicht durch neue ersetzt werden (wir leben in einer Bundesratsdiktatur).
Menschen mit gesunder Skepsis stellen Ideen und Gedanken auf den Prüfstand und noch wichtiger, lassen ihre Gedanken von anderen prüfen. Erst wenn eine Idee Gegenargumenten von verschiedenen Seiten standhält, macht es Sinn, auf ihr aufzubauen.
Das wiederum wiederspricht der Vorgehensweise vieler «Corona-Skeptiker» stark. «Glaub nicht alles, was die Medien dir vorsetzen. Denk selber. Informiere dich.» Nur um dann die Meinung aus einem YouTube-Video mit losen Zusammenhängen und unglaubwürdigen Quellen 1:1 zu übernehmen, weiterzuverbreiten und alle Kritik ohne einen kritischen Gedanken abzulehnen. Ich gebe Daniel Strassberg recht: das führt den Skepsis-Begriff ad absurdum.
Das Beispiel vom Burkaverbot scheint mir aus zwei Gründen spannend:
Es illustriert (unfreiwillig oder herrlich subtil?) das Konzept von Meinung als Behinderung. Schliesslich werden Befürworter der Innitative summarisch als engstirnig und unaufrichtig diagnostiziert: mad or bad.
Die Frage, ob unsere Gesellschaft die Verschleierung des Gesichts tolerieren soll, scheint nicht meinungslos beantwortet werden zu können. Wie soll eine demokratisch legitimierte Gesellschaftsordnung zustande kommen, wenn nicht durch "Verallgemeinerung der eigenen Interessen"?
Anstatt Meinungslosigkeit, wäre vielleicht Empathie gefragt, um dem Problem der "lächerlichen Hahnenkämpfe" beizukommen: nur wenn wir die Emotionen und Motive der Gegnerschaft als nachvollziehbar anerkennen, können wir uns auf die gemeinsame Suche nach einer Lösung machen. -- Diesbezüglich wünschte ich mir zuweilen auch von der Republik eine Steigerung.
Finde ich spannend, z. B. für mich eine neue Sichtweise:
Meinungen ... reduzieren Komplexität und ermöglichen dadurch, überhaupt zu handeln
Dann wären also Meinungen die abgespeicherten Programme (Algorithmen) für unsere Gedanken, wie es Gewohnheiten für unsere Handlungen sind?
ja, zuhören ist was tolles und gar nicht so einfach, wie finn canonica im magazin editorial vom 20.02.2021 sehr eindrücklich erzählt und beschrieben hat. das schreibe ich übrigens in vollem ernst. online allerdings nicht auffindbar.
—
interessant übrigens auch das weiter unten aufgeführte „Lob des Erzählens“ - wobei vom autor dieses hier publizierten „Lob[s] der Meinungslosigkeit“ gleichzeitig bei genauer betrachtung nicht selber erzählt, sondern eine andere erzählung-entblössung bloss zitiert wird; also ohne eine eigene entblössung riskieren zu müssen — um damit bei genauer betrachtung ...
mein geist bleibt kurz schweben ... ja was denn nun? -
... ach ja, der nebel klärt sich wieder ein wenig:
um mit dieser zitierten erzählung nicht nur gerade genau die eigene meinung auszudrücken - um also nicht nur gerade selber, und sehr dezidiert, eine eigene meinung zu äussern; genau, halte ich aus: ambi-valenz !! - sondern diese seine meinung - nämlich dass wir doch besser alle keine (eigene) meinung haben sollten und genau genommen dürften, gleichzeitig aber auch die ambivalenz dabei unbedingt aushalten sollten - oder dann wenigstens etwas ironie walten lassen - um diese, herrn strassbergs meinung, sofort auch gleich dem einüben aller, die da lesen, ziemlich meinungsstark anzuempfehlen. leute, übt das bitte mal! wir brauchen mehr menschen, die schweigen! oder sich dann wenigstens voll selbst entblössen!
—
neue menschen braucht das land. - vielen dank für diese hoch geschützte, wertvolle erkenntnis, sagen wir doch dann da. am besten.
—
mein geist wird folglich nun bestimmt ganz ambivalenz-genährt auch bis mindestens ende juni wieder ins schweigen - ach ne, stimmt, ich habe ja eine alternative! - also allerhöchstens ins nackt entblössende ins erzählen verfallen.
meine dankbarkeit an euch:
liebe skepsis;
und liebe ironie,
ob nun selbst-oder-anders oder auch einfach beyond;
thank you, both, dear sisters!
thanks.
—
und, oops, jetzt ist der juli ja doch schon durchgerutscht ... jetzt ist mir doch auch gleich der titel eingefallen; der titel zur ablage der strassberg-kolumnen der republik:
strassbergs muntere nachhilfe für (uns leider doch ziemlich beschränkte) republik-leser•innen alle. amen.
danke, herr strassberg!
—
cheers and good-bye.
Wenn ich die Geschichte richtig verstanden habe, sind «Meinungen» ihrer Meinung nach v. a. politisch-ideologische Meinungen – und nicht etwa wissenschaftliche oder philosophische «Lehr-Meinungen» (doxa, Dogmen) gegen die Pyrrhon, zumindest laut seinem Schüler Sextus Empiricus, ebenfalls skeptisch die Epoché anwandte:
«Verallgemeinerung der eigenen Interessen»
«Bewertungen»
«quasi objektiven Standpunkt»
«verschleiern seine eigenen Interessen am Gegenstand»
Also partikuläre Interessen und Werturteile, die zu objektiven Tatsachen verabsolutierte Dogmen gemacht werden. Und so unvernehmlich im «Agon» (Wettstreit) der Demokratie aufeinandertreffen (vgl. Mouffe/Laclau).
So weit – so ideologiekritisch – wie gehabt.
Was uns aber mental wie emotional aufrührt, ja aufwühlt (a-taraxia -> tarasso, beunruhigen, wie in unruhige See) ist, mit welcher Gehässigkeit dies vonstatten geht. Dieser Hass ist aber auch die Schattenseite der Freiheit, des Egalitarismus und des Individualismus, so dass sogar vom «Hass der Demokratie» (Rancière) die Rede sein könnte.
Bei Sartre heisst es zum Hass:
[Das Für-sich] will einfach eine unbegrenzte faktische Freiheit wiederfinden; das heisst sich seines unerfassbaren Für-den-andern-Objekt-seins entledigen und seine Entfremdungsdimension aufheben. Das kommt dem Entwurf gleich, eine Welt zu realisieren, wo der andere nicht existiert. […] Wer hasst, nimmt sich vor, keinesfalls mehr Objekt zu sein; und der Hass bietet sich als eine absolute Setzung der Freiheit des Für-sich gegenüber dem andern dar. (Das Sein und das Nichts, S. 716)
Das wirft auch ein Schlaglicht auf den Hass der Corona-Skeptiker und Massnahmen-Kritiker (noch so eine Begriffskaperung), also jenen, die ihre individuellen Freiheiten durch das Virus, die Wissenschaftler*innen, die Medien und den Staat existenziell bedroht sehen.
Was uns fehlt, ist in der Tat, eine real gelebte Solidarität eines radikal pluralistischen Wir, in dem jede Position nur eine Perspektive ist, zu der eine skeptische, selbst-kritische und -ironische Distanz gehalten wird, um so eine für andere lebbare Gemeinschaft und einen freien Diskurs zu ermöglichen. – Skepsis und Ironie als Resilienz-Skills.
wirklich ein sehr guter Beitrag, danke.
Meinungen, egal welche, haben irgendwie etwas abgeschmacktes, fast widerwärtiges. Aber das ist natürlich nur (m)eine Meinung:-( Irgendwie möchte man sich davon befreien, einen meinungslosen, völlig transparenten Zustand erreichen. Wie ein Ballonfahrer, der den Ballast abwirft und in die Höhe steigt. Evtl. droht dort das Schicksal des Ikarus, aber die Befreiung allein wäre die Reise wert.
Warum bis Juni warten?
"""fatal frohlocken Drückeberger""" (Zugriffs-Losung)
... wie sollte man auf eine 'falsch' gestellte Frage 'richtige' Antworten erwarten ...
"Wer eine Meinung hat, sieht in der Welt im Grunde nichts ..." - die Weiterung des Zitats aus der Strassberg-Kolumne ist nur Verunglimpfung Anderer, leider - aber soweit so gut: Ich könnte dem 'Ausriss' sogar zustimmen, nur: eine einsame Meinung ist eben wie ein einsames ICH - bedeutungslos. Eine Meinung gewinnt überhaupt nur Bedeutung durch ihr Einbringen in ein Gespräch. Ein Gespräch lebt vom Zuhören; und wenn Meinungen gehört und erwogen (im besten Fall "skeptisch" erwogen) werden, können sie fruchtbar werden - zB. für die offene Diskussion in einer Demokratie ...
Aber wer Gespräch als "Debatte" von Meinungen, die sich gegenseitig bekämpfen und 'ver-nichten', disqualifiziert, gewinnt daraus nicht mehr als Schaukämpfe, wie sie rundum inszeniert werden - unter anderem sehr gerne in dieser REPUBLIKation.
Ein gutes Beispiel dafür ist dieser Artikel selbst:
"Warum die Demokratie weniger kontroverse Debatten [...] braucht. Und weshalb Corona-Skeptiker das nicht verstanden haben."
Natürlich haben 'die Anderen' etwas nicht verstanden - und ich kann frisch fröhlich fortfahren, 'die Leute' (die Einen zur Selbstvergewisserung - die Anderen zur Beleerung) mit meinen Meinungen zu überschütten.
"«Corona-Skeptiker» mögen vieles sein, aber Skeptiker sind sie bestimmt nicht."
Der hiesige 'Ober-Skeptiker' (Schulinspektor?) aber ganz sicher 'auch' nicht - ein typisch rechthaberisches Pamflet ... über 'die Anderen' :-(
Etwas Skepsis seinen eigenen Meinungen gegenüber wäre vielleicht ganz dienlich :-)
Ihre kritischen Überlegungen verstehe ich. Gleichzeitig spüre ich darin einen Zirkelschluss, zwischen Sach-Ebene und Meta-Ebene: Nur ein völlig zurückgezogener Mensch würde zu allem sagen "Das ist mir gleich". Sobald ich mir aber überlege, ob und wie der Austausch von Gedanken (Debatte, Gespräch, wie-auch-immer) konstruktiv(er) werden kann, dann ist es hilfreich, Abläufe zu beobachten und zu interpretieren. Als Beitrag zu einem Gespräch. Was M.S. hier für mich sehr gut gelang. Was M.S. zu wenig macht, ist, die verschiedenen Seiten der Corona-Debatte genauer anzusehen, und primär die Ablehner (Skeptiker, wie-a-i) zu kritisieren. Denn ich spüre auf allen Seiten (angstgeleitete?) Zuhörblockaden. Dies macht die Situation aber leider nicht besser. In der Summe: Ihre Kritik, Herr Pierrot, verstehe ich, aber ich teile sie nicht.
Wenn denn schon ein "Gespräch" mit dem Corona-skeptischen DU prinzipiell unmöglich erscheint (da dessen "Meinung" von egoistischen Interessen geleitet sei, auf einem profunden Missverständnis altgriechischer "Skepsis" und haltloser "Reduktion von Komplexität" beruhe, in Verkennung der Wirklichkeit, durch das EGO, das wir beim Anderen gerne vermuten), soll doch an heute eine Art Enthaltsamkeit möglich und erlaubt sein, wenn nicht geboten: wenigstens zeitweilig als Innehalten mit der eigenen Meinungsbildung, ein Unterbruch und Zwischenraum des "Désinteresses" (Schabbat), um auch mal die Stimme des Andern zu hören (Lévinas). Oder gar die leise Stimme Gottes (Adonai), die nur auf dem Umweg über das DU in unser eigenes Denken "einfällt" !? Eine sicher angebrachte Schraube des Corona-üblichen EGO-Denkens in Rücksichtsnahme auf die "Schwachen" (von COVID-Gefährdeten oder auch sogen. "Covidioten", die selber keinerlei Rücksicht auf Andere zu nehmen pflegen). Aber lässt sich dieses radikale UMKEHR-Denken von Emmanuel LEVINAS, das ganz vom Andern und Nächsten (ALTRUI) - nicht vom EGO - herkommt, wirklich so einspannen in diese zeitweilige Toleranz für Mitmenschen, denen die Gesprächsbereitschaft und -fähigkeit notorisch abzugehen pflegt ? "Was sieht Du den Splitter im Auge des Bruders, nicht aber den Balken im eigenen Auge ?", hatte da mal einer der palästinischen Lehrer (Urahnen) von Lévinas gefragt.
Welcher "Quatsch" ? Wenn denn schon ein "Gespräch" mit dem Corona-skeptischen DU prinzipiell unmöglich sei (da dessen "Meinung" von Interessen geleitet ist, auf dem profunden Missverständnis altgriechischer "Skepsis" und haltloser "Reduktion von Komplexität" beruht, in Verkennung der Wirklichkeit, durch das EGO, das wir beim Anderen gerne vermuten), soll doch ab sofort eine Art Enthaltsamkeit möglich und angebracht sein, wenn nicht geboten: wenigstens zeitweilig als Innehalten mit der eigenen Meinungsbildung, ein Unterbruch und Zwischenraum des "Désinteresses" (Schabbat), um auch mal die Stimme des Andern zu hören (Lévinas). Oder gar die leise Stimme Gottes (Adonai), die nur auf dem Umweg über das DU in unser eigenes Denken "einfällt" !? Eine sicher löbliche und angebrachte Schraube des Corona-üblichen EGO-Denkens in Rücksichtsnahme auf die "Schwachen" (sei es von COVID-Gefährdeten oder auch sogen. "Covidioten", die selber keinerlei Rücksicht auf Andere zu nehmen pflegen). Aber lässt sich dieses radikale UMKEHR-Denken von Emmanuel LEVINAS, das ganz vom Andern und Nächsten (ALTRUI) - nicht von meinem EGO ! - herkommt, wirklich so einspannen in diese "meine" zeitweilige Toleranz für Mitmenschen, denen die Gesprächsbereitschaft und -fähigkeit notorisch abzugehen pflegt ? "Was sieht Du den Splitter im Auge des Bruders, nicht aber den Balken im eigenen Auge ?", hatte da mal einer der palästinischen Lehrer (Urahnen) von Lévinas gefragt.
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