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Danke für diesen Beitrag. Danke - unter anderem genau für solche Artikel bin ich Verlegerin der Republik.
Wie schön - das freut mich sehr!
Eine Vermutung, die mich beim Nachdenken über diesen Text beschleicht: Der manchmal permanent empfundene (oft aber selbstauferlegte) Zeitmangel bewirkt, dass mensch die schlichte Schön- und Wahrheit oft übersieht. Da will ich hinschauen.
Mir hat beim Hinschauen die Sprache geholfen. Wie oft verwende ich den Begriff 'schnell' in meiner Alltagssprache? Erschreckend oft! Und ich habe gemerkt, dass allein schon der inflationäre Gebrauch dieses Wörtchen ein generelles Gefühl von Gehetztsein auslöst.
Nun versuche ich, das Wort 'schnell' im alltäglichen Sprachgebrauch zu vermeiden: noch "schnell" dies und das machen, noch schnell dies und das lesen, noch schnell etwas essen etc etc.
Nicht, dass das an einem allfälligen Zeitmangel wirklich etwas ändern würde, aber es schärft das Bewusstsein für die Wichtigkeit der einzelnen Dinge. Von den drei Dingen, die ich noch 'schnell' machen möchte, kann ich gut auch etwas weglassen. Die anderen gewinnen dafür an Tiefe und Intensität.
Ich vermute, dass Sie recht haben.
Wieder einmal einer dieser Artikel zum Frühstück, der den ganzen Tag nachhallen wird. Danke an die Autorin und die Übersetzerin für die vielen klugen Gedanken!
Vielen Dank, Ihr schönes Feedback freut mich sehr!
Danke für den tiefsinnigen Text. Als Ergänzung empfehle ich die Sternstunde Philosophie mit der französischen Philosophin Corine Pelluchon vom vorgestern zum Thema „Zuversicht“.
Danke! Ich darf Ihnen schon verraten, dass Corine Pelluchon in der kommenden Woche auch noch einen Auftritt bei uns im Magazin haben wird.
Ich habe diese interessante Sendung auch verfolgt. Danke Herr K. Freue mich auf den Auftritt von Corine Pelluchon.
Zuversicht haben und als Individuum zugehörig in der ganzen Schöpfung ein Teil davon sein. So sehe ich es. Trotz allem Schwierigen ist der Tod, die Zerstörung usw nicht das Letzte. Die Urkraft macht was sie will, auch in der totalen Zerstörung. Der Mensch sollte dem Respekt zollen und sich nicht über das hinweg setzen.
Grandioser Text mit sehr viel Tiefe und einem gehörigen Nachhall. Werde ich heute Abend noch einmal lesen müssen. Herzlichen Dank für diese Bereicherung.
Es ist sehr bedenklich (und potenziell gefährlich), wie in diesem Artikel Arne Naess und die "Deep Ecology" so einseitig als eine lohnenswerte Entdeckung dargestellt werden, wo sie doch seit Jahrzehnten extrem kritisch diskutiert werden - mit sehr legitimen Argumenten aus der Perspektive des Feminismus, Postkolonialismus oder der Sozialen Ökologie (vgl. bspw. von Murray Bookchin: https://libcom.org/article/social-e…y-movement). Wenn man nur von Spinoza und Selbstverwirklichung schreibt, aber Heidegger, Mystizismus, Bevölkerungsreduktion, Einwanderungsdebatten etc. weglässt, dann klingt das alles viel zu schön! Schade, dass die Republik hier so unkritisch war.
Liebe Frau K., danke für diesen wertvollen Hinweis. Ich sehe Ihren Punkt durchaus. Allerdings ist es für mich ein entscheidender Unterschied, ob sich ein Artikel spezifisch dem Thema "Naess und Deep Ecology" widmet - in diesem Fall wäre es für mich zwingend, auch auf kritisch zu betrachtende Aussagen Naess' einzugehen. Oder ob sich ein Artikel einem anderen, spezifischen Thema widmet - in diesem Fall der Frage, ob wir uns angesichts der Klimakrise mit Selbstverwirklichung befassen sollen und was das überhaupt bedeutet - und in diesem Zusammenhang die Gedanken von verschiedenen Philosophen und Denkerinnen zu diesem Thema analysiert. In diesem Fall finde ich es nicht zwingend, zu all diesen Personen auch darüber hinausführende Aspekte zu erörtern, auch wenn es durchaus denkbar gewesen wäre. In diesem Fall hat sich Helen Cruz anders entschieden, was ich nachvollziehen kann. Trotzdem herzlichen Dank für die Ergänzung. Herzlich, Bettina Hamilton-Irvine
Guten Morgen Frau K.
Ich habe mir den Artikel von Murray Bookchin übersetzen lassen und ihn angeschaut. Mein Eindruck ist, dass sein respektloses und arrogant daherkommendes Pamphlet gegen die Tiefenökologie in einem sehr unguten Kontrast zur seiner von ihm beworbenen Theorie der „Social Ecology“ steht. Auf diese Weise kann kein fruchtbarer Dialog entstehen.
Schade: beide Denkansätze tragen in sich äusserst wertvolle Gedanken und Vorschläge, wie die ökologische Krise überwunden werden könnte. Es ist unsinnig und auch schädlich, sie gegeneinander auszuspielen. Die Tiefenökologie propagiert in keinster Weise eine Regelung der Bevölkerung, indem die Ärmsten dieser Erde ihrem Schicksal überlassen werden. Und ebenso erscheint es mir bösartig, den Massenmörder Hitler in die Nähe zur Tiefenökologie zu rücken, wie es Bookchin tut. Ebenso könnte ich die anderen Massenmörder des letzten Jahrhunderts, Stalin und Mao, im Zusammenhang mit einer „Social Ecology“ kombinieren, was absoluter Blödsinn wäre.
Selbstverständlich ist es wichtig, die sozialen und ethnischen Fragen in Zusammenhang mit der Tiefenökologie zu bringen, indem Fragen zur Gerechtigkeit, Macht und Emanzipation miteinander verknüpft werden. „Die Natur kann nicht geschützt werden, ohne das Städteproblem, das im Zentrum der ökologischen Krise steht, anzugehen. Wie können wir die Vielfalt der Lebenden Arten schützen, wenn nicht auch die Frage der ethnischen Beziehungen und des Rassismus angesprochen wird? Und was bedeutet es, wenn wir auf die Stimmen der Erde hören, gleichzeitig aber die Schreie unterdrückter und diskriminierter Völker überhören? Die Etablierung eines ökologischen Selbst, das nicht-menschliche Wesen umfasst, macht ohne die damit einhergehende Bildung eines „multikulturellen Selbst“, das die Vielfalt aller Erscheinungsformen der menschlichen Spezies umfasst, keinen Sinn.“ (1)
Im Übrigen zeigt eine der bedeutendsten Tiefenökologinnen, Joanna Macy, konkrete Wege auf, wie die Spaltung des Menschen von der Natur überwunden werden kann. Es ist kein romantischer Weg, der hier aufgezeigt wird, sondern einer, der mit echter Trauerarbeit verbunden ist. (2)
(1) Michel Maxime Egger, Pflege der Seele - Heilung der Erde. Einführung in die Ökopsychologie. Taotime verlag, 2019, 249f.
(2) Joanna Macy und Chris Johnstone, Hoffnung durch Handeln, Dem Chaos standhalten, ohne verrückt zu werden. Junfermann, 2017.
Ich staune immer wieder, wenn heutige Gedankengänge von Menschen in reichen Ländern dorthin führen, wo ich selber vor ein paar Jahrzehnten dank der Auseinandersetzung mit der universalen Weltsicht von Indigenen in Nordamerika eigenständiger zu denken begonnen habe. Sehr feiner Text, danke hierfür und auch für die Anregungen zu vertiefender Lektüre.
Viele, wenn nicht alle, Religionen und spirituellen Wege führen - so denke ich - zur gleichen Erkenntnis des eigenen Ichs und unserer Einbettung in das grosse Ganze, was die Religionen „Schöpfung“ nennen. Das Problem ist doch, dass die meisten Menschen heute wie früher vom Alltag so stark abgelenkt sind, dass wir keine Zeit zu haben meinen, uns in Ruhe mit Sinnfragen zu beschäftigen. Früher stand wohl eher das Überleben im Vordergrund, heute oftmals die vielen Möglichkeiten des Konsums. Es bedarf oftmals eines unerwarteten Lebens-Ereignisses oder Schicksalsschlages, dass uns innehalten und uns auf das Wesentliche rückbesinnen lässt.
Also der christliche Approach von "macht euch die Erde Untertan"/"Krone der Schöpfung" ist schon etwas leicht anderes als eine Einbettung ins Grosse Ganze.
Ich hab ja schon fast auf dieses Argument gewartet… Mystiker der verschiedenen Religionen hatten wohl (und ihren Religionen zum Trotz) eine universale Sicht auf das Leben. Religionen als Glaubenskonstrukte hingegen erlebe ich eher als Hindernisse auf dem Weg zu solchem Sehen.
"Es gibt nicht die eine Art und Weise, wie wir zu sein haben." Nein, gibt es nicht. Doch wir können uns auf unsere Würde besinnen und versuchen, würdevoll durch diese schwierigen Zeiten zu gehen. Dann werden wir von selbst das machen, was für uns und die Welt, in der wir eingebettet sind, gut ist.
Vielen Dank für diesen wunderbaren, tiefsinnigen Text. Das Zusammensein mit den kleinen Enkelkindern gibt mir aktuell am ehesten eine Vorstellung davon, was mit der beschriebenen Form von Selbstverwirklichung gemeint sein könnte.
Kinder zu erleben ist überhaupt ein dringender Ansporn, ihnen die Welt lebenswert zu überlassen!
Umso erstaunlicher ist es dann, dass genau die Parteien, die sich am ehesten Politik für traditionelle Familien auf die Fahne schreiben, die Zerstörung am meisten fördern, während die Befürworter der Homo-Ehe am ehesten für Umweltschutz sind. Das mit dem Ansporn scheint nicht ganz zu klappen. Ich bin kinderlos und habe nicht mal einen Führerschein, meine Geschwister haben Kinder - und Autos. Mein Bruder gar zwei. Ein wenig aussagendes Einzelbeispiel, aber so ähnlich beobachte ich das auch allgemein. Tja.
Was für eine schöne Überraschung, hier in der Republik von Helen de Cruz, einer meiner Lieblingsphilosophinnen (und Lautistinnen!), diesen klugen Essay, der kürzlich erst auf Aeon.com erschienen ist, auch auf Deutsch lesen zu können. Herzlichen Dank!
Vielen Dank, es freut mich sehr, dass wir Sie mit diesem Text positiv überraschen konnten!
Vielen Dank für diesen Text, der mir zu Herzen geht, weil er klug ist und viel Empathie für alles Lebende, sozusagen die Wesenschaft dieses Planeten, beinhaltet. Natürlich müssen wir unser Selbst in Frage stellen; denn es ist so konditioniert, dass es den Mächtigen und Reichen dient, ihnen die Legitimation erteilt, den Planeten zu plündern, sich ihn untertan zu machen. Wir schauen zu viel weg, weil wir ein schlechtes Gewissen haben, weil wir, wie im Text erwähnt, den Klimawandel leugnen. Wir sind Konsummenschen geworden; nur uns selbst verpflichtet. Geradezu grotesk, wenn man glaubt, sich selbst, und vielleicht noch seine Liebsten, retten zu können. Jeder und Jede ist Teil der Natur; wer das nicht wahrhaben will, muss sublimieren, also sich mit Dingen eine Freiheit erkaufen, die letztlich in der Unfreiheit endet. Freiheit ist, sich als Teil eines Ganzen zu verstehen, wo alles Leben seinen Platz hat und dafür verantwortlich zeichnet, dass wir eine Überlebenschance haben. Wir sollten die Welt, unser Tun, unser Fühlen, unsere Verbundenheit für das Ganze neu denken und uns dann daran machen, so zu leben, wie es sich als Teil einer Gemeinschaft gehört.
Ich habe mich auch sehr über das Eichenwald-Bild von Robert Zünd gefreut. Wohne gleich daneben und es schaut immer noch ziemlich gleich aus. Eine wunderbare Oase.
lieber heinz
ich kann mich dir anschliessen und finde dieses medidative bild grossartig - übrigens in der reproduktion sieht es aus wie eine photographie, was mich doch sehr verwundert. wo meinst du, hat zünd beim malen gestanden, kennst du die stelle?
herzlich
klaus
Hallo Klaus - die Stelle kenne ich nicht, vermute aber, dass er Richtung Kaserne geschaut hat. Beste Grüsse.
Danke für diesen spannenden, tiefen Text! Damit nähern wir uns m.E. dem Knackpunkt unserer gegenwärtigen Krisen. Lassen wir uns weiterhin fremdbestimmen und streben danach, Klone des des trügerischen Vorbilds „autonomer Mensch“ zu werden, oder werfen wir alles in die Waagschale, was uns selber ausmacht und uns auch von anderen unterscheidet? Und treten wir dann so, ganz entspannt und gespannt mit anderen in Beziehung? Ungekünstelt, authentisch, künstlerisch frei?
beim lesen kamen mir ein paar wild herumstreunende gedanken...
die ich jetzt mal hier im dialog rumstreunen lasse...
-jede generation sieht sich selbst als "die letzte", mindestens seit der apokalyptischen literatur/mittelalter bestens belegt
(stimmt ja auch absolut - mich gibt es so nur hier und jetzt...)
rezepturen vom schema "trinkt milch" - d.h. esst das hier und das da nicht, macht das und dies - und alles wird gut/besser... nach diesem schema wird seit jahrtausenden gepredigt und z.t. befolgt - aber recht oft auch nicht befolgt...
die trennung in gut/böse: die bösen eliten (wo dann doch immer gesagt wird, dass "wir" alle dazugehören - wir, die wir verschiedene möglichkeiten haben, wie wir unser leben gestalten wollen) und die von ihnen ausgebeuteten, möglichkeitslosen,-ärmeren...
oder der böse mensch und die gute natur...
und wenn der mensch auch ganz und gar natur wäre, wirklich teil der erde, so "natürlich" wie ein sich bewegender grasbüschel, der im besseren fall auch noch die möglichkeit haben kann, sich als herumwandernden grasbüschel zu wissen...
wenn der mensch also gar nicht im (bösen) gegensatz "zur erde" sein könnte?
denn dieses gegensatz-schema gut-bös scheint mir den diskussionen (zumindest implizit) (zu) oft zu grunde zu liegen...
sind solche binäre/trennende denkvoraussetzungen wirklich nötig; hilfreich; wo und wann genau (nicht)?
Oder „natürlich“ vs. „unnatürlich“. Oder „Kultur“ vs. „Natur“.
Das Trennende oder auch das Ausschliessende ist leider der Sprache inhärent, sie funktioniert teilweise so. Sie ist zwar nicht rein auf Gegensätzen aufgebaut, aber reich darin. Und indem wir Dinge benennen, verfälschen wir unsere Wahrnehmung derselben, indem wir die Wahrnehmung auf gewisse Eigenschaften lenken und andere (sprachlich) ausklammern (vgl. u.a. Adorno). Wir sind ein Stück weit in der Sprache gefangen - darum hat die Philosophie vor ungefähr hundert Jahren in der Folge der sogenannte linguistischen Wende (linguistic turn) versucht, eine neutrale Sprache zu schaffen. Was natürlich scheitern musste. Man kann den Eigenschaften von Sprache nicht durch Sprache entrinnen. Genau so wenig wie unserer evolutionär wichtigen Fähigkeit, Muster zu erkennen und (durch Sprache) zu kategorisieren. So ist es etwa dem Überleben dienlich, „gefährlich“ („böse“) von „ungefährlich“ („gut“) zu unterscheiden.
Aber ein Bewusstsein dafür - auch ohne sprachphilosophischen Hintergrund, nur schon durch den kritischen Blick darauf, wie wir die Welt kategorisieren - ist ein grundlegender erster Schritt, dagegen anzukämpfen.
Dass der Umgang mit der Welt radikal ändern muss, wissen wir schon seit 60 Jahren. Aber dass das durch "Selbstverwirklichung" passieren kann ist, zu bezweifeln. Schliesslich ist fast die ganze Menschheit heute imprägniert mit neo-liberalen Grundsätzen wie: mehr ist besser, grösser ist besser, schneller ist besser etc. Das beginnt schon in der Schule und hat für gerade mal 1/3 der Menschheit (materiellen) "Wohlstand" mit der Zerstörung der Lebensbasis erkauft. Trotz geistigen Erkenntnissen von Diogenes, Spinoza bis Naess, will eine Mehrheit in der westlichen Welt sich "materiell" verwirklichen (Migration!) und so ist im "freiesten" Land von Frau Cruz der Fussabdruck durchschnittlich 5,6 "Welten" (auch im evangelikalen Bible-Belt).
Es müsste vielleicht mehr vom realen (physischen) Zustand des Planeten ausgegangen und dies in den Schulen "gelehrt" und gelernt werden. Praktische Philosophie, wie sie z.B. Hans Jonas ("Das Prinzip Verantwortung, 1976") geschrieben hat, und die jedes K. versteht. Dann würde es schwierig, den Klmaschock zu leugnen. Bei Spinoza ( und De Cruz) dürfte das nicht so einfach sein.
Schauen Sie noch mal rein, in den Essay, und lesen Sie nach, was die Autorin unter authentischer Selbstverwirklichung versteht und uns nahelegt. Es erinnert mich an C. Eisensteins Wort von der Notwendigkeit (haha), um die Erde zu werben, dass sie uns gewogen sei und weiter unsere Heimat bleiben möge, wie man um eine Geliebte wirbt. Solche Metaphern helfen mir.
Völlig einverstanden, wenn man überhaupt versteht, was "authentische Selbstverwirklichung" bedeutet. Meine Männeriegen- Kollegen, die meisten Bekannten (und erst recht mein geistig leicht behinderter Enkel) sagen dazu : "Hä?" Aber wenn die Gletscher, über die wir vor 30 Jahren wanderten, jetzt weg sind, sagen Sie (auch mein Enkel!): "Uiii, wir müssen sofort handeln!"
Trotzdem ist der Artikel wichtig, er generiert viele Gedanken, wie hier gerade (und es war keine Kritik an Frau De Cruz, eher eine Klage über allzu menschliches).
Ich habe den Text heute ein zweites Mal gelesen, um besser zu verstehen oder formulieren zu können, was mich daran stört, obwohl ich ihn gleichzeitig fantastisch finde.
Die Argumentation beginnt mit der (meines Erachtens richtigen) Feststellung, dass es keine gute Idee ist, die menschlichen Bedürfnisse (zB. nach Maslow) zu ignorieren, wenn man am Verhalten von Menschen etwas ändern möchte. Ein Zugang, der potentiell verhindert, dass daraus utopische Ideen in Richtung „Überwindung des Menschen selbst“ entstehen. Dann aber scheint der Vorschlag trotzdem in diese Falle zu tappen, indem dem Konzept Selbstverwirklichung eine Bedeutung zugeschrieben wird, das ich mir zwar genau so bei den Menschen wünschen würde, und das ich selbst seit meiner Jugend eigentlich ähnlich sehe und anzustreben versuche, das mir aber auch ein bisschen als Utopie erscheint. Mir sagt persönlich das Streben nach Ruhm oder Besitz nichts. Aber vielen Menschen halt schon, und ich bezweifle, dass das (und generell negative Eigenschaften wie zum Beispiel Egoismus) einfach nur Folge gesellschaftlicher Diskurse ist und sich durch solche einfach ändern lässt. (Ich bin eigentlich bezüglich Weltbildern zum Beispiel ein Vertreter der These: Was die Menschen am meisten hören, das glauben sie. Aber hier geht es ja nicht nur um Ideologien, sondern auch um Emotionen. Da wird es dann doch noch einmal komplexer.)
Und so schleicht sich bei mir, auch wenn ich eigentlich selbst begeistert ja und genau sage, halt doch das Gefühl ein: Da tappt der Vorschlag halt letztlich doch in genau die Falle, die er zu Beginn zu vermeiden versuchte: Ein Stück weit den Menschen zu überwinden. Und dann frage ich mich, ob man mit Blick auf das Konzept Selbstverwirklichung nicht besser fordern würde, mit Anerkennung und Ruhm gesellschaftlich anders umzugehen, als zu versuchen, dieses Streben zu überwinden. Beginnen könnte man bei all den Preisen, die Durchsetzungsvermögen belohnen und all den Privilegien, die Gewinner der Leistungsgesellschaft erhalten. Zum Beispiel am Sächseläutenumzug nicht die Wirtschaftskapitäne als Ehrengäste, sondern die Klimajugend. Und eine Umgestaltung der Wirtschaft, des „Systems“, sodass Nachhaltigkeit sich auszahlt. Zum Beispiel könnten geschützte Landschaften wie Nationalparks in das BIP einfliessen. Oder alle Länder könnten in einen Fond einzahlen, aus dem Länder Geld erhalten, wenn sie sich für Nachhaltigkeit einsetzen. Sodass diese sich lohnt.
Natürlich ist die Schwäche in meinem Argument: Um nur schon Schritte wie die obigen Beispiele zu erreichen, braucht es in den demokratischen Gesellschaften ebenfalls ein Umdenken von genügend Leuten. Also das, was hier gefordert wird. Es braucht also durchaus und gerne viele solcher hervorragender Aufsätze. Und Menschen, die solche Ideen in Gesprächen weitertragen, andere überzeugen. Aber es scheint mir realistischer, das Streben nach Anerkennung einzubeziehen als zu versuchen, es den Menschen grundsätzlich abzugewöhnen.
Ob nicht zum Beispiel Herrn Gores Kampf für das Klima auch ein bisschen von seinem Hunger nach Anerkennung geprägt war?
Au wei! Da scheint also der mit allen Wassern gewaschene Händler, der in jedem und jeder von uns steckt, nur durch Anerkennung oder andere Belohnung, zu überzeugen sein. Aber: „In der Natur gibt es weder Belohnungen noch Strafen. Es gibt nur Konsequenzen!“ (Robert Green Ingesroll).
Ja, der steckt sicher auch in mir. Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung ;-)
Ja, ich bezweifle, dass Egoismus mehr als nur zähmbar ist. Ich will mich mit dem Beitrag aber nicht dagegen aussprechen, dass Menschen an sich selbst arbeiten sollten.
„Belohnung“ und „Strafe“ sind natürlich von uns erfundene Kategorien, mit denen wir Konsequenzen näher beschreiben.
Die beträchtliche "Flughöhe" des Artikels macht ihn wohl leider für viele Menschen unverständlich und/oder unverdaulich. Könnte frau so enorm Wichtiges und Schönes nicht auch etwas allgemeinverständlicher schreiben? Und: was ich sträflich schwarzweiss finde, ist die (würde behaupten überholte?) einseitig positive Bewertung von "Intellekt/Verstand" als quasi Retter versus Emotionen, die scheinbar in den Abgrund führen müssen, von wegen Begierden... Das ist doch eine der ganzheitlichen Hauptaussage des Artikels geradezu unwürdige (auch widersprechende) Vereinfachung.
Noch mehr Vereinfachung führt dann zu noch mehr von dem, was Sie ja gleichzeitig mit der Forderung nach Vereinfachung, also ein paar Sätze später, beklagen: zu viel Vereinfachung. ;-)
Das ist natürlich ein Artikel für Intellektuelle, zu denen ich mich mal arroganterweise zähle. Ist es dann nicht unsere Aufgabe, das Thema auch an diejenigen zu bringen, die ich hier mal arroganterweise als weniger zu komplexen Denken Fähige bezeichnen möchte?
Vielen, ganz grossen Dank für den Beitrag! Es ist, als wäre ich auf meiner Wanderung an einem Infopunkt angelangt und es würde mir bestätigt: du bist auf dem richtigen Weg. Geführt haben mich bis hierher viele Bücher, sie sind wunderbare Wegweiser. Hier noch einige Empfehlungen: "Lebendigkeit - Eine erotische Ökologie" von Andreas Weber. Bitte nicht vom Klappentext abschrecken lassen! Des weiteren sind die Bücher von Esther Kinsky (z.B. "Hain. Ein Geländeroman") wunderschön zu lesen. Frau Kinsky streift durch Landschaften und nimmt sich selber mit, assoziiert, beobachtet, lässt sich treiben. Oder Sheila Heti's "Reine Farbe", in dem die Ich-Person sogar ihre menschliche Existenz verlässt und als einzelnes Blatt an einem Baum spricht. Die im Beitrag beschriebene Haltung können wir dank gelebter Beispielhaftigkeit verstehen zu lernen. Dafür haben wir neben manchen Mitmenschen die Literatur, aber auch viele gute Sachbücher.
Vielen Dank für diesen inspirierenden und Hoffnung gebenden Beitrag! Er regt zum Weiterdenken an. Sehr schön finde ich auch, dass Spinozas philosophischen Erkenntnisse ihren gebührenden Platz finden.
Vielen vielen Dank, dass Sie den Beitrag von Helen De Cruz übersetzt und publiziert haben!!! Hat mir sehr gefallen, auch den philosophischen Bezug zu Spinoza. Habe mir das Buch „The philosophy of hope“, 2023 von Alexander Douglas bestellt.
Ja, mehr wissend können wir besser handeln! Für unsere Umwelt und für uns selber! Wir sollten auch nicht am Klimawandel verzweifeln sondern zuversichtlich bleiben, dass wir diese gigantische Herausforderung meistern können. Hoffentlich ist der Weg der Selbstverwirklichung für viel mehr Menschen erreichbar…
Mir fällt es schwer, die Hurra-Beiträge in diesem Dialog nachzuvollziehen. Der Beitrag dieser Philosophie-Professorin macht genau betrachtet genauso viel Sinn, wie wenn sich jemand hinstellte und sagte: wenn sich alle an die 10 Gebote hielten, wäre unsere Welt eine Bessere. DASS das aber jemals der Fall sein wird, ist so unwahrscheinlich wie nur etwas.
In der Einleitung schreibt die Autorin, die "Klimakrise kann uns dazu veranlassen, all das zu überdenken", nämlich uns als Rädchen in einer gesellschaftlichen Maschinerie zu sehen, oder unsere Identität auf bestimmte Anforderungen zu definieren, die es uns erlauben, einen guten Platz in der Gesellschaft zu finden. DENN: "Was nützt die Altersvorsorge, wenn die Welt in Flammen steht?" In der Tat, die nützt dann nichts mehr. Die Logik dieses Gedanken lässt sich kaum bestreiten. Was empfiehlt sie uns statt dessen? "Wir brauchen ein viel umfassenderes Selbstkonzept – ein vollständig verwirklichtes Selbst, das es wert ist, bewahrt zu werden." Einmal abgesehen davon, dass es schon recht anmaßend ist festzustellen, welches Selbstkonzept es "wert ist" bewahrt zu werden und welches nicht, macht diese vermeintliche Aufgabe, die da vor uns liegt, gemessen an dem Problem, vor dem wir stehen, nämlich einer in absehbarer Zeit (verb-) brennenden Welt, erkennbar NUR dann irgendeinen Sinn, wenn sich ALLE an die beschriebene Vorgabe halten. DENN, so könnte man in Abwandlung der Autorin sagen: Was nützt das schönste, das "bewahrenswerteste" Selbstkonzept, wenn die Welt in Flammen steht?
Natürlich versuchen alle Disziplinen in der Krise aufzuzeigen, wie wichtig sie sind, bzw. es wird aus dem jeweiligen Blickwinkel etwas verfasst, was irgendwie Bezug nimmt auf den gerade herrschenden Mega-Trend - um mit diesem mit zu schwimmen und beachtet zu werden.
Aber vom Gesichtspunkt der zu Teilen bereits in Flammen stehenden Welt, die auch nach den Worten der Autorin NICHT durch jedermanns (ggf. "falsches" oder nicht wirklich bewahrenswertes) Selbstkonzept in Brand gesetzt und gehalten wird, sondern vornehmlich durch HERRSCHENDE Interessen, wäre doch wohl an erster Stelle die Frage aufzuwerfen, wie die MACHT dieser Interessen gebrochen werden kann und soll. Zeigt uns der Beitrag dazu irgendeinen Weg auf, jedenfalls einen, der über den der Frömmigkeit hinausgeht (haltet Euch an die 10 Gebote, seht Euch als Teil der Natur usw und so fort) ? Ich habe nichts dergleichen entdecken können. Aber es ging wohl auch nur darum, wie man sich inmitten der Flammen anders FÜHLEN kann.
Danke für diesen Beitrag. Ich brauche bei solchen Themen immer etwas länger zum reagieren.
Ich kehre den Spiess um und versuche zu denken wie das Klima. Der Mensch ist dem Klima grundsätzlich egal. Das Klima kennt keine Selbstverwirklichung, kein Denken, keine Moral, keine Ethik., Es funktioniert einfach. Und es orientiert sich nach den Gegebenheiten. Und es funktioniert. Das was wir Menschen dazu beitragen, hat, aus Sicht des Klimas, einfach Folgen. Punkt.
Die Frage, ob wir umdenken müssen, sollen, ob wir uns in dieser existenziellen Krise noch selbst verwirklichen können, sollten, ist obsolet, aus Sicht des Klimas. Das Klima interessiert unsere Bedürfnisse nicht, es reagiert auf das, was wir anrichten und angerichtet haben.
Das Klima interessiert auch keine Philosophie. Das wäre schön und nett, aber so ist es einfach nicht. Das Klima ist nicht interessiert an Selbstverwirklichung, auch nicht an Glück und auch nicht an Zufriedenheit. Wenn wir Menschen es schaffen, klimatisch zu denken, dann verschieben sich unsere Haltungen und Ansichten. Aber erst dann. Bis zu diesem Zeitpunkt werden wir Menschen alles daran setzen, uns selbst zu verstehen. Aus der Perspektive des Klimas, der komplett falsche Ansatz.
Die materielle Welt denkt nicht, will nichts und fühlt nichts. Sie funktioniert einfach kausal determiniert, nach Gesetzen der Physik, die aber von menschlichem Geist definiert wurden. Und der menschliche Geist (Gedanken, Gefühle, freier Wille etc.) hat die Katastrophe verursacht. Und nur dieser "Geist" kann überhaupt etwas bewirken, So falsch ist der Ansatz von Philosophen (Geisteswissenschftlern) also nicht, höchstens zu abgehoben oder unverständlich.
Noch eine Präzisierung: "Die materielle Welt denkt nicht..........." ist die extreme Sicht des Materialismus und der "harten" Wissenschaft, die keinen "Geist" kennt. Das andere Extrem wäre die Sicht der Naturvölker, die alles, was es gibt als "beseelt" (geistbegabt) glaubt. Beides scheint mir unrealistisch. Ein Stein hat wahrscheinlich keinen Geist, Pflanzen, Tiere und Menschen aufsteigend mehr davon. Nur der Mensch hat soviel davon, dass er die eigene Lebensbasis zerstören kann (und schwarmdumm damit begonnen hat).
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