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Super Recherche, gut geschrieben, danke Olivia Kühni.
Ich habe das grosse Privileg, einen Job zu haben, der mir ausser Reichtum alles gibt, was man sich für ein erfülltes (Berufs)leben wünschen kann. Und seit ich mich damit abfinde, weder Talent noch Geduld zum Kohle scheffeln zu haben - geht es mir sogar blendend.
Was mich lehrte: Es gab mal eine Phase, da gab ich richtig Gas, da gehörten auch Filmer und Fotografen zu den Bestverdienern. Und ich wollte dabei sein bei denen, „die es geschafft haben“, beim Märchen vom Arbeiterkind zum Millionär. Also postete ich an bester Lage eine Villa über dem See und für den See ein Segelboot und zur Erholung Klubferien mit Sportangebot etc. Und ich war nur noch eines: erschöpft, traurig, unglücklich - und ein ziemlicher Idiot.
Geld ist eine Droge, die mehr Idioten hervorbringt als unserem Planeten gut bekommt. Daher gehören zu hohe Geldberge planiert oder staatlich so gesteuert, dass sie möglichst allen gleichmässig zur Verfügung steht.
Lieber Herr Reichenbach, vielen Dank für Ihre Schilderung. Ich kann mir gut vorstellen, wie sich das angefühlt hat.
Bezüglich Ihrer Schlussfolgerungen im letzten Absatz sind wir, fürchte ich, anderer Meinung: Vermögen kann auch eine positive Kraft sein, Menschen glücklich machen und Gutes bewirken. Selbst wenn wir das aber nicht mit Sicherheit wüssten, stünde es für mich einem freiheitlichen Rechtsstaat nicht zu, hier sozusagen fürsorgerisch einzugreifen.
Was den Staat allerdings interessieren sollte, ist ein blühendes Gemeinwesen. Es nachhaltig zu finanzieren, könnte heissen, die Kosten für eine gute staatliche Infrastruktur mit guten öffentlichen Schulen, Gesundheitsversorgung etc. etwas weniger über die Erwerbstätigen (auch die mittleren bis höheren Einkommen) und etwas stärker über die hohen Vermögen finanzieren zu lassen. Das ist die Haltung, die ich vertreten würde.
Sie haben natürlich recht. War grad etwas pauschal in meinem Urteil.
Vielen Dank für diesen guten und wichtigen Beitrag. Das Märchen der Meritokratie - mit seinem Umkehrschluss, dass Geringverdienende zu wenig fleissig und/oder clever seien - hält sich wohl kaum in einem anderen Land (ausser vielleicht noch in unserer Sister Republic USA) so hartnäckig wie in der Schweiz. Auch deshalb verwandeln sich so viele BürgerInnen an Abstimmungssonntagen jeweils in UnternehmerInnen und Grossverdienende: Mitbestimmung im Betrieb, flächendecken Mindestlöhne, sechs Wochen Ferien für alle, Steuererhöhungen für Superreiche, nein danke, denn früher oder später werden wir ja alle aus der Lohnabhängigkeit rauskommen und selbst zu den Privilegierten zählen. Am Montag - oder spätestens Ende Monat - dann wieder das böse Erwachen und der Frust, den man am besten an denen auslässt, die noch tiefer sitzen und eine Unterstützung beziehen, die man ihnen missgönnt.
In anderen Ländern glaubt schon längst niemand mehr an die meritokratische Mär. Eine Freundin aus Spanien hat mir dazu folgenden Witz erzählt:
Was für ein tolles Auto, Chef!
Nicht wahr? Du musst nur hart genug arbeiten, und dann kaufe ich mir ein zweites.
Der Witz istklasse! :D
Ich habe mal ausgerechnet, wie lange ein Topmanager (Jahressalär über 10 Mio.) im Vergleich zu einem Angestellten in der Migros «arbeiten» muss, um auf das gleiche Gehalt zu kommen. Angenommen, beide beginnen ihr Arbeitsjahr am 3. Januar um 8 Uhr. Wenn sich der Migros-Angestellte um 10:30 Uhr seine erste Kaffeepause gönnt, hat der Topmanager bereits gleich viel verdient wie ersterer im ganzen Jahr. Es gibt keine «Arbeit», die soviel mehr «wert» ist.
Lieber Herr H., da sprechen Sie ein wichtiges Thema an: die Schweiz hatte lange moderate Lohnunterschiede. Auch an der Spitze wurde im internationalen Vergleich zurückhaltend bezahlt.
In den letzten Jahren hat sich das geändert, was auch mit der Internationalisierung zu tun hat. Das empfinden viele Menschen als stossend. Mehr auch hier: https://www.republik.ch/2019/04/22/…davonzogen
Man darf allerdings nicht vergessen, dass das ein sehr kleiner Teil der Löhne ist. Die Arbeitenden mit hohen (aber nicht exorbitanten) Löhnen tragen - wie im Text beschrieben - eine grosse Abgabenlast (auch Steuern), die man dafür den grossen und wachsenden Vermögen erspart.
Achtung! Link https://www.republik.ch/2019/04/22/…davonzogen funktioniert nicht. Bitte flicken. Merci
Doch gibt es und ja, es ist auch richtig, dass es die Aussicht gibt, soviel verdienen zu können.
Mao hat ja, Sozialismus sei Dank, China in Grund und Boden geritten. Mit Hundert Millionen Hungertoten während der sog. Kulturrevolution.
Deng Xioaping war jener, der mit dem Leitspruch "Man muss den Menschen die Chance geben, reich zu werden", China aus dem Sumpf geholt hat. Heute hungert in China niemand mehr., weil China kapitalistisch geworden ist.
Auch die Rockefellers, Fords, Edisons, auch sie sind sehr reich geworden. Gates, Zuckerberg, etc. und das ist richtig und wichtig. Schauen wir doch mal an, wieviele Menschen von den Leistungen dieser Leute leben.
Und schauen wir mal an, wer heute vom Staat lebt und was diese Leute leisten (ja, damit sind auch die SVP Bauern oder Zeitungsverleger oder Klavierlehrerinnen gemeint).
Was schaut dort unterm Strich raus? Nichts. Kein Fortschritt, abgesehen von höheren Subventionen.
Ich bin vielleicht nicht Milliardär, habe aber auch durch ein cooles Produkt Geld viel Geld verdient. G. einfach weil ich keine nine-five-Figur in einem Grossbetrieb werden wollte, sondern mich selbst verwirklichen wollte. Das kann übrigens jeder.
Die Marketingidee der Sozis ist ja die, alle die arbeiten in eine Zwangsjacke zu stecken und sie mittels Abgaben und Steuern so zu schröpfen, dass man selbst nicht mehr arbeiten muss. Was hat denn der DDR Obersozialist Honecker anders gemacht? Er fuhr Range Rover, derweil das Volk 12 Jahre auf einen Trabi wartete. Sozialismus pur. Und wo landen sozialistische Staaten immer: In der Pleite und Hungersnot. Siehe Kuba, Venezuela, Kambodscha etc.
Die Idee des Sozialismus funktioniert nun eben mal nicht, da es keine Motivation gibt. Wie es Deng Xiaoping gesagt hat: Man muss den Leuten die Chance geben, reich zu werden.
Welcher Linksgrüne Schweizer Politiker lebt denn nicht vom Steuergeld der andern?
Mir sind Leute, die 10 Millionen im Jahr verdienen lieber, als Leute, die auf Kosten des Steuerzahlers Politik betreiben und noch nie einen einzigen Rappen Mehrwert generiert (sprich etwas geschaffen haben).
Da Sie es offensichtlich lieben, Personen, deren Kommentare Sie nicht mögen, mit den immergleichen Vorwürfen zu verunglimpfen (Anhänger linksgrüner Positionen = Staatsschmarotzer) und ihnen gleichzeitig implizit zu unterstellen, dass diese autoritäre «sozialistische» Regimes gutheissen, nur weil sie es wagen, das kapitalistische System zu kritisieren, möchte ich Ihnen folgendes, zugegebenermassen ebenfalls völlig aus dem Kontext gerissene Zitat um die Ohren schlagen: «Meiner Meinung nach sollte man das Bundeshaus abreissen und die frei werdende Fläche für die Landwirtschaft nutzen. Da hätte das Volk mehr davon als von den aktuellen Corona-Massnahmen des Bundesrates», sagt Marco Würsch, Älpler und Präsident der Trychlergruppe Seelisberg. Und welcher Berufsstand erhält schon wieder jährlich rund 20 Milliarden Subventionen vom Staat? So viel sei verraten: die linksgrün-versifften Kulturschaffenden sind es nicht.
Ich möchte diesen Dialogbeitrag gerne nutzen euch einen kurzen Schwank aus meinem Leben zu berichten.
Ich habe irgendwann Anfang 2015 etwa 8'000 Fr in Kryptowährungen investiert. Das war damals sehr viel Geld für mich. In den kommenden Monaten hat sich das Geld dann vervielfacht. Ich erinnere mich noch gut an einen Moment an dem mein Chef unser Team im Büro wegen irgend einer kleinen Lappalie zur Sau gemacht hat, denn kurz zuvor hatte ich den Kurs meiner gehaltenen Kryptowährungen gecheckt und festgestellt, dass ich über Nacht etwa mein Jahreseinkommen „verdient“ hatte. Da wurde mir zum ersten mal klar wie absurd das Konstrukt „Geld“ eigentlich ist. Da „krüppelt“ man sich Jahre für eine Firma ab und verdient nachher durch „Glück“ und nichtstun mehr in ein paar Tagen als Jahre in einer Firma zuvor. Das darf doch nicht sein.
Den Job hab ich übrigens gekündet und arbeite nun in einer anderen Firma in der es wesentlich besser ist. Aber auch dort steige ich täglich ins Hamsterrad für meinen Durchschnittslohn.
Das ganze Geld sorgt zwar dafür, dass ich mir um meine unmittelbaren Finanzen keine Sorgen machen muss, wirklich glücklich macht es aber dann auch nicht.
Ich bin jetzt Anfang 30, sitze auf etwa 1.5 Mio Fr und mein Leben hat sich kaum geändert. Ich arbeite immer noch in meinem Hammsterradjob und ich bin nicht wirklich glücklicher als vorher. Vielleicht lieg es daran, dass ich am eigenen Leib erfahren habe wie verflucht wertlos meine eigene Arbeit ist? Es vergeht kaum ein Tag an dem ich nicht Im Büro sitze, meinen Blick über meine Arbeitskollegen schweifen lasse, sehen wie sie sich alle abrackern und auf der Stelle treten. Das macht mich traurig.
Dieser Beitrag stimmt mich traurig. Wie wäre es mit Freiwilligenarbeit? Vermutlich sind Sie in der IT oder im Finanzwesen tätig, und gerade da wären viele Vereine extrem froh um Hilfe.
Hatte eine ähnliche Situation, konnte nicht aus dem Hamsterrad, und hab mich dann ehrenamtlich für ein Startup engagiert. Hat extrem viel Spass gemacht und Wertschätzung war inklusive.
Ein sehr wichtiger Punkt: Wie entsteht eigentlich Vermögen?
Erst nach Beantwortung dieser Frage können wir sinnvoll darüber diskutieren, wie dieses Vermögen verteilt werden soll.
Im Artikel wird nur eine vermögensbildende Variante genannt, nämlich die Gewinne, die aus zurückgehaltenen Löhnen akkumuliert werden. Es gibt aber noch weit grössere Hebel: Warum steigt ein Kryptokurs, eine Aktie, eine Immobilie, usw.? Ja woher genau kommt das immer neue, zusätzliche Geld/Vermögen und in welchen Taschen landet es? "Angebot und Nachfrage" und "die Nationalbanken drucken es", ist mir als Antwort viel zu oberflächlich.
Ein Beitrag aus ostdeutscher Sicht:
In den Jahren 1990 bis 1995 haben hier bis 80 Prozent der Erwerbstätigen ihren Arbeitsplatz verloren, vorübergehend und oft auch auf Dauer. Vererbbares Vermögen in Form von Immobilien oder gar Aktien: Fehlanzeige. Plötzlich saß die eine Hälfte des Landes bei der anderen auf der Couch, um ihr Versicherungen zu verkaufen, Kosmetika oder Sparpläne. Und selbst aufzusteigen in den Strukturvertrieben, um künftig mitzukassieren bei jedem feinen Duft von großer Welt, die ein für die Pyramide Angeworbener seinerseits verkaufen konnte. Witz aus dieser Zeit: Was sagt ein Akademiker zum anderen? Einmal bitte Pommes mit Ketschup und Mayo, Herr Doktor.
Ich selbst zum Beispiel war in einer verdeckten Arbeitslosigkeit und habe Weiterbildungskurse belegt, in denen mir Dozenten erzählt haben, Wohlstand entstehe durch Konsumverzicht. Wohl deshalb ist in der Bundesrepublik die Zahl der Millionäre gleich nach dem friedlichem Umbruch im Osten um 40 Prozent gestiegen. Sie haben einfach das billigere Spülmittel gewählt und die No-Name-Cola.
Was sich im Ruhrgebiet dreißig, vierzig Jahre hingezogen hat, passierte in Ostdeutschland flächendeckend in dreien. Und während sich in Thüringen alles umgestürzt hat, hat sich in Baden-Württemberg, dem Lieblingsland der Vorwahlberichterstattung der Republik, in dieser Zeit nur eines geändert: Raiders heißt jetzt Twix.
Heute haben die Ostdeutschen etwa halb so viel Vermögen wie die Westdeutschen. Das aber weniger ungleich verteilt ist als im Westen. Erfolgreiche Unternehmensgründungen? Eher der im Text beschriebene Bäcker als die Plattform, die sich für ein paar Millionen verkaufen ließe.
Eat the rich ist ein schmissiger Slogan. Genau wie Zu verbieten ist verboten oder Revolution ist machbar, Herr Nachbar. Wer sie in die Praxis umsetzt, wird aber feststellen, wie fix sich die Reichen von der Speisekarte verflüchtigen. Zum Beispiel ins Steuerparadies, falls Constantin Seibt das nicht noch geschlossen kriegt. Oder zu der Spitzen-Kanzlei, die das Schlupfloch entdeckt.
Olivia Kühnis Ratschlag zum Schluss wäre auch der meine. Mit Augenmaß die eigene Situation betrachten und wenn nötig zu ändern versuchen. Dabei aber nicht in eine Alles-ist-Erreichbar-Falle gehen. Die führt zwar auch zu Wohlstand, aber selten für einen selbst und eher für die Großaktionäre der Hersteller von Blutdruckmitteln und Antidepressiva.
(Bearbeitet: Hatte Frau Kühnis Namen falsch geschrieben. Sakrileg!)
Lieber Herr K., ich danke Ihnen für Ihre Perspektive. Ich finde Sie, für alle, die im sogenannten Westen Europas aufgewachsen sind, äusserst wertvoll.
Liebe Frau Kühni,
Vielen Dank für die schöne Zusammenfassung der mittelständischen Zwickmühle.
Schade, dass am Schluss die Lösungsideen etwas zu kurz kommen, aber die Sache ist wohl auch nicht so einfach zu lösen. Nicht jede Anhäufung von Kapital ist ja per se schlecht: Wenn jemand mit diesem Geld eine Firma gründet, Arbeitsplätze schafft oder auch gemeinnützige Projekte finanziert, kann das für die Gesellschaft eine gute Sache sein. Von dem her: Anreize schaffen, mit Kapital etwas Vernünftiges zu tun, wäre sicher hilfreich.
Und dazu, dass die aktuelle Situation "politisch gewollt" ist: Ich denke, wir müssen uns bewusst sein, dass man mit Geld die politische Meinung stark beeinflussen kann und die Zustände wohl eben gerade deshalb so sind, wie sie sind. Ob das tatsächlich freier politischer Wille ist, bezweifle ich. Und wären wir wirklich so meritokratisch, wie wir es von uns glauben, hätte z.B. eine Erbschaftssteuer wesentlich bessere Chancen.
Lieber Herr Würsch, vielen Dank. Es stimmt, dass das zu kurz gekommen ist. Das liegt daran, dass ich da noch keine klare Haltung habe, bzw. verschiedene Wege, die alle ihre Vor- und Nachteile haben, als Möglichkeit sähe.
Bei der letzten Vorlage zur Erbschaftssteuer sah ich dasselbe Problem wie jetzt bei 99%: es zielt immer noch zu sehr auch auf kleinere Vermögen und die Mittelschicht. Man müsste die Freigrenze bei der Erbschaftssteuer höher setzen - und klar machen, dass das Geld wirklich in die Entlastung aller (!) Erwerbstätigen und sinnvolle Infrastruktur fliesst.
Kurz: Solange man in der politischen Debatte die Vorstellung nicht überwindet, jede Anwältin, jeder Manager oder Ökonom seien "Reiche", die sicher keine Entlastung brauchen, kommt man nicht weiter. Das ist "Hunger Games": die Mittelschicht prügelt sich untereinander, während die wirklich Reichen ungestört weiterfeiern. Wir sind aber auf dem Weg: die Debatte bewegt sich in diese Richtung, wie auch im Text angedeutet.
Wie kommen Sie darauf, dass die 99%-Initiative auf kleinere Vermögen zielt?
In der Schweiz gehört man ab 4Mio steuerbarem Vermögen zum 1% der Reichsten. Und erst ab dieser Flughöhe kommt man auch auf Dividenden grösser 100‘000.-/Jahr.
Liebe Frau Kühni, die Erbschaftssteuer zielte - wie der Namen es sagt - auf Erbschaften (welche dann natürlich auch zu Vermögen werden).
Die Schwelle könnte schon höher angesetzt, oder die Steuer progredient ausgestaltet werden.
Was ev. eher überzeugt hätte, statt generell 20% einzuziehen.
Leider geht - wie auch bei der 99%-Initiative - bei den Abstimmenden jeweils das Argument unter die Haut, die KMU‘s würden damit aufs Kreuz gelegt.
Ausführungsbestimmungen zur Verfassungsänderung werden übrigens nach der allfällig gewonnenen Abstimmung durch das Parlament festgelegt.
Wer teigt eine neue Erbschaftssteuerinitiative an?
Wenn ich nochmals jung wäre, würde ich alles dafür tun, in eine Wohngenossenschaft zu kommen und mir dann leisten, zeitlebens günstig zu wohnen und dadurch teilzeit zu arbeiten. Alles andere würde ich gleich machen.
Klingt erfolgversprechend, Frau B.;
so wie auch bei Daniel Reichenbach weiter oben geht es im Persönlichen um gute Entscheidungen. Also, richtige und rechtzeitige Entscheidungen. Solche, die viele Türen und Pfade offen halten; solche die ein wachsendes Leben statt eines kanalisierten begünstigen.
Ich fand die Bewertung im Artikel interessant: ca. 170 Billionen Dollar liegen weltweit in Wohnungsbesitz. Man könnte auch sagen, sie wurden dort versenkt. Wirkungsloses Kapital, das nichts mehr bewegt. Eigentlich wurde Geld doch mal zum wirtschaftlichen Austausch entwickelt, oder? Es ist doch nichts als ein staatliches Schuldversprechen - geht der Staat unter, verschwindet die Währung. Soweit verständlich.
Was passiert eigentlich, wenn neben der Währung auch die Grundbuchämter und Kataster verloren gehen? Diese haben zumindest in Europa ja die meisten Kriege irgendwie überstanden. Grundeigentum scheint - oberflächlich betrachtet -stabiler als staatliche Kontinuität. Und doch - entfällt der Staat, dann sichert nur noch die eigene Gewalt das Privateigentum - zurück in die Jungsteinzeit, was mich ja auch nicht wirklich überzeugt. Also bedingen Staat und Eigentum einander - es sind keine Gegensätze, sondern Aspekte derselben Organisationsform, die ausgeglichen zusammen wirken müssen.
Vergessen Sie nicht, dass man sich mit genügend Vermögen auch eine Privatarmee leisten kann, die beim Untergang des Staates den Erhalt des Eigentums sicherstellt. Nur so lässt sich erklären, weshalb gewisse Reiche, etwa in den USA, den Staat am liebsten G. abschaffen würden - oder dessen faktische Abschaffung zumindest in Kauf nehmen, wenn sie steuerliche Einsparungen ermöglicht.
Ich finde es super, wie die Republik nochmals richtig die Werbetrommel für die 99% Initiative rührt. Das ist jetzt schon der dritte sehr klar argumentierte Erklärtext und erst noch bon der brillianten Frau Kühni und mit Humor dazwischen gestreut. Herzlichen Dank!
Oh, Moment! Das war gar nicht meine Absicht - ich bin aus Detailgründen nicht überzeugt von der Initiative, bzw. halte andere Wege für klüger.
Ich wollte aber aufzeigen, wo wir in der Debatte darüber verzerrten Erzählungen nachhängen.
Trotzdem vielen Dank für die Wertschätzung. Und auf bald wieder!
Super Text, Frau Kühni.
Nicht einverstanden bin ich mit ihrer Aussage "Ich bin aus Detailgründen nicht überzeugt von der Initiative". Bin ich zwar auch nicht vollkommen. Ich bin aber aus einer riesigen Vielfalt von Gründen - sie nennen viele davon - davon überzeugt, dass die jetzige Situation schlechter ist, als das, was die Initiative anstrebt, wie auch immer es kommt. Wie bei der Abstimmung zum garantierten Grundeinkommen bin ich der Ansicht, dass wir nie etwas verändern werden, wenn wir vor dem Neuen wegen unklarer Details zurückschrecken und so beim Alten bleiben.
Dass das nicht ihre Absicht war, konnten aufmerksame Leserinnen beispielsweise auch an diesem Lehrbuchbeispiel für ein Argumentum ad hominem en passant ablesen: "Das wissen auch die Schlaueren unter den Jusos, [...]". Sie sind bei weitem nicht die Einzige, die sich dieser billigen Strategie bedient. Es scheint mir in der aktuellen Debatte um die 99% Initiative im Gegenteil geradezu das Hauptargument der Gegnerinnen zu sein, auf die vermeintliche (wahlweise) Irrelevanz oder geistige Unterdotiertheit der Juso zu verweisen, um der Initiative den Wind aus den Segeln zu nehmen. (Man schaue zur weiteren Veranschaulichung zBsp. bei Interesse auch die SRF Abstimmungsarena zum Thema). Was selbstverständlich im Endeffekt mehr über die Gegnerinnen und deren Argumentearmut aussagt als über die Initiantinnen selbst. Klar müssen sie in einem (bildungs-)bürgerlichen Medium wie der Republik, wo man grundsätzlich unter seinesgleichen ist, nicht zwingend damit rechnen, dass ihnen diese "Unschönheit" früher oder später um die Ohren fliegen wird. Fragen sie sich aber, falls sie Lust dazu haben, doch mal, wie viel von ihrem Kontra übrigbleibt, wenn sie ihre Standesscheuklappen für 5 Minuten ablegen, und dann nochmals mit geschärftem Blick auf die Initiative schauen. Der arme Mittelstand ist nämlich hier nicht im Visier.
Es ist ja nicht so, dass Firmengründer nicht arbeiten würden. Das Gegenteil ist der Fall. Das Erfolgsgeheimnis liegt hier auch nicht so sehr beim Kapital (obwohl es natürlich etwas Startkapital braucht), sondern darin, sich in eine Position zu bringen, in der man die Früchte seiner Arbeit im vollem Umfang ernten kann und eine Geschäftsidee zu haben, die “skaliert”.
Skalieren heisst, dass man das Arbeitsergebnis multiplizieren kann. Der beste Pizzaiolo der Welt wird niemals reich. Dieselbe Pizza kann er nämlich nur einmal verkaufen. Eine Buchautorin hingegen kann dasselbe Buch millionenfach verkaufen. Schreiben muss sie es nur einmal. Ein Extrembeispiel ist “Notch”, der Autor des Computerspiels Minecraft, das er für über eine Milliarde an Microsoft verkaufen konnte. Hier hat jemand tatsächlich mit eigener Arbeit etwas sehr wertvolles geschaffen und dann verkauft. Das ist zwar aufgrund des Verkaufs buchhalterisch kein Lohneinkommen, aber der Begriff des Kapitaleinkommen passt hier auch nicht so recht, denn er hat abgesehen von seinem Talent und einer Portion Glück ohne Kapital gestartet. Demnach kann man durchaus mit Arbeit reich werden, wenn man das Risiko auf sich nimmt und etwas schafft, das sehr wertvoll ist.
Stimmt scheinbar, ist aber wie die meisten Argumente in diesem Feld eine neoliberale Gedankenfalle: Vernachlässigt wird immer, dass man das Ganze als System betrachten muss. Wenn sich alle auf die Suche nach gewinnbringenden Geschäftsideen machen oder nur noch Geld investieren – so man denn welches hat – oder nur noch lukrative Berufe ergreifen (Wirtschaftsanwalt, Broker, Urologe, Waffenhändler usw.), werden die wesentlichen Arbeiten unseres Lebens nicht mehr erledigt: Korn anbauen, Brot backen, Kanäle bauen und reinigen, Wunden versorgen usw. Es ist das von den Bürgerlichen konsequent ignorierte oder abgestrittene Umverteilungsparadox, dass jene Menschen, die die wirklich wichtigen, der grösstmöglichen Menge von anderen Menschen zugute kommenden Arbeiten verrichten, am wenigsten verdienen. Das Schreckbild der Umverteilung von oben nach unten (zum Beispiel von Ueli Maurer stümperhaft gepinselt) ist reiner Zynismus, findet doch eine systemische Umverteilung von unten nach oben (zum Beispiel durch den genannten Skaleneffekt) jede Sekunde in horrendem Ausmass statt.
Stimmt prinzipiell, gelingt aber den wenigsten. Weitere solche Get-rich-quick-Pläne könnten sein: Topsportler werden, Popstar, erfolgreicher Influencer, Coach irgendwelcher Art... das Internet ist voll von solchen Träumen. Manche Leute verdienen auch G. gut damit, andere glauben zu lassen, dass sich mit dem Direktvertrieb überteuerter Produkte à la Tupperware Geld scheffeln lässt. Aber auch da scheisst der Teufel auf den grössten Haufen und nur die oben in der Pyramide werden reich.
Die Möglichkeiten zum Skalieren haben sich mit dem Internet vervielfacht und schon Adam Smith hielt Monopole und Kartelle für besonders schädlich. Warum also nicht die BigTech beim Konsumenten mindestens in der Höhe ihres Marktanteils beteuern und ab eine wesentlichen Marktanteil Open Source verpflichtend machen, um Konkurrenten einen leichten Anstieg zu ermöglichen?
Selbst wenn Ihr Beispiel bildlich stimmen mag: Sie schildern hier eine grosse Ausnahme. Eine Buchautorin bekommt erschreckend wenig vom Verkauf des Buches. Bis ihre Arbeit auch nur einigermassen anständig bezahlt ist, müssen mehrere zehntausend (!) Bücher über den Ladentisch und noch viel mehr E-Books.
Lieber Herr M., Sie haben absolut recht, und ich habe das im Text zu schreiben versucht: die einzige Art, mit Arbeit reich zu werden, ist die Firmengründung. (Oder eben, wie Sie auch sagen: was Skalierbares zu schaffen.)
Mit dem Buchbeispiel legen Sie den Finger auf meine Wunde: es ist ein Segen, englischsprachig aufzuwachsen - was für ein Millionenmarkt für Autoren! Winner takes it all, aber der/die kann man ja werden. Sich in deutschen Talkshows mit Moralin rumzuschlagen allerdings ist ein zweifelhaftes Vergnügen, möglich aber natürlich durchaus.
Super Beitrag, entspricht auch meiner Erfahrung. Wir hatten wegen 2 anspruchsvollen Jobs sogar eine Tagesmutter, die an 2 Tagen zu uns heimkam. Die war nur teilweise steuerlich abzugsfähig, hat ihren eigenen Lohn aber voll versteuert. Das war noch der grössere Budgetposten als die Miete. Man sollte Gewinnungskosten voll abziehen dürfen. Und die Krankenkasse sollte in Lohnprozenten bezahlt werden, das wäre deutlich fairer - Luxemburg fährt sehr gut damit. Immobilienverkäufe laufen heute fast nur noch im Bieterverfahren, das treibt die Preise ebenfalls hoch. Und die Chancen, beim Mitbieten zu gewinnen, sind klein, das Risiko hoch.
Auch wenn ich politisch zwar wohl ähnlicher Meinung bin wie der Autor und auch die 99% Initiative annehmen werde:
Sie sagen in diesem Artikel, dass Menschen die nie was spezielles gewagt (Selbstständigkeit, Startup, Gespart&Investiert) haben nie speziell reich werden. Was irgendwie in allen Bereichen des Lebens zutrifft?
Freizeitfussballer mit 1x Training pro Woche wird nie zum Profi (ich)
Plauschmusiker der 2x pro Woche übt wird nie in eine Band kommen (ich)
...
Aber das ist gar nicht das Problem. Die Frage ist doch viel eher: Wie können wir ein System bauen, dass die Leute dazu bringt ihr Glück in die eigene Hand zu nehmen, statt (vielleicht gezwungenermassen) jeden Tag der gleichen 'nicht zielbringenden' Arbeit nachzugehen...
Lieber Herr G., danke für Ihren Hinweis. Ich glaube, wir sind gar nicht so weit voneinander entfernt.
Grundsätzlich sehe ich es persönlich nicht als Problem, dass nicht jeder einfach reich werden kann. Und ich finde es auch ok, dass es - bis zu einem gewissen Grad - halt Vermögensunterschiede gibt in jeder Gesellschaft.
Problematisch finde ich, wenn wir die politischen Rahmenbedingungen so bauen, dass Fleiss, Kreativität und Engagement sich nicht lohnen. Also: Ja, G. ähnlich, wie Sie sagen. Wenn also beispielsweise Erwerbseinkommen stark besteuert werden, Vermögen aber nicht. Wenn wir Kinderbetreuung so teuer und die Subventionierung so umständlich machen, dass sich zusätzliches berufliches Engagement für Frauen (und andere Zweitverdiener) nicht lohnt. Oder wenn junge, ehrgeizige Menschen ein staatliches Stipendium zurückzahlen müssen und somit quasi dafür bestraft werden, dass sie nicht einfach eine Lehre machen und Gehorsam ableisten. (Siehe etwa hier: https://www.aargauerzeitung.ch/aarg…ld.1505218)
All dies sind gewollte politische Entscheide, die anders gefällt werden könnten. Und die dazu beitragen könnten, dass vielleicht der eine oder die andere eher etwas wagt, was ihn oder sie reich oder zumindest sicher zufriedener macht - und die Gesellschaft damit insgesamt lebendiger.
Der Autor ist eine Frau und nein, die Autorin vertritt mit diesem Beitrag keine Position im Hinblick auf die Initiative. Liebe Grüsse!
Vielen Dank für den interessanten Artikel.
Vorweg: Ich bin mit der Stossrichtung des Beitrags insofern einverstanden, als ich die krass ungleiche Vermögensverteilung bzw. die Akkumulation von sehr viel Vermögen bei einigen Wenigen für problematisch halte (Gerechtigkeit, Verzerrung der politischen Willensbildung, etc.).
In einem Punkt greift der Artikel aber aus meiner Sicht zu kurz, nämlich indem die individuellen Konsumentscheide und ihre massiven Auswirkungen auf die persönlichen Finanzen komplett ausgeklammert werden. Und konsumiert wird allenthalben fleissig: Man schaue sich nur einmal den Fahrzeugpark an, der täglich auf Schweizer Strassen unterwegs ist. Da sieht man viele deutsche Qualitätsautos und nur sehr wenige Schrottkisten mit <110 PS unter der Haube und >150'000km auf dem Tacho. Ich gebe zu, das ist eine komplett anekdotische und sicher auch verzerrte Alltagsbetrachtung – wer schaut schon dem verbeulten Suzuki nach, wenn nebenan ein 600PS-Bolide durchröhrt. Aber ich glaube, man darf trotzdem mit einiger Sicherheit behaupten, dass nicht alle teuren Autos (dazu zähle ich grundsätzlich ALLE Neuwagen sowie Occasionen, die über ca. CHF 20'000 kosten) von Angehörigen der obersten 10% der Vermögenspyramide gefahren werden. Abgesehen von einigen Ausnahmefällen (Taxifahrer/Chauffeure, Verkäufer besagter Automobile und meinetwegen noch ein paar weitere), sind die Mehrkosten eines solchen Autos (sowohl für Anschaffung als für Betrieb) reinster Luxus: Man kommt in einem Audi oder Porsche nicht schneller oder (wesentlich) erholter am Ziel an als im Suzuki, es geht einzig um das Lebensgefühl und den Status. Verkürzt lässt sich sagen: Wer als nicht Vermögender Angestellter mit einem – gemäss obiger Definition – teuren Auto rumfährt, kann nicht aus Erfahrung sagen, dass man mit Lohnarbeit auf keinen grünen Zweig kommt, er/sie hat es schlicht noch nicht probiert. Und dass nicht jeder wirklich ein Auto braucht, der eins hat, schneiden wir hier gar nicht erst an...
Die genau gleiche Betrachtung lässt sich übrigens bei den Schlangen vor den Gucci/Louis Vuitton/etc.-Shops an der Bahnhofstrasse in Zürich machen – auch hier dürfte es sich nicht durchs Band um die oberen 10% handeln.
Die Konsumproblematik mag bei den unteren 50% der Einkommensskala keine Rolle spielen, denn diese Leute sind salopp gesagt Ende des Monats ohnehin bei null. Aber bei den, sagen wir mal, obersten 30%, die gemäss Lohnstrukturerhebung des BFS 2018 einen monatlichen Nettolohn (individuell, nicht pro Haushalt) von rund CHF 7'300 oder mehr aufweisen (https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/hom…88303.html) fällt es eben sehr ins Gewicht. Darüber streicht der Artikel hinweg, indem er nicht hinterfragt, ob "Miete, alle[r] Versicherungen und Konsumkosten" zusammen wirklich auf (gottgegebene?) CHF 6'550 im Monat zu stehen kommen müssen.
Ich sage nicht, am persönlichen Verzicht und der Genügsamkeit wird die Welt oder die Schweiz gesunden. Politisch braucht es Massnahmen, um mehr Gerechtigkeit herzustellen (Stichwort: Erbschaftssteuer zwecks Finanzierung der finanziellen Entlastung des Mittelstands). Ich bin auch zuwenig ökonomisch bewandert, um zu beurteilen, ob unsere Wirtschaft an die Wand fahren würde und wir alle auf der Strasse stünden, wenn plötzlich nur noch die oberen 10% einen Audi oder eine Gucci-Tasche kauften (dann wäre ja auch wieder nichts gewonnen). Aber wer heute im Monat über CHF 8'000 verdient und auf der G. individuellen Ebene behauptet, er/sie persönlich könne nichts auf die Seite legen, hat ziemlich sicher (a) eine zu grosse Wohnung / zu wenige erwerbstätige Mitbewohner, (b) einen Audi oder dergleichen in der (auch nicht kostenlosen) Garage, und/oder (c) AirPods (die 6-8x soviel kosten wie herkömmliche Kopfhörer, und finanziell null Mehrwert schaffen).
Wenn man will, kann man in der Schweiz als Einzelperson (in einer Wohngemeinschaft) mit 2000 Franken pro Monat gut leben.
Ein Auto ist in der Schweiz nicht notwendig da der ÖV gut ist.
Ich bitte die Redaktion, das Thema „99%-Initiative und Holdings“ aufzugreifen. Berücksichtigt man, dass die Superreichen ihre Dividenden nicht auf ein privates Konto, sondern in Holdings überweisen, zeigt sich, dass die Superreichen oder die Wirtschaft von der Initiative längst nicht so stark betroffen wären, wie es die einen hoffen und die anderen zu befürchten vorgeben. Wohl aus diesem Grund ignorieren Anhänger:innen und Gegner:innen der Initiative das Thema „Holding“ einträchtig.
Die Debatte in den Medien beschränkt sich auf die Fragestellung „Gleichheit und Gerechtigkeit versus Schädigung der Wirtschaft“. Niemand fragt, wie weit die 99%-Initiative ihr selbst gestecktes Ziel einer Umverteilung von Reich zu Arm überhaupt erreichen könnte. Es wird oft gesagt, diese Frage hänge von der Umsetzung durch das Parlament ab. Aber bereits am Initiativtext lassen sich Probleme erkennen. Die Initiative richtet sich an natürliche Personen, nicht aber an juristische Personen (es ist von „Einkommen“ die Rede und nicht von „Gewinnen“). Nun überweisen die Superreichen – wie eingangs erwähnt – ihre Einnahmen in eine Holding und nicht auf ein privates Konto. Eine Holding ist aber steuerfrei und als juristische Person von der Initiative nicht betroffen.
So werden zum Beispiel bei der EMS-Chemie als bedeutendste Aktionäre nicht etwa die Angehörigen der Familie Blocher genannt, sondern zwei Holdings: Die EMESTA HOLDING AG hält 60.82 % des Aktienkapitals und die BLOMI HOLDING AG hält 10.1 % (Geschäftsbericht EMS-Chemie 2020/21, S. 9). Nehmen wir an, für Frau Martullo Blocher flössen jährlich 100 Millionen Dividenden in eine Holding. Nehmen wir weiter an, sie konsumiere oder „verprasse“ jährlich 10 Millionen, die sie sich von der Holding auszahlen lässt. Diese ausbezahlten 10 Millionen wären von der Initiative betroffen und müssten wie 15 Millionen versteuert werden. Aber für den Hauptteil ihrer Dividenden, die restlichen 90 Millionen, zahlt sie keine Steuern. Mag sein, dass sie beim Verkauf der Holding oder Teilen davon einen Kapitalgewinn versteuern müsste. Aber warum soll sie verkaufen? Dazu gibt es kaum Gründe. Sie kann die Holding auch steuerfrei an ihre direkten Nachkommen vererben. Wenn sie Geld nicht konsumieren, sondern zur Machtausübung nutzen will – was nach meiner Meinung der eigentlich heikle Punkt des extremen Reichtums ist – kann sie mit Hilfe der Holding Medienunternehmen aufkaufen und die SVP finanzieren. Das sind Investitionen oder Ausgaben der Holding. Um diese zu tätigen, muss kein Geld aus der Holding auf ein privates Konto fliessen und versteuert werden – im Unterschied zu Geld, das die Holding für privaten Konsum auszahlt. Ich wäre auch nicht überrascht, wenn Blochers berühmte Bildersammlung einer Holding gehörte und mit deren Geld zusammengekauft worden wäre und nie Teil von Blochers privatem Konsum gewesen wäre.
Übrigens haben auch viele Handwerker Holdings. Damit können die Probleme bei der Geschäftsübergabe, welche die Gegner ins Feld führen, weitgehend vermieden werden. Für mich stellt sich die Frage, für wen die Initiative überhaupt eine Änderung bringen würde. Oder polemisch formuliert: Wie dumm muss sich jemand anstellen, damit er von der Initiative betroffen wäre?
Das ist doch eine ziemlich verkürzte Darstellung der Gesamtsituation. Einerseits ist nicht zu bestreiten, dass die wohl erfolgreichste Unternehmerin der Schweiz ziemlich viel Reichtum für sich geschaffen hat.
Die Steuersituation sieht aber m.E. basierend auf Ihrer Annahme (CHF 100 Mio. Dividenden fliessen an Frau Martullo-Blocher, d.h. rund ein Viertrel der Ems Chemie gehört ihr) überschlagsmässig etwa wie folgt aus: die Ems Chemie verfügt über ca. 23.4 Mio. Aktien, zu einer Bewertung von - anfangs Jahr - ca. CHF 940 pro Aktie, d.h. die Börsenkapitalisierung betrug rund CHF 22 Mia. Wenn Frau Martullo-Blocher bzw. ihrer Holdinggesellschaft ein Viertel davon gehört und wenn sie inzwischen in ihrer Holdinggesellschaft keine Schulden mehr hat, dann beträgt somit ihr Vermögen mindestens rund CHF 5.5 Mia. (ohne Berücksichtigung allfälliger anderer Vermögenswerte). Dafür bezahlt sie im Kanton Zürich, wo sie m.W. wohnt, ca. CHF 33 Mio. Vermögenssteuern (rund 0.6% pro Jahr). Wenn sie CHF 10 Mio. pro Jahr "verprassen" möchte, dann muss sie aus ihrer Holdinggesellschaft genügend ausschütten, um nach Bezahlung der Einkommenssteuer noch CHF 43 Mio. übrig zu haben, CHF 33 Mio. zur Bezahlung der Vermögenssteuer und CHF 10 Mio. zum "verprassen". Da sie offensichtlich über eine Beteiligung von mehr als 10% an ihrer Holdinggesellschaft verfügt, kommt der reduzierte Steuersatz zur Anwendung (weil ja die Ems Chemie auf den CHF 100 Mio., die an die Holdinggesellschaft ausgeschüttet wurden schon Steuern bezahlt hat). Bei einem reduzierten Steuersatz von ca. 20% muss sich Frau Martullo-Blocher aus ihrer Holdinggesellschaft CHF 53.75 Mio. an Dividenden auszahlen. Davon zahlt sie die rund 20% Einkommenssteuer, d.h. ca. CHF 10.75 Mio., dann die Vermögenssteuer von ca. 33 Mio. und es verbleiben ihr die postulierten CHF 10 Mio. zum "verprassen". In der Holdinggesellschaft verbleiben immer noch ansehliche rund CHF 46 Mio. aber eben nicht mehr; die gesamte jährliche Steuerbelastung beträgt knapp CHF 44 Mio.
Zudem: Eine Bildersammlung in einer Holdinggesellschaft zu halten ist keine gute Idee - damit werden dort erzielte Kapitalgewinne (Wertsteigerung der Bilder beim Verkauf) steuerpflichtig. Nur die Dividendeneinkommen der Holdinggeselschaft sind steuerfrei, dort erzielte Kapitalgewinne unterliegen der Gewinnsteuer und nach der Ausschüttung als Dividende der reduzierten Dividendenbesteuereung - das ergibt zusammen auch eine Besteuerung von ca. 40%.
Ein etwas salopper Schluss, den schliesslich könnte man durchaus auch am Erbrecht etwas ändern, aber ansonsten ein sehr guter Artikel zu einem enorm wichtigen Thema, wenn man die soziale Nachhaltigkeit auch in einem Land wie der Schweiz ernst nehmen will. Weitere wirkungsvolle Massnahmen, um die Lohnarbeit zu entlasten, wären eine ökologische Steuerreform und eine Besteuerung der Bodenrenten.
Bei der Kinderbetreuung ging ein G. wichtiger Posten vergessen, nämlich der gewaltige Brocken, der hauptsächlich zum Nulltarif von den Grosseltern der betreuten Kinder gestemmt wird.
Und: Es lohnt sich auch, wieder einmal nachzulesen, was Franklin D. Roosevelt mit seinem "New Deal" erreicht hat. Aus Superreichen hat er Wohlhabende gemacht und die USA wurde eine prosperierende, blühende Wirtschaftsmacht und zwar zum Wohle aller. Bis Leute wie die Bushs wieder am Ruder waren und das Land auf den Hund gebracht haben zum Wohl der Reichen.
Mit einem Spitzensteuersatz von 70%. Aber die neoliberalen Politiker behaupten ja heute noch, Steuersenkungen seien die einzige Methode, um die Wirtschaft anzukurbeln.
Meritokratie gehört zu den wichtigsten Erzählungen der Nachkriegsökonomie: Mein Vater (aus wirklich armen ländlichen Verhältnissen stammend), hat ab 1945 im Verkauf von Büro-Hardware, bereits einige Jahre darauf im Bereich der einsetzenden "Büroautomation", gearbeitet. Er war immer angestellter Lohnempfänger, in leitender Position und später in Vertretung damals grosser US Firmen. Das war unsere Familiengeschichte des wirtschaftlichen Erfolgs: Vom quasi Tellerwäscher zum Millionär und Eigenheimbesitzer - nur durch Lohnarbeit (schuften!), Verzicht (sparen!), Lernbereitschaft (bilden und weiterbilden!) und wertschätzen des einzelnen Rappens. Und er war, so schliesse ich aus unserem damaligen Freundes- und Bekanntenkreis, in guter Gesellschaft. Könnte man also sagen, dass sich die Feststellung im Titel dieses Artikels auf Heute bezieht und diese vor ein paar Jahrzehnten - vielleicht unter anderen kapitalistischen Bedingungen - nicht immer stimmte?
Dann eine zweite Vermutung: Sagen wir bspw. eine Chefärztin, topspezialisiert, kann als Angestellte eines Spitals durchaus soviel verdienen, dass in einigen Jahren ein ("kleines") Vermögen zusammenkommt. Wieviele % der Lohnabhängigen gehören etwa dazu?
Heute ist das Korrektiv weg: Die Sowjetunion und der Ostblock als der große böse Bruder, der zum Beispiel bei Tarifverhandlungen immer unsichtbar mit am Tisch gesessen hat.
Als die Mauer fiel meinte Peter Bichsel: "Ich gönne jedem die Freiheit; das Problem wird sein, dass der Kapitalismus keinen Bremsklotz mehr hat."
Ich habe mich immer gefragt, ob in «Eat the rich» noch ein übertragene Bedeutung steckt. Gemäss Wikipedia liegt der Ursprung in einem Ausspruch von Jean-Jacques Rousseau:
«Wenn das Volk nichts mehr zu essen hat, wird es die Reichen essen.»
Scheint also wortwörtlich gemeint. Wohl dadurch geprägt, dass Rousseau selber auf seiner Wanderschaft durch Frankreich und die Schweiz an grosser Armut litt. Dass die Phrase auf einen Vordenker der Aufklärung Bezug nimmt, lässt sie für mich in einem neuen Licht erscheinen.
Ja! Die Sache ist: Grosse Vermögen zu besteuern und die Lohnarbeit zu entlasten (auch höhere Einkommen) ist die reinste Aufklärung. Erzliberales Gedankengut. Gründungsidee freiheitlicher europäischer Staaten. Nur haben das viele Menschen vergessen.
Ausserdem: Wie toll und kreativ sind unsere Verleger! Vielen Dank für Ihre Links und Ideen.
Auch beim Arabischen Frühling waren Lebensmittelpreise ein Auslöser. Das dürfte auch der Grund sein, warum Xi Jinping bei seinem Entwurf der Menschenrechte den Wohlstand an erste Stelle rückt (und die allgemeinen Menschenrechte, so wie wir sie bisher kennen, abschaffen möchte).
Wohl einer der wichtigsten Artikel der Republik bisher. Danke dafür!
Guter Artikel, der die finanzielle Situation der Arbeitnehmenden deutlich beschreibt (z. B. Familien, die auf eine KITA angewiesen sind). Es wird auch klar, dass die Vermögenden nicht wirklich zur Kasse gebeten werden. Beispielsweise werden die Erbschafts- und Schenkungssteuer in der Schweiz zu lasch gehandhabt. Weiter ist die Vermögenssteuer von vielleicht mal 1 % (ein Prozent) ein Geschenk des Staates. Da wäre auch noch die Kapitaltransaktionssteuer zu erwähnen, die wohl für Familien mit Kindern nie zur Anwendung kommt! Kurzum: die Vermögenden konsequenter zu besteuern, hätte für sie keine nachhaltigen Folgen. Es wäre eine ehrliche und faire Massnahme für einen sozialen Ausgleich. Im EU Raum gibt es sogar eine G. neue Initiative, die genau in diese Richtung geht und - man staune - von Vermögenden selber initiiert wurde: https://www.taxmenow.eu/
Jup, dasselbe gibt es auch international :) Nicht alle Millionäre sind erpicht darauf ihren Reichtum nur für sich zu behalten zum Glück! Aber in so vielen Diskussionen mit Mitmenschen merke ich, dass sie für meine finanziellen Interessen abstimmen und ich für ihre...
Als junger Lehrer merkte ich schnell, dass mein Lohn nicht dem entsprach, was ich für die Gesellschaft leistete. Also schraubte ich meinen Lehroutput zurück, damit sich Aufwand und Ertrag wieder einpendelten. Auch war damals die Niederlassungsfreiheit für Lehrer ausgesetzt, was einen weiteren Abstrich bedeutete. Als später auch der Gratisparkplatz gestrichen wurde, strich ich ein paar Aufsätze oder Ähnliches, was mir Zeit raubte. Mich steuerte die "invisible hand" der Marktwirtschaft von Adam Smith und es war der Waschvorgang gegen die gefühlte Ausbeutung seitens des Staates und der ökonomischen Oligarchen, die sich um die Steuern drücken. Vordergründig gab ich mich smart und brauchte den Kopf vor allem zum Nicken gegenüber den damals neuen Schulleitungen und so konnte ich mit 65 geschmeidig in die Pension entschlüpfen. Jetzt arbeite ich nicht mehr und es dünkt mich, ich würde immer reicher.
Wahrscheinlich wollen Sie nur provozieren. ABER: solche Lehrpersonen gibt es leider. Unsere Kinder hatten solche Primarlehrer. Meine Tochter hatte das Glück, dass ihr Lehrer in der sechsten Klasse komplett abhob und nach den Sportferien nicht mehr kam. Sein Ersatz, eine idealistische Berufsanfängerin (und heutige Professorin) schaffte es mit unendlichem Einsatz, die Klasse im letzten Quartal auf Spur zu bringen, so dass die Tochter sich schulisch rechtzeitig erholte. Beim Sohn wurde es teurer; aber auch er schaffte es. Und das in einer reichen Gemeinde.
Wenn jemand Lehrer wird, um reich zu werden, hat er - finde ich - völlig falsche Vorstellungen nicht nur vom Lehrerberuf, sondern auch von sich selbst.
Jetzt bin ich neugierig: Welche anderen neun Beiträge stehen in Ihrer Hitliste?
Uh schwierig so direkt hab ich die nicht aufgeschrieben 😅.
Es gibt aber ein paar die mir auf jeden Fall in Erinnerung blieben:
Den Artikel über das künstlich hergestellte Ebenholz, fand ich sehr interessant.
Die Serie über Elfenbein und Tierhandel, war sehr bewegend.
Der Artikel aus der Rubrik “Auf lange Sicht” der aufzeigt das wir in Bern etwa das Klima von Milan erwarten können. Ich fand die Idee sehr gut.
Der Artikel über die getötete Journalistin von Malta, über Wirecard und der Artikel über die UBS in Malaysia, waren alle sehr gut. Das tragische ist ja leider das es sich dabei nicht um Thriller sondern Tatsachen handelt.
Geld ist nichts als manifestierte Macht. Das Problem dabei: Wir akzeptieren keine Obergrenze dieser Macht, und wir lassen vornehmlich jene unbegrenzt mächtig werden, die auf alle grundlegenden Regeln der Moral und einer gesunden Lebens- und Umweltbalance pfeifen. Kurz: Mit dem Geldsystem schenken wir den spirituell Kranken die Kontrolle über unsere Welt.
Die Demokratie ist dabei sicher ein besseres Korrektiv als andere Staatsformen. Aber auch bei uns entscheidet am Schluss das Kapital weit mehr als die Bürger. Diese krüppeln jenseits von Sinn und Verstand, um selbst genug Geld zusammenzutragen, und werden doch weder glücklicher noch weiser dabei. Währenddessen geht der Planet vor die Hunde, weil sich nur noch mehr Geld scheffeln lässt, indem der Ressourcenverbrauch in absurde Höhen gesteigert wird.
Jeshua aus Nazareth hatte da meines Erachtens die richtige Idee. Auf die Trickfrage, ob Gläubige Steuern zahlen sollen (hätte er nein gesagt, wäre er der Erzählung nach verhaftet worden), hat er eine Trickantwort geliefert: "Gebt dem Cäsar, was des Cäsars ist." Die Kleingeister, die ihn in die Falle locken wollten, lasen das als: Zahlt brav eure Steuern (ebenso die Kleingeister, die Jeshuas Erbe bis heute verwalten). Konsequent umgesetzt hiesse der Spruch aber: Gebt euer Geld zurück dahin, wo es herkommt - sprich: Lebt ohne Geld.
Ist es heutzutage illusorisch, von einer Welt ohne Geldsystem zu träumen? Vielleicht - aber wir müssen es. Denn das Geld ist ein wild metastasierendes Krebsgeschwür, das uns und alles Leben auf diesem Planeten bedroht. Es ist zwar nicht die Wurzel alles Übels, aber zumindest sein Teilchenbeschleuniger: Jede Schwäche des Menschen wird dadurch aufgebläht, die niedersten Instinkte zum Leitstern verklärt, unsere inhärente Moral überdeckt. Eine Welt ohne Geld wäre nicht automatisch gut, aber eine gute Welt ist mit Geld nicht möglich.
Bis die Menschheit soweit ist, sind die Tipps am Artikelende aber gar nicht so schlecht: Wertet das Geld in eurem eigenen Leben ab, rennt ihm nicht nach, lasst es nicht über euch bestimmen. Die Freiheit muss als Erstes in den Köpfen und Herzen Einzug halten.
Sehr spannender Artikel, v.a. der Anfangsteil! Es ist manchmal unfassbar, wie ein grosser Teil der Bevölkerung so abstimmt, wie wenn man selbst irgendwann vom Reichtum gesegnet würde. Ein einfaches, aber genügendes Beispiel, das in Kommentaren oft genannt wird, um es aufzuzeigen: um Sparmillionär zu werden, müssten Sie 20 Jahre lang je CHF 50'000 pro Jahr auf die Seite legen - also mehr als CHF 4'000 pro Monat. Oder 30 Jahre lang je CHF 33'300 pro Jahr - also mehr als CHF 2'750 pro Monat.
Es ist natürlich immer schön, von Start Ups, innovativen Menschen etc. zu hören. Aber im Ergebnis sind es meistens Erben (ob finanziell oder indirekt über die Firmennachfolge), die ein Reichtum erhalten bzw. weiter verwalten.
Gerade aktuell und umso eindrücklicher für mich: die Mehrwertsteuer soll im Rahmen der AHV-Revision um 0.4% erhöht werden. Kommt das durch, kostet es jede Person künftig mehr. Bei der Erbschaftsinitiative sollte die AHV gestärkt werden (oder im Umkehrschluss, die Mehrwertsteuer nicht als Ventil gebraucht werden), indem bestimmte Summen zu einem kleinen Teil besteuert werden (CHF 2 Mio. Freigrenze, 20 % auf den darüber liegenden Teil). Da dies abgelehnt wurde, suchen wir immer noch Wege, die AHV zu retten und nun allmählich, nach der Erhöhung der Lohnabzüge, die jede* Arbeitnehmer*in betrifft, nun mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer, müssen es halt alle gemeinsam berappen.
Die durchschnittliche inflationsbereinigte Rendite bei einem diversifizierten Aktienportfolio ist um die 5.2%.
Zieht man alle Gebühren und Steuern ab, so bleiben noch rund 4% oder 4.4% wenn man günstigere und steuerlich effizientere ETFs aus den USA verwendet.
Unter diesen Umständen muss man monatlich rund 1'500 (oder 1400) Franken über 30 Jahre anlegen, um auf eine inflationsbereinigte Million Franken zu kommen.
Jaaaeeein, das stimmt natürlich, aber dann kommt 2008. In der Schweiz ist die BVG doch eher der klügere Weg - aber auch der hat allerlei Fallstricke und Nebeneffekte.
Der durchschnittliche Sparbetrag pro Haushalt beträgt zufälligerweise genau 1'460 CHF/Monat (bfs). Da sind Rentnerhaushalte auch dabei. Das Beispiel aus dem Artikel (Ehepaar mit Kindern) könnte in 30 Jahren also über eine Million CHF an Vermögen ansparen. Mit einer Million CHF gehört man in der Schweiz zu den reichsten 7%. Weltweit gibt es etwa 50 Mio Millionäre, global betrachtet gehört man also nach 30 Jahren Sparen zum "Top 1%". Reich genug? ;-)
An diesem Artikel stimmt sehr viel. Es stimmt auch, dass nicht nur die Steuern am verfügbaren Einkommen nagen, sondern G. besonders die Gebühren und subventionierten Leistungen.
Aber es gibt ein Loch: die Ausgaben. Meine Frau und ich achteten darauf, möglichst rasch einen Jahreslohn zu sparen (bei kleinem Lohn war das wenig, bei grösserem Lohn wurde es mehr) und hatten nach wenigen Jahren das Eigenkapital für eine Eigentumswohnung zusammen. Das ist lange her. Arbeitskollegen, denen ich vorrechnete, dass das eine gute Sache sei, sahen nur die (damals) hohen Zinsen, den hohen Renovationsbedarf u.s.w. und zogen es vor, stilvoll zu leben.
Ein früherer Arbeitskollege von mir, Anwalt aus bescheidenen Verhältnissen und beim Kanton angestellt, lebte mit seiner Frau und den Kindern in einer (grossen) eineinhalb-Zimmer-Wohnung und sparte so enorm Mietzins. Die Wohnung war in der Stadt, weshalb er kein Auto brauchte (spart nochmals 8'000 im Jahr). Das Geld legte er in Aktien und Obligationen an, die in den 1990er Jahren hohe Zinsen brachten. Nach ein paar Jahren hatte er das Startkapital für ein Einfamilienhaus in einer Seegemeinde zusammen.
Unser Schwiegersohn und unsere Tochter hängen ein bisschen dem Frugalismus an. Gute Ausbildung, guter Lohn, bescheidener Lebenswandel. (Einzige Ausnahme: die Kita mit extremen Kosten.) Mit dieser Lebensweise kommt rasch viel zusammen. Die Ersparnisse legen sie an, der Schwiegersohn in ETF, die Tochter in US Tech-Aktien (mit riesigem Profit). Wer sich darüber informieren will, wie man mit Bescheidenheit tatsächlich reich werden kann, wird bei https://retireinprogress.com/ fündig. Es ist wirklich spannend, dem Mann beim Reichwerden zuzusehen.
Und für alle, welche sagen, das sei alles sowieso nur in Spezialfällen möglich, habe ich mit den Beispielen angefangen. Zudem: wissen Sie, dass die Hälfte aller PW in der Schweiz geleast sind? Und was Leasing kostet? Und wie Leasing dafür sorgt, dass man nicht das vernünftigste Auto kauft, sondern das geilste?
Lieber Anonym, stimmt, Spielraum bleibt immer. Und es tut oft gut, wie Sie richtig schreiben, sich auf diesen zu konzentrieren statt auf die Schwierigkeiten rundherum. (An besseren politischen Rahmenbedingungen kann man trotzdem arbeiten.) Danke für Ihren Beitrag.
Toller Beitrag, der einen beim Lesen immer wieder zum Widerspruch reizt (was soll das ganze Gedöns ums Reichwerden, Wohneigentum und Kinder- und Familinfalle), um dann im allerletzten Abschnitt zum genau richtigen Schluss zu kommen: It's politics stupid!
Heute morgen den Artikel gelesen, heute Nachmittag in dem New Yorker ein Cartoon dazu gelesen: https://www.newyorker.com/cartoon/a24518
Kann der Argumentation und dem Beitrag nur zustimmen. Wir haben Kinder und raten ihnen jetzt schon, obwohl sie erst gerade an der Schwelle zum Erwachsensein sind, sich so früh wie möglich gezielt Wohneigentum anzuschaffen. Denn das ist, vor allem aktuell, der Schlüssel um Kapital aufzubauen. Nicht in übermässigem Stil, aber doch recht lukrativ. Wenn möglich werden wir sie dabei unterstützen.
Das ist ja der "Witz" an der Sache: Mit dem notwendigen Startkapital ist es nicht so schwer, ein Vermögen aufzubauen.
Absolut. Das Problem dabei ist, wie auch im Artikel erwähnt, das Startkapital.
Hat man Eltern, die einem Kapital über Schenkungen/Vorbezug etc. zur Verfügung stellen können, hilft das beim Start massiv.
Hat man dieses Glück nicht, wird der Start extrem schwer und ist nur mit konsequentem Sparen zu erreichen (wenn überhaupt).
Das unfaire daran sind eigentlich die Mieten. Solange man mietet verbrät man soviel Geld mit der Miete (ausser man möchte das so), dass das Geld für das Startkapital fehlt.
Sobald man das Eigenheim hat, sind die Kosten dank der aktuellen Zinsen derart tief, dass es schon fast perfid ist.
Ich möchte gerne grob unsere "Geschichte" teilen.
Mein Mann und ich haben beide studiert und nach dem Masterabschluss beide 100% gearbeitet und gut verdient.
Später gründete mein Mann ein Startup mit von uns gespartem Geld (Investition 50k).
Wir hatten 2 Kinder und der Lohn von uns (ich schätze mal aus dem Bauch heraus, dass das damals sicher gut 150-180k gewesen sind zusammen) wurde quasi "gefressen" durch Krippe, wohnen, eine Haushaltshilfe (weil wir das mit dem Arbeitspensum und 2 Kindern sonst nicht so gut geschafft hätten und uns diesen Luxus gerne leisten wollten), Steuern und Einkäufe). Ab und zu haben wir auch Ferien gemacht, nicht günstige, aber es waren auch keine Luxusferien. Sparen konnten wir da kaum mehr (und kaum einer glaubt uns das...).
Und dann hatte mein Mann das unglaubliche Glück, dass er seine junge Firma verkaufen konnte.
Mit einem Schlag hatten wir gut 1 Mio. auf dem Konto. Über die nächsten 3 Monate haben wir uns informiert, wie wir das Geld investieren möchten. Klassische Anlagen mit einer Bank kamen für uns persönlich nicht in Frage. Einerseits sind die Gebühren sehr hoch und wir wollten wenn möglich in "ethisch vertretbare" Sachen investieren.
Wir haben dann das Geld in insgesamt 4 Töpfen angelegt.
Einen kleinen(!!!) Teil Crypto (weil wir das cool finden und fest an die Zukunft geglaubt haben / glauben) den wir quasi mental abgeschrieben haben,
einen Teil in Schweizer Immobilien (plus eine eigene Immobilie welche wir für uns gekauft haben)
einen Teil in Aktien (ursprünglich ETF weil es nichts "ethischeres" gab für einen Laien, mittlerweile ist alles über Inyova angelegt in Firmen die besser zu unseren Vorstellungen passen)
einen kleinen Teil in andere Startups (so nach dem "pay it forward" Prinzip)
Mittlerweile "verdienen" wir aus unseren Investitionen mehr Geld in einem Jahr als ich mit meinem 60% Pensum verdient habe und das quasi steuerfrei.
Das Einkommen von meinem Mann ist mittlerweile auch gestiegen auf um die 250-300k pro Jahr. Mein Einkommen von etwa 60k pro Jahr für 60% ist nach Steuerabzug und Krippenkosten komplett weg. Ich habe meine Stelle - auch wegen anderen Gründen, die hier nicht relevant sind - gekündet und bin aktuell auf der Suche nach einer ehrenamtlichen Tätigkeit.
Mittlerweile haben wir unser Vermögen fast verdoppelt. Einerseits hat sich das Risiko mit Crypto ausbezahlt, andererseits sind die Aktienanlagen auch lukrativ gewesen.
(Steuern bezahlen wir immer noch hauptsächlich auf unser Einkommen. Mittlerweile bezahlen wir an die 100k Steuern für alles zusammen, das Vermögen - ob 1 oder 2 Mio. - macht kaum einen Unterschied und Steuern auf unsere Investitionen fallen nur bei den Immobilien durch Mieteinnamen an).
Ich möchte hier noch kurz eine Bemerkung machen bezüglich Crypto. Bitte bitte, legt nie Geld an welches ihr wirklich wirklich braucht. Es ist ein unglaublich hohes Risiko! Dieses Beispiel soll etwas weiteres illustrieren:
Wer "Geld hat" kann auch viel einfacher mal 100k in eine extrem risikoreiche Anlage investieren. Macht man das 10x, 9x geht es schief und 1x klappt es richtig gut, dann hat man schnell sein Vermögen vervielfacht.
Und bezüglich 99% Initiative... Wir wären nach meinen Berechnungen davon ziemlich sicher nicht betroffen bei unseren Investitionen (sind auf der 98 perzentile beim Vermögen). Man muss also noch viel "reicher" sein damit es einen überhaupt betrifft.
Ich wollte noch anfügen, dass wir seit wir arbeitstätig sind jeweils 10 % vom Lohn spenden und auch vom Firmenverkauf 10% gespendet haben. (Das lohnt sich auch noch steuertechnisch, ist aber nicht unsere Motivation dahinter)
Liebe Frau Anonym, ich danke Ihnen von ganzem Herzen für Ihre aufrichtige Schilderung, die auf den Punkt perfekt illustriert, was Sache ist. Wirklich grossartig und sehr wertvoll zu lesen.
Alles Gute auf Ihrem Weg!
Der Kostensprung wo die Kita Subventionen aufhören, ist wirklich heftig. Wir wohnen in der Stadt Zürich, da wird ein sogenannter Beitragsfaktor abhängig vom Einkommen berechnet. In unserem Fall sind das ca. 75%. Die 75% beziehen sich aber nicht auf den privaten Tarif der Kita, sondern auf den städtischen Standardtarif, welcher deutlich tiefer ist. Der Sprung zwischen 99% vom städtischen Tarif und dem privaten sind etwa 10'000 Fr. pro Jahr bei Vollzeitbetreuung, wobei das natürlich je nach Kita variiert. Das heisst wenn man gerade so an der Subventionsgrenze sitzt, kann es sich lohnen bis zu 10'000Fr an abzugsberechtigte Organisationen zu spenden, damit man wieder in die Subventionen reinkommt. Für sehr gut verdienende gibt's dann natürlich mit dem privaten Tarif eine Flatrate die nicht mehr mit dem Einkommen skaliert.
Passend zum gestrigen 14. September, dem Erscheinungstag von «Das Kapital. Band 1» (1867) ein erfrischender Auffrischungskurs zu Marx – und Max Weber. Danke dafür Olivia Kühni!
Wobei nach der «Protestantischen Ethik», die oft noch auf dem Land und in der Fabrik herrscht, zwar gilt: «Fleiss zahlt sich aus. Leistung wird sich lohnen». Aber realistischerweise weniger: «Wer hart arbeitet, wird reich». Denn sogar wenn eine*r tatsächlich reich werden sollte, so gilt diese*r bei den einen als «Klassenverräter*in», bei den anderen als «Neureiche*r». Das heisst, wegen des Stallgeruchs umweht ihn*ihr ein Hauch von Unverdientem – sei es Glück, sei es Betrug.
P.S.: Vorsicht mit Quellen wie The Economist, ZKB oder Avenir Suisse. Diese gelten bei manchen als «von Beginn weg als [gefälscht]», da nicht «von der anderen Seite».
Es spricht für die Analyse von Olivia Kühni, dass sie die Begriffe Arbeit (gehört dem Kapital) und Arbeitskraft (gehört dem Arbeitnehmer) sauber trennt. Leider werden wir für unsere Arbeitskraft und nicht für unserer Arbeit bezahlt.
Die Lohnquote von 70% heisst ja tatsächlich, dass man im Durchschnitt für 30% der geleisteten Arbeitszeit nicht bezahlt wird (und damit meine ich nicht die Pausen).
Mal wieder eine K. Analyse, die Fragen aufwirft: Was wäre denn ein fairer Anteil der Arbeitskraft am Arbeitsergebnis?
Eine ähnliche, aber relevantere Analyse liesse sich mit anderen Ressourcen machen: Da Primärenergieträger heute nicht nur monetär einen nicht unerheblichen Anteil am Welthandel ausmachen, ist die Energie, die es braucht um eine Einheit Energie herzustellen relevant (energy return on energy invested). Schnell wird dabei sichtbar, dass mehr oder minder unser ganzes kapitalistisches Wachstum (inkl. der Löhne) auf den Externaltäten der fossilen Energiequellen beruht. Zu Zeiten von Marx war das einfach noch nicht im Fokus, weil damals Textilien das wichtigste im Welthandel waren.
Wunderbar auf den Punkt gebracht. Pflichtlektüre für alle Schweizer:innen, die die 99% Initiative ablehnen. Jede Steuerreform, die den allermeisten Bürger:innen zugute kommen würde, wird in der Schweiz abgelehnt aus genau diesen längst wiederlegten Gründen aus dem Artikel. Die Umverteilung geht von unten nach oben und nicht umgekehrt, und wie im Artikel erwähnt, politisch gewollt. Wann begreift eine Mehrheit das endlich?
Schöner Text. Noch zwei Bemerkungen meinerseits.
Bezüglich Immobilien Punkt, eine Bemerkung die noch erwähnenswert ist: Die Pensionskassen besitzen viele Immobilien und zahlen mit deren Renditen ein Teil der berufliche Vorsorge. Auch hier ist besonders der untere Mittestand betroffen, weil diese überdurchschnittlich oft MieterInnen sind und bezahlen somit einen grossen Teil der Rendite. Vermögende hingegen besitzen gewöhnlich ein Eigenheim.
Und zu der Forderung von kostenlosen Krippenplätzen stehe ich kritisch gegenüber, es werden dann die Eltern benachteiligt, welche die Kindertagesbetreuung selber durchführen. Ich bin nicht gegen eine finanzielle Hilfe, im Gegenteil, aber dann sollen alle Formen der Kindertagesbetreuung gleich unterstützt werden.
Lieber Herr H., danke für Ihren Beitrag. Das mit den Kitas liesse sich zB so lösen, dass Erziehungberechtigte vom Staat Betreuungsgutscheine bekommen, die sie dann entweder in einer Kita einlösen oder selber verrechnen können. Das wäre eine neutrale Finanzierung.
Liebe Frau Kühni
Endlich ein Republik-Artikel, der sich dem Gegensatz von Kapital und Arbeit annimmt. Nachdem ich den Artikel nun genau lesen konnte, möchte ich darauf reagieren. Ich bin mit vielen Apsekten einverstanden, nicht jedoch damit, wie sie innerhalb der Problematik den Fokus setzen und welche Schlüsse sie aus ihrer Analyse ziehen.
Als Erstes vermisse ich eine eingehende Analyse der Machtverhältnisse, welche den Gegensatz Arbeit und Kapital ausmachen. Als Antwort auf die erste Frage (Womit der Lohn zu tun hat) nennen sie zwar unteranderem Machtverhältnisse und Arbeitskämpfe. Wichtiger sei aber, wie geschäftsträchtig ihr Unternehmen respektive ihre Branche ist. Sie erklären den tiefen Lohn der Coiffeuse im Verhältnis zum Banker damit, dass sich mit Haareschneiden "in der Regel" weniger verdienen lässt als in der Finanzbranche und verschieben damit bloss die Fragestellung auf eine höhere Ebene. Wieso lässt sich mit dem einen mehr verdienen als mit dem anderen? Spielen hier Machtverhältnisse nicht die entscheidende Rolle? Oder sehen sie darin eine unverückbare, natürliche Tatsache, die keiner weiteren Begründungen bedarf?
Zweitens bin ich nicht einverstanden damit, was sie am Verhältnis von Arbeit und Kapital problematisieren. Sie erwähnen im Vorbeigehen den beträchtlichen Lohnunterschied zwischen dem am schlechtesten und bestverdiendsten Zehntel der Vollzeit-Arbeitnehmer*innen und betonen, dass der relevantere Gegensatz aber zwischen Kapital und Arbeit besteht. Soweit bin ich grundsätzlich einverstanden. Doch über den gesamten Artikel heben sie das "reicher werden können" zur zentralen Grösse und kritisieren, dass dies der Mittelschicht durch den Staat verunmöglicht werde. Sie rücken den Mittelstand ins Zentrum der Problematik, beispielsweise mit folgender Aussage (im 4. Abschnitt): Nach allen Abgaben habe der Mittelstand weniger zum Leben zur Verfügung als die Unterschicht. Damit verweisen sie wohl auf Tabelle 3 auf Seite 121 der verlinkten Studie. In diesem Fall ist ihre Formulierung jedoch irreführend und mutet gar zynisch an, denn das so errechnete hohe Einkommen der Niederigverdiener*innen beinhaltet unteranderem die Kosten für die Sozialversicherungen, von welchen diese Einkommensklasse überdurchschnittlich stark abhängig ist. Auf Grund dieser Gegebenheit zu behaupten, den Niedrigverdiener*innen bleibe mehr zum leben und damit die angeblich missliche Lage des Mittelstandes zu begründen, ist nicht korrekt und - wie ich finde - verwerflich.
Drittens kann ich nicht nachvollziehen, wie sie schlussfolgern, dass die 99%-Initiative am Ziel vorbeischiesse. Sie schreiben hierzu: "Und viele fänden es richtig, wenn alle mit viel Lohn vergleichsweise mehr als heute zum gemeinsamen Staat beitragen.
So etwa schlägt die 99-Prozent-Initiative auf ihrer Website an prominenter Stelle vor, mit den erwarteten Mehreinnahmen aus den Kapitalsteuern nicht alle Arbeitseinkommen zu entlasten, sondern lediglich «tiefe und mittlere».[...]
Er [dieser blick] zielt aber bei aller guten Absicht am tatsächlichen Spektakel vorbei: Der wirklich grosse Unterschied besteht nicht zwischen denen, die mit ihrem Job etwas mehr, und denen, die damit etwas weniger verdienen. Sondern zwischen denen, die nur von ihrer Erwerbsarbeit leben, und denen, die das nicht oder nur teilweise müssen."
Diese Verbindung des ersten Satzes mit den folgenden tönt plausibel, ist jedoch nicht schlüssig. Denn die 99%-Initiative schlägt vor, tiefe und mittlere Arbeitseinkommen zu entlasten sowie auch Kapitaleinkommen stärker als Arbeitseinkommen zu besteuern. Zu sagen, dass die Initiative das Hauptproblem verkennt, wenn sie nicht ausschliesslich dieses angeht, ist Unsinn.
Im Verlaufe des Artikels arbeiten sie den entscheidenden Gegensatz von Kapital und Arbeit heraus. Sie argumentieren dann jedoch in einer Weise, als würde unter dieser Ungleichheit hauptsächlich der Mittelstand leiden, da dieser nämlich nicht reicher werden könne. Aus ihrer Argumentationsführung folgt letztlich sogar, dass die 99%-Initiative potentiell den Mittelstand bedroht, was schon ziemlich abenteuerlich ist, auch wenn sie es in nüchternem Ton vortragen.
Wer kritisiert, dass einem das "reich werden" vorenthalten wird, gibt damit gleichzeitig zu, dass es um den eigenen Lebensunterhalt nicht so schlecht steht. Selbstverständlich soll man sich für mehr einsetzten als bloss das Existenzielle. Im Falle dieses Artikels scheint jedoch eine privilegierte mittelständische Perspektive die Sicht auf die wirklichen Probleme zu vernebeln. Der finale Ratschlag, man solle das Märchen vom “reich werden durch hartes Arbeiten“ vergessen, spricht Bände. Ein Hohn für all jene, die nicht hart arbeiten für ein Leben im Reichtum, sondern für ein Leben überhaupt.
Der Artikel ist super, keine Frage, hab ihn schon geshared, aber einige Berufsgruppen gehen vergessen, wo es keinen linearen Zusammenhang zwischen Zeit/Arbeit und Einkommen gibt.
Künstler (Musiker, Maler, etc.) können mit einem einzigen Werk riesige Summen verdienen, die in keinem Verhältnis stehen zum Aufwand der da reingesteckt wurde. Das gilt selbst wenn man das jahrelange Üben und die vielen Fehlschläge mit rein rechnet. So konnten gute Sänger*innen, welche jeden Abend einen Konzertsaal füllten, zum ersten Mal aus dem Hamsterrad aussteigen, als sie ihre Stimmen aufnehmen konnten und diese Aufnahmen verschenken konnten. Die Aufnahmen liessen sich noch Jahre später verkaufen und kein grosser zusätzlicher Mehraufwand war nötig.
Nicht zuletzt ist es kein Wunder, dass so viele Leute ihr Glück mit YouTube, Casting-Shows, viralen TikTok Videos etc. versuchen, weil der erhoffte Durchbruch auch den Ausstieg aus dem Hamsterrad bedeutet. Neben dem Erben und Heiraten noch ein dritter Weg, welcher der Artikel nicht erwähnt.
Aber es ist auch kein Wunder, dass dieser Weg unerwähnt blieb: Er hat mit extrem viel Glück zu tun und sehr viele Künstler*innen führen ein brotloses Leben und nicht etwa weil sie kein Talent haben.
Boomer, Doomer, Zoomer. Ich bin ein Doomer. Der Artikel bestätigt dies wieder einmal.
https://www.youtube.com/watch?v=Aaz4jdlqhSk <- Doomer Doku
https://www.youtube.com/watch?v=NJW_av0PQXM <- Doomer als "Wagecuck"
https://www.youtube.com/watch?v=t0iZi5WnoE0 <- Boomer investment advice
Es passiert weltweit und trifft ganze Generationen. Ich kann mir das technisch beste Gerät der Welt leisten, mit Zugang zu fast allen Informationen der gesamten Menschheit aber gleichzeitig sind Grundbedürfnisse wie Wohnen unbezahlbar geworden. Und es wird immer schlimmer. Der einzige mögliche Ausweg um sich Grundbedürfnisse wie Wohnen langfristig zu sichern ist die skrupellose Spekulation, mit glück.
Statt zu arbeiten und ein klein wenig Geld zu verdienen, habe ich mich heute Morgen durch die aufregende Debatte gelesen und stolperte über einen (Halb)Satz von Olivia Kühni, der nicht das Hauptthema betrifft. Aber unwidersprochen kann ich den nicht stehen lassen (nur schon von wegen Haupt- und Nebenwiderspruch): "Wenn wir Kinderbetreuung so teuer und die Subventionierung so umständlich machen, dass sich zusätzliches berufliches Engagement für Frauen (und andere Zweitverdiener) nicht lohnt..." Keine Frage: Die Preise für Kinderbetreuung in Kita und Hort sind himmelschreiend. Aber die Rechnung so zu stellen, ist es auch. Als berufstätige Eltern haben wir drei Kinder ausserhäuslich betreuen lassen und unanständig viel Geld dafür ausgegeben. Aber: Krippe und Hort waren das Grösste für die Entwicklung und den Spass der Kinder, den Familienfrieden, unser beider beruflicher Zufriedenheit, womöglich sogar für etwas Sinnstiftung über unseren eigenen Haushalt hinaus. Wir haben beide Geld eingenommen (möglicherweise etwas mehr als "verdient") und unsere Altersabsicherung unabhängig voneinander alimentiert. Aber vorallem haben wir Gleichstellung so gelebt, dass unsere Kinder nicht auf die Idee kämen, das Einkommen berufstätiger Mütter als "Zweitverdienst" aufzufassen. Ich schreibe übrigens erst heute, weil ich gestern wegen eines super interesssanten, sinnvollen und erst noch gut bezahlten Jobs nicht dazu kam. Hätten wir, als unsere Kinder klein waren, mein damals eher bescheidenes Einkommen als "Zweitverdienst" eingepreist, würden derartige Jobs heute ungesehen an mir vorbeiziehen.
Liebe Frau S., vielen Dank für Ihren Einwurf, der sehr wichtig ist. Sie haben absolut recht. Ich wollte das nicht thematisieren, um nicht noch mehr Seitenarme aufzutun, aber: langfristig lohnt es sich, diesen Entscheid so zu treffen - ich, wir, haben ihn ebenfalls so gefällt. Wegen all dem, was Sie beschreiben, auf individueller, paardynamischer und letztlich, auf lange Sicht, auch finanzieller Ebene.
Schön wäre, er würde einem von den politischen Anreizen nicht schwerer gemacht.
Wegen des "Zweitverdiensts" (nicht "Zusatzverdienst", immerhin!): das ist, auch wenn Sie und ich und einige andere das inzwischen anders leben und kennen, die Realität. Darum bezeichne ich es auch so. (Mit dem kleinen Anhang von "anderen Zweitverdienern".)
Danke für Ihren Beitrag!
Danke sehr, auch für die klugen Ergänzungen.
Zum P.S.: Ich habe ebenfalls festgestellt, dass manche Menschen Avenir mit Economie- verwechseln und den "Economist" mit "Business Daily". Da muss ich mich dann leider aus Niveaugründen aus der entsprechenden Diskussion zurückziehen. Siehe auch: https://www.republik.ch/2018/04/18/mikrofon-aus
Die Analyse ist überzeugend: Kapital generiert viel mehr Einkommen als Arbeit. Und dabei ist die Bedeutung des Immobilienkapitals enorm. Wer mehr darüber erfahren will, dem sei Piketty empfohlen. Wird ein beherrschendes Thema der nahen Zukunft.
Andere Messages, die da mitschwingen, überzeugen mich noch nicht. Dass die Lohnunterschiede in der Verteilungsdiskussion eine zu vernachlässigende Grösse seien. Dass den Gutverdienern vom höheren Lohn nichts übrigbleibt (der Gegenbeweis fährt auf den Strassen und steht in den Einfamilienhaussiedlungen, und nein, das sind nicht alle Kapitalmillionäre) und wir alle degressiven Tarife abschaffen ollten, damit wenigstens die Gutverdiener reich werden.
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