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Einmal mehr ein hochintelligenter Beitrag zu einem höchst relevanten Thema, wie so oft in der REPUBLIK sehr sorgfältig recherchiert und mit äusserst einleuchtenden Schlussfolgerungen „garniert“. Herzlichen Dank!
Merci!
Die Pandemie ist eine Krise im Zeitraffer. Noch gefährlicher sind Krisen in Zeitlupe. Eine solche läuft bereits seit ein paar Jahrzehnten und dürfte noch mindestens 200 Jahre dauern. Die Klimakrise!
Diese Krise ist multidimensional, weil fast alles geändert werden muss, wenn sie gelöst werden soll. Unsere beschäftigungs- und wachstumsgesteuerte Gesellschaft muss von diesen zentralen Narrativen Abschied nehmen. Wir müssen erkennen, dass wir zu den 10% der Menschheit gehören, welche 50% des Planeten beanspruchen. Und es braucht einen sehr langen Planungshorizont. Wie soll das funktionieren, wenn wir nicht mal so eine vergleichsweise harmlose Pandemie auf die Reihe kriegen?
Aussitzen ist auch keine gute Idee. Uns geht es noch lange gut, wie dem Frosch im sich langsam wärmenden Wasser, bis zum Moment, wo sein Eiweiss gerinnt. Doch in 200 Jahren kann der Meeresspiegel um 10 Meter angestiegen sein. Ein Land wie Bangladesch verliert dadurch ein Drittel seiner Fläche und ist dann nur noch doppelt so gross wie die Schweiz, beherbergt aber schon heute 170 Mio. Einwohner. Es ist ziemlich naiv zu glauben, dass die so ausgelösten Flüchtlingsströme nicht auch bis zu uns massive Auswirkungen haben werden. Aber erst in 200 Jahren, wenn kümmert das schon ...
Wenn Politik und Wissenschaft nicht enger und glaubwürdiger zusammenarbeiten, lässt dies nur viel Raum für allerhand Hobbytheoretiker. In Krisen tauchen immer besonders viele Propheten auf und jeder findet seine Anhänger. Ein solches Vakuum kann nur durch professionelle Zusammenarbeit von Politik und Wissenschaft minimiert werden. Ist die Katastrophe erst mal da und die Leute haben Hunger, ist kein Halten mehr.
Gerade weil die Themen immer komplexer werden, sollten wir auch unser Demokratiesystem weiter entwickeln. Zu Vorlagen nur Ja oder Nein zu sagen, ist nicht mehr ausreichend, da es unmöglich ist, sich mit den Themen vorher in der nötigen Tiefe zu beschäftigen. Dazu eignen sich Bürgerräte. Dabei werden per Los ausgewählte Bürger freigestellt, um sich von Wissenschaft und Politik ausführlich über das Thema zu informieren. Dieser Rat gibt anschliessend eine unabhängige Abstimmungsempfehlung ab. In vielen Ländern hat man damit bereits sehr gute Erfahrungen gemacht.
So könnten wir eine Verbindung schaffen, die Politik, Wissenschaft UND Bürger an einem Strick ziehen lässt.
Vielen Dank für den guten Artikel. Ich finde die Aufarbeitung zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis, und gerade in Sachen Klimawandel und Corona-Pandemie das Vertreten von Meinungen in der Politik sehr wichtig. Teilweise hab ich das Gefühl, dass die Mehrheit der Menschen von der Menge an wissenschaftlicher Erkenntnis überfordert sind und deswegen auf ihr Bauchgefühl aus der Wahrnehmung ihrer nahen Umgebung vertrauen. Daher vielen Dank für die kritische Aufarbeitung! Jedoch würde ich gerne noch darauf verweisen, dass unsere Wissenschaftstheorie der Falsifikation nach Popper auch nur eine Wissenschaftstheorie ist und sowohl Popper als auch Feyerabend darauf verweisen, dass der Nachweis von Wahrheiten und das Beseitigen von Ideologien der Forscher fragwürdig ist. Daher finde ich die Aussage, dass Ideologien in der Wissenschaft nichts verloren haben unpassend, da dies äusserst selten (vielleicht in Doppelblindstudien etc.) gewährleistet werden kann. Daher ist für mich der Umgang mit wissenschaftlicher Erkenntnis, welche Wahrheiten repräsentieren möchte auch schwierig. Aber trotzdem vielen Dank nochmal für den sehr informativen und differenzierten Artikel!!!
Der Einwand ist sicher berechtigt, dass Wissenschaft auch von einem aktuellen Weltbild geprägt ist. Dazu gibt es wiederum eigene Studien. Und das beginnt schon bei der Auswahl von Themen, die wissenschaftlich untersucht werden.
Die eigentliche Herausforderung sehe ich aber woanders, nämlich dass Laien und Politiker die "Sprache" der Wissenschaft besser verstehen lernen sollten. Wenn Wissenschaftler sagen, die Klimakrise sei 90% sicher, dann tönt das in den Ohren von Wissenschaftler dramatisch, Laien aber sagen, ach, solange die sich nicht sicher sind, lassen wir das mal liegen.
Deshalb meine ich, muss im Dreiergespann Wissenschaft, Politik und Bürger mehr gegenseitiges Verständnis aufgebaut werden.
Hallo Herr W.,
Merci für Ihre netten Worte!
Und: Selbstverständlich sind auch Wissenschaftlerinnen Menschen mit Erfahrungen und Haltungen und keine objektiven Superroboter. Jedoch gehen sie nach Methoden vor, die diese Haltungen so gut wie eben möglich ausblenden – und ihnen ist in der Regel bewusst, dass bei der Suche nach der Wahrheit eine These immer wieder überprüft – oder zu falsifizieren versucht – werden muss. Das unterscheidet ihre Arbeit methodisch sehr stark von derer von Politikern. Darauf wollten wir hinaus.
Vielen Dank Frau Kolly und Herr B. für Ihre Antworten. Ich stimme Ihnen beiden komplett zu. Mein Einwand war auch weniger auf den Artikel per se bezogen, sondern vielmehr in die Richtung gehend, dass ich bei den Debatten über Massnahmen bezüglich Corona schon Positionen von Wissenschaftlern gelesen haben, die absolute Positionen oder Wahrheiten vertreten haben und somit ich auch in der Wissenschaft teilweise ein mangelnder Umgang mit wissenschaftlicher Erkenntnis und ihrer Interpretation sehe. Daher nur meine Anmerkung.
Nochmals vielen Dank für den Artikel.
Danke, dass Sie das aufgreifen!
Bei der grössten Partei ist die Lage vertrackter:
Die SVP-Vertreter bauen ihre Identität auf die Verachtung der Wissenschaft auf.
Sie vertrauen auf den „gesunden Menschenverstand“, das intuitive Denken.
Aber intuitives Denken scheitert schon daran, exponentielles Wachstum zu verstehen. Das illustriert die schöne Weizenkornlegende, aber auch die Diskussion über Corona im letzten Sommer („Wir haben kein exponentielles Wachstum“).
Das System „Wissenschaft“ verliert in diesen Kreisen seit Jahren an Rückhalt. Die planvolle Untersuchung der Wirklichkeit wird angegriffen und lächerlich gemacht.
Damit wird jede Lüge möglich. Auch die, dass „die zweite Welle niemand hat kommen sehen“. Oder die, dass die Schweiz keine Demokratie sei.
Herr K.
Ich würde hier zur Vorsicht mahnen. Die SVP fährt einen antiintellektuellen Kurs, aber gerade in der Pandemie waren sie zum Beispiel jene Partei, die sehr früh begriffen hat, um was es geht. Das haben uns verschiedenen Wissenschaftlerinnen bestätigt. Kommt hinzu: Einige ihrer kantonalen Exekutivpolitikerinnen machen einen hervorragenden Job, ua. weil sie sehr stark auf die Wissenschaft hören. Ich glaube, es ist zu einfach, hier der SVP den Schwarzen Peter zuzuschieben.
Lesenswerter Beitrag, der optimistisch stimmt. Finde es schön, dass aus der Krise auch etwas Konstruktives und Positives entstehen kann.
Bei diesem Punkt bin ich jedoch nicht ganz überzeugt:
In der Pandemie verfolgten Wissenschaftlerinnen und Politiker alle dasselbe Ziel: Menschenleben retten.
Ich bezweifle, dass in der Mehrheit der Politik das das höchste Ziel ist. Sonst würden die Bürgerlichen nicht so menschenfeindliche Politik machen, wie die noch knapp verhinderte Zwangsöffnung auch bei steigenden Fallzahlen.
Sicherlich gibt es aber einige Politiker, die sich mit den beschriebenen Möglichkeiten besser informieren und überzeugen lassen.
Guten Tag Herr Wenger
Natürlich gibt es unterschiedliche Abwägungen und Differenzen, zu welchem Preis eine bestimmte Politik erfolgen sollte – aber im Grundziel waren sich zumindest in der Exekutivpolitik alle einig. Ansonsten hätte es gar keine Massnahmen gegeben.
Dieser Artikel beschreibt und bringt auf den Punkt, was mir seit Monaten diffus im Kopf herumgeistert, und ich bisher nicht in Worte fassen konnte. Danke dafür!
Das ist schön zu lesen. Merci Ihnen!
Danke für das richtige ausdrücken meiner (gleichen) Gedanken! Und Danke für den hervorragenden Artikel, der hoffen lässt.
Mich beunruhigt wie in der öffentlichen Diskussion zur Corona-Krise "die Wissenschaft" als monolithisch und homogen dargestellt wird. Als jemand der aus der Wissenschaft kommt, kann ich allen Nicht-Wissenschaftlern versichern, dass es in "der Wissenschaft" in allen Dimensionen eine sehr breite Streuung gibt. Und, dass dieser Streuung in öffentlichen Diskussionen nicht annähernd genügend Rechnung getragen wird.
Unter den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen geht die Bandbreite von solchen, die keine Gelegenheit verstreichen lassen, gefragt oder ungefragt zu allen Themen Stellung zu nehmen (egal ob sie davon Ahnung haben oder haarstäubenden Unsinn verbreiten), bis zu solchen, denen es vor dem "Licht der Öffentlichkeit" genauso graut wie einem Vampir vor dem Tageslicht - selbst wenn sie wirklich wichtiges zur Diskussion beizutragen hätten.
Es gibt vom fast selbstausbeuterischen Einsatz für den wissenschaftlichen Fortschritt alles bis zum knallharten Vertreten von Partikular- und Karriereinteressen - selbst unter Inkaufnahme von schweren Kollateralschäden.
Und bei den wissenschaftlichen Erkenntnissen gibt es alles von ersten-Daten-nicht-wiedersprechenden ad-hoc Hypothesen bis zu "niet- und nagelfest" abgesicherten Sachverhalten.
Mich schockiert es, wie in der öffentlichen Diskussion die gegenüberliegende Extreme auf diesen Skalen oft nahezu gleichwertig behandelt werden.
Trifft man in der öffentlichen Diskussion also auf einen Wissenschafter, wissenschaftliche Daten oder von Wissenschaftlern vorgetragenen Policy-Empfehlung wäre schon viel gewonnen, wenn man im Hinterkopf behält, dass es diese grosse Bandbreite gibt.
Dann kann man sich fragen welche Informationen man hat oder bräuchte um eine Einordnung vorzunehmen.
Danke für Ihren Beitrag. Ich stimme Ihnen voll und ganz zu. Für unseren Beitrag haben wir uns bewusst für diese Kategorie entschieden, weil wir uns bei dieser Debatte auf einer sehr hohen Abstraktionsebene befinden. Sobald es um sehr konkrete Fragestellungen geht, achten wir sehr bewusst darauf, dass wir wo möglich auf den Terminus «die Wissenschaft» verzichten und klarer differenzieren.
Mein Kommentar war ganz und garnicht als Kritik an Ihrem exzellenten Artikel gemeint. In dem Artikel geht es ja ganz bewusst um die Unterschiede zwischen den beiden Kulturen. Da macht es sicherlich Sinn die "Mittelwerte" der beiden Kulturen miteinander zu vergleichen.
Es ging mir einfach darum klar zu machen, dass es auch bei wissenschaftlichen Ideen, Daten und Praktizierenden sehr grosse "Qualitätsunterschiede" gibt und, dass es für die öffentliche Diskussion und die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft hilfreich wäre, wenn diese Qualitätsunterschiede deutlicher wahrgenommen würden.
Habe meinen obigen Kommentar nun angepasst um das deutlicher zu machen.
Ich bin jedesmal froh, wenn der Begriff 'Wissenschaft' ausgesprochen wird. Natürlich bin ich einverstanden, dass man differenzieren und genau hinschauen muss. Aber manchmal habe ich den Eindruck, in der Schweiz wird möglichst darauf verzichtet, das W-Wort vollständig auszusprechen. Und dann kommt eine Pandemie und man kommt nicht mehr drum herum.
Woher dieses tiefe Unbehagen? Die Begriffe ‘Kultur’ oder ‘Sport’ werden ja auch benutzt. Auch dort muss differenziert werden.
Für mich gehört zur Wissenschaft ein Set von Denkweisen, Praktiken, Ausbildungen, Institutionen, öffentlichen Orten usw., genauso wie in der Kultur oder im Sport, inklusive Qualitätsunterschiede. Vielleicht rührt das Unwohlsein gegenüber dem Begriff 'Wissenschaft' daher, dass die damit verbundenen Kulturtechniken in der schweizerischen Gesellschaft weniger geläufig sind, wertgeschätzt und gepflegt werden? In diesem Fall würde es mehr brauchen als bessere Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Politik oder bessere Wissenschaftskommunikation.
Sehr interessanter Artikel, danke dafür!
Ich bin selber Politikwissenschaftlerin, und frage mich seit längerem, ob die Politikwissenschaft nicht als Bindeglied zwischen Wissenschaft (im weitesten Sinne) und Politik fungieren könnte? Politikwissenschaftlerinnen, welche sich vornehmlich mit Entscheidungsprozessen von Politikern und Parteien befassen, und gleichzeitig den Wissenschaftsbetrieb verstehen, könnten wertvolle Beiträge zur gegenseitigen Verständigung leisten, so sie denn wollen.
Liebe Anthea,
Finde ich eine spannende Idee. Aber was auch interessant ist: Die PolSci haben m.E. oft dasselbe Problem wie die Naturwissenschaftler*innen. Gerade, wenn etwa um die Reform von Verwaltungen geht, die ganzen Föderalismus-Debatten etc... habe ich selten das Gefühl, dass politikwissenschaftliche Standpunkte einen besonderen Stellenwert haben. Oder geht dir das anders?
lieber Gruss, Elia
PS: Immer wieder schön, hier bekannte Gesichter anzutreffen!
Lieber Elia,
es geht mir gleich; und auch hier ist das Problem auf beiden Seiten zu verorten, meiner Ansicht nach. Mangelndes Interesse seitens der Politik (oder vielleicht werden Sozialwissenschaften schnell mal als soft abgetan?) und Zurückhaltung seitens der Wissenschaft, die Kenntnisse praktisch anzuwenden, zu wenig Zeit etc. Viele der Erkenntnisse/Empfehlungen aus dem Artikel kann man also auf Sozialwissenschaften eins zu eins auch anwenden.
PS: Es freut mich, dass du dich erinnerst :)
Kurz: Wissenschaftler*innen müssen sich auch als Citoyens sehen, die strategisch Wissenschaft betreiben. Und Politiker*innen als Aufgeklärte, die wissenschaftliche Strategien verfolgen. Diese Selbstbilder sollten tatsächlich eine Selbstverständlichkeit sein. Doch bedarf es offenbar der Vorbilder (und Anleitung), welche das Selbstideal realisierbar erscheinen lassen.
Dabei kommunizieren sie im Sinne der Habermas’schen Diskursethik, also im Austausch von Argumenten in einem möglichst macht- und ideologiefreien Diskurs, in dem entsprechend des «zwanglosen Zwangs des besseren Argumentes» entschieden wird. Oder – aufgrund der «ethischen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekte» – gerade in einem macht- und ideologiedurchsetzten Diskurs, in dem strategisch und rhetorisch nach der grössten Überzeugungskraft entschieden wird (Think Tanks?).
Vielen Dank, Elia Blülle und Marie-José Kolly, für diese hervorragende Trainingsanleitung! Dabei beleuchtet ihr die institutionelle Seite der zwei Funktionssysteme, Wissenschaft und Politik, und wie diese, nach der Differenzierung, stärker verkoppelt werden kann. Doch der Satz
Wenn Politiker entscheiden, orientieren sie sich an Ideologien und Strategien. Sie müssen Kompromisse eingehen, Wahlen und Mehrheiten gewinnen.
bleibt wahr und markiert den (bewussten) «blinden Fleck» in eurer Argumentation: «Die Mehrheit».
Die Umweltsoziologin Kari Marie Norgaard zeigt in «Living in Denial. Climate Change, Emotions, and Everyday Life» (2011) auf, weshalb Menschen selbst mit dem expliziten Wissen über den Klimawandel dieses Wissen nicht in Handeln zu übersetzen vermögen. Als Hauptgrund identifiziert sie die «sozial organisierte Verleugnung» (socially organized denial).
Informationen, Wissen und Bildung ist das Eine. Das Andere ist, dieses Wissen in der Politik, in der Ökonomie, in der Kultur, letztlich im Alltag mit der Gesellschaft und dem eigenen Leben zu verbinden. Etwas, was man vielleicht als «Weisheit» bezeichnen könnte. Unter anderem dadurch, dass das abstrakte Wissen in konkrete Imaginationen, emotional erreichbare Bilder übersetzt wird. Womit die Kunst, aber auch die Medien eine grosse Rolle spielen würden.
Wenn man die Pandemie als Training (im Ernstfall) für die nächste, noch grössere Katastrophe betrachtet, nämlich die Klimakrise, dann müssen wir subito an die Säcke, sonst siehts zappenduster aus. Und die Zombie-Apokalpyse kommt.
Winter Is Coming!
Danke dir für die wertschätzenden und guten Gedanken.
Die Hälfte der Lobbyisten in der Wandelhalle durch WissenschaftlerInnen ersetzen.
Besten Dank für diesen lehrreichen Artikel. Er hat mich sehr beschäftigt und ich brauchte den gestrigen Tag und noch die halbe Nacht dazu, etwas zu schreiben.
Es war in meinen Jugend- und Flegeljahren, als wir jeweils am Pfingstwochenende an einen See zum Zelten fuhren. Im Gasthof oberhalb des Zeltplatzes haben wir jeweils die Abende am Stammtisch verbracht und haben gejasst oder hitzige Debatten geführt. Und ich erinnere mich an einen Abend, welcher ich nicht vergessen werde.
Ein guter Freund, ein Künstler, leider verstorben, hatte die Idee, dass er in die schon heitere Runde die These in die Welt setzen wird, dass dies Welt eine Scheibe ist. Ziel war, die These bis zum bitteren Ende zu vertreten und nicht aufzugeben und vor allem "fundiert" und intelligent auf die Gegenargumente zu reagieren. Nun gut, dachte ich, das kann noch heiter werden, was es auch auch wurde und am Schluss fast in einer Schlägerei ausartete.
Mein guter Freund hat die These konsequent vertreten. Er hat Fragen mit Gegenfragen beantwortet und so einige Stammtischkollegen komplett ins Leere laufen lassen. Und dann passierte das, was mich immer wieder fasziniert: es wurde sehr schnell persönlich. Mein guter Freund wurde persönlich angezweifelt, psychisch krank wurde ihm unterstellt um nur etwas aufzugreifen. Der Abend hinterliess bis heute einen bitteren Nachgeschmack bis heute, wenn ich ihn an mir vorbeiziehen lasse.
Das Menschsein besteht nicht nur aus Politik und Wissenschaft. Wenn es mir besser damit geht, dann ist und bleibt die Erde eine Scheibe. Wenn meine Geranien auf dem Balkon jeden Sommer blühen, dann gibt es keine Klimaprobleme. Wenn ich keinen Virus habe, dann gibt es ihn nicht. Und wenn es Murmeltiermutanten im Bündnerland gibt, dann haben ausschliesslich die Bündner ein Problem. Zumal ich den Unterschied zwischen einem Biber und einem Murmeltier ohnehin nicht weiss.
Der Artikel gefällt mir und die Bemühungen, dass sich Wissenschaft und Politik anzunähern versuchen, kann nur begrüsst werden. Nur der Titel des Artikels läuft neben der Realität. Auf die nächste Krise müssen wir nicht warten, wir stecken mitten drin. Und diese wird uns noch weit mehr, härter und länger beschäftigen. Und eine Katastrophe ist sie seit Jahren, Politik und Wissenschaft hin oder her .....
Merci, Herr A., für's Teilen Ihrer Erinnerungen. Natürlich haben Sie recht: In der nächsten Krise, die gleichzeitig auch die vorangehende ist, stecken wir schon mittendrin. Mit dieser, den Murmeltieren und allen möglichen weiteren Notlagen im Hinterkopf haben wir recherchiert.
Super Artikel: Schildert das Problem aus verschiedenen Standpunkten und gibt schon eine Lösungsrichtung vor, fundiert und nuanciert durch mehrere Beispiele. Weit über die Grenzen von üblichen Journalismus hinaus! Viele Impulse, vielen Dank. Bemerkung: Der Stellenwert von Wissenschaft in der Schweiz allgemein ist im internationalen Vergleich nicht besonders hoch, meine ich, was zur Problematik beiträgt. Was macht Deutschland in Hinblick auf Politik und Wissenschaft? Oder Japan, Korea, Taiwan und China?
Danke Ihnen. Wie die Lage in den von Ihnen erwähnten asiatischen Ländern ist, kann ich nicht beurteilen. Da kenne ich mich zu wenig aus. Deutschland krankt an ähnlichen Problemen wie die Schweiz. Wobei ich fest davon überzeugt bin, dass der Diskurs sowie die Kooperation extrem davon profitiert, dass die Bundeskanzlerin eine Physikerin ist.
Gern möchte ich mich viral anstecken lassen vom Optimismus im Artikel und in den Kommentaren. Es gelingt mir nicht!
"Der Graben zwischen dem, was die Wissenschaft weiss, und dem, was die Politik daraus macht, klafft häufig auseinander" schreibt der Autor bzgl. der kleinen Covid-Epidemie. In drei Monaten stimmen Volk und Stände über die grosse Pandemie ab, dazu folgendes: Luftverschmutzung: 600'000 Kinder der Welt/Jahr; 7-8 Millionen vorzeitige und vermeidbare Tote weltweit/J; das sind ca. 150 Millionen Opfer seit Beginn des Jahrhunderts (Veterinäre und Biologen sollten hier die Tier- und Pflanzenopfer durch vom Menschen verschutzte Luft ergänzen).
Die meisten Wissenschafter samt "Medizin"befürworten zusammen dem BR und der Parlamentsmehrheit auch den Teil des CO2-Gesetzes, der inhaltlich qualitativ dem Markt über staatlich verteilte VERSCHMUTZUNGSZERTIFIKATE eine Aufgabe zur CO2-Verminderung überträgt. Jeder vernünftige Mensch muss sich demgegenüber fragen: wie verringert der internationale Markt mit Verschmutzungszertifikaten (legale DROITS DE POLLUER) die monströse Zahl von Homiziden durch Dreckluft? Schafft der Verschmutzungsmarkt das nicht, so haben all jene Kranken und die Angehörigen der Getöteten ein Anrecht auf Entschädigung und Wiedergutmachung, also gehört dans ins Gesetz.
"Le Monde" schrieb: "La pollution de l'air tue plus que la cigarette". Gehört zum Allgemeinwissen von 2021. Wie kann ein Land, im vollen Wissen darum, über eine Legalisierung eines Marktes mit staatlich verteilten Verschmutzungsrechten abstimmen, ohne kleinste Berücksichtigung der wissenschaftlich dokumentierten biologischen Folgen für Mensch, Tier und das Leben überhaupt? Regierung (samt Arzt Cassis), Parlament und Volk sind "von Blindheit geschlagen", wenn sie den Opfern der grössten heutigen Pandemie das Menschenrecht auf Leib und Leben verweigern. Man kann das Klima nicht mit Menschenopfern retten.
Was für ein aufatmen, diesen artikel zu lesen. Ich habe zwar vermutet das diesen kluft besteht, konnte es aber einfach nicht glauben. Es ist hoffnungsvoll zu lesen das hier vernetzende initiatieve aktiv sind. Vielen dank
Danke Ihnen für Ihre Gedanken!
Herzlichen Dank für diesen sehr informativen Beitrag. Gerne mehr solche Beiträge, die die Wichtigkeit von inter- und transdisziplinärem Austausch beleuchten. Anstelle des Weltklimarates (IPCC) hätte man auch den Weltbiodiversitätsrat (IPBES) erwähnen können. Es gibt neben der Klimakrise auch eine Biodiversitätskrise, über die viel zu selten berichtet wird und die noch längst nicht so breit im öffentlichen Bewusstsein angekommen ist wie der anthropogen verursachte Klimawandel. Vielleicht könnte die Republik auch ein Biodiversitätsdossier eröffnen wie es schon für den Klimawandel existiert? Einfach als Anreiz. Und aus Gründen der Transparenz sei an dieser Stelle noch erwähnt: Ich bin Mitarbeiterin des Forums Biodiversität Schweiz. Diesen Post verfasse ich aber als begeisterte Republik-Verlegerin und als interessierte Bürgerin. Aber als ehemalige Journalistin ist mir Transparenz ein grosses Anliegen. Mitunter auch ein Merkmal, welches die Republik auszeichnet!
Guten Tag Frau S. Das Thema steht bei mir ganz oben auf der Liste. Bald mehr dazu.
Freundlicher Gruss, E.B.
„In der Pandemie verfolgten Wissenschaftlerinnen und Politiker alle dasselbe Ziel: Menschenleben retten.„ Sind Sie sich da sicher? Bis heute habe ich noch nicht vom Bundesrat gehört, welches Ziel er verfolgt. Wenn es wirklich das Ziel „Menschenleben retten“ ist, sollten sehr viele Politiker zurück treten.
In dieser Pandemie hätten Entscheidungen vor allem schnell getroffen werden müssen. An der Wissenschaft scheiterte es nicht, die lieferte schnell! Ich sehe das Versagen viel mehr auf der politischen Seite. Wieso wurden wissenschaftliche Erkenntnisse nicht schnell genutzt? Vielleicht liegt es ein wenig an der Wissenschaftkommunikation, aber eben, die Wissenschaft forscht, 24 Stunden, 7 Tage die Woche, und liefert. Da bleibt vllt nicht immer viel Zeit für perfekte Kommunikation. Aber wieso sind die führenden politischen Entscheidungsträger nicht in der Lage, Wissenschaft zu verstehen? Wieso gibt es kein Vertrauen in die Arbeit der Wissenschaftler? Für mich ist es auch eine bildungspolitische Frage! Wieviele Akademiker bildet die Schweiz aus? Viel zu wenige!!! Die entsprechenden Positionen werden mit Ausländern mit akademischen Abschluss besetzt. Dadurch ist generell das Verständnis für Wissenschaft / wissenschaftliches Arbeiten nur sehr gering. Das Potential für mehr Schweizer Akademiker ist auch in der Schweiz vorhanden, es wird aber nicht genutzt.
Hallo Frau Z.,
Zum Ziel der verschiedenen Akteure verweise ich gerne auf diese Antwort meines Kollegen Elia Blülle.
Zu Ihren anderen Fragen: Ja, die (richtigen) Entscheidungen hätten vor allem schnell getroffen werden müssen. Und ich glaube, hierfür sind die Erkenntnisse, die wir bei unserer Recherche gewonnen haben, hilfreich:
Wissenschaftliche Erkenntnis fliesst vermutlich schneller in politische Entscheide,
wenn sie auf eine Frage antwortet, die sich die Entscheidungsträgerinnen stellen
wenn der Kommunikationskanal zwischen dem Wissenschaftler und der Entscheidungsträgerin etabliert ist (Vertrauen kann man schlecht einfordern, aber aufbauen kann man es)
wenn die Entscheidungsträgerin ein Verständnis dafür hat, wie Wissenschaftler denken, arbeiten, und kommunizieren – ja, wenn sie vielleicht selber Wissenschaftlerin ist oder war.
wenn der Wissenschaftler versteht, wie das politische System funktioniert und wie dort Entscheide fallen, und entsprechend kommunizieren kann.
Dass es für eine erfolgreiche Kommunikation zwischen zwei sehr unterschiedlichen Welten beiderseits Anstrengungen braucht, scheint uns offensichtlich.
Liebe Frau Kolly
Wenn ich Ihre Antworten lese, glaube ich, dass Sie davon ausgehen, dass Wissenschaft und Politik sehr weit auseinanderliegen und das im Politikbetrieb sehr viel Skepsis gegenüber dem Wissenschaftsbetrieb besteht. Das finde ich eben so erstaunlich!
Zu Ihren Aussagen:
„Wissenschaftliche Erkenntnis fliesst vermutlich schneller in politische Entscheide,
wenn sie auf eine Frage antwortet, die sich die Entscheidungsträgerinnen stellen“
Schafft es der Politikbetrieb nicht, sich die Antworten, die man braucht, zu holen, sich einen Überblick zu verschaffen, welche Antworten gibt es? Welche Antwort kommt von welchem Institut, welche Expertise hat welches Institut?
„ - wenn der Kommunikationskanal zwischen dem Wissenschaftler und der Entscheidungsträgerin etabliert ist (Vertrauen kann man schlecht einfordern, aber aufbauen kann man es)“
Wieso sollte man Wissenschaftlern nicht vertrauen? Kann man in einer Pandemie abwarten, bis sich Vertrauen über die Zeit aufbaut? Nein!! Man muss eben einen Überblick gewinnen, wessen Daten kann ich vertrauen? Der Wissenschaftler, der bisher zu HIV geforscht hat, hat eher weniger Erfahrung als der, der schon immer zu Coronaviren geforscht hat. Dem kann ich vertrauen, auch wenn ich ihn noch nicht lange kenne.
„ - wenn die Entscheidungsträgerin ein Verständnis dafür hat, wie Wissenschaftler denken, arbeiten, und kommunizieren – ja, wenn sie vielleicht selber Wissenschaftlerin ist oder war.“
Genau dieses Verständnis fehlt (ich sage es mal übertrieben) in der Schweiz!! Etwas, das man nicht versteht, dem misstraut man. Das Problem liegt nicht in der Arbeit der Wissenschaft, es liegt am mangelnden Verständnis des Politikbetriebs für diese Arbeit der Wissenschaft. Warum? Weil, mal ganz überspitzt formuliert, die obligatorische Schulbildung in CH gar nicht darauf abzielt, wissenschaftliches Arbeiten zu vermitteln oder die Schüler darauf vorbereitet, in die Spannende Wissenschaft einzusteigen. Man muss es ja nicht allen Teilen der Bevölkerung vermitteln.
Aber wenn DIE politischen Entscheidungsträger, auf die ich mich, als Bürgerin, verlassen muss, kein Verständnis haben und sich stattdessen orientierungslos durch die Zeit hangeln, ist das katastrophal.
Wenn ich Herzprobleme habe, vertraue ich dem Arzt, der sich mit Herzproblemen auskennt, oder ich informiere mich und suche mir einen anderen Experten, dessen Erfahrungen ich dann vertrauen muss. Lange abwarten, bis ich mal Vertrauen zu dem Arzt habe, wäre in der Situation evtl. tödlich.
Wieso sollte das Verhältnis Politik (Patient) - Wissenschaft (Arzt) ein anderes sein?
Wieso muss sich Vertrauen zur Wissenschaft erst aufbauen?
„ - wenn der Wissenschaftler versteht, wie das politische System funktioniert und wie dort Entscheide fallen, und entsprechend kommunizieren kann.“
Ja, dann könnten Wissenschaftler besser unterstützen. Hier ist ein wenig Bringschuld auf Seiten der Wissenschaft. Die Pandemie hat sicher sehr viele Menschen „politisiert“ (oder leider auch das Gegenteil).
Ich hoffe, ich konnte meinen Punkt rüberbringen.
Mich überraschte einfach, wie wenig Verständnis gegenüber Wissenschaft generell in CH herrscht (wir sind übrigens eine „klassische deutsche Akademikerfamilie“ und sehen Wissenschaft absolut als Bereicherung des Lebens).
Interessantes Thema! Allerdings hätten mich jetzt statt all der Details zur Murmeltier-Horrorstory eher interessiert, was diese neuen Verständigungs-Initiativen und Plattformen denn nun Konkretes unternehmen, damit die Wissenschaftlerinnen von der Politik besser gehört werden. Wie gehen sie damit um, dass Politikerinnen bei ihren Wähler*innen und bei der Wirtschaft mit Haltungen punkten können, die schwer mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zusammen gehen? Reicht es wirklich, wenn sich alle etwas Mühe geben, einander besser zuzuhören? Und was unterscheidet jetzt diese neuen Initiativen von dem, was schon lange versucht wird? Der Schweizerische Natinalfonds hat mit den NFP schon lange eine Förderschiene, die auch solche Ziele verfolgt: http://www.snf.ch/de/fokusForschung…fault.aspx Was ist mit diesen Erfahrungen? Hat das zu schlecht funktioniert? Das Beispiel Klimaforschung wäre da sehr spannend! Vielleicht eine Idee für einen Folgeartikel?
Hallo Frau W.,
Wir fanden das Zombie-Apokalypse-Szenario anschaulich, aber nehmen sehr gern zur Kenntnis, dass Ihnen andere Schwerpunkte besser gefallen hätten. Wenn Sie sich über die Initiativen, die wir vorstellen, näher informieren möchten, kommen sie hier zu CH++ und hier zum Franxini-Projekt von Reatch.
Merci für Ihren Input zur Klimaforschung – wir werden daran herumdenken.
Danke für die Rückmeldung! Hier noch der Link zu ProClim. Das ist ein Forschungsverbund, der in dieser Hinsicht seit 30 Jahren in Sachen Klimaforschung aktiv ist: http://4dweb.proclim.ch/4dcgi/procl…index.html
Wo finde ich heraus, welche 78 NationalrätInnen dem "Maulkorb" zustimmten? Oder besser gefragt, wie lautet die genaue Bezeichnung dieses Geschäfts?
Ich muss daraus nötigenfalls Konsequenzen ziehen bei den nächsten Wahlen. Danke für einenhilfreichen Tipp.
Das finden sie sicher unter parlament.ch
Es kommt eine Pandemie, und dann klappt die Zusammenarbeit zwischen Politik und Wissenschaft nicht. Wen wundert es? Die Wissenschaft hat in der Schweiz einen tiefen Stellenwert, trotz erfolgreicher Hochschulen. Seit der Gründung im 19. Jh. sieht sich das Land eher als Handwerker- und Bäuerinnengesellschaft, die Akademie hat die Rolle der verpönten Elite. Dies widerspiegelt sich nicht nur im Parlament. Die Kluft zwischen Gesellschaft und Wissenschaft zeigt sich beispielsweise darin, wie die Medien und die Bildung mit der Wissenschaft umgehen.
Medien
Im Gegensatz zu ‘Wirtschaft’, ‘Kultur’ oder ‘Sport’ führte vor der Pandemie kaum mehr eine Zeitung die Rubrik ‘Wissenschaft’ (bitte korrigiert mich). Forschung wird allenfalls unter ‘Wissen’ abgehandelt - eine verkürzte Sicht auf einen gesellschaftlichen Bereich, der eine umfassende Kultur von Praktiken beinhaltet, genauso wie der Sport oder die Kultur.
Wissenschaftsjournalistinnen sind selten. Solche, die unabhängig, kompetent und kritisch über ein wissenschaftliches Thema berichten können, sind die Nadel im Heuhaufen. Inzwischen gibt es immerhin Ausbildungsmöglichkeiten als Wissenschaftsjournalistin. Aber Stellen mit den notwendigen Ressourcen?
Bildung
In der Schule finden die naturwissenschaftlichen Fächer unter dem Sammelbegriff ‘Natur, Mensch, Gesellschaft’ statt. Kinder in der Primarschule sind sich oft nicht bewusst, dass sie Naturwissenschaften lernen. Ihre Vorstellung von Wissenschaft ist sehr vage (diejenige ihrer Lehrer*innen manchmal auch, denn sie müssen in der Schweiz alle Fächer unterrichten). Erst in der Sekundarschule werden unter ‘Natur, Mensch, Gesellschaft’ auch Physik, Chemie und Biologie erwähnt. Es scheint mir, als ob man nichts mit dem Begriff ‘Wissenschaft’ zu tun haben wolle.
In der ausserschulischen Bildung sieht es nicht viel besser aus. Es gibt die MINT-Förderung (MINT = Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). In der Schweiz ist diese v.a. eine interessengebundene Initiative der Wirtschaft, um den Mangel an technisch gut ausgebildetem Personal zu beheben.
Immerhin fördert der Schweizerische Nationalfond eine etwas breitere Form von Wissenschaftskommunikation, bei der Forschende mit der Öffentlichkeit in Kontakt treten. Das ist gut, aber irgendwie immer von oben nach unten. Und es reicht nicht.
Es sollte möglich sein, sich ausserhalb von Schule oder Studium mit einem wissenschaftlichen Thema auseinanderzusetzen wie mit Musik oder Sport, vom unverbindlichen Hobby bis fast zur Professionalität. Dazu gehört eine umfassende Infrastruktur an Institutionen, kulturellen Praktiken und Fördermöglichkeiten, wie bei der Musik oder beim Sport. Einige Elemente sind vorhanden, aber oft isoliert und als lernökologisches System nicht tragfähig.
Im Gegensatz zum angelsächsischen Raum ist die Wissenschaftskommunikation als Studien- und Forschungsfeld in der Schweiz kein Thema. Entsprechende Forschungsprojekte können nirgendwo beantragt werden (bitte korrigiert mich).
Die wissenschaftliche Bildung für alle, nicht nur die ‘nächste Generation von Wissenschaftlerinnen und Technologen’, wird in der Schweiz vernachlässigt. Sie ist notwendig für informierte demokratische Entscheidungsfindungen, sowohl in der Öffentlichkeit als auch im Parlament.
Dass Wissenschaftler*innen je nach System zu Berufs- oder Miliz-Politiker*innen werden, ist eine Möglichkeit. Die andere ist, dass alle Bürger*innen, die notabene u. U. zu Politiker*innen werden, via Bildung und Übung ein wissenschaftliches Mindset kultivieren.
Denn dass eine Person zugleich Wissenschaftler*in & Politiker*in sein kann, ist nur unter besonderen Umständen möglich. Schon nur aus zeit-ökonomischen Gründen. Ist doch wissenschaftliche Forschung zumeist ein full time job, wo man sich die Sporen im internationalen Gebiet unter zum Teil prekären Bedingungen hart verdienen muss.
Hinzu kommt das grundlegendere, systemische Problem. Geht es in der Wissenschaft um Differenzierung und Komplexitätssteigerung, so in der Politik um Simplifizierung und Komplexitätsreduktion (Ja/Nein, Handeln/Nicht-Handeln). In systemtheoretischer Sicht geht es jeweils um völlig differente Funktionen, Codes, Medien und Programme:
Funktionssystem; Codierungsform; Medium; Programm; Funktion
Politik; Unter-/Überlegen; Macht; Ideologie; Kontrolle
Wissenschaft; Un-/Wahr; Wahrheit; Theorie; Beobachtung
Dies erzeugt geradezu automatisch Konflikte und Dilemmata. Man kann sich beispielsweise fragen:
Wie treu kann sich ein*e Wissenschaftler*in in der Politik sein, wo es um Ideologie (Interessen) und Macht geht?
Wie erfolgreich kann ein*e Politiker*in sein, wenn diese*r, wie in der Wissenschaft, stets die Wahrheit spricht?
Danke für diese sehr gute Übersicht. Es hapert immer an den Schnittstellen. Je mehr Schnittstellen, desto mehr Probleme in der Kommunikation. Je enger die Spezialisierung,
desto mehr Schnittstellen sind notwendig. Wenn ein Wissenschaftler alles über nichts oder über nur sehr wenig weiss, dann ist er einperfekter Fachidiot, der nicht mehr kommunizieren kann. Deshalb ist eine möglichst breite Bildung für jeden ernst zu nehmenden Wissenschaftler ein Muss. Und ich meine Bildung nicht nur Ausbildung.
Auf der anderen Seite stehen die Rezept-Befolger. Diese möchten für die Probleme in allen Lebenslagen funktionierende Rezepte. Das ist es, was sie von der Wissenschaft erwarten: Rezepte. Aber nur für bestimmbare Fragen kann die Wissenschaft genaue Rezepte liefern. Die meisten Fragen, mit denen sich die Wissenschaften heute befassen, sind jedoch prinzipiell nicht bestimmbar. Die Empirik liefert immer nur niedrig-dimensionale Projektionen der Realität und aus diesen Projektionen versuchen die Wissenschaftler die Realität mit Modellen zu rekonstruieren. Daraus abgeleitete Rezepte können daher immer nur in Teilbereichen funktionieren.
Rezepte vereinfachen das Leben, aber sie machen denkfaul. Das heisst: Für eine bessere
Kommunikation zwischen Wissenschaft und z.B. der Politik sollte unser Bildungssystem zumindest teilweise denkende Wesen und weniger manipulierbare Rezeptbefolger hervorbringen.
Ich verstehe nicht genau, was Sie meinen. Aber ich hatte in den vergangenen Jahren sehr viel mit unterschiedlichen Wissenschaftler*innen aus unterschiedlichen Disziplinen zu tun. Denkfaulheit war bei allen das letzte Attribut, mit dem ich sie beschreiben würde.
Die Denkfaulheit habe ich auf die grosse Masse der Rezeptbefolger in allen Lebensbereichen bezogen, nicht auf die Wissenschaftler die u.a. auch ev. Rezepte generieren. Ich habe 40 Jahre Forschungserfahrung als Physiker und mehreren Jahrgängen von Ingenieurstudenten versucht als Dozent ein Verständnis für physikalische Vorgänge zu vermitteln. Die meisten Studenten wollten aber nicht die Physik verstehen, sondern sie wollten nur Rezepte für Problemlösungen lernen.
Auch eine toll gestaltete Illustration zum Gedankenaustausch!
Witziges Detail: Beide Parteien scheinen einen Vogel zu haben :)
Dass Naturwissenschaftlerinnen und Politiker grosse Mühe haben, sich gegenseitig zu verstehen, ist eine alte Geschichte. Sie hat, nach meiner Erfahrung in beiden Sparten, mit den unterschiedlichen Denkweisen zu tun, die sich Naturwissenschaftlerinnen einerseits und Geisteswissenschaftler andererseits während ihren Ausbildungen aneignen. Naturwissenschaftlerinnen denken und forschen auf der Basis von messbaren, reproduzierbaren Fakten während in den Geisteswissenschaften – und dazu gehört auch die in der Politik sehr gut vertretene Jurisprudenz – Weltanschauungen, Interpretationen sowie geschichtliche und persönliche Erfahrungen eine grosse Rolle spielen. C.P. Snow glaubte noch in den 1950-er Jahren, dass sich diese beiden Wissenschafts-Richtungen nie würden verstehen können. Ich bin da etwas optimistischer. Aber es braucht guten Willen von beiden Seiten und eine vertiefte Kenntnis der Problematik damit die beiden Seiten einen konstruktiven Dialog führen können. Maulkörbe sind dabei wenig hilfreich.
Liebe Frau Mörikofer, was Sie sagen könnte der Grund sein, wieso das Epidemiegesetz, dem wir 2013 unglücklicherweise zugestimmt haben, von den Regierenden so unterschiedlich gelesen wird. Es steht zwar drin, dass Massnahmen verhältnismässig sein müssen, was ein Naturwissenschaftler sofort mit einem Messprogramm überprüfen würde. Massnahmen wären also nur zulässig, wenn deren Wirksamkeit gemessen würde.
Dagegen orientierten sich die Regierenden eher an den geschichtlichen Erfahrungen des Mittelalters mit Pandemien, und am Glauben. So verstehe ich besser, wieso diese glauben, mit Massnahmen gegen Menschen, Kultur und Wirtschaft eine Pandemie eindämmen zu können, und mit Massnahmen gegen das Virus (Testen, Impfen, Verfolgen, Analysieren, etc. ) zögern.
Lieber Herr F., sie haben wahrscheinlich recht, dass die beschriebene geisteswissenschaftliche Denkweise die Entscheidungen des Bundesrates beeinflusst hat. Ich habe mich auch immer gewundert, warum z.B. nicht intensiver versucht wurde, die Übertragungsorte zu identifizieren. Das hätte als Grundlage für die Entscheidfindung helfen können. Man muss fairerweise aber berücksichtigen, dass auch nicht beeinflussbare Faktoren die Entscheide des Bundesrates mitbestimmt haben. So z.B. die Tatsache, dass die Grenzen nicht völlig geschlossen werden konnten, weil sonst das Gesundheitswesen aus Mangel an Personal (Grenzgängerinnen) mindestens in den Grenzregionen zusammengebrochen wäre. Wichtig ist jetzt, dass wir aus den gemachten Erfahrungen lernen und es beim nächsten Mal besser machen, so wie verschiedene asiatische Staaten, die aus der Sars-Epidemie gelernt haben und heute besser dastehen als wir.
Es mag einen wissenschaftlichen Konsens geben, dass zur Einhaltung der Klimaziele alle Autos mit Verbrennungsmotor ab Morgen nicht mehr fahren dürfen. Fände ich gut und nötig, aber es wird aber auch einen wissenschaftlicher Konsens geben, dass sich das Klima erwärmen wird, auch wenn alle Schweizer Autos stillstehen. Wissenschafter ziehen gerne Systemgrenzen, und konkludieren, dass weitere Forschung nötig ist. Ich habe Verständnis, dass Politiker nicht exklusiv auf den Experten zum Thema X hören, sondern vernetzt denken müssen.
Um die zwei Sphären etwas anzunähern, sollte sich der Politikbetrieb vom Ja/Nein verabschieden und mit Problemlösungszyklen arbeiten. In einem ersten Schritt muss ein gemeinsames Situations-/Problem-Verständnis erarbeitet werden, um in einem zweiten Schritt verschiedene Lösungen zu abzuwägen. Heute sagt Partei Y Nein zur Lösung Z, weil sie ein ganz anderes Situationsverstänis hat. Wissenschaftliche Grundlagen sind für die Diskussion eines gemeinsamen Situationsverständnises hilfreich. Heute wird zur Profilierung schnell eine Lösung A propagiert, die keine Mehrheit findet, und wir sind zurück im Status-Quo, dessen Sub-Optimalität allen bewusst ist. Wie viel konstruktiver wäre es, wenn jede Partei eine Lösung zum diskutierten Problem vorschlägt, und dann zwischen Lösung A, B und C entschieden wird?
Letztlich priorisieren und bewirtschaften die Parteien ganz verschiedene Probleme. Auch wenn ich mich mit den Zielsetzungen einer Ökodiktatur identifizieren könnte, sehe ich Argumente für das mühsehlige Abstimmen mit dem Volk :-) Mögen nicht nur die Politiker sondern auch "das Volk" die Wissenschaft zur Kenntnis nehmen. Bezüglich Klimakrise leistet die Republik ja gute Aufklärungsarbeit, aber "andere Volkssegmente" konsumieren andere Medien... also sprechen wir über die "Qualität der Medien", wo Wissenschaft oft weniger Beachtung findet als populäre Meinungsfreiheit. (Und wo für Aufmerksamkeit eigennützig Geld fliesst.)
Vielleicht würde die Wissenschaft breiter Gehör finden, wenn sie nicht in tausend Spezialgebiete zerstückelt würde, sondern (tendenziell, wieder etwas mehr) Universal-Gelehrte interdisziplinäre Zusammenhänge vermitteln könnten. Insbesondere in den teils politisch hoch gewichteten, teils diskreditierten Wirtschaftswissenschaften gibt es kaum ein Gesamtverständnis, sondern Professoren für Geldpolitik, für nachhaltige Entwicklung, für Medien- und Sport-Ökonomie, die man kaum auf einen gemeinsamen Nenner bringt. So mögen sich bis auf weiteres Politiker der Aufgabe annehmen, interdisziplinäre Zusammenhänge zu erklären und abzuwägen.
Ja, das Interdisziplinäre sehe ich auch als sehr wichtiges Thema.
Das fällt mir zum Beispiel auf, wenn Wirtschaftsverantwortliche von Arbeitsplätzen und Pensionsaltererhöhung reden und Umweltverantwortliche von gemässigterem und nachhaltigerem Konsum, manchmal sogar verbunden mit einer Erwerbsarbeitszeitreduktion. Also genau konträre Schlussfolgerungen.
Bisher hat auch noch niemand ausgerechnet, wieviel eigentlich ein Arbeitsplatz an CO2 einsparen würde, wenn er abgeschafft werden könnte. Solche Fragen getraut man sich erst gar nicht zu stellen, da man unbequeme Ergebnisse erwartet. Wahrscheinlich auch, weil diese Frage definitiv nur interdisziplinär zu beantworten ist.
Noch besser wäre ein Lösung D, welche zwar A, B und C nicht vollständig erfüllt, aber keine von denen vollständig ausschliesst. Ein solcher Konsens soll allerdings nicht verwechselt werden mit dem kleinste gemeinsame Nenner oder gar einem fauler Kompromiss.
Womöglich unterschätze ich die Funktionsweise vom Polit-Betrieb. Im Parlament, im Verwaltungsapparat und in Kommissionen werden durchaus verschiedene Lösungen diskutiert, und Lösung D kommt dann letztlich zur Abstimmung. Und wird dann möglicherweise abgelehnt, das ist das Blöde. Vielleicht würden die Stimmbürger der Lösung D mehr Verständnis entgegen bringen, wenn kommissions-internes Abwägen gegen Lösung A,B,C stärker gehört würde als partei-ideologische Argumente.
Es ist mir auch bewusst, dass sich bei (zu) vielen Lösungsvarianten nicht "die (wissenschaftlich?) Beste" durchsetzen wird. Entscheidend ist primär das Paktieren für eine Mehrheit; wenn die CVP mit SP und Grünen eine gemeinsame Lösung erarbeitet, wird diese einer FDP/glp Lösung überlegen sein, "unabhängig vom Inhalt".
Wenn es vorab ein gemeinsames Systemverständnis gäbe, sollten gewissermassen alle Lösungen zweckmässig sein. Daran scheitert es - denn das System Staat/Politik wird bereits sehr unterschiedlich verstanden. Ist es wirkungsvoll, etwas zu verbieten, zu besteuern, oder kompliziert zu reglementieren? CO2-Grenzwerte für die Neuwagenflotte ist ein Beispiel, wo sich eine Mehrheit für Letzteres entschied, obwohl anderes weit zielführender und einfacher wäre.
Vielleicht könnte man das nach dem Prinzip des systemischen Konsensierens machen? Da habe ich neulich mal von gehört und fand’s ganz interessant. Eine einfache Form davon ist die Terminfindung mit Doodle. Es geht darum, die Lösung mit dem geringsten Widerstand zu finden. Damit, wie sich das auf politische Entscheidungen übertragen lässt, habe ich mich aber noch nicht beschäftigt.
Vorab: Mitreißender Artikel. Und die Murmeltier-Zombies: beängstigend. Sind das noch die langsamen oder schon die schnellen Zombies?
Was mich erstaunt, ist das Urvertrauen im Artikel und in den Kommentaren in die Wissenschaft und die Wissenschaftler. Ich guck nur von draußen drauf, aber "die Experten sind sich einig, dass" gilt wohl meist nur für sehr begrenzte Forschungsgegenstände, und manchmal nicht mal dafür.
Die Unis werden immer abhängiger von Drittmitteln, die aus der Kooperation mit "der Wirtschaft" stammen, also von Unternehmen mit eigenen Interessen kommen. Dafür gibt es natürlich Verhaltenskodizes, aber kaum tatsächliche Transparenz. Das allgemeine Problem wird dann konkret, wenn es um Studien geht. Am Beispiel: Von 18 Studien zu zuckerhaltigen Energy Drinks stuften 11 das Gesöff als Risiko für Gewichtszunahme ein. Von den 7 Studien, die keinen Zusammenhang entdecken konnten (oder wollten), waren 5 von der Lebensmittelindustrie kofinanziert.
Und oft geht es ja nicht nur um einen Wissenschaftszweig. Corona: Epidemiologen/Virologen, Soziologen, Psychiater, Volkswirtschaftler, ... Apropos: Die Prognosen der Wirtschaftsweisen liegen so oft daneben, dass sie eher Wirtschaftswaisen genannt werden sollten.
Letztlich kann jeder Wissenschaftszeig nur Handlungsempfehlungen für seine (sehr eingeschränkte und sich je nach Forschungsstand ändernde) Sicht der Dinge geben. Falls er sich überhaupt darauf einigen kann: Masken nein / vielleicht manchmal Alltagsmasken/ fast immer, und bitte FFP2. Geben Wissenschaftsgesellschaften übergreifende Erklärungen ab, sind sie so generalistisch-appellativ, dass die Politik damit kaum etwas anfangen kann.
Ein möglicher Mittler zwischen Politik, Wissenschaft und Allgemeinheit wären Medien. Aber welches Medium hätte dafür heute noch die nötige Bandbreite und Reputation?
Die Schweizer Politiklandschaft kenne ich übrigens nur als Leser der Republik. Was ich dabei gelernt habe: Die SVP scheint besonders starke Beißreflexe auszulösen.
Es sind die schnellsten Zombies – vor allem, wenn sie angeschossen werden!
Zur Wissenschaft, der Objektivität und Abhängigkeiten: Selbstverständlich sind auch Wissenschaftlerinnen Menschen mit Erfahrungen und Haltungen und keine objektiven Superroboter. Jedoch gehen sie nach bestimmten Methoden vor und sie verwenden statistische Mittel, um ihre Hypothesen zu prüfen. Ihnen ist in der Regel bewusst, dass bei der Suche nach der Wahrheit eine These immer wieder überprüft – oder zu falsifizieren versucht – werden muss. Interessenskonflikte müssen sie offenlegen. Die meisten Forschenden werden nicht von Drittmitteln aus «der Wirtschaft» finanziert, sondern aus Steuergeldern.
Und: Es gibt so etwas wie einen wissenschaftlichen Konsens, das sollten wir nicht zerreden.
Ein äusserst wichtiger Beitrag, vielen Dank! Dass sich Wissenschaft und Politik annähern und das fehlende gegenseitige Vertrauen aufbauen, ist äusserst notwendig.
Die Analyse, man müsse Missverständnisse zwischen Wissenschaft und Politik verhindern, greift aber zu kurz. Handelt es sich wirklich lediglich um Missverstehen und fehlendes Vertrauen, oder handeln gewisse Politiker wider besseren Wissens und priorisieren ihre eigenen Interessen anstatt jene der Allgemeinheit? Dank den ausgeprägten korporatistischen Zügen in unserem System, profitieren einige wenige Grossunternehmen und Interessenvertreter seit vielen Jahrzehnten von einem privilegierten Zugang zu den politischen Entscheidungsprozessen. Resultat: allerhöchstens mittelfristige Lösungen für einige Wenige anstatt langfristige Lösungen für die gesamte Gesellschaft und Wirtschaft. So ist es nicht verwunderlich, dass diese privilegierten Player abwehrend reagieren, wenn innerhalb einer Krise neue Vetokräfte hinzukommen und deren privilegierten Lage gefährden.
Die Coronapandemie und wie mit ihr umgegangen wird bringt zu Tage, dass unsere Parlamente generell an der Wirklichkeit vorbei politisieren. Die Aussage, Wissenschaft und Politik müssten sich annähern, damit wir für die nächste Krise besser gewappnet seien, ist irreführend. Wir müssen generell etwas ändern. Die Wissenschaft muss IMMER und bei ALLEN Entscheidungsprozessen angehört und mitberücksichtigt werden. Sie muss in den Vernehmlassungsverfahren gleich behandelt werden wie die Interessenverbände. Sie muss bei allen Fragestellungen als Vetospieler auftreten können, damit wir unsere Ressourcen nicht unnötig verschwenden und damit ALLE von den politischen Entscheidungen profitieren können und nicht lediglich einige Wenige.
Danke für Ihren Input. Wenn ich Sie richtig verstehen, schlagen Sie einen sehr technokratischen Ansatz vor, den ich als Diskussionsgrundlage spannend finde, aber demokratiepolitisch bedenklich. Die Wissenschaft als Vetospieler? Wie stellen Sie sich das genau vor?
Ist es technokratisch, ebenfalls die Wissenschaft institutionell in die Entscheidungsprozesse einzubinden, so wie dies für Grossunternehmen und Interessenverbänden seit Jahrzehnten schon getan wird? Wir investieren jährlich Milliarden in die Wissenschaft, nutzen deren Resultate aber nur, wenn wir gerade Lust darauf haben, oder wenn wir uns in einer prekären Krise befinden (und dann auch noch in ungenügendem Masse). Die Wissenschaft als zusätzlichen Vetospieler würde lediglich dazu beitragen, das zuungunsten der Allgemeinheit bestehende Ungleichgewicht etwas auszugleichen. Ideologie, Ethik und Werte hätten in den politischen Debatten immer noch eine wichtige Rolle. Es geht überhaupt nicht um die Installation einer Technokratie, sondern lediglich um eine kleine aber wichtige Anpassung des politischen Entscheidungsprozesses. Damit verhindert wird, dass man zu oft an der Wirklichkeit vorbeipolitisiert. Denn was die Wissenschaft macht, ist im Grunde nichts anderes, als die Wirklichkeit so gut es geht abzubilden.
Wissenschaft kann auch (und nicht nur ihre Infragestellung) Ideologie sein. Ihre Rolle wird nicht nur von einigen Politikern , sondern auch vermehrt von anderen Gruppen in Frage gestellt. Die Gründe dazu liegen tiefer und lassen sich nicht so leicht mit gegenseitigem besseren Zuhören oder mit Einsatz von Kommunikationsberatern beheben. Dazu einige Stichworte: Kreationismus, Fortschrittsglaube, Expertentum, gesellschaftlicher Konsenz und Demokratieverständnis.
Ich wäre der Republik dankbar, wenn sie in einem zusätzlichen Artikel das Thema vertieft behandeln würde.
Danke für diesen artikel! Es zeigt leider die engstinigkeit und die wirtschaftsgläubigkeit der politiker. Lieber banken und grossunternehmern folge leisten als innehalten, der wissenschaft zuhören und dann entscheiden. Oder mal nach norden schauen, detuschland hat als kanzlerin eine physikerin, sie versteht wie die wissenschaft läuft und kann darauf entscheidungen bauen auch wenn daduch nicht allen gerecht wird.
Sfünfi und s
weggli gibts nicht gleichzeitig genauso wie eine geschützte und gesunde bvölkerung und gewinnmaximierung.... wann geht das endlich in die köpfe?
Auch in diesem Kommentar werden "die Politiker" alle in den selben Topf geschmissen. Sind die Grünen beispielsweise "wirtschaftsgläubig"? Folgt die SP blind Banken und Grossunternehmen? Mannomann!
Danke für den interessanten Artikel. Ich finde er verwechselt ein bisschen "die Wissenschaft" und die Stimmen von WissenschaftlerInnen. Ich empfehle wärmstens die Aula-Sendung vom SWR am letzten Sonntag:
https://www.swr.de/swr2/wissen/wie-…7-100.html (auch als schriftlichen Download).
Der Germanist Jürgen Wertheimer an der Universität Tübingen beschreibt die Faktoren, welche die Aussagen von WissenschaftlerInnen beeinflussen, wie Macht, Politik und ökonomischen Interessen, mit Beispielen von der Atombombenforschung bis zur Corona-Pandemie.
Herr K. Ich habe Ihren Beitrag verborgen. Die von Ihnen geposteten und unkommentierten Links haben nichts mit dem Thema zu tun, das wir hier behandeln und uns ist es wichtig, dass immer erklärt wird, worum es sich bei externen Links handelt. Siehe Etikette. Ich bitte um Verständnis.
Danke für den Input. Das von Ihnen angesprochenen Thema öffnet eine ganz andere Tür. Auch spannend, aber nicht im Fokus unseres Beitrages. Vielleicht bald ein anderes Mal.
Gewählte Wissenschafter/Experten mutieren leider sehr oft zu Lobbyisten oder sogar zu Unternehmern, was sich in der dann verfolgten Politik spiegelt. Abhilfe schafft auch hier nur absolute Transparenz.
Hallo Herr H.,
Denken Sie denn hier an bestimmte Beispiele? So viele gewählte Wissenschaftler hat(te) ja die Schweiz gar nicht zu bieten...
Und: Ja zur Transparenz!
"Je besser informiert die Politik in Notfällen Entscheidungen trifft, desto besser sind sie."
So ein Quatsch. Wir wissen seit mindestens 50 Jahren, in welche Katastrophen wir uns durch unsere Plünderungsökonomie manövrieren. Wir wissen alles. Was wir tun, was wir damit bewirken, was wir tun müssen (und können!), um die laufenden ökologischen, ökonomischen und sozialen Katastrophen/Kollapse wenigstens noch einzudämmen. Und wir tun nichts.
„Und sie sägten an den Ästen, auf denen sie saßen und schrien sich ihre Erfahrungen zu, wie man besser sägen könne. Und fuhren mit Krachen in die Tiefe. Und die ihnen zusahen beim Sägen schüttelten die Köpfe und sägten kräftig weiter.“
―Bertolt Brecht
Homo sapiens, vernunftbegabter Mensch. Wirklich?
So gut, dass Hitler die Invasion in Norwegen erwartet hätte, waren die Täuschungsmanöver der Alliierten dann wohl doch nicht. Wenn man den Geschichtsbüchern glauben darf, wurde von den Nazis die Landung am pas-de-calais erwartet.
Danke. Sie haben natürlich recht. Es wäre präziser gewesen, Pas-de-Calais auch noch zu erwähnen. Hitler ging – soweit ich informiert bin – davon aus, dass eine erste Attacke von Schottland aus auf Norwegen und ein zweiter Angriff auf Pas-de-Calais erfolgen würde.
Tut mir leid, die Analyse hat Schwächen. Genauer: Sie verwischt und verwedelt. "Die Politik", "Politikerinnen" - was sind das für Kategorien? Wollte "die Politik" die Wissenschaft zensieren? Wollten generell "Politikerinnen" die Wissenschaft aus dem Bundeshaus verbannen. Solche Aussagen sind nicht nur falsch, sondern tendenziell gefährlich. "Politikerinnen" sind kein amorpher und unkontrollierbarer Haufen. Und "die Politik" ist kein undefiniertes und nebulöses Wesen. Politik ergibt sich als Vektor in unterschiedliche Richtung wirkender politischer Kräfte bzw. PolitikerInnen. Und wir wissen, welche PolitikerInnen bzw. Parteien welche Positionen eingenommen haben. Wer dies ausblendet und durchaus sehr unterschiedlichen Positionen zu einem Brei einkocht, tut der Demokratie keinen Gefallen. In der NZZ würde ein solcher Artikel nicht auffallen. Hier brennt er in den Augen.
Danke für Ihre Kritik, Herr Fankhauser. Selbstverständlich könnte man das noch ausdifferenzieren. Meine Co-Autorin und ich haben diese Diskussion auch geführt – und uns dagegen entschieden. Nun: In einer Konsensdemokratie entscheiden die Politiker*innen, sowohl in der Exekutive, wie auch in der Legislative immer als Gesamtgremium. So funktioniert unser System, das hat nicht mit Brei zu tun. Deshalb sagen wir ja: Der Bundesrat hat entschlossen... oder die Kommission hat dies und jenes verabschiedet.
Ausserdem beziehen wir uns im Artikel sehr stark auf die Prozesse. Also die Frage: Wie finden wissenschaftliche Erkenntnisse überhaupt zu den Politiker*innen? Was sie dann daraus machen, ist eine ganz andere Frage, die wir in unserem Artikel gar nicht behandeln.
Danke für Ihre Antwort, Herr Blülle. Bezüglich der Konsensdemokratie vertreten Sie hier eine Ansicht, welche die Unschärfen im Artikel nachvollziehbar macht. Ich gehe mit Ihnen einig, dass der Bundesrat (Exekutive) stark durch die Prinzipien Konkordanz und Konsens geprägt wird. Dass hingegen National- und Ständerat (Legislative) "immer als Gesamtgremium" entscheiden würden, ist mir neu. Es trifft zu, dass unsere Parlamente wegen der weit gehenden Volksrechte etwas stärker zu konsensualen Entscheiden tendieren als anderswo. Grundsätzlich entscheidet jedoch die Mehrheit - und keineswegs "das Gesamtgremium".
Ich finde, dass wissenschaftliche Erkenntnisse praktisch gar nicht zu den PolitikerInnen finden, bzw. nur selektiv ausgewählte, und oft so kompliziert sind, dass sie von Laien kaum einzuordnen sind.
Ich bringe als aktuelles Beispiel ein 14-Millionen Hochwasserschutzprojekt meiner Gemeinde, über welches seit 6 Jahren beraten wurde, im Parlament mit 34 zu 0 bewilligt wurde, und nun auch vom Stimmvolk zu 75%. Dabei gibt es keine Evidenz, dass es wirklich nötig ist, die wissenschaftlichen Studien dazu können nur sehr ungefähre Wahrscheinlichkeiten benennen, welche Hochwasserschäden z.B. innerhalb 100 Jahren dadurch vermieden werden könnten. Und: die Verwaltungen sind Auftraggeber der Studien und kontrollieren den Informationsfluss. Die PolitikerInnen im Parlament bekamen somit eine sehr selektive "Wissenschaft" präsentiert. Eine allfällige skeptische Opposition hat im Vergleich kaum Mittel, um eigene wissenschaftliche Studien anzufertigen.
Es kann aber auch umgekehrt verlaufen: eine skeptische Opposition mit Sponsoren kann eine "offizielle Meinung" mit Gegenstudien bombardieren und zu Fall bringen.
Viele Themen sind so kompliziert (Hochwasserschutz, Klima, Covid), dass wissenschaftliche Laien wie die meisten PolitikerInnen kaum in der Lage sind mehr zu tun, als intuitiv zu entscheiden, welchen Studien oder Personen sie vertrauen möchten.
Fazit: eine Entscheidungsfindung ist oft eigentlich ein Gewurstel, auch wenn man sie "wissenschaftlich" oder "demokratisch" nennt.
Anregender wissenschaftsfreundlicher Beitrag, vielen Dank! Neben der direkten Verbindung von Wissenschaft und Politik wäre aus meiner Sicht sinnvoll, dass die Wissenschaft selbst versucht, ihre Studien besser einzuordnen und die für die Praxis relevanten Erkenntnisse in einfacher Sprache konzis zu beschreiben. Ein gutes Modell ist für mich dabei https://www.cochrane.org, welche das für die Medizin versucht.
Ok, Gutzwiller ist zwar Wissenschaftler, aber halt aus einer sehr speziellen Ecke, der Medizin. Kein seriöser Wissenschaftstheoretiker oder -historiker würde von "Wahrheiten" sprechen. Die Wissenschaft versucht Sicherheit (z.B. in Modellen) zu entwickeln, die so lange gültig sind, bis sie von einer anderen Theorie widerlegt werden. Das ist das grundlegende Geschäft von Wissenschaft. Politik muss handeln und entscheiden. Deshalb sind das grundsätzlich unterschiedliche Praxen und die politischen Vertreter hauptsächlich rechts, nehmen für sich "Wahrheit" in Anspruch, weshalb sie auf die TaskForce verzichten können.
UND Das Beispiel mit McDonalds ist zwar lustig, aber Brownell verallgemeinert zu sehr. Es gibt durchaus Wissenschaftsdisziplinen, die in engem Austausch mit der beforschten Praxis forschen, insbesondere die Professionswissenschaften (LehrerInnen, Pflegeberufe etc.) können gar nicht anders forschen, um ernst genommen zu werden. Die hier genannten Disziplinen könnten sich dort durchaus etwas abschauen (z.B. Patton 2008).
Sehr guter Artikel!
Um es aus meiner Sicht auf den Punkt zu bringen: Jede/r der einen Sprecher hat braucht braucht auch einen "Zuhörer".
Zuhören ist in unserer Gesellschaft leider fast ganz verloren gegangen. Natürlich gibt es die Spezialisten wir Psychiater, Psychologen und Seelsorger die dem Einzelnen professionell zuhören. Deren Auftrag ist aber ein ganz anderer.
Sowohl in der Politik wie auch in der Wissenschaft (bewusste Abstraktion) geht es ums gehört werden und nicht ums hören. Natürlich wird jeder Politiker sagen: Ich höre auf die Stimme meiner Wähler. Und jede Wissenschaftlerin hört auf ihre Kollegen. Aber Fakt ist, dass in beiden Gebieten Karriere nur durch gehört werden möglich ist! Das zeigt sich als Erstes darin, dass es überall professionelle Sprecher gibt (Politik) oder ebenso professionelle Publikationsplattformen (Wissenschaft).
Wir können nun trefflich streiten, welche Mittel und Methoden am Besten geeignet sind, um die Gegenpartei besser zum Zuhören zu bringen, aber das ist auch nur eine Form von Sprechen.
Warum also gibt es keine professionellen Zuhörer, die die Informationen für ihre Entscheidungsträgerinnen und Wissenschaftler so aufbereiten, dass sie verstanden und am Schluss von ebenso professionellen Sprecherinnen wieder verkündet werden? Weil wir nicht mehr wissen, wie zuhören geht!
Schade.
Merci, Herr W.,
Ich glaube, was Sie vorschlagen, entspricht zumindest in Teilen der Forderung nach institutionalisierten Schnittstellen, «die dafür sorgen, dass unabhängige Forschungsergebnisse den Weg in die politische Debatte finden»?
Beste Grüsse!
Ganz Ihrer Meinung, danke! Und Danke für den hervorragenden Artikel, der hoffen lässt, dass konstruktiv untereinander umgegangen wird. Mit Sachlichkeit und Bescheidenheit.
Danke für Ihre Worte. lieber Gruss, EB
Nachdem den ganzen Tag hier kein Kommentar mit so einer zümpftigen Anzahl dislike erschienen ist, hier noch eine Überlegung zu der Sache: das Epidemiegesetz, das dieser bundesrätlichen Coronapolitik die Grenzen absteckt, wurde in den Parteien eingehend erörtert und div Punkte wurden seitens der Basis bemängelt. Trotzdem stimmten die Mehrheit der Abgeordneten im Sommer 2020 dafür. Was innerhalb dieses weiten Spielfeldes der BR jetzt alles wirkt, hat nichts mit der Quantität und Qualität der Fachleute zu tun. Eine andere Agenda übersteuert die Fachbeiträge. Das merken sogar die Bildungsfernen unter uns - ihr Bauch sagt es ihnen.
Was muss sich ändern?
In erster Priorität, in subito, die schweizerische Wählerschaft selbst!
Anstelle das selbst angerichtete politische Debakel an Demonstrationen, mit Plakaten und Brüllaffen Geheul wie auch Sachbeschädigungen und Hausfriedensbrüchen zu dokumentieren, ist Selbsthilfe bezüglich Teilnahme und Mitbestimmung in den Niederungen der brachliegenden Politik Landschaft eine prioritäre Voraussetzung um dem friedlichem Konsens zu angestrebtem Allgemeinwohl, Nachachtung zu verschaffen!
Die Medien Landschaft pflügt sorgfältig jeden Stein aus dem verwahrlosten Acker unserer politischen Landschaft.
Wagt es aber nicht, dem Hauptverantwortlichen dieses verwahrlosten Ackers sein persönliches Unvermögen darzulegen.
Der Souverän hat sich bei der Auswahl seiner „Knechte“ ungeprüft auf dem nur 7 % der Wählerschaft umfassenden politischen Landschafts-Markt, ausgerechnet Jene ausgesucht, welche trotz ihrer universitären Ausbildung, auf Grund persönlicher oder fachlicher Untauglichkeit sich nun notwendiger Weise eine neue Quelle für ihren Lebensunterhalt zu sichern sucht.
Also kein Wunder, dass sich in der gegenwärtigen nationalen Politik Landschaft, mehrheitlich beruflich „Aussortierte“, untaugliche Akademiker sich in verwerflich egomaner Weise, nur den Begehrlichkeiten ihrer selbst und ihrer Klientel widmen.
Dass beruflich Erfolgreiche, in dieser Krisen Katastrophe, den untauglichen politischen Herrschaften Entwicklungshilfe selbstlos anbieten sollen und ihre Erkenntnisse gefälligst ohne Einbezug des Souveräns in den Hinterzimmern der politischen Klüngel Blase abliefern sollten, widerspiegelt die Amts Untauglichkeit der nationalen Parlamentarier in signifikanter Weise.
Republik AG
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