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Mein Beitrag bezieht sich nicht auf den Artikel selber, sondern auf den Vorspann dazu. Da heisst es: "Denn nur weil es sich hier um die Verfilmung eines Fantasy-Romans handelt, vergisst man keine Sekunde, dass es Sklavenhandel in dieser Form in den USA noch bis zum Ende des Bürgerkrieges gab."
Die Zeitangabe ist leider nicht richtig. Sklavenhandel gab es in Südstaaten der USA zumindest bis zum Zweiten Weltkrieg. Er funktionierte anders, war aber nicht weniger brutal und mörderisch.
Voraussetzung war die Tatsache, dass die Rechte der Schwarzen in den Staaten der ehemaligen Konföderation nach dem Ende des Bürgerkriegs immer stärker eingeschränkt wurden. Ein arbeitsfähiger Schwarzer konnte dann von korrupten Polizisten unter irgendeinem Vorwand angeklagt und inhaftiert werden. Frei kam er nur gegen die Bezahlung einer Geldstrafe, die er unmöglich aufbringen konnte. Ein Weisser konnte den Häftling gegen Bezahlung der Strafe gleich mitnehmen und ganz wie einen Sklaven traktieren: Zwangsarbeit und barbarische Strafen bei irgendwelchen Verstössen gegen die willkürliche Arbeitsdisziplin. Vorwiegend wurden die Betroffenen in der Landwirtschaft eingesetzt; Es gab aber auch Minenbetriebe, die auf solche Zwangsarbeiter setzten. Hier starben viele Zwangsarbeiter schon nach kurzer Zeit am brutalen Arbeitsregime und den systematischen Misshandlungen.
In gewisser Weise ist diese Geschichte auch mit dem Zweiten Weltkrieg keineswegs zu Ende gegangen, hat eine Fortsetzung in der Masseninhaftierung von Schwarzen in Gefängnissen gefunden, wo sie einmal mehr einem Zwangsarbeitssystem unterworfen werden. Schwarze waren und sind unter den Gefängnisinsassen krass übervertreten: Drei Bagatellverstösse gegen die gesetzliche Drogenprohibition genügen, um lebenslang hinter Gitter zu kommen. Gefängnisse sind in den USA denn auch hoch profitabel, weshalb manche von ihnen als private Aktiengesellschaften betrieben werden. Und eine korrupte, keineswegs farbenblinde Justiz sorgt dafür, dass ihnen die ArbeiterInnnen nie ausgehen.
Die USA sind allerdings längst nicht das einzige Land, in dem Sklaverei unter einem anderen Namen bis heute betrieben wird. Schaut man genauer hin, gibt es heute wohl mehr Sklaven und Sklavinnen als je zuvor!
Guten Morgen! Danke für das Feedback, aber darum schreiben wir ja, dass es ihn "in dieser Form" gab.
Danke für den Hinweis auf die Verfilmung. Das Buch habe ich in gemischter Erinnerung. Zunächst hat es mich gepackt. Mir war allerdings beim Beginn der Lektüre nicht klar, dass es sich um eine Fantasy-Version der Epoche handelt. Mit immer grösserer Irritation nahm ich die historischen Ungereimtheiten zur Kenntnis, bis mir spätestens bei der Umdeutung der sinnbildlichen "Underground Railroad" in eine echte Eisenbahn klar wurde, dass das Buch gar nicht den Anspruch hat, historisch präzise zu sein. Ab dann war die Lektüre für mich irgendwie etwas getrübt. Das Buch ist mir unangenehm nahe am realen Leid für Fantasy und doch zu weit weg von den realen Geschehnissen für ein historisches Stück.
Lieber Herr Humm, vielen Dank für Ihre Gedanken. Ich habe auch bemerkt, dass das Buch in meinem Umfeld gemischte Reaktionen ausgelöst hat - und bei mir selbst war es ähnlich. Es ist natürlich immer die Frage, ob man die Geschichte auf diese Weise - so drastisch und konkret - erzählen müsste. (Ich war dann, auch jetzt beim zweiten Mal lesen, froh, als ich wieder ein anderes Buch in die Hand nehmen konnte.) Allerdings fand ich bei Whitehead, er erzählt noch genügend über die reine Brutalität hinaus, dass es gerechtfertigt ist; und am Ende ist es ja auch eine künstlerische Entscheidung. Ich kann es aber auch gut verstehen, wenn die Verbindung mit dem Genre Fantasy - die ja tatsächlich nur ganz zart, in der Eisenbahn, besteht - irritierend ist.
Als ich von dieser Serie hörte und die ersten Bilder gesehen hatte, wusste ich nicht: Soll ich mir das antun oder nicht? Ich fühlte mich wie ein Voyeur, der durch einen Türspalt ins Unerträgliche schaut, am liebsten die Augen schliessen wollte, um die Bilder ungeschehen zu machen.
Und überhaupt: Wie kann man soviel Brutalität und Menschenverachtung in derart elegische Bilder verpacken als wärs ein nie enden wollender Werbespot? Mit langen, ruhigen Kamerafahrten, vor der Kameralinse ein Smoque-Filter. Darf man das? Und wie schaffen das all die Menschen am Set, sich in diesen Horrortrip während Monaten hineinzubegeben, nicht durchzudrehen?
Medicine for Melancholy war Barry Jenkins Erstlingswerk, schon damals 2008 mit Kameramann James Laxton. Vielleicht ist Melancholie, die aus diesen Bildern trieft wie süsse, zähe Melasse, auch hier die einzige Möglichkeit, die Hölle zu ertragen.
Lieber Herr Reichenbach, das sind sehr gute Fragen, finde ich. Darf man das, Leid so «schön» verfilmen? Vom Werbespot sind die Bilder allerdings meiner Meinung nach weit entfernt. Es gibt auch Szenen, in denen begnügt sich Jenkins damit, das Schreckliche seine Figuren nacherzählen zu lassen - und unterbricht gerade nicht mit «Flashbacks» oder Ähnlichem, damit es die Zuschauerin auch ja kapiert (wie es, glaube ich, dann auch in der Werbeästhetik wäre). Was er zeigt und nicht zeigt ist, denke ich, sehr bewusst gewählt. Aber wenn Jenkins es nicht verfilmt hätte, wer hätte es dann verfilmt? Und was wäre dabei herausgekommen? Vielleicht, dachte ich auch, wenn man eine Bildsprache hat wie Jenkins sie sich zu eigen gemacht hat, kann man auch gar nicht anders erzählen. Und zumindest bei mir haben die Bilder einen Eindruck hinterlassen, von dem ich nicht sicher bin, ob eine andere Art der Verfilmung sie erreicht hätte - in dieser Hinsicht ergänzt sich die Erzählung auch sehr gut mit dem Roman.
P.S. Am Set war, besonders bei den «Georgia»-Szenen ein Therapeuten-Team anwesend, das auch der Regisseur nach eigenen Angaben aufgesucht hat.
Liebe Frau Hein, Sie haben recht: Ich denke auch, dass dieser Bildstil und die Art des Umgangs mit Dramaturgie ganz bewusst eingesetzt sind und ihr Ziel erreichen. Jenkins, Laxton und die ganze Crew liefern hier eine Arbeit ab, die genialer und beklemmender nicht sein könnte.
Empfohlene weitere Lektüre, die sicher weniger belastet, aber ebenso nachdenklich stimmt und einen fundierten historischen Hintergrund liefert, da von einem Historiker geschrieben: Martin Meier: Die Rebellin Gottes in zwei Bänden. Print on demand über www. united-pc.eu. aus dem Jahre 2016. Tipp: Bei Exlibris bestellen mit dem üblichen Rabatt.
Liebe Frau M., vielen Dank für den Hinweis auf das Buch!
In diesem Artikel fehlt leider ein Hinweis auf auf Harriet Tubman, die reale und wahrscheinlich bekannteste Fluchthelferin ("Schaffnerin") des Netzwerks "Underground Railroad" (https://de.wikipedia.org/wiki/Harriet_Tubman). Ihre Geschichte wurde bereits 2019 von Kasi Lemmons verfilmt ("Harriet – Der Weg in die Freiheit"). Die Hauptdarstellerin Cynthia Erivo wurde 2020 für den Oscar nominiert.
Sehr geehrter Herr D., es stimmt, auf Harriet Tubman hätte man noch hinweisen können, da gibt es einige Parallelen. Andererseits ist es auch immer schwierig, zu viele Fremdreferenzen zu machen, sonst verliert man den Überblick. Ich habe mich für einen Vergleich mit "12 years a slave" entschieden, weil ich davon ausging, dass der Film von mehr Leserinnen und Lesern gesehen wurde (Harriet kam ja dann doch mitten im Pandemie-Sommer ins Kino). Aber vielen Dank für die Ergänzung!
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