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Johnson's Populismus (wie auch der von Trump) ist in erster Linie eine neue Durchsetzungsstrategie für den Neoliberalismus. Die alten Rezepte aus der Aera Thatcher/Reagan greifen nicht mehr. Nachdem die verarmten Schichten jahrzehntelang vergeblich auf den Effekt des "trickle down" gewartet haben (in Wahrheit ging es ja immer nur um die Verteilung des Reichtums von unten nach oben), mussten andere Methoden her.
Wenn sich angesichts der schwindelerregenden ökonomischen Verzerrungen die soziale Ungerechtigkeit nicht mehr wegdiskutieren lässt, muss die gesellschaftliche Debatte eben auf andere Felder verlagert werden: Let's fight a Kulturkampf! Egal ob Migrationsströme, Rassismus, Antifeminismus, Homophobie, Antiislamismus, EU-Bashing... Hauptsache, es lässt sich ein Feindbild aufbauen, welches von den offen zu Tage liegenden wirtschaftlichen Problemen ablenkt.
Faschistoide Figuren wie Nigel Farage, Steve Bannon, Björn Höcke (oder unsere Glarners, Köppels) weiten den Diskussionsraum so weit nach rechts aus, dass Leute wie Johnson und Trump wählbar erscheinen. "Gemässigte" Neoliberale wie Biden werden in der Verzerrung, Umdeutung und Aushöhlung aller Werte zu "Sozialisten" transformiert.
Natürlich: Wir können aufatmen, wenn Trump endlich weg ist. Die Fata Morgana eines "prosperierenden UK" ausserhalb und in Gegnerschaft zur EU wird sich für die Bürger/innen der sinkenden Insel innerhalb weniger Jahre als Albtraum herausstellen. Aber die Kräfte, welche die Verelendung der Arbeiterklasse in den USA oder im UK stoppen und wenden könnten, sind immer noch schwach.
Die "Schwäche der Linken" hat auch damit zu tun, dass sie immer noch glaubt, dass das Schimpfen auf die auf allertiefstes Niveau abgestürzte "Rechtspopulisten" automatisch genügt, um sie als strahlende Lichtgestalten erscheinen zu lassen.
Ich vermisse auf "linker Seite" ebenso Offenheit und Neugier, wie auf der "rechten Seite".
Ich erlebe das jeweils besonders deutlich, wenn man "sperrige" und "verdächtige" Ansichten und Meinungen von ausgewiesenen Fachleuten in die Diskussionen hineinbringen will, die "das Eis brechen" und "Brücken bauen" sollen.
Nehmen wir mal Franz Alt, der sich als Freischaffender in Rente leidenschaftlich und tatkräftig für die Sache der BürgerInnen-Energiewende in Deutschland engagiert!
Ich verlinke dazu den neuesten Beitrag seiner montäglichen Sendung von "Transparenz-TV":
https://www.youtube.com/watch?v=xP2kBcZO_fU
Ich selber bin von dem Typ und seinen Sendungen begeistert und überzeugt, auch wenn ich seinen bürgerlich-christlichen Hintergrund mit gewissen, etwas altmodisch erscheinenden Gedankengängen, genauso bemerke, wie seine Bemühungen, immer wieder den Papst und den Dalay Lama ins Spiel zu bringen, also eine Art christlich-spirituelles Revival zu befördern.
In Diskussionen auf Watson werde ich dann von allen Seiten als Verräter und Anbiederer beschimpft. Die "Linken" schmettern mir an den Kopf, dass dieser Franz Alt ein alter Nazi-Sympathisant sei und verlinken dann irgendwelche Beweise darüber, dass der Mann einen Artikel über die BürgerInnen-Energiewende in einem rechten Medium (mit dem Namen "Heimat", oder so) veröffentlicht habe.
Aber auch der rechtsnationalistische Kulturkämpfer gegen den Islam und für das christlich-jüdische Abendland will nicht auf das eingehen, was dieser Franz Alt in seinen Sendungen sagt, da er eh nichts von der Energiewende hält und für den Ausbau der Atomkraft ist.
Fazit: Niemand will INHALTLICH diskutieren!
Man hält sich an oberflächlichen Differenzen auf, ja man kultiviert sie geradezu!
Denn auch die "falsche Sicherheit" des politischen Lager-Denkens verleiht Sicherheit!
Und lustigerweise behaupten diese Leute, die von sich behaupten, sie wollten sachlich diskutieren, ICH würde viel zu emotional auf ihre Gesprächsverweigerungen reagieren...
Nun, diese Erfahrungen haben mich gelehrt, mich vom "unheimlichen Duo" aus "Regierung und Opposition" zu distanzieren.
Am Ende werde ich -aus Traditionsgründen bisher eher widerwillig- auch noch "grünliberal".
Aber wenn ich's mir recht überlege, dann ist es so dass ich meine besten Erfahrungen mit "Grünliberalen" mache.
Es ist etwas irritierend, dass Sie Ihren Kommentar an meinen anhängen, da es in Ihren Ausführungen eigentlich kaum Bezüge darauf gibt. Ihr Franz Alt interessiert mich nicht, Ihre Meinung finde ich weder "sperrig" noch "verdächtig", aber ich teile sie nicht. Und falls Sie nicht auf meinen Kommentar eingehen wollen, ist das absolut OK. Aber dann bitte auch nicht an diesen anhängen.
Herzlichen Dank! Und bitte mehr davon:-). Z.B. würde mich interessieren, warum die Tories bei den Wahlen gewinnen, obwohl sie im Land teilweise extrem unbeliebt sind. Liegt es am Majorzsystem und den unfair gezogenen Wahlkreisen?
Apropos unfair gezogene Wahlkreise (xgüsi, ziemlicher Themawechsel): ich fürchte, dieses Wochenende werden wir Kovi-Befürworter_innen unangenehme Bekanntschaft machen mit dem Ständemehr. Einer ursprünglich wohl sinnvollen, in der heutigen Form aber ziemlich unfairen Eigenschaft unserer Schweizer Demokratie. Mir scheint, es wäre höchste Zeit, die Abstimmungs-Machtverhältnisse zwischen Kantonen bzw. ihren Bewohner_innen wieder in faire Verhältnisse zu setzen.
Ja, das stimmt. Bin sehr dafür, dass das abgeschafft bzw. evtl. in eine dem 21. Jh. angemessene Form überführt wird - z.B. ein Städtemehr oder Sprachminderheitsmehr, da könnte einem ja noch vieles einfallen. Aber die Einwohner*innen katholisch geprägter Kantone zu bevorzugen, ist definitiv willkürlich und ungerechtfertigt.
... oder an der Unfähigkeit und Gespaltenheit der Opposition? In der Linken bekämpft man gelegentlich lieber den Parteifreund als den politischen Gegner.
Ja, das stimmt, Labour macht auch keine gute Figur. Es gäbe aber auch noch andere Parteien, nur haben die wegen Majorz keine Chance, ins Parlament zu kommen.
2017 zum Beispiel erzählte mir ein Mitglied der Jungen Grünen in Cambridge (ja, die gibt es!), die Green Party hätte gemäss Wählerstimmenanteil 24 Sitze im Parlament zugute, de facto hatten sie aber nur einen Sitz. The winner takes it all und so.
Ich habe lange in Wales und im ländlichen Süd-England gewohnt, mich als Nicht-Wähler allerdings nicht viel mit Politik beschäftigt. Das Klassenbewusstsein war sehr stark. In unserem Dorf gab es zwei Strassen. Ich hatte ein Zimmer in einem schönen "upper middle class" Haus an der "Fore Street", und es gab etwas schäbige Sozialwohnungen in der "Back Lane", mit praktisch Null Austausch. Ich lebte in einer middle class "Blase" wo die meisten anständige, gebildete, aber reiche und konservative Menschen waren und vermutlich mehrheitlich Tory gewählt haben, weil Labour für sie schon emotional nicht in Frage kam. Mein vielleicht bester Bekannter wählte die Liberalen, aber liberale Stimmen gingen vermutlich eher von Labour weg als von den Tories, die dadurch praktisch unbesiegbar wurden. Aber auch Labour hatte keine Anstrengungen gemacht, das Wahlsystem zu ändern, als sie an der Macht waren. Eine grüne und lauter Kleinstparteien gab es auch, aber diese hatten national nicht die geringste Chance.
FWIW hatten die VK-ler 2011 ein Referendum zum Thema "Alternative Vote". Es war eine Bedingung der Lib-Dem Partei um in die Koalition mit der Conservative Partei einzusteigen. Ich habe es nicht näher angeschaut aber es war ein Versuch von dem "First Past The Post" System wegzukommen . Es wurde abgelehnt mit 68% "Nein".
Vielleicht bin ich in bisschen naiv mit meiner Hoffnung, dass der Stern der Populisten langsam am Sinken ist. Jetzt, wo es selbst dem leutendsten Vorbild dieser Zunft, Trump, an den Kragen geht, ändert sich die Stimmung. Nicht bei den Exponenten, versteht sich, aber vielleicht beim gemeinen Volk, sprich bei den Wählern.
Es gibt ja auch einige Lichtblicke: in Österreich hat es die FPÖ erwischt, in Italien Salvini, in Polen brodelt es, Erdogan muss einen Schlingerkurs fahren und selbst in unserer bideren Schweiz haben die populisischen Scharfmacher rund um Blocher einiges an Glanz eingebüsst.
Ich hoffe jedenfalls sehr - und viellleicht ist der Wunsch Vater des Gedankens, - dass der Wind sich gedreht hat und die Stimmung allmählich kippt.
Eine ausgezeichnete Analyse der gesellschaftlichen und politischen Situation in England, in der beispielhaft deutlich wird, wie das Programm des Rechtspopulismus die demokratischen Strukturen zerstört und – schlimmstenfalls – den Weg in eine rechtsextreme Diktatur ebnen kann.
Denn die Angst der Bevölkerung um die eigene Gesundheit und die wirtschaftliche Existenz ist real – und die Folgen dieser Pandemie werden noch viele Jahre spürbar sein. Demgegenüber wird der Staat beim Versuch, Abhilfe zu schaffen, zwangsläufig an seine Grenzen stossen. All dies verstärkt die Attraktivität einer populistischen Politik, die Komplexität ins Lächerliche zieht, mit Institutionen nach Bedarf verfährt und den Menschen durch den Aufbau von Feindbildern ein Ventil für ihre Angst und ihre Frustration bietet.
Wie wahr, wie gefährlich, nicht nur in GB, und wieviel Verantwortung für Meinungsmultiplikator*innen! Gleiches mit Gleichem zu bekämpfen funktioniert nicht, sondern potenziert die Gefahr.
Danke für diesen spannenden Artikel!
Würde ein anderer Politikstil besser funktionieren, hätte ihn Boris Johnson sicher schon längst übernommen.
Aber in unserer heutigen Aufmerksamkeitsökonomie und mit sozialen Medien, in denen der gehört wird, der Gefühle auslöst, bleibt der Populismus leider die einfachste Strategie für politischen Aufstieg.
Auch nach dem Brexit. Es wird sich so anhören:
„Die elitären Technokraten in Brüssel wollen uns zähe Briten nur am Aufstieg hindern.“
Wahlweise:
„Die Multikulti-Gutmenschen auf dem Kontinent wollen uns weiter „polish plumbers“ aufzwingen.“
Nichts ist einfacher, als die Wähler mit solchen Bausätzen aufzuhetzen. Immer dieselbe Aussage:
„Die andern sind doof. Darum haben wir Probleme. Wir selbst sind nämlich super.“
Schade. Dabei gäbe es doch so viele echte Probleme zu lösen.
Eine gute Analyse des "Brit-Populisten".
Nur ein kleine Anmerkung zur Aussage, die Tories hätten das Binnenmarktgesetz geschlossen unterstützt. Es gab zwei noes, ca. 30 abstains (darunter Sajid Javid): siehe https://votes.parliament.uk/Votes/C…vision/836
Die beste Antwort der Opposition auf Inkompetenz ist es, Kompetenz in den eigenen Reihen zu zeigen, wie das mit Keir Starmer geschieht. (Totale) Inkompetenz lässt sich in Corona-Zeiten auch mit einer rechtslastigen Presse nicht vor dem Volk verbergen.
Hallo Frau C. - herzlichen Dank für den Hinweis, wir haben die Stelle mittlerweile korrigiert.
Danke für die kluge Analyse des Populismus. Ich bin mir aber nicht sicher, ob dieser mit BoJo am Ende ist. Vielmehr befürchte ich, dass er in der Politik, neben vielen anderen unangenehmen Eigenschaften und Phänomenen, auch in Zukunft wohl immer wieder Platz hat. Was aber mit Trump und BoJo, zumindest in Demokratien westlicher Prägung, hoffentlich ein endgültiges Auslaufmodell ist, ist diese krude Mischung aus destruktiver Groteske und bizarrer Aggressivität gegen alles und jede/n, die/der die Meinung des Machthabenden nicht teilt.
Ich sehe Johnson's "Rechtspopulismus" nicht als Gegensatz "unserer Demokratie" (die in Wahrheit eine Herrschaft der grossen Gelder ist), sondern als monströse Karikatur und Zuspitzung dieses Systems, das sehr viel Heuchelei, Scheinheiligkeit und Theater beinhaltet.
Darum wollen die "besorgten Wutbürger" ja mit diesem "Mehr Schein als Sein" brechen, weil sie darin immer den Kürzeren ziehen, unter die Räder geraten und abgehängt werden.
Und für diese Aktion des gründlichen Demolierens aller verhassten Bevormunder und Besserwisser ist niemand besser geeignet, als der Teufel in Menschengestalt, der als "Böser Clown" irre Grimassen schneidet und wild auf seine Kinder-Blechtrommel schlägt, um alles "Elitäre" zu entsetzen und zu vertreiben.
Diese angewiderte und hochnäsige Nasenrümpfen bestätigt alle Vorurteile, welche die "Kleinen Leute" immer schon hatten und macht sie jetzt erst recht wütend!
Im Unterschied zu früher ist jetzt aber "der böse Clown" an der Macht und wütet dort stellvertretend für seine volkstümliche Basis, und zwar so destruktiv und irr, wie möglich.
Dieses demokratisch gewählte Wüten und Zusammenschlagen hat natürlich Folgen:
Die Spaltungen der Gesellschaft vertiefen sich.
Die "Kreativen" wollen entwickeln und aufbauen, nicht zertrampeln und auslöschen.
Sie wollen die Probleme lösen und nicht bewirtschaften!
Aber wie sollte das gehen, wenn "die schlechtere Hälfte" nicht mitmacht?
Aus ihrer Blockade-Macht nach der verloren gegangenen Präsidentschaftswahl in den USA zieht sie einen sadistischen Genuss!
Auch das neue Abkommen zwischen Gross Britannien und der EU bleibt blockiert, so lange Boris Johnson und seine Tories nicht einlenken wollen.
Aus Sicht der "Kreativen" ist das vielleicht das Maximum, was sie in den Auseinandersetzungen mit den "Destruktiven" erreichen können:
Ein Zustand relativer Ruhe, mit der Einhaltung eines ausreichenden Sicherheitsabstands...
Eine spannendere Frage für mich ist warum es in der Britische Gesellschaft so viel Unterstützung gibt für dieser Art Politik . Dass die "einfachen Leute" so von ihre Abneigung gegen eine vermeintlichen Elite verblendet sind dass sie die Politik des Königreiches in die Händen einer echten bösen Elite gibt finde ich recht bedenklich.
Danke für diesen ausgezeichneten Artikel. Wirklich.
Leider ist es so, dass Hetze rentabel ist und hetzerische Medien viel Aufmerksamkeit erregen. Resultat: viele verhetzte Leute, die manchen Unsinn glauben.
Und jetzt nehme jede und jeder die eigene Nase: ich, Sie und halt auch die Verhetzten haben grosse Mühe, eigenes Denken und Handeln als falsch zu bewerten. Es bedeutet jedesmal eine Anstrengung. Viel angenehmer ist da die kuschelige Wärme des Lagers der Gleichgesinnten oder das Lager der Verhetzten. Dieser Effekt spielt umso mehr, je weniger wir haben und je wichtiger unser Fehler für uns ist. Der Mechanismus dahinter heisst kognitive Dissonanz-Reduktion: wir passen unsere Wahrnehmung so an, dass wir eben doch richtig gedacht und gehandelt haben, auch wenn die Scheisse von Unterlippe Oberkante zu Oberlippe Unterkante steigt.
Im Prinzip geht es ja immer gegen das Establishment, wenn das Establishment eben "alles" falsch macht. Waren es vor 70 Jahren die Sozialisten welche die Frechheit hatten ueberhaupt einen Lohn zu fordern, sind es nun die Populisten. Ihre (die Populisten) Gemeinsamkeit - fuer sehr komplexe Probleme einfache Loesungen. In der Technik wuerde man Simulationen laufen lassen. Wenn man solche Entscheidungen wie heute noetig sind Politikern ueberlaesst ist man nachher selbst Teil der Simulation. Die Antwort vorneweg : 42
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