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Danke, nun fühle ich mich einigermassen "gebrieft" über die Verhältnisse in Italien!
Die erste Frau an der Spitze der Politik eines Landes ist übrigens praktisch immer keine Feministin. Sie muss sich zu sehr anpassen und dafür braucht es mentale Typen, die sich ohne Probleme völlig widersprüchlich verhalten können und tendenziell sich auch persönlich eher an Männern/Männerwelten orientieren. Oft unbewusst und sie würden es im Gespräch nicht so sehen. Manche werden mit zunehmenden Alter und den entsprechenden Erfahrungen dann vielschichtiger und einsichtiger diesbezüglich, andere haben zu wenig reflektierende Fähigkeiten dafür.
Einer der Hauptursachen für die vielen nun grassierenden Populismen ist - nebst etlichen anderen - dass zum Zeitpunkt des "Falls der Mauer" Ende 80er und ergo dem Ende des kalten Krieges eben auf der Seite der "Sieger" keine soziale, gemeinschaftliche Demokratie mehr im Trend war, sondern der Neoliberalsimus gerade in seine erste Hochblüte kam.
Alle bis weit ins sozialdemokratische Lager der europäischen Länder und auch der USA, glaubten weitgehend daran, dass es "der Markt" schon richten würde, ergo müsste der möglichst total frei sein. Das galt für die Ökonomie, aber auch für die "Werte", besonders weil Ideologien aller Art nun verpönt waren und auch gleich sämtliche Moral als ideologisch empfunden wurden.
Nicht zuletzt der neue Wohlstand untersützte dies, weil die gebildeten Mittelschichten am meisten profitierten und sich nun gerne mit sich selber beschäftigten. Menschen sind leider ohne Druck meist nicht besonders sozial... und alle glaubten aber , die demokratischen Prinzipien hätten nun gesiegt. Dabei können die nie ein für allemal siegen, sie sind ja immer Spiegelbild der gerade lebenden Menschen.
In Italien waren wie in den USA die privaten Medien die mentalen Leitlinien geworden und die produzierten das alte Rollenbild in pseudomodernen Gewändern. "Alt", aber natürlich nicht mehr prüde, sondern hypersexualisiert - ein neuer Schub an Sexismus, der erst mit "Metoo" wieder zum Stoppen gebracht wurde. Frauen wie Meloni wissen wenig über solche mentale Vorgänge, sie nutzen die "Produkte" einfach in "guter neoliberaler Tradition" für sich selber.
In jedem europäischen Land lief und läuft das gleiche historische Grundgeschehen je nach seiner Geschichte in Formen gegossen etwas anders. Weil in dieser Zeit auch rechtliche soziale Fortschritte gemacht wurden, wie LGBT-Rechte, Gleichstellungsrechte für Frauen, sexuelle Freiheiten, .... wurde nie im Mainstream und bis in die Linke/Sozialdemokratie die zutiefst reaktionäre darunterliegende Wurzel der neoliberalen Phase erkannt und eine scharfe Trennlinie zwischen wichtigen neuen politischen Freiheits- und Gleichheits-Rechten und "Freiheiten ohne jegliche regulierende Ethik" gemacht. Reine bliebige Freiheit würde auch die nötige Ethik ergeben - wie falsch.
In Italien wurde auch nichts aus der faschistischen Zeit aufgearbeitet. Denn die Zeit ab den 80ern galt in erster Linie als "Have Fun" - Hochzeit der Unterhaltung - so seicht und verdummend es oft gerade in Italien und den USA auch war. "Fun" hiess vor allem: "Konsumiere unsere Produkte und unsere Medien und du wirst Fun haben und das ist das Ziel deiner Träume." "Fun" war auch ein "Killer " für alte christlich-konservative " Parteien und bis zu seiner Abwahl war es auch das oberste Prinzip für einen Trump. Denn dem war sein eigener "Fun" natürlich das allerwichtigste.
Mittlerweile haben zuviele der weniger Privilegierten keinen "Fun" mehr als Ergebnis der neoliberalen Phase und sind aber leider auch etwas "verblödet" durch die "Fun"-Medien. Es dauert also, bis sich der aus dem neoliberalen Credo herausgewachsene Populismus nicht mehr übermässig halten kann. Sogar wenn man sieht, dass dort unfähige und narzisstische Figuren das Sagen haben.
Aber die Alternative ist ja auch kaum mehr besser in Italien, es gibt ja nebst "Zeitgeist"-Phasen und nationalen Mentalitäten jeweils immer noch die überall wirksame menschliche Tendenz, sich bequem einzurichten und sich das was man hat zu erhalten und die anderen etwas zu vergessen. So die Wählenden der Sozialdemokraten.
Draghi hätte noch am ehesten das Format gehabt, den Spagat über all diese Gräben zu bewältigen und Lösungen für alle zu finden.
Aber die Menschen bevorzugen leider oft das Emotionale und nicht das Nüchterne. Besonders in dieser Zeit des "Hyperemotionalen", die leider aus dem neoliberalen Erbe geworden ist. Ein Produkt von unmittelbarem Impuls und zu wenig mit Anstrengung erworbenem Fakten-Wissen. Gern in "Bubbles", die sich selbst genügen. Gern auch in Ländern mit südlich-heissem Temeprament und natürlich wie erwähnt emotional-katholischen.
Irgendwann wird italien aber weiter sein, so wie auch all die Anderen.

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Wirtschaftshistoriker
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Hervorragende Analyse. Die Kritik von Anonym 2 zielt daneben. R. P. beweist ja gerade differenziertes und informiertes Denken. Ihre kritische Haltung richtet sich nicht gegen die Frauen i.a., sondern gegen Meloni. Bei "Männer wie Trump oder Orban...." würde das niemand auf sich oder alle Männer beziehen. Und was die "Blödheit" vieler Wähler/innen angeht, man schaue sich die tägliche sog. Unterhaltung auf fast allen TV-Kanälen in Italien an. Seichter geht nicht.
Sich Fakten aneignen, ist in der Tat anstrengend.
Die faktenbasierte Meinungsbildung auch.
Unsere Gesellschaft ist dank der Direkten Demokratie und dank funktionierenden Behörden noch nicht so heruntergekommen. Aber wir sollten auf der Hut sein und die Angriffe auf unsere Institutionen und den "Service Public" (SRG, Postfinance, öV) an der Urne abwehren.

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Unity in Diversity
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Ich schliesse mich den Dank von Karen Merkel und A. S. gerne an und gratuliere Ihnen Frau P. zu diese „ausführliche und hervorragende „ Analyse.

Ebenfalls danken möchte ich Priscilla Imboden für das gutgeführte Interview. Die Frauen in der Republik leisten viel, sowohl in der Crew als auch in den Kommentaren!

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Danke - wie Sie und ich wissen, ist in Wirklichkeit alles noch viel komplexer und hier sind nur einige meines Erachtens wichtige Faktoren aufgeführt... In der Schweiz gibt es schon einige gute Verfahren, die vor allzu törichten Entwicklungen schützen, vor allem natürlich die "langweilige" Konsenspolitik. Doch wir sollten auch nicht zu hochmütig werden, so ein kleines Ländchen fährt auch in vielem einfach im Windschatten der Grossen.
Ich will wes auch nicht nur despektierlich gemeint sehen, wenn ich von "Vermeiden von Anstrengung und Wissen aneignen" schreibe: Schon nur Jüngere als 30 -Jährige kennen ja nichts anderes als die Medien- und Fun- Unterhaltung-Overkill-Gesellschaft. Dann gibt es überall auch bildungsferne Schichten, die nicht so leicht Zugang finden zu Wissen. Wenn ein Trend aber auch den "Mainstream" des Mittelstands und sogar der Mittelschichten erfasst, lasse ich mich dann zu so Begriffen wie "Verblödung" hinreissen, weil die wüssten und könnten es besser.
Während es in Italien halt die alten "Kirchenprägungen" , die "Familia" und die Machokultur zu überwinden gilt, ist es in den USA die (evangelikale) Puritanerkultur und die gleichzeitig doch eher oberflächliche Mentalität und Konsumwut. Was alles sicher auch mit den schlechten öffentlichen Bildungssystemen zu tun hat, die auch nach dem Markt funktionieren. Ein grausames Beispiel von ganz nahe ist auf arte derzeit zu sehen. https://www.arte.tv/de/videos/11044…A/jackson/
In beiden Staaten misstrauen die BürgerInnen aber dem Staat zutiefst. Italien weil PolitikerInnen nur mit sich selber beschäftigt sind und nichts vorwärtsgeht in der grossen Bürokratie, die USA weil sie von jeher ein politisches System haben, das auf föderalistischem Primat besteht.
In all diese Schwachstellen konnten PopulistInnen und rechte Demagogen weit vordringen.

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Karen Merkel
Chefin vom Dienst @Republik
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Herzlich Dank für Ihre ausführliche Analyse! Ja, die fehlende Aufarbeitung des Faschismus zeigt sich leider auf bedenkliche Weise. Jetzt noch mehr, als es vor 20 Jahren bei Berlusconis zweiter Wahl der Fall war.

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Frauen, die "zu wenig reflektierende Fähigkeiten" haben, "weniger Privilegierte, die "verblödet" sind, Menschen aus "Ländern mit südlich-heissem Temeprament", die "das Emotionale und nicht das Nüchterne" bevorzugen… Hui, zum Glück gehören wir privilegierten Frauen mit nördlich-kaltem Temperament zur intellektuellen Elite des Fortschritts, welche die reflektierenden Fähigkeiten haben, um nicht von diesen Tendenzen beeinflusst worden zu sein und erst recht nichts zu diesen beigetragen und profitiert zu haben.

Ein merkwürdiges (stereotypisches) Fremd- und Selbstbild… Aber mit der Analyse des Neoliberalismus, der Konsumgesellschaft und der Mediokratie gehe ich grundsätzlich einig.

Interessant wäre die Frage, wie Fun und Faschismus zusammengehen. "Fun-Faschismus"?

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Unity in Diversity
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Faszination wird als Fun erlebt. Und Faschismus baut auf Faszination.

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"Irgendwann wird italien aber weiter sein, so wie auch all die Anderen."
Wohin geht sie denn, ihrer Meinung nach, die Reise - wo sind denn all die Anderen, an-, bzw. hingekommen?
Das ist doch so nichts sagend wie nur etwas!

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anonyme Verlegerin
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Welch treffender Kommentar, Anonym 2!

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Danke für das interessante Gespräch!
Was mich umtreibt: Wann haben wir uns eigentlich daran gewöhnt, dass Politiker*innen nach der Wahl eine Wundertüte sind, völlig unvorhersehbar, was sie tatsächlich umsetzen möchten und welche Positionen sie vertreten.
Damit meine ich nicht, was am Ende real umsetzbar ist, sondern dass schlicht fast alles, was im Wahlkampf geäussert wird, einzig dazu dient, möglichst viele Stimmen zu holen.
Seit wann haben wir das Gefühl, dass ausgerechnet solche Leute irgend etwas gutes für uns als demokratische Gesellschaften bewirken können? Würden wir uns geschäftlich oder privat auf Figuren einlassen, die uns nichts anderes als fette Lügen vorsetzen?
(Nicht, dass ich "ehrliche" Faschisten irgendwie erträglicher fände. Die Frage interessiert mich allgemein und ist mir jetzt einfach durch diesen Fall und das Gespräch besonders in den Sinn gekommen)

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"dass schlicht fast alles, was im Wahlkampf geäussert wird, einzig dazu dient, möglichst viele Stimmen zu holen." Seit es Demokratie gibt? Nein, seit gewählt wird? Spätestens seit es Massenmedien gibt.

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Sie verhalten sich wie alle Menschen die ich kenne.

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· editiert

Zu "Diese Problematik ist keine Erfindung der Populisten, das ist eine soziale Lage, die es in den Gesellschaften gibt, auch weil die Politik versagt hat."
Ich verstehe nie, wie Politik versagen kann. Ist es in einer Demokratie nicht immer die Mehrheit aller, also auch der Nichtwähler, die versagt?
Kurzfristig, kann man natürlich sagen, dass ein Politiker versagt hat, im Extremfall muss er sich dafür vor Gericht verantworten...
Das Zitat suggeriert, dass die anderen oder irgendetwas anderes Schuld ist.

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interessierter Leser
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Finde ich einen wichtigen Punkt: Nicht die anonyme Politik versagt, sondern eine Partei wie der PD, der keine Koalition der Antifaschisten zustande bringt, der Wähler, der „aus Protest“ oder Langeweile gar nicht wählt usw. Wenn die Politik, der Staat, der Kapitalismus … usw versagt, muss ich mich nicht fragen, welches meine Verantwortung ist.

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Sie wollen sagen, Sie kennen keinen einzigen Fall, in der die Politik, in der Politiker versagt haben? Echt jetzt?

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In dem Zitat wird auf Politik abstrahiert, damit ist es aus meiner Sicht irreführend. Konkrete Fälle für Versagen gibt es natürlich, wie ich auch schreibe.

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Wieso sich eine «stark verunsicherte» Mittelschicht einer Bewegung zuwendet, die auf demokratische Institutionen pfeift, ist mir einfach schleierhaft. Verbindliche Regelwerke sind der viel bessere «Schutzwall» für die Leute ohne direkten Zugang zur Macht als ein verkappter Personenkult.

Fitzi sagt, man müsse auch den «einfachen Leuten» (was ich übrigens auch ziemlich herablassend finde) zusichern, dass ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden. Das verbinde ich mit dem Befund des Historikers Yuval Harari, dass «die Masse» heute nicht mehr prinzipiell gegen Ausbeutung, sondern gegen Bedeutungslosigkeit ankämpft:

Im 20. Jahrhundert begehrten die Massen gegen ihre Ausbeutung auf und versuchten ihre wichtige wirtschaftliche Rolle in politische Macht zu übersetzen. Heute fürchten die Massen die Bedeutungslosigkeit, sie wollen die ihnen noch verbliebende politische Macht unbedingt nutzen, bevor es zu spät ist. [...] 2016 fanden Trump und der Brexit bei vielen Menschen Unterstützung, die nach wie vor politische Macht hatten, aber befürchteten, ökonomisch wertlos zu werden. Möglicherweise werden populistische Revolten im 21. Jahrhundert nicht gegen eine Wirtschaftselite aufbegehren, welche die Menschen ausbeutet, sondern gegen eine solche, welche die Menschen schlicht nicht mehr braucht.

Wenn dann der Partito Democratico angeblich nur privilegierte Schichten mit sicheren Arbeitsverträgen umgarnt, verstehe ich vielleicht etwas, dass man sich aussen vor gelassen fühlt.

Aber deswegen gleich eine Partei wählen, die sich auf ein totalitäres Herrschaftsmodell beruft? Ich kann mir das nur mit Kränkung, Perspektivenlosigkeit oder schlicht Unverständnis halbwegs verständlich machen.

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Es ist erschreckend, wie in Italien, dann in Amerika Leute sich hinreissen liessen bzw. lassen, statt Personen zu wählen, die demokratisch-soziale Regeln eines grossen Gemeinsamen verfolgen und befolgen, sondern Egomane, die nur ein Ziel haben: Sich selbst zu zelebrieren und zu bewirtschaften - auf Kosten des Volkes, auf Kosten der ärmeren Teile des Volkes. Leute lernen offenbar selten aus der Geschichte. Solche Leute zu wählen, hat für mich eine kryptosuizidale Neigung.

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Vielen Dank für diese Analyse. War für mich in mancher Hinsicht sehr aufschlussreich. Vermisst habe ich das Problem der Korruption in Italien. Diese erlebe ich als dominantes Thema in Gesprächen in Italien. Die Meinung, "wir zahlen Steuern und erhalten nichts dafür zurück" scheint mir von links bis rechts weit verbreitet. Das kann dann auch dazu führen, dass jede Partei gewählt wird, die weniger korrupt scheint. Seien es früher die Lega, 5 Stelle oder jetzt die Fratelli.

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Man(n) und Frau könnte sich fragen, ob es nicht eine Errungenschaft des Feminismus ist, dass es auch einen faschistischen Feminismus geben kann. Warum nicht?

Der Differenzfeminismus, der auf ein unterschiedliches Wesen der Frau abstellte, setzt sein besonderes Augenmerk auf die Reproduktionsfähigkeit der Frau. Die Frau ist Mutter. Frauen haben ganz eigene Charaktereigenschaften und Tugenden. Sie ist fürsorglicher, einfühlsamer, kommunikativer, beschützender... Im Ökofeminismus hat sie ein besseres, unmittelbares Verhältnis zur Natur und kann diese deshalb besser schützen.

Und so verbindet sich der Ökofeminismus mit dem Ökofaschismus, der Kinder (also letztlich alle) und die Natur mit mütterlicher Macht vor fremden, zerstörerischen Mächten schützen will.

Ich habe gelesen, dass Meloni Tolkien-Fan ist, was in gewisser Weise passen würde, auch wenn sie ihm mit ihrer Fehlinterpretation (und die der Medien) einen Bärendienst erweist.

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(durch User zurückgezogen)