Sie kämpfen für einen Gottesstaat USA
Christlicher Faschismus, weisse Vorherrschaft und Verbindungen zu Milizen: Am Vorabend der Zwischenwahlen geben bei den Republikanern Radikale den Ton an.
Von Annika Brockschmidt und Thomas Lecaque (Text) und Mark Peterson/Redux/laif (Bilder), 21.09.2022
Wer die heutige Republikanische Partei betrachtet, dem dürfte es schwerfallen, sie mit einer Episode von 2019 in Verbindung zu bringen. Damals schloss sie einen ihrer gewählten Abgeordneten im Repräsentantenhaus namens Steve King wegen seiner Äusserungen von allen gesetzgebenden Komitees aus.
«Weisser Nationalismus, weisse Vorherrschaft, westliche Zivilisation – wie konnte diese Sprache bloss anstössig werden? (…) Warum sass ich denn in Schullektionen, um die Verdienste unserer Geschichte und unserer Zivilisation zu lernen?»
Nur drei Jahre später ist das nicht mehr vorstellbar. Heute würden Bemerkungen wie diejenigen Kings, derentwegen er letztlich seinen Platz im Kongress verlor, kaum mehr als ein Achselzucken bei seinen Kolleginnen hervorrufen, geschweige denn ein Quasi-Exil aus der Partei. Zwar war auch 2019 der Trumpismus bereits ein grundlegender Bestandteil der Republikanischen Partei, aber bestimmte rote Linien zu offen extremistischen Ideologien waren noch vorhanden.
Die Radikalisierung der Republikanischen Partei ist seither mit atemberaubender Geschwindigkeit vorangeschritten: 2020 versuchte die Mehrheit ihrer Vertreterinnen im Kongress, das rechtmässige Ergebnis der Präsidentschaftswahl zu kippen, der republikanische Präsident initiierte einen gewaltsamen Staatsstreich und blieb trotzdem – oder gerade deswegen – die Nummer eins in seiner Partei. Seitdem haben einzelne Republikaner Gewalt gegen Regierungsbeamte befürwortet, während gewaltfördernde Verschwörungstheorien wie The Great Replacement im Fernsehen verbreitet werden. Der Faschismus hat Zulauf in den Vereinigten Staaten – mehr und schneller als jemals zuvor in den letzten siebzig Jahren.
Der Aufstieg des christlichen Faschismus
Wer sich fragt, wie der amerikanische Faschismus im Jahr 2022 aussieht, sollte den Blick nach Pennsylvania richten. Der dortige republikanische Kandidat für den Gouverneursposten heisst Doug Mastriano und verkörpert einen der gefährlichsten und immer rascher um sich greifenden Trends in der Republikanischen Partei – und im weiteren Sinne der amerikanischen Rechten.
Mastrianos Welt ist geprägt von der Idee einer christlichen Vorherrschaft, von Gewalt, offenem Faschismus und weissem christlichem Nationalismus. Hinter Letzterem verbirgt sich die Vorstellung, dass das Land von weissen Christen für weisse Christen gegründet worden sei und diese Bevölkerungsgruppe deshalb auch über die politischen und kulturellen Geschicke der Nation zu entscheiden habe.
Mastriano pflegt ausserdem Kontakt zu theologischen Strömungen, die zwar schon vor Jahren in der amerikanischen politischen Rechten aktiv waren – aber damals noch verborgen hinter den Kulissen. Mainstream-Rechte wie Rick Perry, der spätere Energieminister unter Donald Trump, versuchten vor einem Jahrzehnt in der Regel noch, ihre Verbindungen zu entsprechenden Gruppen bedeckt zu halten. Doch diese Zeit relativer Zurückhaltung in der Öffentlichkeit ist definitiv vorbei, und Mastriano ist ein leuchtendes Beispiel für den Aufstieg des amerikanischen christlichen Faschismus im 21. Jahrhundert.
Er hängt, wie viele der extremen Rechten, Verschwörungsmythen an und hat Verbindungen zu QAnon – einer radikalen Verschwörungserzählung, die Demokraten als Teufelsanbeter, von Dämonen besessene Pädophile darstellt, die Kinder sexuell missbrauchen. Mastriano twitterte mindestens 50 Mal Inhalte, die QAnon zugeschrieben werden (die gelöscht wurden, nachdem die Organisation Media Matters über die Tweets berichtet hatte), und trat an QAnon-Veranstaltungen auf.
Seine Verbindungen ins rechtsextreme Milieu führen auch zu aggressiven Antisemiten. Mastriano zahlte Gab – einem Social-Media-Zufluchtsort für Extremisten – 5000 Dollar für Beratungsdienste in seinem Wahlkampf. Der Gründer von Gab, Andrew Torba, ist ein extremer christlicher Nationalist,
Torba macht daraus keinen Hehl. Über den konservativen Kommentator Ben Shapiro – der Jude ist – sagte er: «Wir wollen keine Menschen, die Atheisten sind. Wir wollen keine Juden. Wir wollen keine Menschen, die Ungläubige, Agnostiker oder was auch immer sind. Dies ist eine ausdrücklich christliche Bewegung, weil dies ein ausdrücklich christliches Land ist.» Weiter sagte er: «Ben Shapiro ist in der Bewegung nicht willkommen, es sei denn, er tut Busse und akzeptiert Jesus Christus als seinen Herrn und Retter.»
Mastriano löschte zwar sein Gab-Konto, nachdem mehrere Medien begonnen hatten, über die Kontroverse zu berichten, aber distanzierte sich nicht explizit von Torbas Äusserungen. Er verbreitet zudem, wie viele in der Rechten, Verschwörungstheorien über den jüdischen Milliardär George Soros. Mastriano brachte im Wahlkampf auch seinen demokratischen Gegner Josh Shapiro (nicht verwandt mit Ben Shapiro), der ebenfalls jüdisch ist, wiederholt mit Soros in Verbindung, auch wenn längst widerlegt ist, dass eine solche Verbindung existiert.
Wie radikale Ideen im Mainstream ankommen
QAnon-Kandidaten sind zum Standard bei republikanischen Vorwahlen geworden. Sie gewinnen vielleicht nicht, aber ihre Ideen sickern mehr und mehr in den Mainstream ein.
Hierbei handelt es sich um eine über Jahrzehnte erfolgreich verfolgte Strategie der extremen Rechten: Sie stellt Kandidatinnen auf, die durch ihre extremen Positionen polarisieren und zwar die Wahl verlieren, aber durch ihre Debatten mit dem Partei-Establishment radikales Gedankengut in den Mainstream bringen. Das lässt sich auch bei Mastriano beobachten, der gemäss aktuellen Umfragen nur rund zehn Prozentpunkte hinter seinem demokratischen Gegner liegt – bemerkenswert, wenn man die Radikalität seiner politischen Überzeugungen betrachtet. Mastriano hat noch bis zum 8. November Zeit, die Lücke zu schliessen – dann finden die Zwischenwahlen für den Kongress und die Gouverneurswahl in Pennsylvania statt.
Mastriano ist durch und durch ein weisser christlicher Nationalist – auch wenn er selbst den Begriff noch nicht verwendet hat, um sich zu beschreiben. Aber er benutzt das Vokabular des weissen christlichen Nationalismus und wirbt für dessen Ideen – wie die Christian Supremacy: In einem Interview mit einem konservativen Radiosender im Jahr 2018 behauptete Mastriano, der Islam sei nicht mit der amerikanischen Verfassung vereinbar: «Die Verfassung basiert auf jüdisch-christlichen Werten und ist nur mit dieser Weltanschauung vereinbar», sagte er. «Weisst du was? Nicht alle Religionen sind gleich geschaffen.»
Dies ist nicht seine einzige islamfeindliche Äusserung, aber sie bietet einen Einblick in die dahinterstehende Weltanschauung: Das Christentum muss in der Gesellschaft in einer privilegierten Position existieren – und zwar ein rechtes, reaktionäres Christentum.
Diese Grundannahme wendet Mastriano auf alle Bereiche der amerikanischen Politik an – als Senator in Pennsylvania unterzeichnete er beispielsweise die «Penn-Proklamation für Frieden und Einheit», einschliesslich der Zeile: «William Penn warnte: ‹Wenn du gut regieren willst, musst du für Gott regieren, und um das zu tun, musst du von ihm regiert werden.› Menschen müssen von Gott regiert werden, oder sie werden von Tyrannen regiert.»
Christliche Gesetze – notfalls durch Gewalt
Mastriano und seine Mitunterzeichnerinnen wollen die Trennung von Kirche und Staat aufheben. Seine Unterstützer kommen aus den Reihen radikaler theologischer Strömungen: Eine Gruppe namens Pennsylvania for Christ, die «das Reich Gottes in Pennsylvania wiederherstellen» möchte, hat sich für Mastriano ausgesprochen, um genau das zu tun – Pennsylvania wieder für Gott «zurückzugewinnen». Mastriano trat auf einer ihrer Veranstaltungen auf.
Das ist der zentrale Kern von Mastrianos Weltanschauung: Er glaubt daran, die Vorstellung von Amerika als christlicher Nation in Gesetzesform zu giessen – ein Amerika mit christlichen Gesetzen. Diese Überzeugung ist das Herzstück des weissen christlichen Nationalismus: dass das Land von und für weisse christliche Männer gegründet wurde und diese in Freiheit leben sollten. Dazu gehört auch die Freiheit, ihre Gesetze anderen aufzuzwingen, notfalls durch göttlich sanktionierte Gewalt – was die Soziologen Samuel Perry und Phil Gorski die «Heilige Dreifaltigkeit des weissen christlichen Nationalismus» nennen.
Angewandt auf die politische Gegenwart, bedeutete das 2020, dass Mastriano und seine Verbündeten sich dafür aussprachen, die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl nicht anzuerkennen – und zur Not durch Gewalt dafür zu sorgen, dass Joe Biden nicht Präsident würde. Eric Metaxas, ein rechtsgerichteter evangelikaler Radiomoderator, hatte verkündet: «Wir müssen bis zum Tod kämpfen, bis zum letzten Blutstropfen, weil es sich lohnt.» Mastriano stimmte ihm zu und nannte seine Bemühungen, die Wahlen 2020 zu kippen, einen «Todeskampf mit der Demokratischen Partei».
Mastrianos gewalttätige Rhetorik geht teilweise noch über das hinaus, was zum alltäglichen christlichen Nationalismus in der zeitgenössischen Republikanischen Partei geworden ist. Er liess seinen Worten Taten folgen und war einer der Redner bei der Kundgebung des «Jericho March» am 12. Dezember 2020. Dabei handelte es sich um einen von zahlreichen «Jericho Marches». Diese sind inspiriert von der biblischen Passage aus dem Buch Josua 6, 20–21. Sie führten um das US-Kapitol, den Obersten Gerichtshof und das Justizministerium – in einer Generalprobe für ähnliche Märsche, die am 5. und 6. Januar 2021 stattfanden.
Sogar bei der Erstürmung des US-Kapitols am 6. Januar war Mastriano anwesend, sein Wahlkampfteam brachte Trump-Anhänger mit Bussen zur «Stop the Steal»-Kundgebung. Neben seiner persönlichen Beteiligung am versuchten Staatsstreich hat Mastriano auch Verbindungen zu rechten Milizen – im Juli 2020 erschien er bei einer grossen Milizversammlung in Gettysburg.
Doch damit nicht genug: Zu seinem Sicherheitspersonal zählen Mitglieder der evangelischen Kirche Lifegate Church, darunter Scott Nagle, ein regionaler Anführer der Oath Keepers, einer Gruppe, die massgeblich am Sturm auf das Kapitol am 6. Januar beteiligt war. Auch hier ist Mastriano einer von vielen in einem beunruhigenden Trend: Immer mehr rechtsextreme republikanische Kandidaten werden offen durch radikale Milizen unterstützt.
Gottes Regierung auf Erden
In der Republikanischen Partei ist Mastriano nicht allein mit seiner Forderung nach Aufhebung der Trennung von Kirche und Staat. Hinter solchen Rufen steckt das Mainstreaming zweier theologischer Ideen: die des Dominionismus, mit dem fundamentalistische Christen einen Gottesstaat errichten wollen, und die der «geistlichen Kriegsführung».
Weisser christlicher Nationalismus sei eine Art abgeschwächter Dominionismus, erklärt der Rechtsextremismus-Forscher Frederick Clarkson. Der Dominionismus wiederum entwickelte sich aus R. J. Rushdoonys «christlichem Rekonstruktionismus» der 1960er- und 1970er-Jahre. Rushdoonys Theologie forderte die Umsetzung biblischer Gesetze, was die Steinigung von Schwulen und von widerspenstigen Kindern zur Folge hätte.
Aufgrund seiner brutalen Forderungen wurde der Rekonstruktionismus lange als Randerscheinung angesehen, aber einige von Rushdoonys Ideen wurden im Laufe der Jahre in evangelikalen Kreisen etabliert, wie die Religionswissenschaftlerin Julie Ingersoll sagt. In den letzten Jahrzehnten, so Ingersoll, zeigte sich vermehrt der «allmähliche und subtile Einfluss von Rushdoonys Werk in der breiteren Gesellschaft, an Orten, an denen sein Name völlig unbekannt ist».
Ein Beispiel: Der Begriff «Regierungsschulen», der im Mainstream-Konservatismus weitverbreitet ist, um öffentliche Schulen als Horte «säkularer Indoktrination» zu diskreditieren, wurde von Rushdoony geprägt. Mitglieder von Mastrianos Wahlkampfteam äussern sich auf Social Media offen dominionistisch.
Und auch David Barton, der populärste Pseudohistoriker der religiösen Rechten, der auch ein Liebling der Republikanischen Partei ist, ist ein Dominionist. Bei einer Veranstaltung seiner Organisation für Pastoren namens «Watchmen on the Wall» schworen deren Mitglieder kürzlich:
Wir, die Kirche, sind Gottes Regierung auf Erden (…) wir haben vom Himmel gesetzgebende Macht erhalten und werden unsere Machtbefugnis anwenden (…) Wir verordnen, dass die Gerichte Urteile fällen, die biblisch und verfassungstreu sind.
Die Folgen dieser Ideologie sind weitreichend: Bartons Pseudo-Geschichte formt in weiten Teilen die ideologische Basis und Legitimationsgrundlage der Forderungen der heutigen Republikanischen Partei. Der moderne Zweig der Theologie, der sich aus Rushdoonys Rekonstruktionismus entwickelt hat und dem auch Barton zuzuordnen ist, ist der sogenannte «7-Berge-Dominionismus», in dem Gott die Christen dazu aufruft, die Herrschaft – dominion – über die «sieben Berge» des öffentlichen Lebens zu errichten: Regierung, Wirtschaft, Bildung, Familie, Religion, Kunst und Unterhaltung sowie die Medien.
Keine Kompromisse im Kampf gegen Dämonen
Eine weitere zunehmend einflussreiche dominionistische Bewegung ist die New Apostolic Reformation. «Diese lehrt, dass neuzeitliche Apostel und Propheten Prophezeiungen von Gott erhalten und berufen sind, die Herrschaft über weltliche Institutionen zu übernehmen», wie die Journalistin Sarah Posner analysiert. Die Bewegung ist vor allem den Pfingstkirchen und charismatischen Strömungen zuzuordnen, in denen der Heilige Geist und seine «Geschenke» – wie das Sprechen in Zungen – eine zentrale Rolle spielen.
Mastriano ist auf Wahlkampf-Events mit «Prophetin» Julie Green aufgetreten, die eine Vertreterin der New Apostolic Reformation ist. Sie behauptet, Nancy Pelosi, die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, trinke Kinderblut und es werde zu «politischen Hinrichtungen» kommen. Mastriano ist nicht der einzige Republikaner, der sich mit Vertreterinnen der New Apostolic Reformation sehen lässt: Auch der Gouverneur von Mississippi, Tate Reeves, tritt auf deren Events auf.
Die New Apostolic Reformation nimmt zunehmend Schwung auf, und die Trump-Präsidentschaft hat einige ihrer Führer und Verbündeten in den Mainstream der Republikanischen Partei gehoben. Mit sich brachten sie eine martialische Rhetorik und eine manichäische Weltanschauung: In einer Welt, die auf einen endzeitlichen Kampf zwischen den Kräften Gottes und des Teufels zusteuert, darf es keine Kompromisse mit politischen Gegnerinnen geben. Lance Wallnau, eines der prominentesten Gesichter der New Apostolic Reformation, hat die Demokraten als «dämonisch» bezeichnet – und schliesst damit nahtlos an Mastriano und seine Verbündeten an.
Mastriano hat unter dem gemeinsamen Banner des weissen christlichen Nationalismus – der je nach Radikalität starke Überschneidungen mit dem Dominionismus hat – auch Verbindungen zu anderen extremen religiösen Bewegungen und Gruppen geknüpft. Wie viele andere Persönlichkeiten des rechten Flügels in Pennsylvania war Doug Mastriano Ehrengast bei einer Veranstaltung von Rod of Iron Ministries, einem Ableger der Vereinigungskirche.
Das Sturmgewehr im Gottesdienst
Die von Pastor Sean Hyung Moon gegründete Kirche – besser bekannt als Moonies – gilt als Sekte. Auch wenn sie nicht im klassischen Sinne christlich ist, ist die Vereinigungskirche seit Jahrzehnten ein extrem wichtiger Geldgeber der religiösen und politischen Rechten der USA – zuletzt traten Donald Trump wie auch der ermordete japanische Politiker Shinzo Abe bei einer Veranstaltung zu 9/11 auf, die von der Kirche abgehalten wurde. Zu weiteren gern gesehenen prominenten Rednern auf ihren Veranstaltungen zählen Ex-Aussenminister Mike Pompeo und Ex-Vizepräsident Mike Pence, in den 1990er-Jahren war Bush Senior zu Gast.
Rod of Iron Ministries ist bekannt dafür, das AR-15 – ein Nachahmungsmodell des primären Sturmgewehrs der US-Armee – in ihrer Liturgie zu verwenden. Sie behauptet, das Gewehr entspreche dem «Eisenstab» aus Psalm 2,9 und Offenbarung 2,27.
Die Kirche ist ebenfalls mit QAnon und verschiedenen anderen rechtsextremen Verschwörungstheorien verbunden, ebenso wie mit der christlich-nationalistischen Idee des Black Robed Regiment. Dabei handelt es sich um eine Gruppe, die sich in Anlehnung an eine missverstandene revolutionäre Idee geformt hat, um die säkulare Regierung zu stürzen und damit das Christentum wieder ins Zentrum der amerikanischen Politik zu stellen.
Das «Freedom Festival» von Rod of Iron Ministries vereinte rechtsextreme Redner mit extremistischen Predigern, gemischt mit Waffenshow und Schiessstand. In der Vergangenheit traten auch die Trump-Söhne Eric und Donald Jr. bei Rod-of-Iron-Veranstaltungen auf – ebenso Steve Bannon, der Verschwörungstheoretiker Sebastian Gorka und der faschistoide Gründer der rechtsextremen Gruppierung Patriot Prayer Joey Gibson sowie zahlreiche andere Figuren der modernen Rechten.
Die Anhängerinnen der New Apostolic Reformation rücken ausserdem die «geistliche Kriegsführung» in den Vordergrund ihrer Glaubensausübung. Sie glauben, dass sich rechtgläubige Christen in einem permanenten Krieg mit dämonischen Kräften befinden – nicht im übertragenen Sinne, sondern in einem wortwörtlichen ständigen Gefecht mit den Mächten des Teufels.
Diese Kriegsführung wird auf verschiedenen Ebenen betrieben – von der persönlichen bis zur institutionellen. Denn nach dieser Vorstellung können nicht nur Menschen von Dämonen besessen sein, sondern auch Gebäude und Institutionen. Vor diesem Hintergrund sind die bereits erwähnten «Jericho Marches» zu verstehen – und die Zerstörung, die die Eindringlinge im Kapitol anrichteten. Denn das Kapitol war ihrer Ansicht nach längst entweiht worden und von dämonischen Kräften besetzt. Aber auch die LGBTQIA+-Community, Abtreibungskliniken und die Demokratische Partei werden als von Dämonen besessen angesehen.
Auch hier wird das Mainstreaming dieser radikalen theologischen Strömung erkennbar: Doug Mastriano trat im August 2022 gemeinsam mit dem potenziellen republikanischen Präsidentschaftskandidaten Ron DeSantis in Pittsburgh auf. Mastriano hatte schon früher für DeSantis Wahlkampf gemacht und nennt den autoritären Gouverneur Floridas sein Vorbild. Mastriano versprach seinen potenziellen Wählern: «Wenn Sie einen Ron DeSantis in Pennsylvania haben wollen, bin ich Ihr Typ.»
Bei der Wahlkampfveranstaltung war nicht nur der mittlerweile offen zur Schau getragene Faschismus der amerikanischen Rechten und weiter Teile der Republikanischen Partei deutlich zu erkennen, sondern auch der Einfluss, den Konzepte wie der Dominionismus und die «geistliche Kriegsführung» über Denominationen beziehungsweise Konfessionen hinweg haben. DeSantis, selbst Katholik, zitierte eine Bibelstelle, die als populäre Referenz für «geistliche Kriegsführung» gilt, Epheser 6,11: «Zieht die Rüstung Gottes an, damit ihr den listigen Anschlägen des Teufels widerstehen könnt.»
DeSantis gab dem Ganzen seinen eigenen politischen Spin:
Du musst bereit sein für den Kampf. Leg also die volle Rüstung Gottes an, stell dich gegen die Ränkeschmiede der Linken, stehe fest mit dem Gürtel der Wahrheit, der um deine Taille geschnallt ist. Du wirst Feuer von flammenden Pfeilen begegnen, aber der Schild des Glaubens wird dich beschützen.
DeSantis bekam stehende Ovationen – und begeisterte Unterstützung von dem evangelikalen Faschisten Sean Feucht, mit dem er bereits aufgetreten ist.
Dass nicht nur Politikerinnen wie Lauren Boebert und Marjorie Taylor Greene, die gerne als rechte Randfiguren gesehen werden, derartige Konzepte zur Hand nehmen, sondern auch Trumps möglicher Nachfolger DeSantis, der von konservativen Kommentatoren wie David Frum gerade als die «vernünftige» Alternative zu Trump verharmlost wird, ist bezeichnend.
Hinter ihnen steht eine Maschinerie rechter Organisationen und Thinktanks, die längst dominionistische Rhetorik übernommen haben. Sie organisieren die Fusssoldaten, die die USA für Gott «zurückgewinnen» sollen. Mastriano und seine Parteifreunde zeigen den Weg, den die Republikanische Partei im Jahr 2022 eingeschlagen hat: den eines amerikanischen, christlichen Faschismus, der sich rasend schnell radikalisiert.
Annika Brockschmidt ist studierte Historikerin und Konfliktforscherin und arbeitet als Journalistin, Autorin und Podcasterin. Sie befasst sich vor allem mit der religiösen und politischen Rechten in den USA. 2021 erschien ihr Buch «Amerikas Gotteskrieger. Wie die Religiöse Rechte die Demokratie gefährdet».
Historiker Thomas Lecaque ist Professor an der Grand View University in Iowa. Sein Spezialgebiet ist apokalyptische Religion und politische Gewalt von den Kreuzzügen bis heute. Er schreibt unter anderem für die «Washington Post», «Foreign Policy» und «The Bulwark».