«Es klingt, wie sich das Leben anhören soll»
Ezra Furman sang einst über Sonnenbrillen, heute schreibt sie Hymnen für die Unterdrückten. Seit 2021 lebt sie offen als Transfrau. Ein Gespräch über das Hadern mit der eigenen Stimme und Songs, die sich anhören wie Gebete.
Von Theresa Hein (Text) und Kate Peters (Bilder), 23.08.2022
Ezra Furman ist 35 Jahre alt und hat schon mehrere Karrieren hinter sich: Als Frontmann (damals noch) nahm er mit der Indieband Ezra Furman and the Harpoons kleinere Hits auf, als Solo-Singer-Songwriter, der seine innere Zerrissenheit vertonte, wurde er von der Kritik bejubelt. Für die erfolgreiche Netflix-Serie «Sex Education» schrieb Furman grosse Teile des Soundtracks.
Vor einem Jahr hatte Ezra Furman ihr Coming-out als bisexuelle Transfrau. Sie eröffnete ihren Instagram-Followern, Mutter eines Kindes zu sein, woraufhin sie einerseits viel Rückhalt aus ihrer Fangemeinde erhielt und andererseits massiven transfeindlichen Anfeindungen im Netz ausgesetzt war. (Schon etwas vor dieser Zeit verwendete Furman die Pronomen «sie» und «ihr».) Furmans neues Album «All of Us Flames», das die Musikrichtungen Indie, Gospel, Soul und Folk vereint und eine Art apokalyptischen Roadtrip durch Amerika bildet, erscheint diesen Freitag.
In Boston ist es neun Uhr morgens, als ich Ezra Furman anrufe. Furman trägt ein olivgrünes T-Shirt, unter dem rote BH-Träger hervorblitzen. Ihr Lidstrich ist akkurat gezogen, die oft knallrot angemalten Lippen sind heute ungeschminkt. Aus einer grossen Tasse mit einem gelben Traktor und einem dicken John-Deere-Schriftzug trinkt sie schwarzen Kaffee. Während des Gesprächs macht Furman lange Pausen und überlegt genau, welche Worte sie wählen will. Ezra Furman, können wir uns den Smalltalk sparen und gleich zum deep shit kommen? Sie lacht. Okay.
Als eine Transfrau, als Mutter, als jemand, die mit ihrer mentalen Gesundheit kämpft und als strenggläubige Jüdin: Fühlen Sie sich gerade sicher in den USA?
Sicher? (lacht und schnaubt zugleich) Na ja, auf eine gewisse Art und Weise ist das die Grundfrage, die sich durch meine Arbeit zieht, die Frage nach Sicherheit. Wir können uns vielleicht nicht so sicher fühlen, wie wir immer dachten. Die Frage nach Sicherheit ist von einer Vielzahl von Dingen beeinflusst und stellt sich noch stärker, seit ich als gender-nonkonform in der Öffentlichkeit stehe. Das ist manchmal eine erschütternde Erfahrung. Ich werde in der Öffentlichkeit belästigt. Fremde Menschen starren mich an, schreien mich an.
Wann ist Ihnen so etwas das letzte Mal passiert?
Also, ganz normale sexuelle Belästigung, das passiert eigentlich jeden Tag, wenn ich auf die Strasse gehe. Oder vielleicht nicht jeden Tag, aber du hast als Transfrau doch täglich Anlass, ein bisschen paranoid zu sein. Wenn du über die Strasse gehst, hast du immer einen Grund, anzunehmen, dass jemand, der dich ansieht, mindestens von dir angeekelt sein könnte – oder sich gleich ganz offen feindselig äussern oder verhalten könnte. Aber das gilt wahrscheinlich für alle Frauen. In den USA ist die Frage nach Sicherheit noch verschärft durch die Polizeigewalt im vergangenen Jahrzehnt. Zudem ging die nationale Politik in eine immer verstörendere Richtung, mit der extremen Rechten und D. J. Trump. Der ist für mich wirklich ein bisschen wie ein DJ: Er spielt einen Song so lange, wie er sich davon unterhalten fühlt, und tanzt dazu. Nur dass es ein Tanz aus Angst und Hass ist, und das bereitet ihm Vergnügen.
Auch nach Trump konnte man in den USA eine beängstigende Menge an rassistischen, homophoben und antisemitischen Attentaten beobachten, erst kürzlich wurden landesweit die Frauenrechte aktiv beschnitten.
(denkt lange nach) Die Angst ist hier wie ein sich ausdehnender Faden, der sich durch das tägliche Leben zieht. Neuerdings zeigt sich auch, dass zwischenmenschliche Spannungen, die es immer schon gab, ihren Weg in die Gesetzgebung gefunden haben und jetzt in der Politik explodieren. Wir müssen begreifen, was diese kleinen zwischenmenschlichen Dinge bedeuten und auslösen können. Sie können sich akkumulieren zu etwas Schrecklichem, das vielleicht am Ende die menschliche Zivilisation auslöscht, wie zum Beispiel der Klimawandel – im Worst-Case-Szenario. Wir müssen lernen, das zu verstehen. Für mich ist das beinahe eine religiöse Aufgabe.
Ihr neues Album strotzt nur so vor dem Willen, den Status quo zu verändern. Wie haben Sie sich aus der Schockstarre gelöst?
Das Album ist vor allem 2020 entstanden, manche Songs etwas früher. Seit meinem Album «Transangelic Exodus» versuche ich, weniger meine eigenen emotionalen und spirituellen Probleme zu verarbeiten, als vielmehr herauszuzoomen, das gesellschaftliche Gesamtbild zu beleuchten. Schon vor dem Mord an George Floyd habe ich einen Song über Polizeigewalt verfasst, 2014. «Ferguson Burning», den gibt es auf Youtube. Das hört sich vielleicht jetzt ein bisschen prätentiös an, aber man will ja auch etwas bewirken als Künstlerin. Angefangen hat es bei mir, glaube ich, zeitgleich mit den Gefühlen Angst und Hoffnung. Oder sagen wir, Angst und Solidarität. Das hat sich dann weiterentwickelt zu Panik und Zorn. 2019 habe ich deswegen diese wütende Platte herausgebracht.
Das Album «Twelve Nudes», ein reines Punk-Album.
Genau, und das neue Album ist wiederum eine Weiterentwicklung. Es ist aus der Erkenntnis heraus entstanden: Du kannst nicht die ganze Zeit die Alarmglocke voll aufgedreht haben. So kann man nicht leben. Wir müssen aber lernen, in der Krise zu leben, und zwar vermutlich ziemlich lange. Also habe ich mich gefragt: Wie soll dieses Leben aussehen? Klar, wir müssen Aufstände organisieren, wir müssen uns abhärten. Aber wir müssen auch aufeinander aufpassen. Und davon handelt das neue Album hauptsächlich, von der Sorge, die wir füreinander tragen müssten.
Macht die Menschheit in dieser Hinsicht Rückschritte?
Na ja, wir sind ja dann doch ganz schön viele. Ich glaube, wir machen Schritte in jede Richtung. Aber ich stehe der Idee des Fortschrittsglaubens schon lange ziemlich skeptisch gegenüber. Hauptsächlich, weil ich das Gefühl habe, immer, wenn Leute den Fortschritt loben oder sich am Fortschritt erfreuen, vergessen sie einen ganz wichtigen Punkt, nämlich: Alles, was als grossartiger, weitreichender Fortschritt gefeiert wird, wird einige ärmere Menschen zurücklassen, im schlimmsten Fall sterben lassen. Und das gefällt mir nicht. Darüber muss ich die ganze Zeit nachdenken, wenn wir uns mal wieder gegenseitig auf die Schulter klopfen.
Die Stilrichtungen auf Ihrem neuen Album reichen in alle Richtungen, von klagendem Soul über hoffnungsvollen Gospel zu aufrührerischem Punk und erzählendem Folk. Ist dieser Stilmix eine emotionale Innenschau?
Ah, sehr viel davon habe ich meiner Band zu verdanken. Ich gebe halt die Interviews, weil die anderen keine Lust darauf haben. Geschrieben habe ich die Songs aber zunächst allein, das stimmt. 2020 war das Jahr, in dem man keine Musik mit anderen machen konnte, kaum andere Menschen ausser der eigenen Familie gesehen hat. Ich habe während dieser Zeit eine Menge klassischer Songwriter angehört, vor allem die Silver Jews und David Berman, aber auch 60er-Jahre Girlgroups wie die Shangri-Las. Und Bob Dylan, ich wurde ein bisschen besessen von seinem 1989er-Album, «Oh Mercy». Da hat er auf einmal mit dieser Stimme eines Erwachsenen gesungen, eines Menschen, der der Welt überdrüssig ist. Mein Drummer, der wahnsinnig auf verzerrte Gitarren steht und mit dem ich auch zwei Songs geschrieben habe, hat mich ebenfalls sehr beeinflusst. Und als wir dann mit der Band im Studio waren, wurde es noch mal ganz anders. Worauf ich aber bestanden habe, waren eine Menge Keyboards und verträumte Orgeln.
Ein bisschen klingt das Album auch wie ein Roadtrip durch die USA, Sie singen von verschiedenen Autos, Mitfahrgelegenheiten, Sex am Strassenrand, Dinern.
Ich hab Ihnen ja auch etwas noch nicht verraten: Ich habe einen Grossteil des Albums im Auto geschrieben. Während das Leben aussenrum still und langweilig war, war es bei mir zu Hause 2020 alles andere als still und langweilig. Es war viel zu voll. Und wann immer ich mich von elterlichen Pflichten befreien konnte, habe ich meine Gitarre und ein Notizbuch eingepackt und mich ins Auto gesetzt. Dann bin ich an irgendeinen Ort gefahren, den ich noch nicht kannte und an dem ich nicht zu viel von der Zivilisation mitbekommen habe. Irgendwohin, wo ich das Gefühl hatte, ich sei da allein, an einem Teich oder Wald. Deswegen wahrscheinlich dieses Roadtrip-Gefühl. Eine Menge meiner Träume finden auch in Fahrzeugen statt, mein Unterbewusstsein bewegt sich von Ort zu Ort.
Sie haben seit drei Jahren ein Kind und leben jetzt offen als transsexuelle Frau. Würden Sie sagen, Sie sind jetzt angekommen im Leben?
(entsetzt) Angekommen? Oh, honey, ankommen ist der Tod! Mir gefällt die Vorstellung, ich hätte mich gerade erst eingeschifft und sei aufgebrochen. Aber es stimmt schon, auf eine gewisse Art habe ich etwas zurückgelassen, und zwar eine ziemlich schmerzhafte Welt. Mich selbst als Transfrau anzuerkennen, war für mich eine grosse Sache. Es hat alles verändert. Ich dachte ja auch, ich sei schon lange «out». Und ja, ich hatte zwar mein offizielles Coming-out 2021 im Frühjahr, aber die Menschen, die mich kannten, hat das nicht überrascht. Wesentlich beängstigender war es für mich, dem Internet zu erzählen, dass ich ein Kind habe. Ich wollte eigentlich gar nicht hören, was irgendjemand dazu zu sagen hat.
Waren die Reaktionen so, wie Sie es erwartet hatten?
Überhaupt nicht. Diese Nachricht, das sollte eigentlich nur ein Post für Leute sein, die mir auf Instagram folgen. Aber der Post ist dann von Newsseiten aufgegriffen und vervielfältigt worden. Ich verstehe das immer noch nicht ganz, aber ich muss irgendeine Clickbaitformel geknackt haben. Jedenfalls war der Post dann auf CNN und Fox News, beim Magazin «People» – überall. Und ich dachte: «O Gott, wer bin ich denn? Ich bin doch nicht Julia Roberts.» Das hat mich ganz schön durcheinandergebracht. Ohne meine Erlaubnis wurde das vor Millionen Menschen wiederholt, wirklich Millionen. Es ergoss sich ein Wasserfall an transphoben Reaktionen über mich, von Evangelikalen zum Beispiel, schreckliche Sachen. (zögert) Ich kann das gar nicht wiederholen.
Aber es gab ja auch einen Grund, warum Sie sich dazu entschieden hatten.
Natürlich waren da auch die Menschen, die mich inspiriert und unterstützt haben. Deswegen hatte ich ja überhaupt darüber geschrieben, dass ich Mutter geworden war. Ich wollte zeigen, hey, das ist möglich. Ich hatte noch nie von einer Transperson mit einem Kind gehört, noch nie ein Bild gesehen von einer Transfrau als Mutter. Nicht zu sehen, was für eine mögliche Zukunft wir haben könnten, macht uns hilflos, und wir sehen dann keinen Ausweg. Ich übertreibe nicht, viele Transmenschen bringen sich tatsächlich aus Hoffnungslosigkeit um. Und ich dachte: Führen wir das den Menschen doch mal vor Augen, dass Muttersein eine Option ist. Zeigen wir ihnen, dass es geht. Aber ich hatte nicht damit gerechnet, wie viele Augen das dann erreichen würde und wessen Augen. Danach habe ich auch verstanden, dass ich es mir schon ein wenig selbst angetan habe, dieses Spiel.
Von was für einem Spiel sprechen Sie?
Das Spiel geht so: Wenn ich den Bullshit überstehe, habe ich gewonnen. Ein hartes, ein selbstbestrafendes Spiel.
Haben Sie daraus eine Lehre für sich gezogen?
Sichtbarkeit ist wichtig. Aber da ist ein Preisschild dran, an der Sichtbarkeit. Ich wünschte, ich müsste dafür nicht bezahlen, aber solange ich dafür bezahlen muss, tue ich das. Solange ich kann. Übrigens ist all das passiert, während wir gerade Demos für das Album aufgenommen haben. Was mich dann wieder in der Herangehensweise beeinflusst hat. Ich dachte, dieses Album muss auch eine Rüstung werden, die sich Transpersonen anlegen können.
In «Book of Our Names» singen Sie davon, sich von feindlichen Kräften loszusagen und sich endlich die Identität zu geben, mit der man leben will. Symbol für diese neue Identität ist der eigene Name. Erzählen Sie mir ein bisschen von dem Song.
Der Song war eine ehrliche Reaktion darauf, Teil einer bedrohten Gemeinschaft zu sein. Ich denke da an Transmenschen, aber auch an Juden, an die Gewalt und die Verluste, die Teil des Erbes sind, mit denen man als Angehörige dieser Gruppen aufwächst. Der Song war aber auch stark beeinflusst von der «Black Lives Matter»-Bewegung. Die Idee des «say their names», die Namen der durch Polizeigewalt getöteten Menschen auszusprechen, wurde 2020 eine Art öffentliches Trauerritual.
Der Titel «Book of Our Names» bezieht sich aber auch auf die Thora, den ersten Teil der hebräischen Bibel, oder?
Ja, das war sozusagen der Ausgangspunkt. Mir fiel auf, dass man im Englischen vom Buch «Exodus» spricht, im Hebräischen heisst es aber Sh’mot, was sich mit «Buch der Namen» übersetzen lässt. Die negative Lesart «Exodus» hat mich dann ins Nachdenken gebracht. Da wurde uns schon wieder weisgemacht, es ginge hauptsächlich um den Auszug aus Ägypten, um Verlust. Aber eigentlich geht es um Identität. Es handelt davon, einer Gesellschaft zu entkommen, die auf Sklaverei gründet, und das ist nur eine Voraussetzung für die wahre Bestimmung: die Anerkennung der individuellen Menschenwürde. Und die beginnt mit dem eigenen Namen. Wenn man das in Verbindung setzt zu der Gesellschaft, in der wir heute leben, würde ich sagen: Ich hoffe, dass wir uns jeden Tag ein bisschen mehr befreien können oder dass wir uns in Richtung Freiheit bewegen. Der Song stellt die Frage, was passieren muss, damit wir dorthin gelangen, welche Veränderungen wir vornehmen müssen, um befreit zu werden, äusserlich und innerlich.
Haben Sie irgendeine Idee, was genau dafür passieren müsste?
Wissen Sie, was meiner Meinung nach viel zu wenig ausprobiert wurde? Der Triumph des Guten über das Böse. (lacht) Ich weiss nicht, vielleicht kann man das so zusammenfassen: Die wichtigste Lehre, die ich aus meinem Glauben ziehe, ist die: Menschen sind ein Abbild Gottes. Das heisst, jeder Mensch ist unersetzlich und unendlich wertvoll. Wenn wir uns gegenseitig mehr nach diesem Prinzip behandeln würden, würde die Welt doch ziemlich anders aussehen.
Einige Ihrer Texte klingen wie Gebete, in der Kombination mit Musik prägen sie sich besonders ein. Woran liegt es, dass die Kombination von Gebet und Musik so eindrücklich wirkt?
Ich weiss zu wenig über das menschliche Gehirn in einem wissenschaftlichen Sinn, um das beantworten zu können. Aber es fühlt sich doch immer wie etwas Spirituelles an, wenn man einen Song singt. Da passieren Dinge, die man nicht immer in Worte fassen kann, etwas, wofür man dann Worte braucht wie «Wunder» oder so. Bob-Dylan-Songs hören sich manchmal an wie Gebete, wahrscheinlich könnte man das aber auch über Kelly-Clarkson-Songs sagen.
Das müssen Sie mir erklären.
Man weiss, der Sinn ihrer Musik besteht darin, dass Teenager auf und ab hüpfen. Aber wenn sie den Refrain singt, zum Beispiel von «Since U Been Gone», dann ist da etwas in diesem Moment, das über die Romantikvorstellung eines 19-Jährigen hinausgeht. Es geht über Worte hinaus. Ich meine, deshalb haben wir doch Musik. Wir wollen, dass aus den Worten mehr wird. Wir haben erfahren, dass Worte uns im Stich lassen, aber Harmonie und Rhythmus bewirken, dass es klingt, wie es sich anhören soll. Wie sich das Leben anhören soll, wie Wahrheit sich anhören soll. Deswegen bin ich ja schliesslich auch Musikerin geworden. Worte auf Papier zu schreiben, das hat mir nicht gereicht. Als Teenager habe ich Geschichten geschrieben, dann mit dem Songschreiben angefangen und festgestellt, dass ich viel mehr Kraft habe, wenn ich die Worte singe.
Dazu hätte ich noch eine sehr persönliche Frage. Sie müssen sie aber nicht beantworten.
Versuchen Sies mal. Ich kenne ja meine Rechte.
Namen kann man ändern, Pronomen kann man ändern. Man kann seine Gedanken verändern, und den Blick auf Dinge ...
... und wachsen!
Ja, wachsen. Den eigenen Körper zu ändern, ist jedoch schwer, die eigene Stimme zu ändern, genauso. Als Musikerin, die sich nicht zuletzt über ihre Stimme ausdrückt, haben Sie je mit Ihrer Stimme gehadert?
Damit, wie sie sich anhört?
Ja.
(macht eine lange Pause) In letzter Zeit, ja. Vor allem in letzter Zeit. Und ich habe ... (macht eine längere Pause) Ich überlege jetzt, wie ehrlich ich sein soll. Die eine Seite von mir wünscht sich manchmal, ich würde singen wie Cat Power. Ich bin keine grossartige Sängerin, wissen Sie? Ich meine, ich versuche, nicht zu hart mit mir zu sein, aber ich kenne auch meine Grenzen. Aber ich mochte auch immer schon Punksänger oder Menschen mit sehr einprägsamen und emotionalen Stimmen. Ich habe sie anderen Sängerinnen, die man vielleicht virtuos nennen würde, sogar vorgezogen. Ehrlicherweise vor allem, weil ich dachte, ich habe denen gegenüber eh keine Chance. Aber ich habe mit der Zeit auch gelernt, dass ich mich als Sängerin entwickeln kann, das wusste ich am Anfang nicht. Und dann ist da auch noch meine Sprechstimme.
Stört sie Sie?
Ja, tatsächlich, ich möchte gerne, dass sie femininer wird. Ich informiere mich gerade über Möglichkeiten, meine Sprechstimme zu ändern, man kann das üben. Es ist nur eine Menge Arbeit. Man kann zum Beispiel üben, den Hals anders zu halten, wenn man spricht. Oder natürlich Hormone nehmen. Gleichzeitig habe ich Angst davor. Veränderung ist eine beängstigende Sache. Aber für mich ist das auch ein Zeichen dafür, dass es sich lohnen könnte.
Als Zuhörerin und wahrscheinlich auch als Musikerin neigt man oft zum Hilfe suchenden Vergleich, um etwas zu beschreiben. Man sagt dann, diese oder jene Stimme ähnele einer anderen. Ihre Stimme klingt ziemlich einzigartig. Gelingt es Ihnen, das anzuerkennen?
Ich weiss das schon. Ich weiss, dass ich meine eigene Stimme entwickelt habe, das ist mir auch nicht entgangen. Ich schätze meine Stimme, und ein Gedanke schreckt mich dann auch wirklich ab, wenn ich darüber nachdenke, meine Stimme zu verändern. Denn ich will ja auch weiterhin meine alten Songs singen. Wenn sich nun aber meine Stimme verändert, wie werden die sich dann anhören? Ich stehe bei all diesen Dingen immer noch am Anfang.
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