Manche Revolution beginnt mit einem Magnetknopf
Menschen mit Behinderung sind nicht modisch, glaubt die Modeindustrie. Irrtum, sagt ein Wiener Modelabel. Und will nichts mehr als das Unmögliche: Normalität. Serie «Schöne, bessere Welt», Folge 1.
Von Solmaz Khorsand, 02.07.2022
Alles begann mit einem Paar schwarzer Schuhe. Schwarze, klobige Schuhe mit dicken, weissen Sohlen der Marke Rick Owens. Als sie Billy Edel bei einem Konzert vor acht Jahren an den Füssen seines Bekannten sah, hat es Klick gemacht. Er hat die Macht der Mode verstanden. «Er sah einfach aus wie ein Künstler», erinnert sich Edel. Die Schuhe hatten seinen Kollegen abgehoben von den anderen Jungs auf der Bühne. Ein einfaches Paar schwarzer Schuhe.
Edel besorgte sich umgehend das gleiche Paar. Es war der Startschuss zu seiner Verwandlung. Die Klamotten wurden lässiger, die Haare bunter, das Schuhwerk wuchtiger. Edel ist Musiker und Produzent. Ein Künstler eben. Wer seine Videos auf Youtube durchforstet, würde nichts anderes vermuten. Zu sehen ist ein junger Mann mit pink gefärbten Haaren, schrillen Jacken und gelangweiltem «Was geht es mich an»-Blick. «Ich trage Sachen, die sich Leute anziehen, die sich mit Mode beschäftigen, artsy-fartsy Leute halt», erklärt er seinen Stil. Derzeit spielt Edel mit dem Gedanken, mehr Anzüge zu tragen. Eleganter will er aussehen, seinem Nachnamen, den er sich selbst gegeben hat, gerecht werden, ein bisschen so wie Keanu Reeves in seiner Actionrolle als John Wick. Privat will das Edel mal ausprobieren, auf der Bühne soll es vorerst noch schrill bleiben.
In seiner Wohnung in Wien kramt er einige seiner Stücke aus den Videos hervor, seine signature pieces, allen voran die bunten Picasso-Bomberjacken. Mit attitude müssten sie getragen werden, coacht er, als sein Besuch in eine hineinschlüpfen darf. Violett, Grün, Gold und Weiss ist die Polyesterjacke mit dem grossen asymmetrischen Gesicht unter dem Kragen quer über den Zippverschluss. O ja, so eine Jacke braucht definitiv attitude, schreit sie doch förmlich: Seht mich an, hier bin ich!
Billy Edel lebt nach dem Motto. Gewollt und ungewollt. Gewollt im Stil, ungewollt im Rest. Mit 14 Jahren hatte der heute 35-Jährige einen Unfall, ist seitdem querschnittgelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen. Der gebürtige Mongole ist Aufmerksamkeit gewohnt. Von allen Seiten, ausser einer: der Modeindustrie. Nur zaghaft will sie ihn bedienen. Als Mann mit Behinderung wird er in der Regel mit «Reha-Chic» abgefertigt. Funktional und praktisch, weite Ponchos und Hosen mit hohem Gummibund in gedeckten Farben. Nicht unbedingt die Kleidung, die dem Geschmack eines Künstlers entspricht, höchstens, wenn er sie als Performance in seinen Auftritten ironisieren will.
Design ist unnötige Geldverschwendung, nur etwas für Hipster, Schnösel, weltfremde Ästheten? Kommen Sie mit in ein Gefängnis, zu einem Modelabel für Menschen mit Behinderung, zu einem Stadtspaziergang nach Kopenhagen. Sie werden staunen. Zur Übersicht.
Sie lesen: Folge 1
Manche Revolution beginnt mit einem Magnetknopf
Folge 3
«Der Mensch ist die grösste Attraktion des Menschen»
Mode und Behinderung. Die zwei Begriffe gehen für die wenigsten Designerinnen zusammen. Ein Mensch mit Behinderung ist nicht modisch, nicht hip, nicht stilsicher. Ein Mensch mit Behinderung ist vor allem eines: behindert. Und damit viel zu kompliziert für eine Branche, die ohnehin nicht dafür bekannt ist, besonders flexibel zu sein, was den menschlichen Körper angeht. Kleidung erfüllt hier nur den elementarsten Zweck: zu bedecken. Eine Denke, die Josefine Thom auf die Palme treibt. «Man sieht die Behinderung nur als Defizit und als das einzige Merkmal, das diese Personen ausmacht», sagt sie, «als hätten Menschen mit Behinderung keine Individualität.»
Mit ihrem Label MoB, Mode ohne Barrieren, will Thom den Markt aufmischen. 2019 hat sie es gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner Johann Gsöllpointner in Wien gegründet. Beide kommen nicht aus der Branche. Er ist Betriebswirt, sie Sozialpädagogin. Mit Mode hatte Thom bislang wenig zu tun, mit Behinderung dafür umso mehr. Ihre ältere Schwester ist körperlich und kognitiv beeinträchtigt. Nahe stehen sich die beiden Frauen. Josefine Thom erinnert sich, wie sie als Kinder noch die gleichen Kleider getragen haben. Doch als sie älter wurden, gab es für ihre Schwester irgendwann nur mehr die geriatrische Ponchobedeckung. Mit MoB möchte Josefine Thom zeigen, dass da mehr drin ist. Mehr drin sein muss. Wechselnde Designerinnen helfen ihr bei der Umsetzung ihrer Ideen. Das Resultat: Gerade Hemden, Hosen und Jacken ohne Chichi, so wie sie coole Minimalistinnen auf der ganzen Welt tragen, die Garderobe der artsy-fartsy Blase eben.
Thom will beweisen, dass Rollstuhlnutzerinnen, Prothesenträger und Personen, die von multipler Sklerose, spastischen Lähmungen oder Parkinson betroffen sind, mehr zur Verfügung steht als Überstülpmode im Kartoffelsackschnitt. Dass auch sie einen Anspruch auf Ästhetik haben, auf elegante Designerware, massgeschneiderte Winterjacken, weiche Anzugshemden und Frühlingskleider im Karomuster. Und das präsentiert von Models wie Billy Edel, nicht von Männern und Frauen, die für ein Fotoshooting extra in einen Rollstuhl gesetzt werden – und so vorgeben, etwas zu sein, was sie nicht sind.
In Wahrheit geht es dabei um etwas, das revolutionärer nicht sein könnte: ein Stück weit Normalität, die den Unterschied macht zwischen mitleidiger Gafferei und neidischem Staunen. Warum sollte der Typ im Rollstuhl nicht hot aussehen, weil ihm die Jacke gut steht? Oder die Frau mit der Spastik nicht sexy, weil ihr das Kleid schmeichelt? Mode kann das schaffen. Und manchmal noch viel mehr.
Wenn ein Magnetverschluss mehr ist als ein Magnetverschluss
Adaptive fashion heisst der Markt, auf dem diese Revolution beginnt. Ein Segment, das für Branchenfremde ein einziger Aha-Moment ist: von der Unterhose, die sich an der Seite im Sitzen öffnen lässt, bis zum in der Mitte aufklappbaren Sportschuh, der sich ohne Hände anziehen lässt. Statt Knöpfe kommen in dieser Welt Magnete zum Einsatz, mit Taschen auf den Oberschenkeln statt am Hintern, anstelle von Zipps gibt es Klettverschlüsse. Und das sind nur die Basics. In der Hightechvariante experimentieren Designer bereits mit Garn und Stoffen, die etwa die Muskulatur stimulieren; sie entwickeln diskrete Geheimfächer am Bauch in der Hose, um Beutel und Schläuche elegant zu verstecken; und 3-D-Printer, mit denen man sich seine persönliche Armprothese ausdrucken kann.
Adaptive Mode passt sich an. Und zwar nicht an eine willkürlich definierte Körpernorm, sondern an die Bedürfnisse des Tragenden. Wer den ganzen Tag im Rollstuhl sitzt, braucht nun einmal keine Gesässtaschen mit dicken Nähten, die Wunden verursachen. Wer einen künstlichen Darmausgang hat, muss für sein outgesourctes Organ genug Platz in der Hose haben. Und wessen Finger sich verkrampfen, kann nur mit fremder Hilfe ein Hemd mit Knöpfen öffnen oder die Mechanik eines Zippverschlusses knacken. «Mode ist ein grosser Problemlöser, wenn es um Selbstbestimmung geht, denn so ein Magnetverschluss ist viel mehr als nur ein Magnetverschluss», erklärt Josefine Thom, «er ermöglicht es mir, meine Kleidung selbst anzuziehen. So kann ich plötzlich intime Momente geniessen, die ich davor nicht so geniessen konnte, weil ich jedes Mal meine Assistenz rufen musste.»
Erste Versuche in der adaptiven Mode gab es bereits in den 1950er-Jahren. Damals hat Levi’s als erste grosse Marke eine Jeanshose entwickelt, die sich auch an den Seiten öffnen liess. Entworfen für Männer im Rollstuhl oder jene, die auf Krücken gehen. 30 Jahre später reichte das längst nicht mehr. Die Kundschaft wollte mehr. Oder besser, die Angehörigen und Pflegerinnen von Menschen mit Behinderung verlangten nach mehr Angebot für ihre Liebsten und Patienten. Der Markt lieferte. Mit Mode hatte diese Kleidung hingegen wenig zu tun, wurde sie mehr als textiles Medizinprodukt betrachtet, ähnlich wie Krankenhaushemden, praktisch in der Handhabe, beleidigend für das Auge.
Erst in den vergangenen Jahren rückte langsam auch der ästhetische Anspruch in den Vordergrund. Als eines der ersten grossen Modehäuser hat sich Tommy Hilfiger auf den adaptiven Markt gewagt, zuerst 2016 mit einer Linie für Kinder, ein Jahr darauf mit einer für Erwachsene, die seit zwei Jahren auch in Europa erhältlich ist. Kommerziell ein Erfolg, schwärmt Hilfiger in Branchenmagazinen, so sehr, dass jedes Jahr zwei Kollektionen extra nur für adaptive fashion vorgesehen sind. Doch die Konkurrenz zieht trotz der Nachfrage kaum nach.
Warum nicht diesen Markt schröpfen?
Hemmungen hätten die meisten vor dem Markt, weiss die Wiener Designerin Jennifer Yoko Mory. Auch für sie war es Neuland, als sie vor drei Jahren von MoB gefragt wurde, doch etwas für das Label zu entwerfen. Es wurden eine Hose, eine Jacke und ein Magnethemd, der Verkaufsschlager der Marke. Es ist ein schlichtes schwarzes Hemd mit rundem Kragen, Magneten in der Mitte und Knöpfen an den Ellbogen, um es auch auf der Seite einfacher öffnen zu können. Der Baumwollstoff wurde so gewebt, dass Flüssigkeit abperlt – praktisch für jene, die mal öfter etwas verschütten als andere. Details, auf die Mory früher nie geachtet hat. Noch nie hatte sie Mode für Menschen mit Behinderung entworfen. Und genau das war für sie die Herausforderung – sich nicht auf die Behinderung zu konzentrieren, sondern darauf, was für sie sonst immer im Mittelpunkt steht: raffiniertes Design, das in diesem Fall ein paar Anforderungen mehr erfüllen soll.
Eng hat Mory dabei mit den Models zusammengearbeitet, um zu sehen, ob das, was sie sich in der Theorie überlegt hat, auch in der Praxis umsetzbar ist. Sie lacht, wenn sie an die erste Anprobe der Magnethemden denkt. «Alles hat gepiepst», erzählt sie. Die Magnete des Prototyps waren so stark, dass sie die Mechanik des Rollstuhls ihres Fitting-Models durcheinandergebracht haben. Ein Fehler, der sich mit schwächeren Magneten leicht beheben liess. Teamarbeit ist in adaptiver Mode essenziell, das hat Mory schnell begriffen. Erst am Model konnte sie wirklich verstehen, wie steif ein Arm durch eine Spastik tatsächlich sein kann, unmöglich manövrierbar durch einen engen Ärmel – schon gar nicht allein.
Bei der Arbeit bemerkte sie einen Unterschied zwischen jenen Models, die seit ihrer Geburt mit einer Behinderung leben, und jenen, deren Körper sich erst kürzlich verändert hatte. Die einen waren zurückhaltend in ihren Wünschen an die Designerin, weil sie eine gewisse Selbstverständlichkeit, fast schon Resignation dafür entwickelt hätten, was sie sich von Mode erwarten können. Die anderen hatten dagegen ganz konkrete Anforderungen. So bat sie ein Rollstuhlnutzer, bei der Verarbeitung der Hose ein Material zu verwenden, das seine dünnen Oberschenkel breiter wirken lässt. Wer im Rollstuhl sitzt, baut oftmals an den Beinen Muskulatur ab. Um sie kräftiger aussehen zu lassen, müsste man auf weiche Stoffe verzichten, erklärt Mory, Denim würde sich in so einem Fall besser eignen.
Viel hat Mory, die früher auch für Vivienne Westwood designt hat, in dieser Zusammenarbeit gelernt. Mehr als im Studium, wie sie gesteht. «Auf der Uni haben wir absolut nichts zu adaptiver Mode gemacht», kritisiert sie. Zwei Gründe hätte das gehabt. Einerseits die Designer selbst. Einige Kolleginnen würden nur ungern ihre Entwürfe von Rollstuhlnutzern repräsentiert sehen. Zu wenig Prestige, zu viel Stigma. Andererseits wurde Mory damals, vor zehn Jahren, vermittelt, dass mit adaptiver Mode kein Geld zu machen sei. Zu klein sei die Nische, und zudem viel zu divers, untauglich für Massenproduktion – denn was für jemanden im Rollstuhl funktioniert, funktioniere ja nicht für jemanden, der kleinwüchsig ist, an Muskelschwund leidet oder eine Beinprothese hat. Es zahle sich einfach nicht aus, für «diese Nische» zu entwerfen.
Die Nische, das sind eine Milliarde Menschen. Knapp 15 Prozent der Weltbevölkerung leben mit einer Behinderung. Und sie haben auch Geld. In den USA schätzt man ihr verfügbares Einkommen auf 490 Milliarden Dollar. Im Durchschnitt haben Personen mit Behinderung zwar 35 Prozent weniger Einkommen zur Verfügung als Personen ohne Behinderung. Doch genug, um sich modisch auszutoben, wie Analysten befinden. Sie prophezeien, dass der globale Markt für adaptive Mode bis 2026 fast 400 Milliarden Dollar wert sein soll. Wieso ihn also nicht trotz aller Diversität nach guter alter kapitalistischer Manier einfach nur schröpfen? Woher die Annahme, dass da kein Geld zu holen sei?
Danielle Sheypuk weiss, wieso. Die Psychologin war das erste Model im Rollstuhl, das 2014 bei der New Yorker Fashion Week am Laufsteg zu sehen war. Im Gespräch mit dem «Guardian» erklärte sie, warum sie von der Modeindustrie ignoriert wird als Kundin, die so gern Pumps von Christian Louboutin, Röcke von Dolce & Gabbana und Kostüme von Chanel tragen würde – und es sich leisten könnte: «Menschen mit Behinderung gelten allgemein als asexuell, bemitleidenswert und hilflos», sagte sie im Interview, «und dieses schreckliche Image ist das komplette Gegenteil von dem, was Mode repräsentieren möchte.»
Seid eingeschüchtert!
«Ich liebe es, wenn Menschen mit Behinderung sexy aussehen», sagt Yuria Knoll. Gebannt schaut sie auf ihr Handy und scrollt durch eine Seite. Es ist Freitagnachmittag, in einem Café in Wien, unweit ihrer Wohnung. Zum ersten Mal hört die 25-Jährige von der Seite «Cur8able» von Stephanie Thomas. Die US-Amerikanerin hat sich auf das Styling von Menschen mit Behinderung spezialisiert. Ihre Testimonials sind Männer und Frauen, die jedem Promi auf dem roten Teppich Konkurrenz machen. «Oh, das ist nice! Wie geil! I like it», jubelt Knoll. Auch sie ist ein Testimonial. Für das Gespräch trägt sie den blauen Pullover, mit dem sie bereits in einigen Medien als Model abgebildet wurde: «Dein Event ist Oasch. Baut mehr Rampen», steht da geschrieben. Eine Haltung, die sie zu 100 Prozent unterschreibt. Als Schauspielerin im Rollstuhl hat sie die Nase voll davon, wie oft sie bei miserabel organisierten Veranstaltungen für ihre Arbeit um eine Rampe bitten muss.
Seit ihrer Geburt lebt Knoll mit einer Behinderung. Welche, will sie nicht sagen, das gehe niemanden etwas an, andere müssten schliesslich auch nicht permanent ihre Krankengeschichte mit der ganzen Welt teilen. Schon oft haben Labels bei Yuria Knoll angeklopft und gefragt, ob die Künstlerin, die an namhaften österreichischen Theatern gespielt hat, nicht für sie modeln würde. Immer hat Knoll abgelehnt, zu alt und zu hässlich sah die Mode aus, und die Models, die dabei fotografiert wurden, wirkten nicht unbedingt so, als hätten sie eine gute Zeit beim Shooting gehabt. Bei Josefine Thoms MoB war das anders. Da mochte sie die Kleidung, das Styling und den roten Lippenstift. Hot war das. «Für mich ist es hot, wenn ich das Gefühl habe, dass etwas extra für mich gemacht wurde. Mit einem Schnitt, wo alles sitzt und nichts wackelt», sagt Knoll, die im Gespräch gerne ins Englische switcht: «Das ist der confidence boost des Jahrhunderts, das fühlt sich geil an.»
Ein Gefühl, das ihr die Gesellschaft sonst nicht zugesteht. Mit 18 Jahren hat Knoll einmal einen kurzen Rock getragen. Prompt wurde sie auf der Strasse von einer fremden Frau zurechtgewiesen, dass «ein Mädchen wie sie» so was nicht tragen sollte. Ein anderes Mal hatte sie ein Shirt mit einem tiefen Ausschnitt an, und ein Mann musste ihr erklären, dass das in «ihrem Zustand» unpassend sei. Sie schüttelt den Kopf. Sie kennt den Gedankengang nur zu gut. Es ist der gleiche, der stattfindet, wenn sie Leuten erzählt, dass sie als Schauspielerin am Liebsten romantische Rollen spielt. Eine Frau im Rollstuhl hat kein love interest zu sein. Sie ist nicht sexy, soll nicht mit ihren Reizen spielen, darf nicht verführen. «Es hat mit Macht zu tun, behinderten Menschen die Sexualität abzusprechen», sagt Knoll. «Du nimmst mir da etwas weg, und zwar Selbstbestimmung und Selbstausdruck.»
Deswegen feiert sie es auch, wenn sie Schauspielerinnen wie Lauren «Lolo» Spencer auf der «Cur8able»-Website mit Mode und Make-up so gestylt sieht, dass sie das konterkarieren. Nichts an ihnen wirkt ohnmächtig. Im Gegenteil. Ihre Attraktivität schüchtert ein. Und genau das wünscht sich Yuria Knoll. «I want able-bodied people to be intimidated», sagt sie, «you should be.» Die Nicht-Behinderten sollen eingeschüchtert sein, und zwar alle.
Und Mode schafft das. Bei allen.
Adaptive Mode kann teuer werden. Im deutschsprachigen Raum handhaben das die Krankenkassen unterschiedlich. Während in Österreich nichts von der Krankenkasse vergütet wird, gibt es in Deutschland Zuschüsse bei der Winterjacke und bei Fussschutzsäcken. In der Schweiz bezuschussen die Krankenkassen einen Regenschutz, wobei der Selbstbehalt bei 75 Franken liegt. Bei Personen mit «Störungen des Wachstums» oder skelettalen Deformationen übernimmt die Versicherung die Kosten für massgeschneiderte Kleidung. Sie bezahlt jeweils die Mehrkosten, also entweder die Abänderung von «normaler» Kleidung oder die Herstellung von Massanfertigungen.